Linz, 06.09.2010
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt, X, gegen gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 7.7.2010, Zl. VerkR21-143-2010, nach der am 6.9.2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, zu Recht:
Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Entzugsdauer der Lenkberechtigung und die ausgesprochenen Verbote auf vier (4) Monate reduziert werden.
Die Anordnung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens, sowie der Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme wird behoben.
Die angeordnete Nachschulung (Einstellungs- u. Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker) wird bestätigt.
Der Eintrag im Führerscheinregister ist entsprechend zu korrigieren.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – AVG, § 7 Abs.1, Abs.3 Z1, § 17 Abs.2 Z3, § 24 Abs.1 Z1 und Abs.3 Z3, § 26 Abs.2 Z4 Führerscheingesetz – FSG, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2009.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit dem angefochtenen Bescheid die Vorstellung über ihren Mandatsbescheid vom 4. Mai 2010 (gleiche Aktenzahl), nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren abgewiesen und mit nachfoglenden Spruch diesen im gesamten Umfang bestätigt.
1.1. Begründend wurde folgendes ausgeführt:
2. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner durch den Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung entgegen. Im Ergebnis inhaltsgleich wie im parallel laufenden Verwaltungsstrafverfahren wird vorgebracht, dass angesichts des getätigten Alkohokonsum auch noch nach diesem Parkschaden von einer geringeren Alkoholbeeinträchtigung zum Lenkzeitpunkt auszugehen sei. Der Verweis auf die einschlägige Judikatur des VwGH über den Nachtrunk wird mit Blick auf die Beweiswürdigung als unzulässig gerügt.
Auch den herbeigeführten geringfügigen Schaden habe er nicht bemerken können. Weiters hebt der Berufungswerber den nicht sehr hohen Unwertgehalt der Verwaltungsübertretung hervor, zumal diese nur beim Umstellen des Fahrzeuges am Parkplatz geschehen sei.
Offenbar irrtümlich wird in der Folge die Überschreitung des Grenzwertes von „0,4 mg/l“ mit 0,8 Promillen verwechselt.
Abschließend vermeint der Berufungswerber die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wäre durch die Sachverhaltsgrundlage mangels Gefahr in Verzug nicht gedeckt. Er stellt den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die ersatzlose Bescheidbehebung und die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Blick auf die tatsächlich gegeben gewesene Alkoholisierung und in eventu die Entzugsdauer auf einen Monat zu reduzieren.
2.1. Mit diesem Vorbringen ist der Berufungswerber im Recht!
3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung der inhaltsgleichen erstinstanzlichen Aktenlage im Verfahren zu VwSen-165256. Der den Atemlufttest durchführende Polizeibeamte GI X wurde auch im Rahmen des Berufungsverfahrens als Zeuge einvernommen. Im Vorfeld wurde die der Nachtrunkerantwortung zu Grunde liegende Alkoholsubstanz mittels sogenannten Alkorechner errechnet.
Die Berufungswerber wurde als Beschuldigter gehört. Ebenfalls nahm eine Vertreterin der Behörde erster Instanz an der Berufungsverhandlung teil.
4. Sachverhalt:
In Bindung an die im h. Verwaltungsstrafverfahren, GZ.: VwSen-165256/./Br rechtskräftige Feststellung, verursachte der Berufungswerber am 24.4.2010 gegen 23:45 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Lokal „X“ in Bad Schallerbach, einen geringfügigen Parkschaden. Dies nachdem er über persönliche Aufforderung eines Lenkers des Heinbringerdienstes, auf dessen Parkplatz er sein Fahrzeug abgestellt hatte, dieses umparkte und dabei ein anderes Fahrzeug leicht beschädigte. Anlässlich dieses „Umparkvorganges“ legte der 500 m von diesem Lokal entfernt wohnende Berufungswerber insgesamt nur 30 m zurück. Auf dem Rückweg ins Lokal wurde er von einer ihm unbekannten Person auf den verursachten Parkschaden angesprochen. Dies ignorierte er jedoch.
Im Lokal kosumierte er dann noch zwei Achtel Wein, ehe er, diesmal über Lautsprecher, abermals aus dem Lokal gebeten wurde.
Vor dem Lokal erwartete ihn die Polizei. Er wurde mit dem Vorwurf des Pakrschadens konfrontiert und es wurde vor Ort ein sogenannter Vortest und anschließend um 0:38 Uhr auf der Polizeiinspektion Schallerbach ein Alkotest – mit dem bekannten Ergebnis - durchgeführt.
4.1. Die Behörde erster Instanz folgte dem bereits im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme vorgetragenen Einwand eines weiteren Alkoholkonsums mit dem Hinweis auf die Judikatur nicht, weil dieser nicht auch bereits gegenüber dem einschreitenden Polizeibeamten erwähnt und exakt bewiesen worden sei. Diesbezüglich verwies die Behörde erster Instanz im angefochtenen Bescheid auf die einschlägige Judikatur.
Aus der Sicht der Berufungsbehörde ist der Verantwortung des Berufungswerbers aber durchaus zu folgen gewesen. So ist es einerseits nicht wirklich gesichert, dass der Berufungswerber überhaupt über sein Konsumverhalten nach dem Vorfall dezidiert gefragt wurde. Dies vermochte der Meldungsleger, wie auch schon in seiner Zeugenaussage vor der Behörde erster Instanz am 7.6.2010, auch anlässlich der Berufungsverhandlung nicht mit Sicherheit darzustellen. Er vermeinte wohl eher schon danach gefragt zu haben, aber sicher konnte er dies nicht sagen. Der Meldungsleger erinnerte sich über die eher geringe Auskunftsfreudigkeit des Berufungswerbers anlässlich der Amtshandlung.
Das die exakten Zeiten und Quanten eines Alkoholkonsums anlässlich eines ganzen Abends, insbesondere bei einer nicht unerheblichen Alkohohlbeeinträchtigung nicht evident sind, ist wohl nicht zu verleugnen. Vielmehr erscheint es vor dem Hintergrund des bloß kurzzeitigen Verlassens des Lokals zum Wegstellen des Fahrzeuges durchaus logisch, das am Tisch befindliche Getränk nach der Rückkehr weiterkonsumiert und noch Getränke nachbestellt zu haben.
Der bisher gänzlich unbescholtene Berufungswerber machte im Rahmen der Berufungsverhandlung auch einen durchaus soliden Eindruck, wobei im auch darin gefolgt werden kann, dass er im Wissen seines Alkoholkonsums den Heimweg über 500 m nicht mehr mit dem Pkw, sondern zu Fuß tätigen hätte wollen. Ebenfalls konnte er angesichts des ihm nicht evident gewordenen Parkschadens nicht mit einer polizeilichen Konfronation rechnen, sodass die nur vage beantworteten Fragen zu seinem Alkoholkonsum vor und nach dem Vorfall um 23:45 Uhr, seiner Glaubwürdigkeit, über den Konsum von Alkohol auch noch nach der bloß ganz kurzen Unterbrechung seines Lokalbesuches, keinen Abbruch tun.
So ist es auch durchaus realistisch, dass er, nachdem er von einer ihm bekannten Person [dem Lenker des Heimbringerdienstes] zum Wegstellen seines Pkw´s aufgefordert wurde, sein Getränk am Tisch stehen ließ und anschließend dieses wieder weiter genossen hat. Vielmehr wäre es eher lebensfremd, hätte er im Gegensatz zu seinem offenkundig bis dahin als wohl offensiv bezeichenbaren Trinkverhalten nichts mehr getrunken.
Wollte die Behörde erster Instanz dem vom Berufungswerber eingewendeten Konsum von Wein nach dem Umstellen seines Fahrzeuges, lediglich mit dem Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen glauben schenken, würde sie den Sinn dieser Judikatur verkennen. Diese besagt im Ergebnis, dass es keinen Verfahrensmangel darstellt, wenn einem Nachtrunkeinwand nicht gefolgt wird, der nicht ehest und nicht in einer nachvollziehbaren Deutlichkeit erhoben wird.
Dem kann jedoch nicht der Inhalt einer bindenden Beweisregel der Gestalt zugesonnen werden, dass die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung nicht den Denkgesetzen folgend im Sinne des Grundsatzes eines „fair trial“ auf den Einzelfall bezogen die Beweislage zu würdigen hätte und sich bloß auf die Judikatur berufen bräuchte.
Hier gab doch der Meldungsleger selbst im Rahmen seiner zeugeschaftlichen Befragung vor der Behörde erster Instanz an, er könne zu den Angaben des Berufungswerbers über den Nachtrunk „nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob diesbezüglich der Proband gefragt wurde.“
Die zitierte Judikatur besagt auch nicht, dass ein Nachtrunk völlig exakt erfasst werden müsste um überhaupt anerkennbar zu sein. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn – so wie hier – ein Trinkverhalten noch keinen Bezug zu einem verfahrensrelevanten Ereignis herstellen lässt. Sonst müsste letztlich im Ergebnis jeder nach einer Fahrereignis stattfindende Alkoholkonsum gleichsam vorsichtshalber notiert werden um nicht Gefahr zu laufen diesen gegebenenfalls nicht mehr exakt benennen zu können.
Es kann daher nur der Beweiswürdigung im Einzelfall obliegen, ob ein Nachtrunk mit den realen Lebensabläufen in Einklang zu bringen und letztlich glaubwürdig ist oder nicht.
Demnach ergibt sich unter der Annahme des im Rahmen der Berufungsverhandlung vom Berufungswerber eingeräumten Alkoholkonsums eine zum Lenkzeitpunkt erwiesene Beeinträchtigung durch Alkohol lediglich im Umfang von mehr als 0,6 mg/l aber weniger als 0,8 mg/l.
Dieses Ergebnis wurde mit einem sogenannten Alkoholrechner unter Berücksichtigung der physischen Parameter des Berufungswerbers (93 kg Körpergewicht, 175 cm Körpergröße, in einer Zeit von knapp einer Stunde) rückgerechnet.
Der dem Berufungswerber nach dem Umstellen seines Fahrzeuge geglaubte Konsum von noch zwei Achtel Wein führt bei ihm nach gesamter Resorption zu einer Blutalkoholkonzentration von 0,27 Promillen. Dieses Ergebnis ist vom Messergebnis abzuziehen, wobei der zwischenzeitig innherhalb einer knappen Stunden wiederum erfolgte Abbau von zumindest 0,1 Promille zum Messergebnis hinzuzurechnen ist. Daraus folgt letztlich, dass nur von einem als gesichert geltenden Blutalkoholwert von 1,53 Promillen [entspricht ~ 0,765 mg/l] ausgegangen werden kann.
Dem Berufungswerber war daher in seiner Verantwortung zu folgen gewesen. Sein Beweisantrag auf Beiziehung eines Sachverständigen zwecks Rückrechnung wurde letztlich nicht mehr aufrecht erhalten. Angesichts der vom Messergebnis her unbestrittenen Faktenlage waren keine weiteren Beweise zu führen.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Nach § 7 Abs.1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hierbei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
...
Durch § 26 Abs.1 FSG (Sonderfälle der Entziehung) ist für den Fall einer erstmaligen Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs.1a StVO 1960 – von einer solchen ist gemäß dem Beweisergebnis auszugehen – die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen.
Der hier zusätzlich der Wertung zu unterziehende und wohl unbemerkt gebliebenen bloße Parkschaden vermag nicht als zusätzliches negatives Wertungskrieterium herhalten, welches eine über die gesetzlich definierte Entzugsdauer hinaus einen Entzug rechtfertigen könnte. Dies auch hier mit Blick auf die bisher gänzlich unauffällige Verkehrsteilnahme des seit 15.4.1976 im Besitz einer Lenkberechtigung der Klassen A u. B befindlichen Berufungswerbers.
Nach § 7 Abs.3 leg.cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hierbei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat;
…
Für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind gemäß § 7 Abs.4 FSG deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
Gemäß § 24 Abs.3 FSG kann die Behörde bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen.
Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs.3a eine Nachschulung anzuordnen:
1. wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt,
2. wegen einer zweiten in § 7 Abs.3 Z4 genannten Übertretung innerhalb von zwei Jahren oder
3. wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs.1 oder 1a StVO.
Der Berufung war sohin auch im sogenannten Führerscheinverfahren teilweise statt zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Auf die zu entrichtenden Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro wird abschließend hingewiesen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r