Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252591/2/Gf/Mu

Linz, 29.09.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch die RAe x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 19. August 2010, Zl. SV96-254-2010, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 19. August 2010, Zl. SV96-254-2010, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt, weil er vom 21. September 2009 bis zum 25. September 2009 einen slowakischen Staatsbürger mit der Zustellung von Paketen beschäftigt habe, ohne diesen zuvor beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet gehabt zu haben. Dadurch habe er eine Übertretung des § 33 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955 i.d.F. BGBl.Nr. I 31/2007 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb er nach § 111 ASVG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die dem Beschwerdeführer angelastete Tat von Kontrollorganen des Finanzamtes Grieskirchen-Wels festgestellt worden und daher als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei seine bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien; seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihm am 30. August 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 13. September 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin wird vorgebracht, dass die Einvernahme des slowakischen Staatsbürgers nicht im Beisein eines Dolmetschers erfolgt sei, obwohl dieser nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt habe. Außerdem sei beabsichtigt gewesen, mit ihm später einen entsprechenden Werkvertrag abzuschließen; zum Zeitpunkt der Kontrolle habe er lediglich deshalb einen anderen Bediensteten des Beschwerdeführers auf dessen Tour begleitet, um auf diese Weise die Güterbeförderungsbranche kennenzulernen. Schließlich sei auch kein Entgelt ausbezahlt, sondern lediglich darüber gesprochen worden, dass für den slowakischen Staatsbürger ein Gewinn von ca. 1.000 Euro verbleiben könnte, wenn er künftig die Paketzustellung als Selbständiger betreibe.

Da somit ein Beschäftigungsverhältnis nicht vorgelegen sei, wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnis und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Linz-Land zu Zl. SV96-254-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG handelt derjenige ordnungswidrig und begeht damit eine Verwaltungsübertretung – für die er (im Erstfall) mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, sofern die Tat weder von den Gerichten zu ahnden noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist –, der als Dienstgeber entgegen den Bestimmungen des ASVG die erforderlichen Meldungen oder Anzeigen entweder nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

 

Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden bzw. binnen 7 Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Gemäß § 4 Abs.1 Z. 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern
beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollver­sicherung ausgenommen ist noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.

 

Nach § 111 Abs. 4 ASVG sind – nur – jene Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben, verpflichtet, alle ihnen auf Grund der Betretung zur Kenntnis gelangenden Ordnungswidrigkeiten i.S.d. § 111 Abs. 1 ASVG bei der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen; gemäß § 111a ASVG haben diese Abgabenbehörden im Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung.

 

3.2. Da der slowakische Staatsbürger im gegenständlichen Fall in Marchtrenk betreten wurde, kam sohin nach § 111 Abs. 4 i.V.m. § 111a ASVG dem Finanzamt Grieskirchen-Wels nicht nur die Pflicht zur Anzeige, sondern auch die Parteistellung im Verfahren zu (wobei eine Abtretung dieser Zuständigkeiten an jenes Finanzamt, in dessen Sprengel der Betriebssitz und damit der durch § 111 Abs. 5 ASVG fingierte Tatort gelegen ist – etwa in Analogie zu § 29a VStG, wie eine solche mit der in der Anzeige des Finanzamtes Grieskirchen-Wels vom 3. November 2010, Zl. 54/72084/12/2009 enthaltenen Formulierung: "für: Finanzamt Linz" allenfalls intendiert war – gesetzlich nicht vorgesehen und somit auch nicht zulässig ist).

 

Dessen ungeachtet wurde das Finanzamt Grieskirchen-Wels an dem in der Folge von der belangten Behörde durchgeführten Verfahren nicht mehr beteiligt; insbesondere ist bereits die Stellungnahme zur Rechtfertigung des Beschwerdeführers vom 30. November 2009 (Zl. 54/72084/13/2009) durch das Finanzamt Linz erfolgt und auch das Straferkenntnis der belangten Behörde wurde diesem Finanzamt – und nicht dem Finanzamt Grieskirchen-Wels – zugestellt.

 

Das Finanzamt Grieskirchen-Wels ist demnach als übergangene Partei anzusehen, sodass das angefochtene Straferkenntnis schon insoweit mit Rechtswidrigkeit behaftet ist.

 

3.3. Nach § 44a Z. 1 VStG in jener Ausprägung, die diese Bestimmung durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfahren hat, muss der Spruch eines Straferkenntnisses die einem Beschuldigten angelastete Tat u.a. auch hinsichtlich des Tatortes konkretisieren; diesem Aspekt kommt in einem Strafverfahren nach § 111 ASVG im Hinblick auf die in § 111 Abs. 4 und 5 sowie in § 111a ASVG normierten Spezialbestimmungen eine besondere Bedeutung zu.

 

Im gegenständlichen Fall wird das angefochtene Straferkenntnis diesen Anforderungen jedoch schon deshalb nicht gerecht, weil in dessen Spruch ein Tatort – von dem gemäß § 111 Abs. 4 und 5 ASVG sowie nach § 111a ASVG die Zuständigkeit der Strafbehörde, die Frage der Anzeigepflicht und -berechtigung und schließlich die Frage, welches Finanzamt dem Verfahren als Amtspartei beizuziehen ist – überhaupt nicht genannt ist.

3.4. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG schon aus diesem Grund stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

Rechtssatz:

 

VwSen-252591/2/Gf/Mu vom 29. September 2010

 

wie VwSen-252584/2/Gf/Mu vom 28. September 2010

 

 

 

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