Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252584/2/Gf/Mu

Linz, 28.09.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch RA x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 20. August 2010, Zl. SV96-16-8-2010-Bd/Pe, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückgewiesen.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 20. August 2010, Zl SV96-16-8-2010-Bd/Pe, wurden über den Rechtsmittelwerber zwei Geldstrafen in einer Höhe von jeweils 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 112 Stunden) verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH zu vertreten habe, dass von dieser am 14. Jänner 2010 auf einer Baustelle in X zwei rumänische Staatsangehörige mit Montagearbeiten beschäftigt worden seien, ohne jene zuvor beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet gehabt zu haben. Dadurch habe er eine Übertretung des § 33 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955 i.d.F. BGBl.Nr. I 31/2007 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb er nach § 111 ASVG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die dem Beschwerdeführer angelastete Tat von Kontrollorganen des Finanzamtes Gmunden-Vöcklabruck festgestellt worden und daher als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe zu berücksichtigen gewesen; seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien infolge unterbliebener Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihm am 26. August 2010 an seine Wohnadresse übermittelte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 14. September 2010 per Telefax bei der belangten Behörde eingelangte Berufung.

Darin wird zunächst vorgebracht, dass sich der Beschuldigte am 26. August 2010 auf Urlaub befunden habe und zudem zu diesem Zeitpunkt bereits durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei.

Außerdem seien die beiden Arbeiter, die jeweils über eine entsprechende Gewerbeberechtigung verfügen, als selbständige Subunternehmer tätig gewesen. Dies zeige sich schon daran, dass sie mit eigenem Werkzeug und völlig weisungsungebunden gearbeitet hätten.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnis und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu ein Absehen von der Strafe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Urfahr-Umgebung zu Zl. SV96-16-8-2010-Bd/Pe; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.3. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG handelt derjenige ordnungswidrig und begeht damit eine Verwaltungsübertretung – für die er (im Erstfall) mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, sofern die Tat weder von den Gerichten zu ahnden noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist –, der als Dienstgeber entgegen den Bestimmungen des ASVG die erforderlichen Meldungen oder Anzeigen entweder nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

 

Nach § 111 Abs. 4 ASVG sind – nur – jene Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben, verpflichtet, alle ihnen auf Grund der Betretung zur Kenntnis gelangenden Ordnungswidrigkeiten i.S.d. § 111 Abs. 1 ASVG bei der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen; gemäß § 111a ASVG haben diese Abgabenbehörden im Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung.

 

3.2. Da die (ausländischen) Arbeitnehmer im gegenständlichen Fall auf einer Baustelle in X am Attersee betreten wurden, kam sohin nach § 111 Abs. 4 i.V.m. § 111a ASVG dem Finanzamt Gmunden-Vöcklabruck nicht nur die Pflicht zur Anzeige, sondern auch die Parteistellung im Verfahren zu (wobei eine Abtretung dieser Zuständigkeiten an jenes Finanzamt, in dessen Sprengel der Betriebssitz und damit der durch § 111 Abs. 5 ASVG fingierte Tatort gelegen ist – etwa in Analogie zu § 29a VStG, wie eine solche mit der in der Anzeige des Finanzamtes Gmunden-Vöcklabruck vom 20. Jänner 2010, Zl. 53/75009/19/2010 enthaltenen Formulierung: "für: Finanzamt Freistadt-Rohrbach-Urfahr" allenfalls intendiert war – gesetzlich nicht vorgesehen und somit auch nicht zulässig ist).

 

Dessen ungeachtet wurde das Finanzamt Gmunden-Vöcklabruck an dem in der Folge von der belangten Behörde durchgeführten Verfahren nicht mehr beteiligt; insbesondere ist bereits die Stellungnahme zur Rechtfertigung des Beschwerdeführers vom 4. Mai 2010 (Zl. 53/75009/23/2010) durch das Finanzamt Freistadt-Rohrbach-Urfahr erfolgt und auch das Straferkenntnis der belangten Behörde wurde diesem Finanzamt – und nicht dem Finanzamt Gmunden-Vöcklabruck - zugestellt.

 

Das Finanzamt Gmunden-Vöcklabruck ist demnach als übergangene Partei anzusehen, sodass das angefochtene Straferkenntnis schon insoweit mit Rechtswidrigkeit behaftet ist.

 

3.3. Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Nachweisen ergibt sich, dass er mit seiner Familie in der Zeit vom 18. bis zum 25. August 2010 eine Flugreise nach Spanien gebucht hatte (vgl. Beilage Nr. 8 zur Berufung). Demnach ist er am 25. August 2010 nach Salzburg und offenbar am 26. August 2010 wieder an seinen Wohnsitz zurückgekehrt.

 

Für derartige Fälle sieht § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG vor, dass hinterlegte Dokumente dann nicht als zugestellt gelten, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig Kenntnis vom Zustellvorgang erlangen konnte; die Zustellung wird in einem derartigen Fall jedoch an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte, wirksam.

 

Im vorliegenden Fall begann die Abholfrist am 26. August 2010; an diesem Tag ist auch der Rechtsmittelwerber an die Abgabestelle zurückgekehrt, sodass für ihn die Zustellung des Straferkenntnisses am 27. August 2010 (Freitag; kein Feiertag) wirksam wurde und davon ausgehend die Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG mit Ablauf des 10. September 2010 endete.

 

Davon ausgehend würde sich die erst am 14. September 2010 per Telefax bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung als verspätet erweisen.

 

Allerdings wurde das angefochtene Straferkenntnis nicht dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, sondern vielmehr Letzterem selbst zugestellt, obwohl der belangten Behörde das Vertretungsverhältnis bereits seit der am 15. April 2010 eingebrachten Stellungnahme zur Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25. März 2010, Zl. SV96-16-2-2010-Bd/Str, bekannt sein musste (vgl. den in dieser Stellungnahme enthaltenen Hinweis: "Beschuldigter: x, ....., vertreten durch: x"). Zudem ist in der Zustellverfügung des Straferkenntnisses nicht der Bevollmächtigte, sondern ausdrücklich nur der Beschwerdeführer als Empfänger bezeichnet.

 

Ob dem Vertreter des Rechtsmittelwerbers das Straferkenntnis tatsächlich zugekommen und damit zwar nicht eine Heilung gemäß § 7 ZustG eingetreten (vgl. z.B. VwGH v. 22. Dezember 2009, Zl. 2007/08/0329, wonach auch die Neufassung dieser Bestimmung durch die Novelle BGBl.Nr. I 10/2004 nichts an der Notwendigkeit der Nennung des zutreffenden Bescheidadressaten in der Zustellverfügung geändert hat), allenfalls aber eine Zustellung nach § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG bewirkt worden ist oder der Bevollmächtigte z.B. vielmehr lediglich mündlich Kenntnis vom Inhalt des Straferkenntnisses erhalten hat oder eine andere Konstellation vorliegt, die im Ergebnis zu keiner Heilung des Zustellmangels führt, muss hier mangels entsprechender aktenmäßiger Belege offenbleiben.

 

Lässt sich damit aber die Heilung eines Zustellmangels nicht zweifelsfrei nachweisen, so ist – jedenfalls für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens (vgl. in diesem Sinne auch VwGH v. 24. März 2009, Zl. 2005/09/0174, wonach insoweit in bestimmten Konstellationen, zu denen wohl auch die Verhängung einer hohen Geldstrafe zählt, sogar eine RSa-Zustellung erforderlich ist) – im Ergebnis von der Nichterlassung des Straferkenntnisses auszugehen.

3.4. Mangels wirksamer Zustellung des bekämpften Straferkenntnisses an eine der beiden Verfahrensparteien ist somit im vorliegenden Fall ein Bescheid, der die notwendige Voraussetzung für die Erhebung einer Berufung bildet, rechtlich nicht existent geworden.

Davon ausgehend war die gegenständliche Berufung in Ermangelung eines tauglichen Beschwerdegegenstandes gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückzuweisen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber in sinngemäßer Anwendung des § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 

Rechtssatz:

 

VwSen-252584/2/Gf/Mu vom 28. September 2010

 

§ 111 Abs. 4 ASVG; § 111 Abs. 5 ASVG; § 111a ASVG; § 7 ZustG

 

* Aus § 111 Abs. 4 i.V.m. § 111a ASVG folgt, dass eine Übertragung von Zuständigkeiten zwischen jenem Finanzamt, dessen Organe die widerrechtlich beschäftigten Personen betreten haben, und jenem Finanzamt, in dessen Sprengel der Betriebssitz des Unternehmens gelegen ist, unzulässig ist; Rechtswidrigkeit des Verfahrens, wenn jenes nach § 111 Abs. 4 i.V.m. § 111a ASVG zuständige Finanzamt im weiteren Verfahren nicht mehr beteiligt wird und insbesondere die Zustellung des Straferkenntnisses an dieses unterbleibt;

 

* Lässt sich die Heilung eines Zustellmangels gemäß § 7 ZustG oder nach § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG nicht zweifelsfrei erweisen, so ist – jedenfalls für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens – im Ergebnis von der Nichterlassung des Straferkenntnisses auszugehen.

 

 

 

 

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