Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252525/17/Gf/Mu/Gru

Linz, 31.08.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung der x, vertreten durch die RAe x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 22. Juni 2010, Zl. SV96-16-2010, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 31. August 2010 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 22. Juni 2010, Zl. SV96-16-2010, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 154 Stunden) verhängt, weil sie zwei polnische Staatsangehörige vom 4. Mai 2009 bis zum 12. Mai 2009 mit diversen Maurerarbeiten beschäftigt habe, ohne diese zuvor beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet gehabt zu haben. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 33 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955 i.d.F. BGBl.Nr. I 31/2007 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb sie nach § 111 ASVG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die der Beschwerdeführerin angelastete Tat von Kontrollorganen des Finanzamtes Grieskirchen-Wels festgestellt worden und daher als erwiesen anzusehen sei. Eine Abfrage bei der Oö. Gebietskrankenkasse habe zudem ergeben, dass diese beiden Personen zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht angemeldet gewesen seien.

Im Zuge der Strafbemessung sei ihre bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien; hinsichtlich der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sei auf die Einkommensbestätigung ihres Steuerberaters vom 27. August 2009 zu verweisen.

1.2. Gegen dieses ihr am 30. Juni 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, bei der belangten Behörde am 13. Juli 2010 – und damit rechtzeitig – eingelangte Berufung.

Darin wird vorgebracht, dass sich die beiden polnischen Staatsbürger in keiner wirtschaftlichen oder persönlichen Abhängigkeit zur Berufungswerberin befunden hätten. Sie seien in ihrer Arbeitseinteilung vielmehr selbständig gewesen und hätten lediglich das Angebot der Zurverfügungstellung von Werkzeug angenommen.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnis und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Strafe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Grieskirchen zu Zl. SV96-16-2010 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 31. August 2010, an der als Parteien die Beschwerdeführerin und deren Rechtsvertreterin x bzw. x als Vertreter der Amtspartei (Finanzamt Grieskirchen-Wels) sowie der Zeuge x teilgenommen haben.

2.2. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt (wobei das h. Verhandlungsprotokoll gleichzeitig zum integrierten Bestandteil der Begründung dieses Erkenntnisses erklärt wird):

2.2.1. Die Rechtsmittelwerberin ist Inhaberin eines Einzelunternehmens, dass Transporte und Baggerungen durchführt. Deren Lebensgefährte, der in diesem Unternehmen angestellt ist, hat mit zwei polnischen Staatsbürgern vereinbart, dass jene in der Zeit zwischen dem 4. Mai 2009 und dem 13. Mai 2009 Verputzarbeiten an den Streben des Anwesens der Beschwerdeführerin durchführen. Zu diesem Zweck wurde ihnen das erforderliche Werkzeug und die erforderlichen Baumaterialien zur Verfügung gestellt und gleichzeitig vereinbart, dass ihnen nach Abschluss der Arbeiten jeweils ein Entgelt von 9 Euro pro geleisteter Arbeitsstunde ausbezahlt wird. Außerdem wurden ihnen für diesen Zeitraum noch gewisse Nebenleistungen (Essen, Trinken, Wohnmöglichkeit) gewährt.

2.2.2. Diese Sachverhaltfeststellungen ergeben sich aus den insoweit übereinstimmenden und glaubwürdigen Aussagen der in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Beschwerdeführerin sowie des unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugen.

2.3. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG handelt derjenige ordnungswidrig und begeht damit eine Verwaltungsübertretung – für die er (im Erstfall) mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, sofern die Tat weder von den Gerichten zu ahnden noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist –, der als Dienstgeber entgegen den Bestimmungen des ASVG die erforderlichen Meldungen oder Anzeigen entweder nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

 

Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden bzw. binnen 7 Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Gemäß § 4 Abs.1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern
beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollver­sicherung ausgenommen ist noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.

Als Dienstnehmer i.S.d. ASVG gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG derjenige, der in
einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit über­wiegen.

Dienstgeber ist nach § 35 Abs. 1 ASVG u.a. derjenige anzusehen, für dessen Rechnung jene Tätigkeit, hinsichtlich der der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, geführt wird.

3.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Dienstnehmereigenschaft gemäß den Kriterien des § 4 Abs. 2 ASVG ist für die Beurteilung der Frage, ob im konkreten Fall eine entsprechende persönliche Abhängigkeit vorlag bzw. überwogen hat, primär maßgeblich, ob eine Bindung des Arbeitenden an vom Dienstgeber vorgegebene Ordnungsvorschriften bezüglich des Arbeitsortes, der Arbeitszeit, des arbeitsbezogenen Verhaltens und sich darauf beziehende Weisungs- und Kontrollbefugnisse sowie eine persönliche Arbeitspflicht vorlag (vgl. z.B. VwGH v. 17. September 1991, Zl. 90/08/0152); soweit danach keine abschließende Beurteilung möglich ist, kann im Zuge der Beurteilung des Gesamtbildes darüber hinaus auch auf sekundäre Kriterien – wie die Dauer des Arbeitsverhältnisses oder Weisungsrechte des Dienstgebers bezüglich des Arbeitsverfahrens – abgestellt werden (vgl. z.B. VwSlg 11361 A/1984). Im Ergebnis genügt es für die Annahme des Vorliegens einer persönlichen Abhängigkeit, wenn der Arbeitende durch die Beschäftigung während dieser Zeit so in Anspruch genommen wird, dass er selbst über diese Zeit auf längere Sicht nicht frei verfügen kann und die Nichteinhaltung der übernommenen Verpflichtung einen Vertragsbruch mit entsprechenden rechtlichen Konsequenzen darstellen würde (vgl. VwGH v. 27. November 1990, Zl. 89/08/0178).

3.2.2. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen eine zwangsläufige Folge der persönlichen Abhängigkeit und findet ihren Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die zur Erbringung der Arbeitsleistung erforderlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel (vgl. VwGH v. 11. Dezember 1990, Zl. 88/08/0269).

3.2.3. Unter "Entgelt" sind nach § 49 Abs. 1 ASVG jene Geld- und/oder Sachbezüge zu verstehen, auf die der Arbeitende einen Anspruch aus dem Dienstverhältnis hat bzw. die er darüber hinaus vom Dienstgeber oder einem Dritten erhält.

3.2.4. Im gegenständlichen Fall waren die beiden polnischen Arbeiter an die jeweils vom Lebensgefährten der Beschwerdeführerin aufgestellten Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort (nämlich: das Anwesen der Rechtsmittelwerberin), die Arbeitszeit (Beginn am 4. Mai 2009; Abschluss der Arbeiten am 13. Mai 2009), das arbeitsbezogene Verhalten (hier: sog. "stille" Autorität des Lebensgefährten und der Beschwerdeführerin selbst), die darauf bezogenen Weisungs- und Kontrollrechte sowie daran gebunden, ihre Arbeitspflicht persönlich zu erbringen. Insoweit lag daher eine persönliche und dadurch, dass ihnen sämtliche Werkzeuge und Baumaterialien zur Verfügung gestellt wurden, auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit vor.

Indem schließlich auch ein konkretes Entgelt bedungen war (nämlich: jeweils 9 Euro pro Person und pro geleisteter Arbeitsstunde), waren sohin sämtliche Kriterien der Dienstnehmereigenschaft i.S.d. § 4 Abs. 2 ASVG erfüllt, sodass auch eine entsprechende Meldepflicht gemäß § 111 Abs. 1 ASVG i.V.m. § 33 Abs. 1 ASVG bestanden hatte.

3.3.1. Diese Meldepflicht trifft nach § 33 Abs. 1 ASVG den Dienstgeber, also gemäß § 35 Abs. 1 ASVG jene Person, für deren Rechnung jene Tätigkeit, hinsichtlich der der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, geführt wird.

Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin ein Einzelunternehmen führt, bedeutet damit noch nicht, dass sie allein deshalb auch in jeder Beziehung als ein Dienstgeber anzusehen ist.

Davon ausgehend, dass § 35 Abs. 1 ASVG konkret auf jene Tätigkeit abstellt, hinsichtlich der der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, fehlt es aber im gegenständlichen Fall zunächst schon an entsprechenden Ermittlungsergebnissen dahin, dass die vorliegenden Arbeiten im Auftrag und auf Rechnung des von der Rechtsmittelwerberin geführten Unternehmens durchgeführt wurden. Eine dementsprechende Annahme ist zudem auch objektiv besehen nicht einmal naheliegend, weil das verfahrensgegenständliche Unternehmen nur Transporte und Baggerungen durchführt, womit Verputzarbeiten a priori in keinem notwendigen Zusammenhang stehen.

Gleichzeitig kann auch nicht verlässlich ausgeschlossen werden, dass jenes Gebäude, an dem die Maurerarbeiten durchgeführt wurden – hierbei handelt es sich um einen großen Vierkanthof –, von der Rechtsmittelwerberin und ihrem Lebensgefährten nicht bloß gewerblich, sondern auch (und möglicherweise sogar überwiegend) privat genützt wird.

Dieser Aspekt bedingt schließlich aus rechtlicher Sicht auch eine Trennung danach, ob der Auftrag an die beiden Ausländer seitens des Unternehmens oder vom Lebensgefährten der Beschwerdeführerin lediglich in dessen Eigenschaft als Privatperson erteilt wurde: Denn in letzterem Fall hätte nämlich er – und nicht die Rechtsmittelwerberin – die Unterlassung der gebotenen Meldung zu verantworten.

3.3.2. Da sich diese entscheidungsrelevanten Fragen anhand der konkret vorliegenden Beweise jedoch nicht eindeutig klären ließen und zudem zwischenzeitlich auch bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist, war gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK im Zweifel zugunsten der Beschwerdeführerin davon auszugehen, dass sie die ihr angelastete Tat nicht zu vertreten hat.

3.4. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-252525/17/Gf/Mu/Gru vom 31. August 2010

 

Art. 6 Abs. 2 EMRK; § 35 Abs. 1 VStG

 

Aufhebung und Einstellung des Strafverfahrens, wenn nicht die das Unternehmen führende Berufungswerberin, sondern deren dort angestellter Lebensgefährte die entsprechende Vereinbarung mit den beiden Arbeitern getroffen hat und sich nicht zweifelsfrei feststellen lässt, ob diese Tätigkeiten rechtlich betrachtet im Auftrag des Unternehmens oder bloß im Auftrag des Lebensgefährten als Privatperson durchgeführt wurden.  

 

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