Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222434/2/Kl/Pe

Linz, 02.09.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung der Frau x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 9.7.2010, Ge-407/10, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 9.7.2010, Ge-407/10, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 94 Z26 und 111 Abs.1 Z2 iVm § 366 Abs.1 Z1 GewO 1994 verhängt, weil sie es als Obfrau und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ des Vereines „x“ mit Sitz in x, zu vertreten hat, dass durch den o.a. Verein zumindest Ende Februar 2010 in x, durch o.a. Verein durch den Verkauf von Speisen und Getränken das Gastgewerbe ausgeübt wurde, ohne dass o.a. Verein im Besitz der hiefür erforderlichen Gastgewerbeberechtigung gewesen wäre. Dies stellt eine Übertretung der Bestimmungen der GewO dar.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht. Begründend wurde ausgeführt, dass der Verein ein X sei, der seit Jahren profimäßig Dart spielt und in verschiedenen Ligen Dart ausübt. Zu diesem Zweck und zu Wettbewerben werden an die Sportler Getränke und Snacks ausgegeben, jedoch keine offene Bierausschank ausgeübt, sondern nur in Flaschen und Dosen und auch nur an Vereinsmitglieder, Dartsportler anderer Vereine und außerordentliche Mitglieder des Sportvereins. Das Lokal ist nicht für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich.

 

3. Der Magistrat der Stadt Steyr hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Eine öffentliche mündliche Verhandlung entfällt, weil der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z1 Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

 

Gemäß § 94 Z26 GewO 1994 ist das Gastgewerbe ein reglementiertes Gewerbe.

 

Gemäß § 111 Abs.1 Z2 GewO 1994 bedarf es für die Verabreichung von Speisen jeder Art und den Ausschank von Getränken einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe (§ 94 Z26).

 

Gemäß § 1 GewO 1994 gilt dieses Bundesgesetz für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten. Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist. Selbständigkeit im Sinne des Bundesgesetzes liegt vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird. Auch eine einmalige Handlung gilt als regelmäßige Tätigkeit, wenn nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann oder wenn sie längere Zeit erfordert. Die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, liegt auch dann vor, wenn der Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil den Mitgliedern einer Personenvereinigung zufließen soll. Bei Vereinen gemäß dem Vereinsgesetz 1951 liegt die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit – sei es mittelbar oder unmittelbar – auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist. Übt ein Verein gemäß dem Vereinsgesetz 1951 eine Tätigkeit, die bei Vorliegen der Gewerbsmäßigkeit in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fiele, öfter als einmal in der Woche aus, so wird vermutet, dass die Absicht vorliegt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird beim Tatvorwurf der unbefugten Ausübung des Gastgewerbes dem in § 44a Z1 VStG normierten Konkretisierungsgebot durch Anführung der Betriebsart ausreichend entsprochen (VwGH von 19.6.1990, 90/04/0036 sowie vom 6.2.1990, 89/04/0206). Im Sinn dieser Judikatur ermangelt aber das angefochtene Straferkenntnis eines konkretisierten Tatvorwurfes, zumal die Ausübung des Gastgewerbes in einer bestimmten Betriebsart nicht vorgeworfen wurde.

 

Darüber hinaus ist aber nicht jeder Verkauf von Speisen und Getränken als Gastgewerbe anzusehen, sondern nur wenn auch die Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit, nämlich Selbständigkeit, Regelmäßigkeit und Gewinnerzielungsabsicht vorliegen. Ein diesbezüglicher Tatvorwurf der Gewerbsmäßigkeit ist aber dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht zu entnehmen. Jedenfalls ist auch nicht auf die Sonderbestimmungen des § 1 Abs.5 und 6 GewO 1994 Bedacht genommen worden.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes enthält der Verwaltungsstraftatbestand des § 366 Abs.1 Z1 GewO 1994 u.a. das Tatbestandsmerkmal, dass jemand „ein Gewerbe ausübt“. Zur Verwirklichung des genannten Tatbestandes genügt es jedoch nicht, dass eine Tätigkeit ausgeübt wird, die dem Tätigkeitsbereich eines Gewerbes vorbehalten ist, sondern es müssen zudem auch die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit im Sinn des § 1 Abs.2 GewO 1994 vorliegen. Darüber hinaus ist im Spruch des Straferkenntnisses jenes Gewerbe, dessen Ausübung angelastet wird, durch wörtliche Anführung zu bezeichnen (VwGH vom 29.1.1991, 90/04/0176, und vom 15.9.1999, 99/04/0110).

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen Anforderungen entspricht das gegenständlichen Straferkenntnis nicht. Weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 14.6.2010 als erster Verfolgungshandlung noch im angefochtenen Straferkenntnis wird das angelastete Gewerbe hinsichtlich seiner Tätigkeit näher umschrieben noch werden die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit ausgeführt. Es ist daher Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG eingetreten. Es war daher das Straferkenntnis wegen eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, waren gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Gastgewerbe, Gewerbsmäßigkeit, Tatkonkretisierung

 

 

 

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