Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164670/2/Zo/Ps

Linz, 23.02.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. X, vom 21. Dezember 2009 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 15. Dezember 2009, Zl. VerkR96-21524-2009, wegen einer Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

I.             Die Berufung wird im Schuldspruch abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis insoweit bestätigt.

 

II.           Bezüglich der Strafhöhe wird der Berufung teilweise stattgegeben und die Geldstrafe auf 60 Euro sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 30 Stunden herabgesetzt.

 

III.        Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten reduzieren sich auf 6 Euro, für das Berufungsverfahren sind keine Kosten zu bezahlen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I. und II.:    § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG;

zu III.:             §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I. und II.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 10. März 2009 um 14.31 Uhr als Lenker des Lkw mit dem Kennzeichen X, welches ein höchstzulässiges Gesamtgewicht von 17.990 kg aufweist, das Verbotszeichen "Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t ausgenommen Ziel- oder Quellverkehr für den Bezirk Vöcklabruck" nicht beachtet habe. Als Tatort wurde die B1 in der Gemeinde Frankenmarkt bei Strkm. 261,652 angegeben.

Der Berufungswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit.a Z7a StVO 1960 iVm der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 23. September 2008, Zl. VerkR01-1156-2-2006, begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 10 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung brachte der anwaltlich vertretene Berufungswerber zusammengefasst vor, dass der Tatvorwurf, das Fahrverbot "nicht beachtet" zu haben, an der Bestimmung des § 52 lit.a Z7a StVO 1960 vorbeigehe.

 

Weiters sei das nach § 1 Abs.2 VStG geltende Günstigkeitsprinzip zu berücksichtigen. Zum Tatzeitpunkt am 10. März 2009 sei zwar die angeführte Verordnung in Kraft gewesen, bei dieser habe es sich um die zweite Verordnung in Zusammenhang mit dem Lkw-Fahrverbot auf der B1 im Bereich Frankenmarkt gehandelt. Diese Verordnung habe den gesamten Ziel- und Quellverkehr im Bezirk Vöcklabruck ausgenommen. Es sei aber nicht berücksichtigt worden, dass zum Zeitpunkt der Fällung des Straferkenntnisses diese Verordnung durch eine neue Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 28. April 2009, Zl. VerkR01-1156-3-2006, ersetzt worden sei. In dieser (dritten) Verordnung seien nicht nur alle Gemeinden des Bezirkes vom Fahrverbot im Ziel- oder Quellverkehr ausgenommen, sondern weiters auch die Gemeinden X und X sowie Strasswalchen und X am X.

 

Der von ihm gelenkte Lkw der Firma X Transport GmbH habe seinen Sitz in Strasswalchen und falle daher seit der dritten Verordnung unter den erlaubten Ziel- und Quellverkehr.

 

Auch wenn diese günstigere Rechtslage erst während des Berufungsverfahrens wirksam geworden wäre, würde dies in verfassungskonformer Interpretation des § 1 Abs.2 VStG zur Straflosigkeit seines Verhaltens führen. Dies deshalb, weil Art. 7 Abs.1 EMRK nicht nur das Verbot der rückwirkenden Anwendung strengerer Strafgesetze enthalte, sondern auch das Gebot der rückwirkenden Anwendung milderer Strafgesetze und zwar bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens. Dies ergebe sich aus dem Urteil des EGMR vom
17. September 2009 im Fall Skopola gegen Italien. Dieser in vielen Rechtsstaaten allgemein gültige Grundsatz der Rückwirkung milderer Strafsätze müsse nicht nur in jenen Fällen gegeben sein, in welchen der Strafrahmen herabgesetzt wurde, sondern auch in jenen, in welchen die Strafbarkeit des Verhaltens zur Gänze weggefallen ist. Der Berufungswerber führte dazu weitere Judikaturbeispiele aus der Rechtsprechung des EuGH sowie des OGH und des VfGH an.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war. Der anwaltlich vertretene Berufungswerber hat eine solche auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber lenkte am 10. März 2009 um 14.31 Uhr den Lkw mit dem Kennzeichen X auf der B1 bei Strkm. 261,652. Er kam von Pennewang (Wels) und sein Fahrtziel befand sich in Strasswalchen. Der gegenständliche Lkw hat ein höchstes zulässiges Gesamtgewicht von 17.990 kg.

 

Zu diesem Zeitpunkt war für den gegenständlichen Bereich ein Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t verordnet. Von diesem Verbot waren Fahrten im Ziel- oder Quellverkehr für den Bezirk Vöcklabruck ausgenommen (Verordnung des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 23. September 2008, Zl. VerkR01-1156-2-2006). Diese Verordnung wurde durch eine weitere Verordnung des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 28. April 2009, Zl. VerkR01-1156-3-2006, dahingehend abgeändert, dass vom Lkw-Fahrverbot Fahrten im Ziel- oder Quellverkehr für den Bezirk Vöcklabruck sowie die Gemeinden Strasswalchen, X, X und X ausgenommen wurden.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Das Verkehrszeichen gemäß § 52 Z7a StVO 1960 "Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge" zeigt an, dass das Fahren mit Lastkraftfahrzeugen verboten ist. Eine Gewichtsangabe bedeutet, dass das Verbot nur für ein Lastkraftfahrzeug gilt, wenn das höchste zulässige Gesamtgewicht des Lastkraftfahrzeuges oder das höchste zulässige Gesamtgewicht eines mitgeführten Anhängers das im Zeichen angegeben Gewicht überschreitet.

 

Gemäß § 1 Abs.2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger werde.

 

Gemäß Art. 7 Abs.1 EMRK darf niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.

 

5.2. Das Ziel der gegenständlichen Fahrt befand sich in Strasswalchen, dieses Ziel war zum Tatzeitpunkt nicht vom Fahrverbot ausgenommen. Der Berufungsweber hat daher – unter Berücksichtigung der zum Tatzeitpunkt geltenden Ausnahmen vom Lkw-Fahrverbot – die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht begangen.

 

Diese Verordnung wurde jedoch in der Zwischenzeit abgeändert, seit 28. April 2009 wäre die gegenständliche Fahrt vom Lkw-Fahrverbot ausgenommen gewesen, weil sich ihr Ziel in Strasswalchen befunden hat.

 

Art. 7 der EMRK enthält auch nach der neuesten Rechtsprechung des EGMR (X gegen Italien) "nur" das Prinzip der Rückwirkung milderer Strafgesetze. Der EGMR führte dazu zusammengefasst aus, dass sich dieser Rechtsgrundsatz zwar nicht aus dem Wortlaut des Art. 7 EMRK ergebe, unter Berücksichtigung der internationalen Entwicklung jedoch die Bestimmung in diesem Sinne auszulegen ist. Dieses vom EGMR anerkannte Prinzip ist in § 1 Abs.2 VStG – soweit hier von Belang – ohnedies verwirklicht.

 

Nach § 1 Abs.2 VStG wirken mildere Strafgesetze (im Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens) jedenfalls zurück. Im Fall X gegen Italien beschäftigt sich der EGMR "nur" mit Änderungen im Bereich der Strafdrohung, nicht aber mit der Frage, was zu gelten hat, wenn ein bestimmtes Verhalten wegen einer Änderung der Rechtslage überhaupt nicht mehr strafbar ist. Diese Frage wird von der österreichischen Rechtsprechung dahingehend gelöst, dass der Täter nicht mehr bestraft werden kann, wenn das (ursprünglich strafbare) Verhalten zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Straferkenntnisses überhaupt nicht mehr strafbar ist. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Gesetzgeber das strafrechtliche Unwerturteil über die Nichtbefolgung eines bestimmten Verbotes unverändert aufrecht erhalten hat. In diesem Fall bleibt das zum Tatzeitpunkt verbotene Verhalten weiter strafbar.

 

Im konkreten Fall wurde das Lkw-Fahrverbot grundsätzlich nicht verändert, sondern es wurden lediglich die Ausnahmen vom Fahrverbot erweitert. Die konkrete Fahrt wäre nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Straferkenntnisses nicht mehr strafbar, weil sie zu dieser Zeit vom Fahrverbot ausgenommen gewesen wäre. Diese Situation ist am ehesten mit den sogenannten "Zeitgesetzen" vergleichbar, also Regelungen, die von vornherein nur für eine bestimmte Zeit gegolten haben. Gerade im Verkehrsbereich sind solche Situationen durchaus häufig, weil viele Verkehrsbeschränkungen (zum Beispiel in Zusammenhang mit Baustellen) nur zeitlich eingeschränkt gelten. Verstöße gegen solche zeitlich befristete Verordnungen bleiben nach der ständigen Rechtsprechung auch strafbar, wenn die Verordnung bereits außer Kraft getreten ist. Diese Rechtsprechung kann damit begründet werden, dass das strafrechtliche Unwerturteil bei einem Verstoß gegen ein Verkehrsverbot auch dann aufrecht bleibt, wenn das konkret verletzte Verbot in der Zwischenzeit außer Kraft getreten ist.

 

Im gegenständlichen Fall kommt noch dazu, dass die relevante Verordnung nicht zur Gänze aufgehoben wurde, sondern "nur" die Ausnahmen erweitert wurden. Die Missachtung des Lkw-Fahrverbotes blieb weiter strafbar, es wurden lediglich mehr Fahrten, nämlich jene, deren Ziele oder Quelle in der durch die Änderung der Verordnung vergrößerten Region lagen, vom Fahrverbot ausgenommen. Damit blieb aber auch das Unwerturteil, welches mit einer Missachtung des Lkw-Fahrverbotes verbunden ist, unverändert aufrecht. Der Berufungswerber kann sich daher nicht auf § 1 Abs.2 VStG (bzw. auch nicht allgemein auf das Prinzip der Rückwirkung milderer Strafgesetze) berufen.

 

Entgegen dem Berufungsvorbringen ist der Tatvorwurf im Spruch des Straferkenntnisses vollständig, weil dem Berufungswerber vorgeworfen wird, das konkrete Fahrverbot "als Lenker" eines Lkw missachtet zu haben. Damit ist eindeutig klargestellt, dass ihm das Fahren mit dem gegenständlichen Kraftfahrzeug vorgeworfen wird.

 

Der Berufungswerber hat damit die ihm vorgeworfene Übertretung in objektiver Hinsicht zu verantworten und das Verfahren hat keine Hinweise auf mangelndes Verschulden ergeben. Es ist daher gemäß § 5 Abs.1 VStG von fahrlässigem Verhalten auszugehen.

 

 

5.3. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die gesetzliche Höchststrafe für die gegenständliche Übertretung beträgt gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 726 Euro.

 

Der Berufungswerber war zum Tatzeitpunkt unbescholten, was einen erheblichen Strafmilderungsgrund bildet. Sonstige Strafmilderungs- oder Straferschwerungs­gründe liegen hingegen nicht vor. Zugunsten des Berufungswerbers ist weiters zu berücksichtigen, dass zumindest beim Lenken von Lkw seines Arbeitgebers keine Wiederholungsgefahr besteht, weil diese aufgrund ihres Standortes jetzt vom Lkw-Fahrverbot ausgenommen sind. Allerdings ist damit nicht gänzlich ausgeschlossen, dass der Berufungswerber mit einem anderen Lkw fährt, dessen Ziel oder Quelle nicht im Ausnahmebereich der Verordnung liegt.

 

Unter Berücksichtigung dieser Umstände scheint eine Herabsetzung der erstinstanzlichen Geldstrafe gerechtfertigt, wobei auch die herabgesetzte Strafe dem Unrecht der Übertretung gerecht wird. Diese entspricht auch den persönlichen Verhältnissen des Berufungswerbers, welcher nach der erstinstanzlichen Einschätzung (dieser wurde nicht widersprochen) über ein monatliches Einkommen von 1.300 Euro bei keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten verfügt.

 

Zu III.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 


 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

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