Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-252492/13/Lg/Hue/Ba

Linz, 08.10.2010

 

                                                                                                                                                        

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder nach der am 21. September 2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung von X X, X, X, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. X X, X, X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 25. März 2010, Zl. SV96-24-2007, mit dem der Antrag auf Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens gem. § 31 Abs. 3 VStG wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I.       Der Berufung wird Folge gegeben und das Strafverfahren wegen        des Eintritts von Strafbarkeitsverjährung eingestellt.

II.     Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 31 Abs.3 und § 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm §§ 10, 62 Abs.2 und 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG.

Zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag gem. § 31 Abs. 3 VStG vom 9. März 2010 von Rechtsanwalt Mag. X X in Vertretung von Frau X X auf Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen einer Übertretung des Ausländer-Beschäftigungsgesetzes zurückgewiesen.

 

In der Begründung führt die Behörde aus, dass Frau X im Zuge einer persönlichen Vorsprache bei der Erstbehörde am 16. September 2009 mitgeteilt habe, dass die Vertretungsbevollmächtigung an Herrn Rechtsanwalt Dr. X X im Verwaltungsstrafverfahren wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bereits seit Längerem gelöst sei und sie Eigenverantwortung übernehmen wolle. In Folge sei mit Frau X eine Niederschrift aufgenommen und ein Straferkenntnis erlassen (verkündet) worden. Frau X habe daraufhin nach entsprechender Belehrung auf ein Rechtsmittel verzichtet. Nach Einbringung des vorliegenden Antrages durch Rechtsanwalt Mag. X sei von Frau X niederschriftlich am 18. März 2010 nochmals bestätigt worden, dass die Vertretungsbevollmächtigung an Rechtsanwalt Mag. X jedenfalls zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses und auch schon einige Zeit vorher nicht mehr bestanden hätte. Da zum Zeitpunkt der Stellung des gegenständlichen Antrages am 9. März 2010 Rechtsanwalt Mag. X von Frau X nicht mehr zu ihrer Vertretung bevollmächtigt gewesen sei, sei der Antrag vom 9. März 2010  zurückzuweisen gewesen.

 

2. In der Berufung brachte Rechtsanwalt Mag. X vor, dass der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt keinesfalls den Tatsachen entspreche. Mit Fax vom 12. April 2010 sei Mag. X von Frau X die Niederschrift vom 16. September 2009 übermittelt worden. In dieser sei von Frau X folgende Erklärung abgegeben worden: "Ich gebe zu, die mir in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7.5.2007 vorgeworfene Verwaltungsübertretung begangen zu haben und bekenne mich schuldig." Dies sei der gesamte Inhalt der Niederschrift. Frau X habe mit keinem Wort erwähnt bzw. auch nur angedeutet, dass die Vertretungsbevollmächtigung an Mag. X aufgelöst sei. Dieses Vertretungsverhältnis bestehe nach wie vor, die Vollmacht sei zu keinem Zeitpunkt aufgekündigt worden. Frau X sei der deutschen Sprache auch nicht ausreichend mächtig, um den Inhalt einer solchen Erklärung verstehen zu können. Zudem bestehe Rechtschutzdeckung. Die Vorgehensweise der belangten Behörde entspreche keiner rechtstaatlichen Vorgangsweise und Frau X behalte sich die Einleitung weitere Schritte ausdrücklich vor.

Die Behörde gehe davon aus, dass Frau X mit dem mündlich verkündeten Straferkenntnis vom 16. September 2009 zur Zahlung einer Geldstrafe samt Verfahrenskosten verpflichtet worden sei. Sowohl die Niederschrift als auch die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Straferkenntnisses vom 16. September 2009 seien dem Rechtsanwalt Mag. X erst am 12. April 2010 per Fax zugestellt worden. An dem Umstand, dass das Vollmachtsverhältnis von Frau X nie aufgelöst worden sei vermag auch die Niederschrift vom 18. März 2010 nichts ändern, da Frau X gegenüber dem Sachbearbeiter Mag. X zu keinem Zeitpunkt erklärt habe, dass die Vertretungsbevollmächtigung aufgelöst worden sei. Diesbezüglich werde auf die Niederschrift vom 16. September 2009 verwiesen. Nicht nachvollziehabr sei, weshalb die Erstbehörde ein halbes Jahr nach der Durchführung einer niederschriftlichen Einvernahme eine erneute Einvernahme von Frau X durchgeführt habe, die allein dem Zwecke gedient habe, den "Inhalt" der vorhergehenden niederschriftlichen Einvernahme zu rechtfertigen. Es sei offensichtlich, dass die belangte Behörde mit der Einvernahme von Frau X am 18. März 2010 versuche, ihre rechtswidrige Vorgehensweise zu beschönigen, da sie erkannt hätte, dass sie Rechtsanwalt Mag. X bei der mündlichen Verkündung des Straferkenntnisses am 16. September 2009 nicht übergehen hätte dürfen. Interessant sei auch, dass die neuerliche Einvernahme von Frau X am 18. März 2010 durchgeführt worden sei, bevor Mag. X in einem Telefonat vom 25. März 2010 von der Vorgehensweise und der Rechtsansicht der Behörde informiert worden sei. In einem Telefonat von Frau X mit Herrn Mag. X, einem Mitarbeiter von Rechtsanwalt Mag. X, habe diese ausdrücklich erklärt, das Vollmachtverhältnis nicht aufgekündigt zu haben. Sie sei allerdings von der belangten Behörde aufgefordert worden, die Aufkündigung des Vollmachtsverhältnisses schriftlich zu bestätigen, damit der Leiter der Amtshandlung "keine Probleme" bekomme. Die Behörde habe daher in unzulässiger Weise die Unerfahrenheit von Frau X und ihre Sprachschwierigkeiten ausgenützt. Rechtsanwalt Mag. X sei zu den Beschuldigteneinvernahmen am 16. September 2009 und 18. März 2010 nicht geladen worden, weshalb wesentlicher Verfahrensmangel vorliege. Die Ladung zur Einvernahme am 16. September 2009 hätte Mag. X jedenfalls zugestellt werden müssen bzw. hätte eine Einvernahme von Frau X ohne Rechtsvertreter nicht durchgeführt werden dürfen.

Somit sei das Straferkenntnis keinesfalls rechtmäßig erlassen worden. Obwohl in gegenständlicher Angelegenheit ohne jegliche Bedeutung werde bezugnehmend auf die Ausführungen in der Niederschrift vom 18. März 2010 dennoch darauf hingewiesen, dass der einzige Grund, weshalb zwischen Rechtsanwalt Mag. X und Frau X seit 2007 kein Kontakt bestanden habe, darin gelegen sei, weil nach der Rechtfertigung vom 9. November 2007 durch Rechtsanwalt Mag. X von der Erstbehörde keinerlei weiteren Verfahrenshandlungen gesetzt worden seien.

Hingewiesen wurde auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Beschuldigtenladungsbescheide dem Bevoll­mächtigten zuzustellen seien, und auf Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, § 41 VStG, E26 und 27, § 46 VStG, E19).

Aufgrund der aufgezeigten gravierenden Verfahrensmängel, des gehäuften Verkennens der Rechtslage, insbesondere der mutmaßlich absichtlichen Übergehung des gezeichneten Rechtsvertreters, sei das Handeln der Erstbehörde darüber hinaus sogar als willkürlich zu bezeichnen.

 

Beantragt wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Gegen Frau X X wurde mit Schreiben vom 5. März 2007 seitens des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr Strafantrag wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) gestellt.

 

Nach Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7. Mai 2007 gab der ausgewiesene Rechtsvertreter der Beschuldigten, Herr Rechtsanwalt Mag. X X, mit Schreiben vom 29. August 2007 eine ausführliche Rechtfertigung zum vorgeworfenen Delikt ab.

 

Zu diesem Rechtfertigungsvorbringen äußerte sich der Anzeigenleger am 10. Ok­tober 2007.

 

Dazu erfolgte eine Stellungnahme des Rechtsvertreters von Frau X am 9. No­vember 2007.

 

Der Akt setzt fort mit folgender Niederschrift mit Frau X vom 16. Sep­tember 2009 (Leiter der Amtshandlung: Ing. Mag. X X):

"Ich gebe zu, die mir in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 07. Mai 2007 vorgeworfene Verwaltungsübertretung begangen zu haben und bekenne mich schuldig."

Unmittelbar im Anschluss an diese Niederschrift wurde gegen Frau X mit Straferkenntnis vom 16. September 2009 wegen einer Übertretung des AuslBG eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verfügt und dieses Straferkenntnis mündlich verkündet.

Dazu findet sich folgende Erklärung: "Gemäß § 13a AVG wurde ich über die Rechtsmittel mündlich belehrt und mir wurden die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundene Rechtsfolgen zur Kenntnis gebracht.

Ich verzichte hiermit ausdrücklich auf eine Bescheidausfertigung und auf das Rechtsmittel der Berufung."

Unter diesen Dokumenten sind die eigenhändigen Unterschriften von Frau X und dem Leiter der Amtshandlungen angebracht.

 

Im Vollstreckungsverfahren des Straferkenntnisses wurde mit Bescheid vom 14. Oktober 2009 Frau X Teilzahlung des Strafbetrages gewährt und dabei auf ein diesbezügliches Ansuchen vom 12. Oktober 2009 hingewiesen.

Ein solches schriftliches Ansuchen bzw. eine diesbezügliche Niederschrift findet sich jedoch nicht im Verwaltungsakt.

 

Mit Schreiben vom 9. März 2010 stellte Rechtsanwalt Mag. X X im Namen von Frau X den Antrag, gem. § 31 Abs.3 VStG das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, da Strafbarkeitsverjährung eingetreten sei.

 

Der erstbehördliche Akt setzt fort mit einer Niederschrift mit Frau X vom 18. März 2010 (Leiter der Amtshandlung: X X; weiteres amtliches Organ: Mag. X X) folgenden Inhalts:

"Am heutigen Tag erscheint Frau X bei der Behörde und gibt nach Erklärung des Sachverhaltes Folgendes zu Protokoll:

Im Zuge der Amtshandlung im Verfahren SV96-24-2007 habe ich – wie Herrn Mag. X auch bereits damals mitgeteilt – zur Gänze Eigenverantwortung übernommen und in weiterer Folge auch ein Geständnis abgelegt, das ergangene Kurzerkenntnis akzeptiert und auf das Rechtsmittel der Berufung verzichtet.

Ausdrücklich weise ich darauf hin, dass die Vertretungsbevollmächtigung durch Rechtsanwalt Mag. X bereits zum damaligen Zeitpunkt und auch schon einige Zeit vorher nicht mehr bestanden hat. Er hat sich lediglich im Jahre 2007 einmal bei mir gemeldet und danach überhaupt nicht mehr, weshalb ich mich dann auch selbst vor der Behörde vertreten habe und auf die Beistellung bzw. Vertretung durch einen Rechtsanwalt verzichtete."

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Bescheid und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung teilte der Verhandlungsleiter zunächst mit, dass Frau X zwar ordnungsgemäß geladen wurde, jedoch der Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben ist.

Der Rechtsvertreter der Bw erklärte daraufhin, dass er am vergangenen Freitag mit ihr gesprochen und sie ihr Kommen zugesagt habe.

 

Der Vertreter der Bw, Herr Mag. X, sagte zeugenschaftlich aus, dass er am 24. Mai 2007 von Frau X für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren bevollmächtigt worden sei. Mit Eingabe vom 30. Mai 2007 habe er die entsprechenden Schritte eingeleitet und sowohl mit der Behörde als auch mit der Rechtsschutzversicherung Kontakt aufgenommen. Mit Schreiben vom 8. Juni 2007 habe die Rechtsschutzversicherung die aufrechte Deckung für dieses Mandat bestätigt.

 

Dieses Schreiben wird in Kopie zum Akt genommen.

 

Der Zeuge setzte fort, dass in weiterer Folge jeweils im August 2007 und November 2007 Eingaben an die Behörde getätigt worden seien. In weiterer Folge sei etwa zweieinhalb Jahre nichts passiert. In dieser Zeit habe die Bw naturgemäß vom Rechtsvertreter "auch nicht gehört", da es nichts zu berichten gegeben habe. Der Akt sei beim Vertreter der Bw vorgemerkt und am 9. März 2010 ein Einstellungsantrag gestellt worden. Daraufhin habe sich die Behörde bei der Kanzlei des Zeugen gemeldet und mit einem Mitarbeiter telefoniert. Dabei sei diesem bekannt gegeben worden, dass das Vollmachtsverhältnis angeblich aufgelöst worden sei. Dies sei aber naturgemäß von Anfang an vom Rechtsvertreter bestritten worden, da es nie zu einer Auflösung des Vollmachtsverhältnisses gekommen sei. Der gegenständliche Zurückweisungsbescheid sei am 2. April 2010 bei ihm eingelangt. Auf Verlangen habe der Zeuge einen schriftlichen Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Daraufhin seien ihm am 12. April 2010 die beiden Protokolle übermittelt und am 14. April die gegenständliche Berufung eingebracht worden.

Frau X habe dem Rechtsvertreter bei der Vorbesprechung am Freitag bestätigt, dass die Vollmacht nie aufgekündigt worden sei und sie gegenüber der Behörde auch nichts Anderes geäußert habe. Bei diesem Gespräch habe die Bw auch mitgeteilt, dass es eine ganze Reihe ähnlich gelagerter Strafverfahren gegen sie gegeben hätte. Es gebe Forderungen der Finanzverwaltung in Höhe von etwa 25.000 Euro. Der Zeuge nahm an, dass die Bw aufgrund dieser Mehrzahl an Verfahren der Gefahr von Verwechslung ausgesetzt gewesen sei.

Eine Verständigung sei möglich gewesen, Sprachschwierigkeiten seien dieser nicht entgegen gestanden.

 

Ing. Mag. X X sagte als Zeuge aus, dass er sich daran erinnern könne, dass die Bw im September 2009 bei ihm im Amt erschienen sei. Zu diesem Zeitpunkt seien zwei bis drei Strafen wegen illegaler Ausländerbeschäftigung vom Unabhängigen Verwaltungssenat bestätigt gewesen. Frau X habe deshalb um Ratzenzahlung gebeten.

Bei dieser Gelegenheit habe der Zeuge das noch offene gegenständliche Strafverfahren zur Sprache gebracht. Da diesem Verfahren ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde gelegen sei wie den bereits rechtskräftigen Verfahren sei es zweckmäßig erschienen, auch unter dieser Angelegenheit "einen Schlussstrich zu ziehen". Dies auch im Hinblick auf die Gesamtperspektive der Ratenzahlung, d.h., damit hätte auch diese letzte Strafe in den Ratenzahlungsplan mit einbezogen werden können.

Die Bw habe diesem zugestimmt und gesagt, sie wolle alle Verfahren erledigt haben. Der Erinnerung des Zeugen nach sei auch die Ratenzahlung für die noch ausstehende Strafe besprochen und festgelegt worden. Darauf habe Herr Mag.  X Frau X (rechts-)belehrt, worauf sie einen Berufungsverzicht unterschrieben hätte. In Anbetracht des Geständnisses und der finanziellen Situation der Bw sei der Zeuge im unteren Bereich des Strafrahmens geblieben.

Hinsichtlich des Vollmachtsverhältnisses sei es so gewesen, dass bei den verschiedenen Verfahren auch mehrere verschiedene Rechtsanwälte involviert gewesen seien. Daher sei es für den Zeugen wichtig gewesen zu wissen, ob noch ein Vollmachtsverhältnis bestehe oder nicht. Soweit sich Herr Mag. X erinnern könne, habe er die Bw ausdrücklich danach gefragt. Während des Gesprächs am 16. September 2010 sei keine weitere Person anwesend gewesen. Die Sprachkenntnisse von Frau X seien sehr gut und ausreichend gewesen, um mit ihr über das Geständnis, den Berufungsverzicht, die Ratenzahlung und die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses problemlos sprechen zu können. Nachdem sich der Vertreter der Bw eingeschaltet gehabt hatte, sei von seinem Kollegen X nochmals eine Niederschrift mit der Bw aufgenommen worden. Der Zeuge sei deshalb nicht mehr mit dieser Angelegenheit befasst gewesen, weil er nicht mehr in der gegenständlichen Abteilung tätig gewesen sei. Bei der Aufnahme dieser zweiten Niederschrift sei Mag. X nicht persönlich anwesend gewesen. Ihm sei jedoch später das Protokoll vorgelegt worden, was der Zeuge auch mit seiner Unterschrift bestätigt hätte.

 

Der Vertreter der Bw warf ein, dass der Zeuge Mag. X zuvor gesagt hätte, dass er sich nicht einmal hinsichtlich der Erklärung der Bw betreffend die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses noch sicher sei. Wie habe der Zeuge die Sprachkenntnisse der Frau X beurteilen können, wenn über die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses gar nicht gesprochen worden sei?

 

Der Zeuge Mag. X wiederholte, dass er sich über die diesbezügliche Erklärung der Bw hundertprozentig sicher sei.

 

Auf die Frage des Vertreters der Bw, ob der Zeuge in Erinnerung habe, dass konkret von der Person des (gegenständlichen) Anwalts die Rede gewesen sei, antwortete Mag. X, dass er sich im Detail nicht daran erinnern könne.

 

Der Vertreter der Bw hielt vor, dass Frau X zu ihm gesagt hätte, dass sie in Anbetracht der mehreren laufenden Verfahren keinen wirklichen Überblick gehabt hätte.

 

Mag. X sagte dazu, dass er wiederhole, was er vorhin gesagt hätte: Es sei nur mehr ein Verfahren von mehreren offen gewesen. Natürlich habe die Bw gewusst, dass es sich beim Gespräch um das noch offene (gegenständliche) Strafverfahren handle.

 

Auf Befragen des Anwalts bestätigte der Zeuge, dass er gewusst hätte, dass Mag. X als Anwalt ausgewiesen gewesen sei. Aufgrund der Auskunft von Frau X sei beim Anwalt nicht mehr nachgefragt worden. Der Zeuge sei davon ausgegangen, dass das Vollmachtsverhältnis gelöst worden sei. Dies könne nach seiner Erinnerung nur aufgrund einer Information der Bw so gewesen sein.

 

Auf die Frage, ob die Annahme eines aufgelösten Vollmachtsverhältnisses auch auf einen bloßen Schluss des Zeugen beruhen könnte, antwortete Mag. X, dass er dies nicht mit Sicherheit ausschließen könne.

 

Der als Zeuge einvernommene X X sagte aus, dass er bestätigen könne, dass Herr Mag. X bei der "zweiten Befragung" der Frau X nicht anwesend gewesen sei. Es sei zuvor aber mit ihm vereinbart worden, dass er bei der Aufnahme der Niederschrift anwesend ist. Herr Mag. X sei aber kurzfristig verhindert gewesen. Die Niederschrift sei ihm aber danach zur Kenntnis gebracht worden. Daraufhin habe dieser das Protokoll unterschrieben.

Herr X habe der Bw erklärt, was Gegenstand der Sache und ob es so sei, dass das Vertretungsverhältnis nicht mehr bestehe. Dies habe Frau X bestätigt.

 

Auf die Frage, ob die Bw bestätigt habe, dass sie bereits bei der ersten Niederschrift gesagt hätte, dass das Vertretungsverhältnis nicht mehr bestehe, antwortete der Zeuge, dass klar gewesen sei, dass Frau X sich bereits anlässlich der ersten Niederschrift dahingehend geäußert hätte, dass sie Eigenverantwortung übernommen hätte.

 

Der Vertreter der Bw monierte, dass sich die Formulierung, wonach Frau X bereits bei ihrer ersten Niederschrift gesagt hätte, dass das Vollmachtsverhältnis aufgelöst worden sei, sich im Text der zweiten Niederschrift gar nicht finde. Vielmehr stehe in der zweiten Niederschrift lediglich, dass sie Eigenverantwortung übernommen hätte.

 

Zeuge X sagte darauf, dass für ihn die Formulierung über die Übernahme von Eigenverantwortung dasselbe bedeute, wie eine Aussage, dass kein Vollmachtsverhältnis zu einem Rechtsanwalt mehr bestehe. Frau X hätte definitiv genügend Deutsch gesprochen, um die hier thematisierten Fragen zu verstehen und vernünftig darüber kommunizieren zu können.

Die zweite Niederschrift sei aufgrund des Antrages des Rechtsanwaltes aufgenommen worden, um sich abzusichern.

 

Auf die Frage des Vertreters der Bw, ob ihm bekannt sei, dass man einer anwaltlich vertretenen Person nicht wirksam ein Straferkenntnis verkünden könne, antwortete Herr X, dass dies für ihn nicht Gegenstand der Sache gewesen sei. Ihm sei es (in weiterer Folge) um das Vertretungsverhältnis gegangen. Es habe das Problem bestanden, dass sich Mag. X als Vertreter der Bw ausgegeben habe, obwohl das Verfahren eigentlich abgeschlossen gewesen sei.

 

Der Vertreter der Bw monierte, dass unrichtig beurkundet worden sei, dass Herr Mag. X bei der Protokollaufnahme anwesend gewesen sei.

 

Dazu äußerte sich der Zeuge dahingehend, dass er sicher habe gehen wollen, dass Herr Mag. X das Protokoll unterschreibt. Es sei auch so gewesen, dass das Formular des Protokolls schon vorher verfasst worden sei.

 

Die Frage des Vertreters der Bw, ob daraus der Schluss gezogen werden könne, dass auch das erste Protokoll bereits vorverfasst gewesen sei, antwortete der Zeuge, dass er dies nicht wisse, da er nicht dabei gewesen sei.

Frau X sei noch ein drittes Mal im Amt gewesen, weil sie wegen ihrer finanziellen Situation die vereinbarte Ratenzahlung nicht einhalten habe können. Daher habe sie um einen Aufschub ersucht. Der Zeuge habe dies zur Strafvollzugsabteilung weitergeleitet. Daraus ergebe sich selbstverständlich, dass die Bw mit der Ratenzahlung zum gegenständlichen Verfahren einverstanden gewesen sei.

Gegen Frau X seien geschätzte drei bis fünf Verfahren anhängig gewesen. Die Frage, ob die Bw Probleme damit gehabt haben könnte, diese Verfahren auseinander zu halten, könne Herr X nicht beantworten, da alle Verfahren von Herrn Mag. X bearbeitet worden seien.

 

Der Vertreter des Finanzamtes beantragte die Abweisung der Berufung.

 

Der Vertreter der Bw wies in seinem Schlussvortrag nochmals darauf hin, dass Frau X zur Verhandlung kommen habe wollen, vermutlich aber durch einen unvorhergesehenen Umstand verhindert worden sei. Entscheidend sei, ob das Vollmachtsverhältnis objektiv aufrecht gewesen war oder nicht. Dies sei aber der Fall gewesen. Darüber hinaus habe sich der Zeuge Mag. X dezidiert an eine explizite Aussage darüber, dass das Vollmachtsverhältnis mit Mag. X aufgelöst worden sei, nicht erinnern können. Es sei nicht auszuschließen, dass er einfach aus den Umständen einen Schluss gezogen habe. Nach ständiger Rechtsprechung sei eine mündliche Verkündung an eine rechtsfreundlich vertretene Partei ohne Beiziehung  der rechtsfreundlichen Vertretung unwirksam (vgl. VwGH 1996/03/0126).

Beantragt wurde, der Berufung Folge zu geben und das Verfahren einzustellen.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Zunächst ist die Rechtsfrage zu klären, ob die mündliche Verkündung des Straferkenntnisses am 16. September 2009 gegenüber der Bw ohne Beiziehung ihres im Jahr 2007 ausgewiesenen Rechtsvertreters zulässig war.

 

Der Rechtsvertreter der Bw verweist in diesem Zusammenhang auf Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren § 46 VStG, E19, wonach es unzulässig ist, einer Partei ein erstinstanzliches Straferkenntnis unter Umgehung ihres der Behörde gegenüber namhaft gemachten Vertreters mündlich zu verkünden und ein solcherart verkündetes erstinstanzliches Straferkenntnis nicht rechtswirksam erlassen ist.

 

Der Rechtsvertreter übersieht dabei jedoch, dass hiebei nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. neben vielen VwGH 2007/18/0112 v. 19.3.2009, 2000/10/0137 v. 5.5.2003 und 97/18/0315 v. 2.9.1999) nicht der objektive Sachverhalt einer aufrechten Vertretungsvollmacht sondern der konkrete Wissensstand der Behörde zum Zeitpunkt ihres (Amts-)Handelns maßgeblich ist: Die Erklärung einer Partei in einer bei der Behörde aufgenommenen Niederschrift, sie habe den bisherigen Vertreter ersucht, von ihrer Vertretung Abstand zu nehmen, und dass sie nunmehr selbst das Verwaltungsstrafverfahren weiterführe, bedeutet, dass das Vollmachtsverhältnis gekündigt ist (vgl. VwGH 2306/75 v. 30.6.1976 bzw. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, § 10 AVG, E149).

 

Entscheidend ist somit, ob die Bw der belangten Behörde tatsächlich anlässlich ihrer Vorsprache am 16. September 2009 mitgeteilt hat, dass das Vollmachtsverhältnis mit Herrn Mag. X im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Strafverfahren aufgelöst wurde. Diese Frage konnte auch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht eindeutig geklärt werden: So schloss das amtshandelnde Organ der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 16. September 2009, Mag. X, eine Missdeutung der Äußerung der Bw, sie habe das Vollmachtsverhältnis mit den Rechtsvertretern für die (anderen) rechtskräftigen Strafverfahren aufgelöst, nicht zweifelsfrei aus. In diesem Falle hätte der Sachbearbeiter der Erstbehörde irrtümlich aus den Äußerungen der Bw auf eine Auflösung auch des Vollmachtsverhältnisses mit Herrn Mag. X für das gegenständliche Verfahren geschlossen. Der Name des Herrn Mag. X ist während dieses Gesprächs mit der Bw dabei auch nie gefallen. Ein entsprechender Gesprächsinhalt wurde in der Niederschrift nicht dokumentiert.

 

Auch durch die zeugenschaftliche Einvernahme jenes Sachbearbeiters der Behörde, Herrn X, welcher die zweite Niederschrift mit der Bw am 18. März 2010 aufgenommen hat, konnte keine Klärung des in Frage stehenden Sachverhalts herbeigeführt werden: So räumte der Sachbearbeiter ein, dass er aus der Formulierung der Bw, wonach sie "Eigenverantwortung übernommen habe", den Schluss gezogen hat, dass das Vollmachtsverhältnis mit dem gegenständlichen Vertreter beendet worden ist. Diese Interpretation ist jedoch keineswegs zwingend. Daher ist der Vertreter der Bw damit im Recht, wenn er darauf hinweist, dass aus der Textierung der Niederschrift vom 18. März 2010 nicht darauf geschlossen werden kann, dass die Bw anlässlich ihrer Vorsprache am 16. September 2009 der Behörde die Beendigung ihres Vollmacht­verhältnisses mit Mag. X bekannt gegeben hat.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat geht deshalb – im Zweifel – davon aus, dass die Bw der Behörde am 16. September 2009 die Beendigung des Vollmachtverhältnisses mit Herrn Mag. X nicht wirksam mitgeteilt hat. Aus diesem Grund war eine mündliche Verkündung des Straferkenntnisses ohne Beiziehung des im Jahre 2007 namhaft gemachten Vertreters unzulässig. Sowohl das Straferkenntnis vom 16. September 2009, Zl. BauR96-24-2007, als auch der Berufungsverzicht der Bw vom selben Tage sind deshalb rechtsunwirksam.

Es ist dabei rechtlich unerheblich, dass die Bw (zunächst) die mündliche Verkündung des Bescheides in Abwesenheit ihres Vertreters akzeptiert, einen Berufungsverzicht abgegeben und eine Ratenzahlung beantragt hat. Auch konnten die vom Vertreter der Bw vorgebrachten mangelnden Deutschkenntnisse der Bw im Ermittlungsergebnis nicht festgestellt werden, da sowohl beide Sachbearbeiter – unabhängig voneinander – als auch der Vertreter der Bw selbst ausreichende Sprachkenntnisse der Bw zumindest soweit bestätigt haben, dass eine Besprechung der jeweiligen Sachverhalte mit ihr im ausreichenden Umfang möglich war.   

 

Der Vertreter der Bw hat – auch in seiner Zeugeneinvernahme – glaubhaft dargelegt, dass das Vollmachtsverhältnis durch die Bw (objektiv) nicht aufgelöst wurde. Er war deshalb im Recht, den gegenständlichen Antrag vom 9. März 2010 auf Einstellung des Strafverfahrens wegen eingetretener Strafbarkeitsverjährung namens seiner Mandantin einzubringen.

 

Der Bw wurde vorgeworfen, am 27. Februar 2007 eine Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu verantworten zu haben. Da gem. § 31 Abs.3 VStG ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden darf, wenn seit der Tat drei Jahre vergangen sind und im Hinblick darauf, dass diese Frist bereits anlässlich der Antragstellung am 9. März 2010 abgelaufen war, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum