Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231124/2/Sr/Fu/Ba

Linz, 07.09.2010

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, x, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 30. Juni 2010, Gz.: S-8.730/10-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.     Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 45 Abs 1 Z 2, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 (AVG);

zu II: §§ 65, 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 30. Juni 2010, Gz.: S-8.730/10-2, wurde der Berufungswerber (in der Folge: Bw) wie folgt für schuldig befunden:

 

"Wie vom Fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 14.01.2010 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 01.07.2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 120 Abs 1 Z 2 iVm § 31 Abs 1 Z 2 - 4 und 6 Fremdenpolizeigesetz (FPG) als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung über den Bw eine Geld­strafe in der Höhe von 1.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen.

 

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen stellte die belangte Behörde fest, dass der Bw nicht österreichischer Staatsangehöriger und damit Fremder iSd FPG ist. Da er keine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG erfülle, halte er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Dies sei aufgrund der Anzeige vom 14. Jänner 2010 und aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen.

 

Zu den Rechtfertigungsangaben des Bw stellte die belangte Behörde fest, dass der Aufenthalt eines Fremden erst mit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und nicht schon nach der Stellung eines darauf abzielenden Antrags rechtmäßig sei.

 

Die belangte Behörde schloss ihre Ausführungen mit Erwägungen zur Strafbemessung.

1.2. Gegen das Straferkenntnis, das dem Bw am 5. Juli 2010 durch Hinterlegung zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende, am 15. Juli 2010 – somit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung. Die Berufung wurde bei der belangten Behörde eingebracht.

In der Berufung bekämpft der Bw das Straferkenntnis vollinhaltlich aus mehreren Gründen:

Zum Ersten bringt der Bw in der Berufung die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Straferkenntnisses vor. Ein rechtmäßiger Aufenthalt ergebe sich nicht nur aus den von der Behörde herangezogenen Ziffern 2 - 4 und 6 des § 31 Abs 1 FPG, sondern ebenso aus der Ziffer 7, wonach sich ein rechtmäßiger Aufenthalt auch aus anderen bundesgesetzlichen Bestimmungen ergeben kann, die jedoch von der Behörde willkürlicher Weise unberücksichtigt geblieben sei. Im vorliegenden Fall ergebe sich unter Hinweis auf VwGH Zl. AW 2009/21/0149-5 vom 14.09.2009 ein Aufenthaltsrecht aus § 44 Abs 3 NAG. Der Bw habe schon im April 2009 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - beschränkt gemäß § 44 Abs 3 NAG gestellt. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde sohin nicht von einem unrechtmäßigen Aufenthalt ausgehen können.

Zum Zweiten bringt der Bw vor, dass die Behörde – bei Annahme der fehlenden Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens – jedenfalls von der Verhängung einer Strafe absehen hätte müssen. Die Begründung der Behörde, dass ein Absehen von der Bestrafung nicht in Betracht kommen könne, da laut Verwaltungsgerichtshof ein hohes Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften im Hinblick auf die öffentliche Ordnung bestehe und der Bw diese verletzt hätte und von daher keine lediglich unbedeutenden Folgen der Verwaltungsübertretung vorliegen würden, sei nicht nachvollziehbar und auf den Bw nicht zutreffend. Hätte die belangte Behörde richtigerweise den Antrag nach § 44 Abs 3 NAG berücksichtigt, hätte sie von unbedeutenden Folgen ausgehen müssen und von einer Bestrafung absehen müssen. Der Bw legt eine Bestätigung der Caritas vor, wonach er derzeit keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalte, und daher derzeit kein Einkommen habe, weshalb er die Strafe nicht bezahlen könne.

Schließlich stellt der Bw die Anträge, die Berufungsbehörde möge das Straferkenntnis aufheben und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügen, in eventu von einer Strafverhängung absehen.

2.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Verwaltungsstrafakt, Gz.: S-8.730/10-2, samt Berufungsschrift ohne von der Möglichkeit der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 16. August 2010 zur Entscheidung vorgelegt.

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Strafverfahrensakt und die Berufungsschrift.

Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

2.3.  Aufgrund der Aktenlage ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

Der Bw ist Staatsangehöriger von Vietnam und reiste im März 2003 illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich ein und stellte einen Asylantrag. Das Asylverfahren ist seit 6. Februar 2009 rechtskräftig negativ entschieden.

Am 21. April 2009 stellte der Bw einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - beschränkt. Über diesen Antrag wurde bislang nicht entschieden.

Mit Bescheid vom 9. April 2009 wurde gemäß § 53 FPG über den Bw die Ausweisung verfügt, die seit 2. Mai 2009 rechtskräftig ist.

Mit Schreiben vom 4. März 2010 wurde der Bw aufgefordert, sich zu dem ihm zur Last gelegten Vorwurf der Übertretung des § 120 Abs 1 Z 2 FPG zu rechtfertigen. Dieser Aufforderung, die dem Bw am 12. März 2010 durch Hinterlegung zugestellt wurde, ist der Bw mit der Stellungnahme vom 18. Mai 2010 nachgekommen, in der er die Unrechtmäßigkeit seines Aufenthalts bestreitet, indem er auf den Antrag auf die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung – beschränkt hinweist.

Daraufhin erließ der Polizeidirektor von Linz am 30. Juni 2010 das Straferkenntnis, mit dem der Bw für schuldig befunden wurde, § 120 Abs 1 Z 2 FPG übertreten zu haben. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung.

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

3.1. Gemäß § 120 Abs 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl. I. Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Gemäß § 1 Abs 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. Im Fall von fortgesetzten Delikten oder Dauerdelikten orientiert sich die Beurteilung am Zeitpunkt der Setzung des letzten Teilaktes bzw. der Beendigung des mit Strafe bedrohten Handelns (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz [2010], §1 Anm. 8). Es ist daher auf § 120 Abs 1 FPG idF BGBl. I Nr. 135/2009 abzustellen.

Nach § 2 Abs 4 Z 1 FPG ist ein Fremder im Sinne des FPG, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt.

Nach § 31 Abs 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes  nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

§ 44b Abs 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009 lautet wie folgt:

 

"Anträge gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz. Ebenso stehen sie der Erlassung und Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen nicht entgegen und können daher in fremdenpolizeilichen Verfahren keine aufschiebende Wirkung entfalten. Verfahren gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 gelten über die Fälle des § 25 Abs. 2 hinaus als eingestellt, wenn der Fremde das Bundesgebiet verlassen hat."

 

§ 44a VStG regelt schließlich, welche Anforderungen an den Spruch eines Straferkenntnisses zu stellen sind. Er lautet:

 

"§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten."

3.2.1. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Bw angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den vorgeworfenen Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg. 11.466 A/1984 verst. Sen.; 11.894 A/1985 verst. Sen.). Im Spruch sind somit zum einen alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind, und zum anderen die Tathandlungen, durch die der Tatbestand verwirklicht wurde, zu beschreiben. Eine nähere Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht, ebenso wie die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes, nicht aus (vgl. VwGH 13.1.1982, 81/03/0203; VwSlg 11.069 A/1983; VwGH 15.2.1983, 81/11/0122; vgl. auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] VStG § 44a Anm. 2).

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn

a. im Spruch des Straferkenntnisse dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogenen Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b. der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] VStG § 44a Anm. 2; VwGH 03.10.1985, 85/02/0053).

 

Im Erkenntnis vom 6. März 2008, VwSen-230972/2/Wei hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich entsprechend seiner ständigen Spruchpraxis wie folgt ausgeführt:

 

"Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner Judikatur zum (vergleichbaren) Straftatbestand des § 82 Abs 1 Z 4 iVm § 15 Abs 1 des Fremdengesetzes 1992 im Hinblick auf § 44a Z 1 VStG, der die eindeutige Umschreibung der als erwiesen angenommene Tat im Spruch fordert, ausgesprochen, dass eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts rechtens nur dann in Betracht kommt, wenn keine der in den einzelnen Ziffern des § 15 Abs 1 FrG 1992 angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist. Die Annahme der Unrechtmäßigkeit eines inländischen Aufenthalts aus der Verneinung bloß eines Teils der in § 15 Abs 1 FrG 1992 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts stehe mit dem Gesetz nicht in Einklang (vgl etwa VwGH 18.1.2000, Zl. 94/18/0396; VwGH 24.3.2000, 96/21/0919; VwGH 5.10.2000, 96/21/0861; VwGH 8.11.2000, 97/21/0223; VwGH 23.1.2001, 97/21/0056).

 

Diese Judikaturlinie hat der Verwaltungsgerichtshof auch für die inhaltlich gleichgelagerte Strafbarkeit des unrechtmäßigen Aufenthalts nach § 107 Abs 1 Z 4 iVm § 31 Abs 1 FrG 1997 (vgl VwGH 30.5.2001, 2000/21/0009) fortgeführt. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes nur in Betracht, wenn keine der im § 31 Abs 1 FrG 1997 angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist, sowie dann, wenn die Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltes gemäß § 31 Abs 3 FrG 1997 geendet hat. Im Spruch des Straferkenntnisses ist - um den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG zu entsprechen - die als erwiesen angenommene Tat durch Verneinung aller im § 31 Abs 1 FrG 1997 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts oder - im Fall des § 31 Abs 3 FrG 1997 - durch Verneinung einer weiter bestehenden Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu umschreiben (vgl VwGH 13.12.2002, 2000/21/0052; VwGH 17.6.2003, 2000/21/0191; VwGH 17.6.2003, 2002/21/0205, VwGH 18.5.2004, 2001/21/0103; VwGH 23.11.2004, 2003/21/0142; jüngst VwGH 24.10.2007, 2007/21/0303).

 

Diesen Ausführungen folgend kann für die weitgehend gleichgelagerte Bestimmung des § 31 Abs 1 FPG nichts Anderes gelten. Nach der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (vgl 952 BlgNR 22. GP, Seite 89) wurden nur geringfügige terminologische und inhaltliche Änderungen (Normierung von abschließenden Fallkonstellationen des rechtmäßigen Aufenthalts) vorgenommen."

3.2.2. Die belangte Behörde hat dem Bw im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt, sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufzuhalten, da er weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sei, er nicht im Besitze eines von einem Vertragsstatt ausgestellten Aufenthaltstitels sei, ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukomme und er nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sei.

Damit wird der Spruch des hier angefochtenen Bescheides den oben beschriebenen Anforderungen des § 44a Z 1 VStG nicht gerecht, da er nicht unter Berücksichtigung bzw Verneinung sämtlicher alternativen Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt nach dem § 31 Abs 1 FPG umschrieben wurde. Auf die Ziffern 1 und 7 wurde nicht eingegangen.

Darüber hinaus wird der Spruch des hier angefochtenen Straferkenntnisses auch § 44a Z 2 VStG nicht gerecht, welcher die Zitierung der Verwaltungsvorschrift, gegen die mit der Tat verstoßen wurde, verlangt. Entsprechend der auch auf die aktuelle Rechtslage übertragbaren Judikatur des VwGH (vgl VwGH 24.4.2001, 98/21/0402; VwGH 24.10.2007, 2007/21/0303) ist als übertretene Norm neben § 120 Abs 1 Z 2 FPG auch § 31 Abs 1 FPG insgesamt anzuführen. Im Spruch des vorliegenden Straferkenntnisses wurden jedoch lediglich Z 2, 3, 4 und 6 des § 31 Abs 1 FPG angeführt.

3.3. Laut Aktenlage war der Bw bis zum 6. Februar 2009, also bis zur rechtskräftigen negativen Entscheidung über seinen Asylantrag, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt.

Fraglich ist, ob sich der anschließende Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet auf eine Bestimmung des § 31 Abs 1 FPG stützen lässt.

Nach § 44b Abs 3 NAG begründet der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - beschränkt kein Aufenthalts- oder Bleiberecht.

Da der Bw den Aufenthalt auf keine Bestimmung des § 31 Abs 1 FPG stützen kann und keine Rechtfertigungsgründe hervorgekommen sind, ist von einem tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Verhalten auszugehen.

Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Bw initiativ alles darzulegen, was für ihre Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

Der Bw bringt diesbezüglich insbesondere die Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - beschränkt vor.

Im Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149-5, hat der VwGH dargelegt, dass eine Abschiebung während eines anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs 4 NAG nicht in Betracht kommt. Dabei führte der Verwaltungsgerichtshof begründend aus:

"§ 44 Abs. 4 NAG sieht die quotenfreie Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung – beschränkt' unter den in dieser Bestimmung genannten weiteren Bedingungen nur für solche Drittstaatsangehörige vor, die sich im Bundesgebiet aufhalten. Daraus ist zwingend abzuleiten, dass ihnen einerseits die Befugnis zur Inlandsantragstellung zukommt und dass sie andererseits – wenn ihr Antrag nicht zurückzuweisen ist – aber auch die Entscheidung über ihren Antrag im Inland abwarten dürfen, würde doch ein Verlassen  des Bundesgebietes, sei es auch in Befolgung einer Rechtspflicht, als Konsequenz stets die Abweisung eines Antrags nach § 44 Abs. 4 NAG zur Folge haben. Damit wäre indes die durch die genannte Bestimmung bezweckte Regelung für 'Altfälle' – auch wenn gemäß den Kriterien des § 11 Abs 3 NAG ein Aufenthaltstitel nicht zu erteilen wäre (siehe dazu ErläutRV 88 BlgNR 24. GP 11) – völlig 'ausgehebelt', was dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann. § 44b Abs. 3 NAG, wonach Anträge – u.a. – nach § 44 Abs. 4 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz begründen und woraus sich ergibt, dass gegen Antragsteller nach dieser Bestimmung eine Ausweisung zulässig ist, kann demnach nicht in dem Sinn verstanden werden, dass ein Drittstaatsangehöriger während eines anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs. 4 NAG zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichtet wäre oder bei Bestehen einer Ausweisung – abgeschoben werden könnte."

In der Folge hat der VwGH im Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, 2009/21/0293, ausgeführt, dass Anträge nach den §§ 43 Abs 2, 44 Abs 3 und 4 NAG den Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzen und daraus zwingend das Recht abzuleiten ist, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abzuwarten zu dürfen.

Mit der Novelle des NAG durch BGBl. I Nr. 122/2009 hat der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich festgestellt, dass Anträge gemäß § 43 Abs 2 und § 44 Abs 3 NAG nicht nur kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen, sondern auch der Erlassung und Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen nicht entgegen stehen und solche Anträge daher in fremdenpolizeilichen Verfahren keine aufschiebende Wirkung entfalten können. Verfahren gemäß §§ 43 Abs 2 und 44 Abs 3 gelten über die Fälle des § 25 Abs 2 hinaus als eingestellt, wenn der Fremde das Bundesgebiet verlassen hat.

Dem Bw kann ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden: Es handelt sich bei einer Verwaltungsstrafe nach dem FPG anders als etwa bei einer Abschiebung um keine fremdenpolizeiliche Maßnahme im Sinn des § 44b Abs 3 NAG, weshalb diese Norm hier wohl nicht ins Treffen geführt werden kann. Im Gegenteil liegt für den Bw eine entschuldigende Notstandssituation iSd § 6 VStG mit einem unauflöslichen Interessenkonflikt vor, wenn er einerseits zur Ausreise verpflichtet ist und andererseits aber im Inland bleiben muss, damit sein Antrag auf Verleihung eines humanitären Aufenthaltsrechtes überhaupt eine positive Erledigungschance hat (vgl. VwSen-231070/WEI/Fu/Sta vom 14. Juli 2010).

Da der Bw im vorliegenden Fall ab dem 21. April 2009 berechtigt war, die Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abzuwarten, kann ihm ab dem Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr der im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck kommende Vorwurf der Schuld gemacht werden.

Damit liegt für den gesamten dem Bw vorgeworfenen Zeitraum kein Verschulden des Bw vor, weshalb aus diesem Grund der Berufung stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war. Das Strafverfahren gegen den Bw war daher gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 

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