Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720279/2/Fi/Fl

Linz, 24.09.2010

4021 Linz, Fabrikstraße 32

 
 


E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Präsident Mag. Dr. Johannes Fischer über die Berufung des X, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Schärding vom 19. Juli 2010, GZ Sich40-8852, wegen Aufhebung eines unbefris­teten Rückkehrverbots nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

         Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Schärding (im Folgenden: belangte Behörde) vom 19. Juli 2010, GZ Sich40-8852, wurde der vom Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gestellte Antrag vom 29. Juni 2010 auf Aufhebung des gegen ihn rechtskräftig erlassenen unbefristeten Rückkehrverbots abgewiesen.

Begründend führt die belangte Behörde – nach Schilderung des Sachverhaltes, der maßgeblichen Rechtsgrundlagen und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – aus, dass seit der Erlassung des Rückkehr­verbots keine entscheidungswesentlichen Veränderungen eingetreten seien, die eine Aufhebung des unbefristeten Rückkehrverbots rechtfertigen könnten. Die belangte Behörde begründet ausführlich, weshalb keiner der vom Bw ange­führten Umstände (zB Heirat mit einer in Österreich lebenden deutschen Staats­angehörigen, Wohlverhalten seit Entlassung aus Strafhaft) eine ausreichende private Interessenslage zu begründen vermöge, die die öffent­lichen Interessen (Verurteilung wegen gewerbsmäßigem Handel mit Suchtgift in großen Mengen) aufgewogen hätte. Die belangte Behörde stützt sich bei ihren Ausführungen auf die §§ 60, 65, 66 und 67 Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG 2005).

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 30. Juli 2010 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende, am 12. August 2010 per Telefax an die belangte Behörde übermittelte – und somit rechtzeitige – Berufung vom selben Tag.

Begründend führt der Bw darin aus, dass die belangte Behörde nicht beachtet habe, dass der Bw als Angehöriger einer deutschen Staatsangehörigen begün­stigter Drittstaatsangehöriger sei, weshalb die Aufrechterhaltung des Rückkehr­verbots nach den Kriterien der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zu beurteilen gewesen wäre. Die Ehe­schließung mit einer deutschen Staatsangehörigen und die eheliche Lebens­ge­meinschaft mit ihr würden eine wesentliche Änderung der Umstände, die die Aufhebung des Aufenthaltsverbots [gemeint wohl: Rückkehrverbots] rechtfer­tigen und nach Gemeinschaftsrecht gebieten würden, darstellen. Es werde daher der Antrag gestellt, das Rück­kehrverbot – in eventu nach Vorlage an den Europäischen Gerichtshof – aufzu­heben.

1.3. Mit Schreiben vom 19. August 2010 legte die belangte Behörde dem Unab­hängigen Verwaltungssenat die Berufung des Bw unter Anschluss des Verwal­tungsaktes vor. In diesem Schreiben weist die belangte Behörde zunächst darauf hin, dass die Eheschließung mit der in Österreich lebenden deutschen Staats­angehörigen sehr wohl bedacht worden sei, zumal in der Rechtsmittelbelehrung des bekämpften Bescheides ausdrücklich der Unabhängige Verwaltungssenat als zur Entscheidung über die Berufung zuständige Behörde angeführt werde (§ 9 Abs. 1 Z 1 FPG 2005). Sodann folgen nähere Ausführungen zur Frage der Anwendbarkeit des § 86 FPG 2005 bei der Behandlung eines Antrags auf Aufhebung eines Rückkehrverbots.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

Der Bw, ein X Staatsangehöriger, wurde vom Landesgericht Inns­bruck am 22. August 2005, GZ 39 HV 144/2005H, wegen § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 2 und 3, 1. Fall Suchtmittelgesetz (große Menge + gewerbsmäßig) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Die Haftstrafe wurde zunächst in der Justizanstalt Innsbruck, sodann in der Justizanstalt Suben verbüßt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. September 2006, GZ Sich40-8852, wurde über den Bw ein unbefristetes Rückkehrverbot gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 sowie §§ 63 und 66 FPG 2005 verhängt. Gleichzeitig wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen. Dieser Bescheid wurde durch die Sicherheitsdirektion Oberöster­reich (Bescheid vom
16. Oktober 2006, GZ St 202/06) und den Verwaltungsge­richtshof (Erkenntnis vom 15. Mai 2007, 2007/18/0122) bestätigt.

Am 4. Mai 2007 wurde der Bw gemäß § 46 Abs. 2 StGB bedingt aus der Strafhaft entlassen.

Am 12. Juli 2008 hat der Bw eine in Österreich (in Seefeld in Tirol) lebende deutsche Staats­angehörige geheiratet. Nach seiner Entlassung hat der Bw jeweils einige Tage oder Monate bei diversen Firmen gearbeitet. Seit 3. Dezember 2009 ist der Bw als Asylwerber bei der Tiroler Gebietskrankenkasse gemeldet.

Am 29. Juni 2010 stellte der Bw einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthal­tsverbots (gemeint wohl: Rückkehrverbots).

Der Bw stellte am 23. Dezember 2003 einen Asylantrag. Die Beschwerde gegen die Abweisung seines Antrages gemäß § 7 Asylgesetz 1997 wurde mit Ent­scheidung des Asylgerichtshofs vom 19. Mai 2010, GZ A4 249.320-0/2008/13E, als unbegründet abgewiesen. Ferner wurde gemäß § 8 Asylgesetz 1997 iVm § 50 FPG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Bw nach X zulässig ist. Über eine Ausweisung konnte infolge der anzuwendenden Rechtslage durch den Asylgerichtshof nicht abgesprochen wer­den. Das Ausweisungsverfahren ist derzeit bei den fremdenpolizeilichen Be­hörden anhängig.

Dieser Sachverhalt – der vom Bw auch nicht bestritten wurde – ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Z 1 FPG 2005, weil der Bw als Ehegatte einer Unionsbürgerin begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG 2005 ist.

3.2. Nach § 67a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (im Folgenden: AVG) hat der Unabhängige Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3.3.1. Gemäß § 65 Abs. 1 FPG 2005, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 135/2009 ist das Aufenthaltsverbot oder das Rückkehrverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, wegge­fallen sind.

Ein solcher Antrag kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Rückkehrverbots die dafür maß­gebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei auf die nach der Verhängung des Rückkehrverbots eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. zB VwGH 29.9.2009, 2007/21/0336). Bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Rückkehrverbots kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Rückkehrverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (VwGH 15.12.2009, 2007/18/0718). Insofern ist vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht zu überprüfen, ob die damalige unbefristete Verhängung eines Rückkehrverbots rechtmäßig war, sondern fordert ein Antrag auf Aufhebung eines Rückkehrverbots eine Beur­teilung des Falles nach der aktuellen Sachlage.

3.3.2. Bei Fremden, die seit der Erlassung des Rückkehrverbots – wie der Bw –die Stellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG 2005 erlangt haben, ist überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Rückkehrverbots nur im Grunde des § 86 Abs. 1 FPG 2005 in Betracht kommt (vgl. zu Familienangehörigen von österreichischen Staatsbürgern zB VwGH 27.5.2009, 2006/21/0134; 29.9.2009, 2007/21/0336).

Gemäß § 86 Abs. 1 FPG 2005 § 86 FPG 2005 dient der Umsetzung der unionsrechtlichen Anforderungen der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (vgl. dazu Erläut. zur RV 952 BlgNR 22. GP 106f.) – ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots (hier: Rückkehrverbots) gegen gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Aufenthalt ununterbrochen seit 10 Jahren im Bundesgebiet haben, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthalts­verbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist. Mangels eines 10-jährigen Aufenthalts bzw. mangels Minderjährigkeit des Bw finden die beiden letzte Sätze des § 86 Abs. 1 FPG 2005 keine Anwendung.

Zu prüfen ist daher zunächst, ob iSd § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG 2005 das persönliche Verhalten des Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundin­teresse der Gesellschaft berührt.

Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 86 FPG 2005 gegeben sind, kann der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG 2005 als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (VwGH 24.4.2007, 2007/21/0132; 24.10.2007, 2006/21/0155). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 leg.cit. hat als bestimmte, eine Gefährdungsan­nahme iSd Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Frei­heitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0155).

Die erste Alternative dieses Tatbestandes ist im vorliegenden Fall ausgehend von der vom Bw nicht in Abrede gestellten strafgerichtlichen Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck unter der Zahl GZ 39 HV 144/2005H, wegen § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 2 und 3, 1. Fall Suchtmittelgesetz (große Menge + gewerbs­mäßig) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von – sogar! – zwei Jahren und sechs Monaten jedenfalls erfüllt. Jedoch ist zu beachten, dass gemäß § 86 Abs. 1 dritter Satz FPG 2005 eine strafrechtliche Verurteilung allein für die Aufrechter­haltung des Rückkehrverbots unzureichend ist, vielmehr muss das persönliche Verhalten des Bw die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden und eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundin­teresse der Gesellschaft berührt.

Hiezu ist anzumerken, dass das zur Erlassung des unbefristeten Rückkehr­verbots führende kriminelle Verhalten des Bw, die gewerbsmäßige Weitergabe von großen Mengen Suchtgift (eine große Menge ist eine solche, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen), eine besonders schwere, die Grundinteressen der Gesellschaft berührende Straftat bildete (vgl. VwGH 27.5.2009, 2006/21/0134). Bei der Suchtgiftkriminalität handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwal­tungsgerichtshofs um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr besonders groß ist und der eine große Sozialschädlichkeit innewohnt (vgl. VwGH 4.10.2006, 2006/18/0306; 27.6.2006, 2006/18/0092). Die Wiederholungsgefahr manifestierte sich beim Bw etwa bereits darin, dass dieser – seine Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck betreffend – über mehrere Monate hindurch Tathandlungen setzte (vgl. dazu S. 5 des den Bw betreffenden Erkenntnisses VwGH 15.5.2007, 2007/18/0122). Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Bw seit Dezember 2009 – nachdem er zuvor nach seiner Haftentlassung diverse Gelegenheitsjobs hatte – über kein Einkommen verfügt und er sich im Verfahren betreffend seine Verurteilung wegen gewerbs­mäßiger Begehung eines Suchtgiftdeliktes mit Existenzproblemen und Geld­man­gel ver­antwortete (vgl. dazu S. 5 des den Bw betreffenden Erkenntnisses VwGH 15.5.2007, 2007/18/0122). Insofern kann an der Erfüllung der Voraussetzungen nach § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG 2005 nicht gezweifelt werden. Soweit der Bw mit der Dauer seines Wohlverhaltens argumentiert, ist dem zu erwidern, dass sein straf­rechtliches Fehlverhalten noch nicht so lange zurückliegt, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes auf einen Wegfall oder eine entscheidende Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr geschlossen werden könnte (vgl. dazu VwGH 27.5.2009, 2006/21/0134). Dabei ist insbesondere zu berücksich­tigen, dass der Bw einen Großteil dieser Zeit in Haft verbüßte (zum für die Beurteilung des Wohlverhaltens maßgeblichen Zeitraum vgl. VwGH 5.9.2006, 2006/18/0174).

3.3.4. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

Der Bw hat am 12. Juli 2008 eine in Österreich lebende deutsche Staatsange­hörige geheiratet und somit grundsätzlich einen Anspruch darauf, mit seiner Ehe­gattin zusammenzuleben. Dieses Recht wird vom Unabhängigen Verwaltungs­senat durchaus erkannt.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demo­kratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Demnach erfordert die Beurteilung eines Eingriffs in das in Art. 8 Abs. 1 EMRK verbürgte Recht eine Abwägung zwischen den in Art. 8 Abs. 2 EMRK umschrie­benen öffentlichen Interessen und den familiären und den sonstigen privaten Interessen des Bw.

Die Verhängung eines unbefristeten Rückkehrverbots ist gemäß § 63 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 iVm § 86 Abs. 1 FPG 2005 gesetzlich vorgesehen.

Zumindest zum Schutz der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Gesundheit und der Moral ist die Aufrechterhaltung des Rückkehrverbots unumgänglich. Die Gefahr einer Wieder­holung des Verbrechens des gewerbsmäßigen Handels mit großen Mengen Sucht­gift ist unstreitig geeignet, die öffentlichen Ruhe und Ordnung zu beeinträch­tigen.

Die Aufrechterhaltung des Rückkehrverbots ist auch verhältnismäßig: Wesent­liches Element für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ist diesfalls die Schwere des vom Bw begangenen Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz. Dem ist die Eheschließung des Bw mit einer in Österreich lebenden deutschen Staatsbürgerin gegenüberzustellen. Andere nennenswerte Anknüpfungspunkte für eine soziale Integration des Bw wurden von diesem weder vorgebracht noch sind solche zu erkennen. Der im Verwaltungsakt einliegende Versicherungs­daten­auszug des Bw zeigt lediglich diverse Gelegenheitsjobs von einigen Tagen bzw. Monaten sowie seit Dezember 2009 eine Meldung des Bw als Asylwerber, sodass eine berufliche Verankerung des Bw im Inland nicht erkannt werden kann. Das aus der Eheschließung abzuleitende familiäre Interesse des Bw an einem Verbleib im Bundesgebiet wird ganz wesentlich dadurch relativiert, als der Bw die Familien­bande erst zu einem Zeitpunkt begründet hat, als das Rückkehrverbot infolge seiner Straftat bereits erlassen war und er sich der Unsicherheit seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet bewusst sein musste (vgl. dazu zB VwGH 27.5.2009, 2006/21/0134). Allgemein ist festzuhalten, dass sämtliche familiären und privaten Interessen des Bw zu einem Zeitpunkt begründet wurden, zu dem dieser sich der Unsicherheit seines Aufenthalts im Bundesgebiet bewusst sein musste, bedenkt man, dass dieser seinen Aufenthalt im Bundesgebiet nur darauf zu stützen vermochte, dass er die Erlassung einer durchsetzbaren Ent­scheidung seines Asylverfahrens in Österreich abwarten durfte.

Bei einer Abwägung des verständlichen Interesses des Bw und den öffentlichen Interessen kommt der Unabhängige Verwaltungssenat daher zu dem Schluss, dass letztere im vorliegenden Fall deutlich überwiegen.

3.5. Dem Umstand, dass die belangte Behörde das Verhalten des Bw rechts­ nur nach §§ 60, 65, 66 und 67 FPG 2005 und nicht auch nach § 86 Abs. 1 FPG 2005 beurteilt hat, kommt für den Ausgang des Verfahrens keine Bedeutung zu (VwGH 4.6.2009, 2006/18/0322). Da auch sonst keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen, ist die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abzuweisen.

4. Im Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Johannes Fischer

Rechtssatz zu VwSen-720279/2/Fi/Fl vom 24. September 2010

§§ 60, 62, 65, 86 FPG 2005

§ 28 SMG

Erkenntnis

 

Rechtssatz 1

Ein Antrag auf Aufhebung eines Rückkehrverbots nach § 65 FPG 2005 kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Rückkehrverbots die dafür maß­gebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei auf die nach der Verhängung des Rückkehrverbots eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. zB VwGH 29.9.2009, 2007/21/0336). Bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Rückkehrverbots kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Rückkehrverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (VwGH 15.12.2009, 2007/18/0718). Insofern ist vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht zu überprüfen, ob die damalige unbefristete Verhängung des Rückkehr­verbots rechtmäßig war, sondern fordert ein Antrag auf Aufhebung des Rück­kehrverbots eine Beur­teilung des Falles nach der aktuellen Sachlage.

Bei Fremden, die seit der Erlassung des Rückkehrverbots – wie der Bw –die Stellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG 2005 erlangt haben, ist überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Rückkehrverbots nur im Grunde des § 86 Abs. 1 FPG 2005 in Betracht kommt (vgl. zu Familienangehörigen von österreichischen Staatsbürgern zB VwGH 27.5.2009, 2006/21/0134; 29.9.2009, 2007/21/0336).

Rechtssatz 2

Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 86 FPG 2005 gegeben sind, kann der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG 2005 als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (VwGH 24.4.2007, 2007/21/0132; 24.10.2007, 2006/21/0155).

 

 

Rechtssatz 3

Die gewerbsmäßige Weitergabe von großen Mengen Suchtgift (eine große Menge ist eine solche, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen), bildet eine besonders schwere, die Grundinteressen der Gesellschaft berührende Straftat (vgl. VwGH 27.5.2009, 2006/21/0134). Bei der Suchtgiftkriminalität handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwal­tungsgerichtshofs um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der erfahrungsgemäß die Wiederholungs­gefahr besonders groß ist und der eine große Sozialschädlichkeit innewohnt (vgl. VwGH 4.10.2006, 2006/18/0306; 27.6.2006, 2006/18/0092).

 

 

Rechtssatz 4

Dem Umstand, dass die belangte Behörde das Verhalten des Bw rechts­irrtümlich nur nach §§ 60, 65, 66 und 67 FPG 2005 und nicht auch nach § 86 Abs. 1 FPG 2005 beurteilt hat, kommt für den Ausgang des Verfahrens keine Bedeutung zu (VwGH 4.6.2009, 2006/18/0322).

 

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