Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100592/11/Weg/Ri

Linz, 02.12.1992

VwSen - 100592/11/Weg/Ri Linz, am 2. Dezember 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des G P vom 5. Mai 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 15. April 1992, VerkR96/5028/1991/Pi/He, zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 BGBl.Nr. 51/1991 (AVG), i.V.m. § 24, § 45 Abs.1 Z.1, § 51 Abs.1, § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52/1991 (VStG).

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 und 2.) § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 Geldstrafen von 1.) 1.000 S (im NEF 24 Stunden) und 2.) 1.000 S (im NEF 24 Stunden) verhängt, weil dieser am 25. August 1991 um 16 Uhr in P, A, R Bundesstraße (Str.km 8,000) mit dem Kombi, amtliches Kennzeichen 1. trotz der dort befindlichen unübersichtlichen Kurve (Rechtskurve) überholt habe und 2. obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen wird können, überholt habe.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 200 S zur Vorschreibung gebracht.

2. Dagegen wendet der Berufungswerber in seiner fristgerecht eingebrachten Berufung unter Verweis auf seine bisherigen Äußerungen sinngemäß ein, daß er nicht vor der Kurve überholt habe, sondern auf dem davor befindlichen geraden Straßenstück. Außerdem habe er die gesamte Kolonne überholt, sodaß er hinsichtlich des Einordnens keine Probleme gehabt habe. Erst später sei er wieder auf ein Fahrzeug aufgelaufen. Den Überholvorgang hätten die Meldungsleger in dieser Form nicht beurteilen können, da sie sich ca. vier Fahrzeuge hinter ihm befunden hätten.

3. Anläßlich der am 26. November 1992 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der nur eine der Parteien nämlich der Berufungswerber, sowie als Zeuge Herr Insp. J Rr und als straßenverkehrstechnischer Amtssachverständiger Herr Ing. M A erschienen, und in deren Verlauf auch ein Ortsaugenschein durchgeführt wurde, ergab sich unter Berücksichtigung des § 51i VStG nachstehender entscheidungsrelevante Sachverhalt.

Gemäß § 51i ist bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie während der Verhandlung verlesen wurden.

Herr Insp. R konnte sich an den gegenständlichen Vorfall nicht mehr in allen Details erinnern. Insbesondere konnte er nicht angeben, wo der Beschuldigte das Überholmanöver begonnen hat. Er konnte sich auch nicht mehr daran erinnern, ob nicht - so die Angaben des Beschuldigten - das letzte der von dem Beschuldigten überholten Fahrzeuge eines mit größeren Breiten- und Höhenabmessungen (nach Aussage des Beschuldigten war es ein auf einen Wohnwagen umgebautes Feuerwehrauto) war und somit möglicherweise keine ausreichende Sicht aus dem ca. vier Fahrzeuge hinter dem Beschuldigten fahrenden Patrouillenwagen bestand. Der Zeuge konnte sich nur noch daran erinnern, daß aufgelockerter Kolonnenverkehr herrschte und sich vor dem Patrouillenfahrzeug ca. sechs oder sieben Fahrzeuge, die jeweils einen Sicherheitsabstand von 2-3 Fahrzeuglängen einhielten, fuhren. Dabei bewegte sich diese Kolonne in einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h bis 70 km/h. Dem Zeugen war ein Gegenverkehr, von dem auch nach der Aktenlage keine Rede mehr war, nicht mehr in Erinnerung.

Der Berufungswerber bringt vor, mit dem Überholmanöver bereits bei Straßenkilometer 9,1 begonnen zu haben. Es ist dies jene Stelle eines geraden Straßenstückes, bei der in den dort in die R Bundesstraße einmündenden M Einsicht besteht. Nachdem sich der Beschuldigte schon längere Zeit hinter drei vor ihm fahrenden Fahrzeugen, die etwa eine Geschwindigkeit von 60 km/h bis 70 km/h fuhren, bewegte und weder vor dem Überholmanöver noch während bzw. kurz nach dem Überholmanöver Gegenverkehr herrschte, erscheint der von ihm gewählte Überholbeginn deshalb glaubwürdig, weil eben in diesem Bereich aus der Sicht des Beschuldigten noch ein gefahrloses Überholen möglich war, während ein 200 m später beginnendes Überholmanöver auf der dort unübersichtlichen Rechtskurve stattgefunden hätte. Es kann dem Berufungswerber mit einer für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit nicht unterstellt werden, daß er als Ortskundiger und mit der Gefahrensituation an dieser Stelle vertrauter KFZ-Lenker den Überholbeginn vor einer unübersichtlichen Rechtskurve wählt, wo doch vorher in Ermangelung eines Gegenverkehrs ein gefahrloser Überholbeginn gewählt hätte werden können, zumal sich der Zeuge auch beim Lokalaugenschein nicht mehr an den Beginn des Überholmanövers erinnern konnte. Hinsichtlich des Endes des Überholmanövers und des in der Anzeige beschriebenen Einordnens wird noch angemerkt, daß - wenn das Überholmanöver, wie in der Anzeige festgehalten, stattgefunden hätte - bei Str.km 8,7 noch eine Sicht auf einen ev. Gegenverkehr von mehr als 250 m gegeben ist und es deshalb in Ermangelung eines Gegenverkehrs von einem nur durchschnittlich begabten KFZ-Lenker nicht zu erwarten ist, daß er den Überholvorgang vor dem letzten zu überholenden Fahrzeug abbricht und sich in eine ca. 20 m lange Lücke zwischen den letzten Fahrzeugen der aus insgesamt vier Fahrzeugen bestehenden Kolonne zwängt. Wenn - so der Beschuldigte - das letzte der überholten Fahrzeuge ein Wohnmobil war, so ergibt sich - so der Amtssachverständige - aus dem Patrouillenfahrzeug eine ungünstige Beobachtungsmöglichkeit des zwischen einem ev. vorausfahrenden Fahrzeug und diesem Fahrzeug eingehaltenen Sicherheitsabstandes. Der Einordnungsvorgang hätte dann von den Meldungslegern nur so weit beobachtet werden können, als sich das überholende Fahrzeug noch, zumindest teilweise, auf dem linken Fahrstreifen befand.

Der straßenverkehrstechnische Amtssachverständige kommt in seinem anläßlich der Verhandlung vorgetragenen Gutachten zum Ergebnis, daß unter Berücksichtigung eines Überholbeginnes bei Str.km 9,1, einer vom Beschuldigten gefahrenen Geschwindigkeit von ca. 95 km/h gegenüber der Geschwindigkeit der überholten drei Fahrzeuge von 60 km/h bis 65 km/h und bei einem Tiefenabstand von ca. 20 m zwischen den überholten Fahrzeugen dem Berufungswerber für sein Überholmanöver ein Überholweg von 255 m bei einer Überholzeit von 9,6 sec. zur Verfügung stand. In diesen Daten ist auch der vor und nach dem Überholvorgang einzuhaltende Sicherheitsabstand mitberücksichtigt. Bei einer angenommenen Geschwindigkeit von 100 km/h eines ev. Gegenverkehrs und einer nicht als Behinderung zu wertenden Verzögerung dieser Geschwindigkeit von ca. 1 m pro sec/2 ergibt sich für den Gegenverkehr eine theoretisch zurückgelegte Wegstrecke von 209 m. Berücksichtigt man ausschließlich jene Wegstrecke innerhalb der sich das überholende Fahrzeug an den überholten PKW's vorbeibewegte, ergibt sich ein Überholweg von ca. 150 m, sodaß die erforderliche Überholsichtweite weniger als 300 m beträgt. Auf Grund der eben angeführten und auszugsweise wiedergegebenen Berechnung des Sachverständigen steht fest, daß bei Beginn des Überholmanövers für den Berufungswerber erkennbar sein mußte, daß er das Fahrzeug nach dem Überholvorgang wieder einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Der straßenverkehrstechnische Amtssachverständige kommt unter Zugrundelegung der angeführten Daten auch zu dem Ergebnis, daß der Berufungswerber das Überholmanöver bereits vor der dort befindlichen unübersichtlichen Rechtskurve wieder beendet hat.

Abschließend führt der Sachverständige noch aus, daß würde man der in der Anzeige angeführten Kilometrierung des Überholvorganges folgen - bei Str.km 8,7 sich die Sichtweite wieder vergrößert, sodaß es vollkommen unbegründet erscheint, wenn ein KFZ-Lenker bei ungünstiger Einordnungsmöglichkeit sich zwischen zwei Fahrzeuge mit nicht ausreichendem Abstand einordnet, wenn nicht zwingende Gründe einen derartigen Einordnungsvorgang erforderlich machen. Derartig zwingende Gründe, nämlich insbesondere ein Gegenverkehr, sind weder dem Akt zu entnehmen, noch sind diese in der Verhandlung vorgebracht worden, sodaß - abgesehen von der ungünstigen Beobachtungsmöglichkeit aus dem Patrouillenfahrzeug - auch aus diesem Grunde die in der Anzeige angeführte Kilometrierung bezüglich des Überholendes nicht ganz exakt gewesen sein dürfte.

Die Anzeige selbst wurde auf Grund späterer Rekonstruktionen verfaßt, weil der Beschuldigte nicht unmittelbar nach diesem Überholmanöver angehalten wurde, sondern erst bei der Autobushaltestelle im Ortsgebiet von P.

Festzuhalten ist noch, daß die belangte Behörde im Straferkenntnis den Tatort bei Straßenkilometer 8,000 ansiedelte, was sowohl den Angaben in der Anzeige als auch dem von der Berufungsbehörde ermittelten Beweisergebnis zuwiderläuft.

Abschließend und zusammenfassend wird somit festgehalten, daß es dem Beschuldigten nicht mit einer für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit nachzuweisen ist, daß er das Überholmanöver in der in der Anzeige festgehaltenen Form durchgeführt hat, sondern dieses bereits bei Str.km 9,1 begonnen hat. Unter dieser Annahme ist jedoch die Überholsicht ausreichend gewesen. Es kann dem Beschuldigten weder vorgeworfen werden, daß er nicht erkennen konnte, sich nach dem Überholvorgang wieder in den Verkehr einordnen zu können, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, noch daß er in einer unübersichtlichen Rechtskurve überholt hat. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG ist von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

Der dem Beschuldigten zur Last gelegte Sachverhalt ist wie in den obigen Ausführungen dargestellt - nicht als erwiesen anzunehmen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an:

Akt Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider 6

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