Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100586/2/Weg/Ri

Linz, 09.07.1992

VwSen - 100586/2/Weg/Ri Linz, am 9. Juli 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des M N , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. C T, vom 13. April 1992 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 30. März 1992, St 2644/91, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991, i.V.m. § 5, § 24, § 45 Abs.1 Z.1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 75a i.V.m. § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag verhängt, weil dieser am 11. Juni 1991 um 23.30 Uhr in S, S, nächst der P, das Motorfahrrad gelenkt hat, obwohl ihm das Lenken von Motorfahrrädern in der Zeit vom 1. Juni 1991 bis 1. Dezember 1991 (?) behördlich verboten wurde. Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 50 S in Vorschreibung gebracht.

2. Dagegen wendet der Berufungswerber sinngemäß ein, er habe von diesem Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern am 11. Juni 1991 noch nichts gewußt, weil er den Bescheid, mit dem das Lenken von Motorfahrrädern verboten wurde, erst am 12. Juni 1991 bei der Post behoben habe.

3. Die Berufung erwies sich als rechtzeitig. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht, sodaß zur Sachentscheidung die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben ist, der - weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe ausgesprochen wurde - durch ein Einzelmitglied zu erkennen hat. Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Für den unabhängigen Verwaltungssenat ist nachstehender, sich aus der Aktenlage ergebender und als erwiesen angenommener Sachverhalt zu beurteilen:

Gegen den Berufungswerber wurde von der Bundespolizeidirektion Steyr mit Bescheid vom 24. Mai 1991 ein Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr ausgesprochen und gleichzeitig die Dauer des Fahrverbotes, gerechnet vom Tag der Zustellung des Bescheides, festgesetzt. Im Sinne des Zustellgesetzes ist dieser Bescheid am 31. Mai 1991 durch Hinterlegung zugestellt worden. Falls nicht - was dem Akt nicht zu entnehmen ist - Ortsabwesenheit zu diesem Zeitpunkt vorliegt, ist das Fahrverbot mit diesem Tag wirksam geworden. Wie einem Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Steyr jedoch zu entnehmen ist, hat der Berufungswerber laut Auskunft des Postamtes W den Bescheid über die Verhängung des Mopedfahrverbotes erst am 12. Juni 1991 übernommen. Er hat also trotz der schon eingetretenen Wirksamkeit des Bescheides vom Mopedfahrverbot erst am 12. Juni 1991 Kenntnis erhalten. Beim Lenken des Motorfahrrades am 11. Juni 1991 also war der Berufungswerber noch nicht in Kenntnis dieser Administrativmaßnahme.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 5 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Diese geringste Art der Schuldform ist jedoch für eine Bestrafung auch Voraussetzung. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter bewußt oder unbewußt durch sein Verhalten ein tatbildmäßiges Unrecht verwirklicht oder zufolge Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt in Kauf nimmt, daß er einen tatbildmäßigen Sachverhalt verwirklichen könne. Das Maß dieser Sorgfalt bestimmt sich nach objektiven und subjektiven Kriterien. Objektiv sorgfaltswidrig handelt ein Täter nur dann, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte. Nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates hätte sich im gegenständlichen Fall auch ein als Maßfigur dienender einsichtiger und besonnener Mensch nicht anders verhalten als der Berufungswerber, es sei denn, man würde mit der wahrscheinlich bekannten Anhängigkeit des Verfahrens betreffend das Lenkverbot eine Verpflichtung konstruieren, sich vor Inbetriebnahme eines Mopeds bei der Behörde zu erkundigen, ob nicht schon ein Mopedlenkverbot ausgesprochen wurde. Eine derartige Pflicht ist in unserer Rechtsordnung weder normiert noch ist es eine Sorgfaltspflichtverletzung, wenn man derartige Erkundigungen nicht einholt. Auch eine Verletzung der subjektiven Sorgfaltspflicht kann dem Berufungswerber nicht angelastet werden. Es war ihm der Mangel der Befähigung zum Lenken eines Motorfahrrades auf Grund der dargelegten Umstände am 11. Juni 1991 noch nicht erkennbar. Auch für einen Durchschnittsmenschen ohne hellseherische Fähigkeiten wäre der Mangel dieser Befähigung zum Tatzeitpunkt nicht erkennbar gewesen.

Das Unrechtselement der Schuld, also der Fahrlässigkeit, gehört nach herrschender Meinung schon zum Tatbestand eines Fahrlässigkeitsdeliktes. Liegt eine Fahrlässigkeit wie im gegenständlichen Fall - nicht vor, ist auch das Tatbild der Übertretung des § 75a i.V.m. § 134 Abs.1 KFG nicht gegeben (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seiten 704 ff).

Gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG ist von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an:

Akt Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider 6

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