Linz, 20.09.2010
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis, vom 14.6.2010, AZ: VerkR96-6977-2009, nach der am 20. September 2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden als Kosten für das Berufungsverfahren 14 Euro auferlegt (20% der verhängten Geldstrafe).
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009.
Zu II.: § 64 Abs.1 u. 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend folgendes aus:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung worin er inhaltlich ausführt, es werde ihm erneut vorgeworfen, am 26.07.2009 um 13:37 Uhr auf der A8 bei Antiesenhofen (Kilometer 68.007) mit seinem PKW die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 26 km/h überschritten zu haben.
Dafür fehle weiterhin jeder Beweis!
Die Behörde gebe an, ihm die geforderten Belege für seine angebliche Übertretung mit Schreiben vom 15.12.2009 zugesandt zu haben. Dem sei nicht so. Ein solches Schreiben habe ihn nie erreicht. Grund dafür könnte sein, dass, wie beim Schreiben der Behörde vom 14.06.2010, seine Adressdaten nicht gestimmt haben!
Somit sei ihm jegliche Möglichkeit genommen worden, auf die ihm vorgeworfenen Unterstellungen fristgerecht zu reagieren.
Er empfinde es schon als reichlich unangemessen, wenn ihn ein behördliches Schreiben als Reaktion auf einen Widerspruch seinerseits nach mehr als sechs Monaten erreichte, auf das er dann wiederum innerhalb von zwei Wochen reagieren müsste. Ob diese Fristen den gültigen Verwaltungsvorschriften entsprechen, würde zu gegebenem Zeitpunkt zu prüfen sein.
Im Übrigen dürfte auch nach der Rechtsprechung der Republik Österreich eine Person solange als unschuldig gelten, bis dieser die Schuld zweifelsfrei nachgewiesen sei!
Die von der Behörde vorgebrachen Beschuldigungen seien nur Mutmaßungen, die angesichts europäischer Rechtsprechung nicht haltbar wären.
Er fordere die Behörde deshalb erneut auf, ihm Beweise für die angeblich durch seine Person und mein Fahrzeug erbrachten Übertretung beizubringen, ansonsten betrachte er die Vorwürfe im Schreiben vom 02.10.2009 sowie vom 14.06.2010 als gegenstandslos.
Auf Grund des o.g. Sachverhaltes lege er somit Berufung gegen die Strafverfügung GZ. (H): VerkR96-6977-2009 ein. Er beantrage, den gegen ihn erhobenen Vorwurf fallen zu lassen und das Verfahren gegen ihn rechtsverbindlich einzustellen.
2.2. Mit diesem Berufungsvorbringen vermag der Berufungswerber eine Rechtswidrigkeit des Schuldspruches nicht aufzuzeigen!
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß der bestreitenden Verantwortung in Wahrung der durch Art. 6 EMRK intendierten Rechte zwecks unmittelbarer Beweisaufnahme durch Anhörung des Berufungswerbers geboten (§ 51e Abs.1 VStG).
Noch in der Ladung zur Berufungsverhandlung wurde abermals auf die Mitwirkungspflicht insbesondere zur Klarstellung der Lenkereigenschaft vor der Tatsacheninstanz hingewiesen.
Der Berufungswerber nahm an der Berufungsverhandlung unentschuldigt nicht teil.
In einem eine Stunde nach dem Verhandlungstermin und bereits erfolgter öffentlicher Verkündung der Berufungsentscheidung, langte ein Schreiben des Berufungswerbers beim zuständigen Mitglied ein, worin er abermals im Ergebnis einen fehlenden Tatbeweis darzustellen versucht. Darin bemängelt er eine unterbliebene Lenkererhebung aber auch die Erlassung einer sogenannten Anonymverfügung. Insbesondere stellt er abermals seine Lenkeigenschaft (in Deutschland offenbar Fahrzeugführerschaft) in Frage, ohne jedoch auch bei dieser Gelegenheit eine Person zu benennen welcher er allenfalls das Fahrzeug für dessen Führung zum fraglichen Zeitpunkt für die Fahrt nach Österreich überlassen gehabt haben könnte.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Auf dem Radarfoto ist das Kennzeichen des Kraftfahrzeuges im „Vergrößerungsfeld“ gut erkennbar. Auch die Tatzeit ist am Radarfoto festgehalten. Dass der Tatort in der Anzeige korrekt bezeichnet ist, steht für die Berufungsbehörde ebenfalls außer Zweifel. Laut dem vorliegenden Eichschein hat für das betreffende Radarmessgerät im Tatzeitpunkt eine gültige Eichung vorgelegen. Auch dadurch ist dessen Funktionsfähigkeit belegt.
Demnach wurde mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers die Geschwindigkeitsüberschreitung begangen.
4.1. Der Berufungswerber hat während des gesamten Verfahrens kein Vorbringen getätigt, welches geeignet wäre Zweifel darüber aufkommen zu lassen, dass nicht er selbst als Fahrzeughalter sein eigenes Fahrzeug gelenkt hätte.
Er verweigerte demnach jegliche inhaltliche Mitwirkung an diesem Verfahren. Mit seiner offenkundigten Auffassung es befürfe für den Nachweis der Lenkerschaft eines Bildbeweises oder einer Anhaltung, kann dem Berufungswerber nicht gefolgt werden.
Selbst mit dem Hinweis auf die unterbliebene Lenkerauskunft ist für ihn nichts zu gewinnen, weil – wie dem Berufungswerber offenbar bekannt ist – just dieses Rechtsinstitut für deutsche Fahrzeughalter mit dem dortigen Grundrecht nicht vereinbar ist und demnach darauf gestützte Strafen nicht vollstreckbar sind. Demnach ist eine Verfolgung lediglich nach dem sogenannten Grunddelikt zulässig, wobei es einem aus diesem Grund Beschuldigten unbenommen bleibt im Rahmen der Mitwirkung glaubhaft zu machen, dass zur fraglichen Zeit das Fahrzeug vom Halter tatsächlich einer anderen Person überlassen war.
Da hier der Berufungswerber kein einziges Indiz für einen solchen Umstand aufzeigte sieht die Berufungsbehörde keinen Grund nicht ihn selbst als Lenker (Fahrzeugführer) überführt zu erachten. In diesem Zusammenhang vermag er sich auch nicht gleichsam auf Entschlagungs- oder Aussageverweigerungsrecht berufen, zumal einer allfälligen als Lenker in Betracht kommende Person keine strafrechtliche Verfolgung mehr droht. Dies unter Hinweis auf Art. 6 Abs.2 der EMRK.
Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
4.2. Das Verwaltungsstrafverfahren ist grundsätzlich nach den Vorschriften des AVG und VStG zu führen, somit ist der maßgebliche Sachverhalt nach den §§ 37 ff AVG von Amts wegen zu ermitteln. Einer amtswegigen Ermittlung der Person, die ein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat, sind jedoch Grenzen gesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher in derartigen Fällen mehrfach auf die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten bei der Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes hingewiesen (vgl. VwGH 08.02.1995, Zl 94/03/0108 ua). Ein Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter) darf sich demnach nicht darauf beschränken, die Lenkereigenschaft bloß zu bestreiten. Die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten erfordert es vielmehr, dem Tatvorwurf konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und dafür auch entsprechende Beweise anzubieten (vgl VwGH 28.09.1988, 88/02/0030 ua).
4.2.1. Entsprechend dieser höchstgerichtlichen Judikatur wurde dem Berufungswerber seitens der Berufungsbehörde bereits mit der Ladung zur Berufungsverhandlung gesondert auf die Mitwirkungspflicht hingewiesen und dargelegt für seine bestreitendes Vorbringen entsprechende Beweismittel vorzulegen oder zu benennen. Er blieb jedoch jegliche Mitwirkung zu Klärung des Sachverhaltes schuldig (vgl. VwGH 06.12.1985, 85/18/0051).
4.2.2. In lebensnaher Würdigung dieser Umstände gelangte daher auch die Berufungsbehörde zur Überzeugung, dass der Berufungswerber das betreffende Kraftfahrzeug zum Zeitpunkt dieser Geschwindigkeitsmessung selbst gelenkt hat. Von einem Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter), der sein Fahrzeug nicht selbst gelenkt hätte, ist nämlich auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu erwarten, dass er zumindest nachvollziehbare Aspekte darzulegen in der Lage ist die seine Lenkerschaft (Fahrzeugführerschaft) zumindest fraglich erscheinen lassen (vgl VwGH 20.09.1996, 96/17/0320).
Wenn all das unterblieb bildet dies einen Beweis dafür, dass offenbar nur er selbst als Lenker in Betracht kommen kann. Da das betreffende Kraftfahrzeug offenbar überwiegend in Dresden in Verwendung steht, käme an sich wohl nur ein überschaubarer Personenkreis für eine Fahrt nach Österreich in Betracht. Einer solchen wohl ausschließlich vom Wissen des Fahrzeughalters ausgeführte Fahrt kann demnach durchaus als einprägsames Vorkommnis bezeichnet werden, welches einen Betroffenen wohl kaum überfordern dürfte zumindest potenzielle Lenker zu benennen, deren Angaben überprüfbar wären.
Eine Strafverfolgung gegen einen präsumtiven Lenker wäre, wie oben schon erwähnt, angesichts der gegen diesen eingetretenen Strafverfolgungsverjährung ohnedies nicht mehr möglich. Auch vor diesem Hintergrund ist das Schweigen selbst mit Blick auf das Zeugnisverweigerungsrecht mit Hinweis auf die deutsche Strafprozessordnung (§§ 52, 55 StPO) nicht wirklich nachvollziehbar.
4.3. Aus dem gesamten Verhalten des Berufungswerbers ist deshalb nach Ansicht der Berufungsbehörde im Lichte der vorzitierten höchstgerichtlichen Judikatur zu folgern, dass er als Fahrzeughalter selbst Lenker des Fahrzeuges im Tatzeitpunkt war, und er durch Verweigerung der gebotenen Mitwirkung an der Sachverhaltsklärung lediglich einer Bestrafung entgehen wollte (vgl. auch VwGH 06.11.2002, 2001/02/0273, mwN).
4.3.1. Wie bereits in der Ladung aufgezeigt befreit der Verfahrensgrundsatz, dass die Behörde von Amts wegen vorzugehen hat (§ 24 VStG iVm § 39 Abs.2 AVG, § 25 Abs.1 VStG) die Partei nicht von ihrer Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, wobei diese Mitwirkungspflicht auch den Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren trifft. Die Mitwirkungspflicht hat insbesondere dort Bedeutung, wo – so wie hier – ein aus der Sicht der Partei strittiger Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit ihr geklärt werden könnte. Dies erfordert, dass der Beschuldigte seine Verantwortung nicht darauf beschränken kann, die ihm zur Kenntnis gelangten Erhebungsergebnisse – welches hier durch die Aktenlage klar gedeckt ist – für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten.
So löst etwa das bloße globale Bestreiten eines Beschuldigten, ohne nähere Konkretisierung und Stellung von Beweisanträgen, in einem durch eine Meldung eines Sicherheitswachebeamten eingeleiteten Verfahren keine weitere Ermittlungspflicht aus. Unterlässt der Beschuldigte die gebotene Mitwirkung im Verwaltungsstrafverfahren, so bedeutet es auch dann keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Erhebungen durchführt bzw. durch absolutes Untätigsein des Beschuldigten nicht durchführen kann (unter vielen VwGH vom 20.9.1999, 98/21/0137).
Für eine Behauptung, er habe ein Fahrzeug zum Tatzeitpunkt etwa nicht gelenkt, darf ein Betroffener nicht jeglichen Beweis einfach schuldig bleiben.
Seinem Hinweis, wonach eine Rechtsprechung im modernen Europa so nicht funktionieren könne, ist daher entgegen zu halten, dass mit bloßem Bestreiten einer prima facie vom Fahrzeughalter begangenen Ordnungswidrigkeit, bei gleichzeitigem Unterlassen jeglicher inhaltlichen Mitwirkung am eigenen Verfahren, die Begehung einer Verwaltungsübertetung nicht ungeahndet bleiben kann [vgl. dazu die bei Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren, Zweiter Halbband, 8. Auflage, auf Seite 678f angeführte Judikatur] (s. obzit. Judikatur).
5.2. Zur Strafzumessung:
Diesbezüglich ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
5.2.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140, mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).
Auch mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Umfang von (verkehrsfehlerkorrigiert) „nur“ 26 km/h ist der Unwertgehalt nicht unbedeutend.
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers wird auch von der Berufungsbehörde von einem Erwerbseinkommen von 1.300 Euro monatlich, ausgegangen. Als strafmildernd ist die für Österreich anzunehmede verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Berufungswerbers zu werten.
In der nur mit 70 Euro im Umfang von weniger als einem Zehntel ausgeschöpften Strafrahmen vermag daher objektiv besehen kein Ermessensfehler erblickt werden.
II. Die Verfahrenskosten gründen zwingend in der unter II. zitierten Gesetzesstelle.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r