Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-252514/2/WEI/Mu/Ba

Linz, 22.10.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der Dipl.-Ing. X X, X, X, vertreten durch X, Steuerberatung X GmbH, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Urfahr-Umgebung vom 15. Juni 2010, Zl. SV 96-58-2010-Bd/Pe, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als die nach der Strafnorm des 111 Abs 2 ASVG festzusetzende Geldstrafe auf den Betrag von 730 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 111 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II.     Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der Behörde erster Instanz wird auf 73 Euro herabgesetzt. Im Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

zu I: § 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 64 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz – 1991 – AVG.

zu II: §§ 64 und 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bwin) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

„Sie haben als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Firma X & X X GmbH, X, X, welche für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldpflicht keinen Bevollmächtigten bestellt hat und somit als nach § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche, folgende Verwaltungsübertretung zu verantworten:

Die oa. Firma hat als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG, von 25.08.2008 bis 19.09.2008 sowie am 22.09.2008, Herrn X X, geb. X, als Dienstnehmer, in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt (€ 1924,00), im X Linz, X, X, im Bereich Ton und Lichttechnik mit dem Auf- und Abbau, sowie diversen Arten von Arbeiten für das Event beschäftigt.

Obwohl dieser Dienstnehmer nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen und daher in der Kranken- Unfall- und Pensionsversicherung vollversichert ist, wurde hierüber eine, zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete, Meldung, bei der OÖ. Gebietskrankenkasse, 4020 Linz, Gruberstraße 77, als zuständiger Sozialversicherungsträger, nicht vor Aufnahme der Tätigkeit, erstattet.

Die gegenständliche Firma hat somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen.“

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde eine Verwaltungsübertretung nach dem § 111 Abs 1 Z 1 iVm § 33 Abs 1 ASVG als gegeben und verhängte nach dem § 111 ASVG eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 154 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 100 Euro (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

1.2. In der Begründung führte die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass die im Spruch angelastete Tat durch ein Organ des Finanzamtes Linz bei einer Kontrolle am 21. September 2008 um 08.40 Uhr festgestellt worden sei. Der Anzeige sei ein mit der angetroffenen Person aufgenommenes Personenblatt und eine Stundenaufzeichnung, aus welchen die gegenständliche Beschäftigung eindeutig hervorgeht, beigelegt worden.

 

Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. November 2008 durch das Bezirksverwaltungsamt der Landeshauptstadt Linz sei gegen die Bwin das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden. In ihrem Schriftsatz vom 17. November 2008 habe sie vorgebracht, dass die namentlich genannte Person an den im Spruch angeführten Tagen für die gegenständliche Firma gearbeitet habe, allerdings habe er seine Dienste in Rechnung gestellt. Dieser Rechtfertigung sei eine Stundenauflistung der beschäftigten Person beigelegt worden, in welcher der im Spruch angeführte Beschäftigungszeitraum in Rechnung gestellt worden sei.

 

Zu diesen von der Bwin ausgeführten Rechtfertigungsgründen habe sich der Anzeigenleger dahingehend geäußert, dass die Bwin die Beschäftigung dieser Person nicht bestritten habe. Zudem sei aufgrund der angefügten Stundenauflistung der Beschäftigungszeitraum dieser Person vom 25. August 2008 bis 19. September 2008 sowie am 22. September 2008 abzuändern.

 

Für die erkennende Behörde sei daher der im Spruch dargestellte Sachverhalt aufgrund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen.

 

Nach Darstellung der verletzten Verwaltungsvorschriften stellte die belangte Behörde fest, dass der gegenständliche Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung somit in objektiver Hinsicht erfüllt sei.

 

Zum Verschulden führte die belangte Behörde aus, dass für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge und es sich im vorliegenden Fall um ein Ungehorsamkeitsdelikt gehandelt habe. Die Rechtfertigungsgründe der Bwin hätten nicht ausgereicht, um ihre Schuldlosigkeit glaubhaft zu machen.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit als strafmildernd, während hingegen die lange Dauer der nicht gemeldeten Beschäftigung als straferschwerend zu werten gewesen sei. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

In der Folge wurde darauf hingewiesen, dass mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenat vom 11. Mai 2010, Zl. VwSen-252209/2/WEI/Mu/Ba, dass Straferkenntnis des Bezirksverwaltungsamtes (Bürgermeisters) der Landeshauptstadt Linz vom 20. Juli 2009 aufgehoben und der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung weitergeleitet worden sei.

 

2. Gegen dieses der Bwin am 30. Juni 2010 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die von der Rechtsvertretung am 5. Juli 2010 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

 

In der für beide Geschäftsführer eingebrachten Berufung wird zunächst ausgeführt, dass nach der internen Geschäftsaufteilung Herr X X ausschließlich für Akquisition und technische Ausführung der Aufträge und die Bwin für die Administration zuständig sei. Somit falle das Meldevergehen ausschließlich in den Verantwortungsbereich der Bwin. Es bestünde zwar eine gegenseitige Kontrolle im Rahmen laufender Organisationsbesprechungen, Irrtümer oder Fehler bei der Erfüllung einzelner Teilaufgaben könnten aber niemals ausgeschlossen werden.

 

Der dargestellte Sachverhalt entspreche weitgehend den Tatsachen, jedoch habe der im Spruch angeführte Arbeitnehmer angegeben, dass er für mehrere Auftraggeber tätig sei. Die Bwin sei daher aufgrund der kurzen und rein auftragsbezogenen Beschäftigungsdauer davon ausgegangen, dass ein Werksvertragsverhältnis vorliege, weshalb sie eine Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse nicht veranlasst habe. Keinesfalls sei es ihre Absicht gewesen, Abgaben oder Beitrage zu verkürzen. Für das schließlich festgestellte freie Dienstverhältnis seien bereits Beträge in Höhe von 822,77 Euro sowie ein Beitragszuschlag für die verspätete Anmeldung von 400 Euro entrichtet worden. Aufgrund der unrichtigen Rechtsauffassung der Bwin, die aber entsprechend des Sachverhaltes durchaus nachvollziehbar sei, treffe sie kein Verschulden an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift.

 

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Vorlageschreiben vom 7. Juli 2010 die Berufung der Bwin dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich unter Anschluss des von ihr geführten Aktes mit dem Ersuchen um Entscheidung übermittelt.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung; da sich bereits aus diesen der entscheidungsrelevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs 3 Z 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (in der Folge: VStG) von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3.3. Nach § 51c VStG hat der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 111 Abs 1 Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz – ASVG (BGBl Nr. 189/1955 idFd Art I Teil 2 des SRÄG 2007, BGBl I Nr. 31/2007) handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

 

1.  Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

 

2.  Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

 

3.  Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

 

4.  gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeich­nungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß Absatz 2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

 

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

 

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

 

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestim­mungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erst­maligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Entsprechend § 33 Abs 1a ASVG kann die Anmeldeverpflichtung auch in zwei Schritten erfüllt werden, nämlich derart, dass vor Arbeitsantritt die Dienstgeber­kontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben) und innerhalb von 7 Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung die noch fehlenden Angaben (vollständige Anmeldung) gemeldet werden.

 

Nach § 4 Abs 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgeber beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollver­sicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Als Dienstnehmer iSd ASVG gilt gemäß § 4 Abs 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäf­tigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merk­malen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen; unabhängig davon gelten Personen jedenfalls dann als Dienstnehmer, wenn sie entweder mit einem Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungscheckgesetz entlohnt werden oder wenn sie nach § 47 Abs 1 iVm Abs 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lohnsteuerpflichtig sind, soweit es sich nicht um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs 1 Z 4 lit a oder b EStG oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs 1 Z 4 lit c EStG, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, handelt.

 

Gemäß § 4 Abs 4 Z 1 ASVG stehen den Dienstnehmern im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen, und zwar für einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe, wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmitteln verfügen.

 

Nach § 35 Abs 1 ASVG ist als Dienstgeber derjenige anzusehen, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, wobei gemäß § 35 Abs 2 ASVG Besonderes für jene nach § 4 Abs 1 Z 4 und 5 ASVG pflichtversicherte und für nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG teilversicherte Dienstnehmer, für Heimarbeiter und für nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz überlassene Dienstnehmer gilt. Die dem Dienstgeber gemäß § 33 ASVG vorgeschriebenen Pflichten können nach § 35 Abs 3 ASVG grundsätzlich auch auf Bevollmächtigte übertragen werden; dennoch hat der Dienstgeber auch in diesem Fall die in § 33 ASVG vorgesehene Meldung selbst zu erstatten, wenn eine der Voraussetzungen des § 35 Abs 4 ASVG vorliegt.

 

4.2. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (§ 9 Abs 2 VStG) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Im gegenständlichen Strafverfahren steht nach dem aktenkundigen Firmenbuchauszug (FN X) fest, dass sowohl Herr X X als auch die Bwin als selbständig vertretungsbefugte handelsrechtliche Geschäftsführer der X & X X GmbH zur angeführten Tatzeit fungierten. Beide waren daher zur Vertretung nach außen berufene und damit iSd § 9 Abs 1 VStG verantwortliche Organe. Ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs 2 VStG war zum Kontrollzeitpunkt nicht wirksam bestellt. Auch eine Übertragung der Meldepflichten auf Bevollmächtigte nach § 35 Abs 3 ASVG ist nach der Aktenlage nicht hervorgekommen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofs wirkt die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird. Dabei muss bei der Behörde ein aus der Zeit vor der Begehung der Übertretung stammender Zustimmungsnachweis eines verantwortlichen Beauftragten eingelangt sein. Die Berufung auf eine etwa erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage genügt nicht (vgl näher zum Ganzen Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1289 Anm 7 und E 96 ff zu § 9 VStG).

 

Bei einer Mehrzahl von zur Vertretung nach außen berufenen Organen einer juristischen Person haben diese die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit kumulativ zu tragen, eine bloß interne Aufgaben- und Verantwortungsaufteilung ist irrelevant (vgl bspw VwGH 5.09.1997, Zl. 97/02/0235; VwGH 19.10.1994, Zlen. 2004/03/0102 bis 0106)

 

4.3. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl bspw VwSlg 10.140 A/1980; VwGH 3.07.2002, Zl. 2000/08/0161; VwGH 26.01.2010, Zl. 2008/08/0034) zur Abgrenzung des Dienstverhältnis vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag anderseits aus, kommt es entscheidend darauf an, ob sich jemand für einen bestimmte Zeit zur Dienstleistung für einen Dienstgeber verpflichtet oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt, wobei es sich im zuletzt genannten Fall eines Werkvertrages um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossenen Einheit, handeln muss. Hingegen kommt es beim Dienstvertrag primär auf die rechtliche begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers an, also auf seine Bereitschaft zu Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit, die er in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Leistungsempfänger erbringt.

Durch die Verpflichtung zu Dienstleistungen für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit begründet der freie Dienstvertrag ein Dauerschuldverhältnis, während der Werkvertrag in der Regel ein Zielschuldverhältnis begründet, bei dem die Verpflichtung besteht, eine vertraglich individualisierte und konkretisierte und damit genau umrissene Leistung – in der Regel bis zu einem bestimmten Termin – zu erbringen. Das Vertragsverhältnis endet somit mit der Erbringung der Leistung als eine in sich geschlossene Einheit. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet. Einzelne manuelle Beiträge zu einem Werk wie diverse Montagearbeiten hat der Verwaltungsgerichthof nicht als Herstellung eines Werkes angesehen (vgl näher mwN VwGH 26.01.2010, Zl. 2008/08/0034).

 

4.4. Nach der Anzeige des Finanzamtes Linz vom 4. November 2008 wurde der im Spruch Genannte beim Zusammenschrauben der Wand für die Projektionstechnik im Erdgeschoss des X, X, X, angetroffen. Er gab an freiberuflich tätig zu sein. Er legte die Rechnung vom 22. September 2008 mit angeschlossener Stundenauflistung an die Fa. X & X über 1.924 Euro und umschrieb dabei das "Auftragsprojekt" bzw seine Leistungen wie folgt:

 

"Für meine Mitarbeit im Bereich Ton, Licht- Auf und Abbau

Sowie diverse Arbeiten für das Event X Video

verrechne ich Ihnen wie vereinbart Euro 13,- pro Stunde."

 

Bei einer solchen Mitarbeit für einen Dienstgeber geht es nur um die Erbringung von - möglicherweise auch qualifizierten - Dienstleistungen auf bestimmte Zeit, nicht jedoch um einen Werkvertrag mit einer genau konkretisierten und individualisierten Leistung, die gleichsam als Erfolg geschuldet wird. Es besteht beim gegebenen Sachverhalt auf Grund der oben dargestellten Rechtslage kein Zweifel, dass nach der Art der geschuldeten Leistung beim gegenständlichen Vertragsverhältnis an einen Werkvertrag nicht zu denken war.

 

4.5. In der Berufung wird nicht bestritten, dass der gegenständliche Dienstnehmer gegen Entgelt für die Firma X & X beschäftigt war und nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurde. Allerdings wird die Ansicht vertreten, dass kein Verschulden an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift vorliege, weil man denkmöglich von einen Werkvertragsverhältnis ausging und damit zwar eine irrige, aber nachvollziehbare Rechtsauffassung vertreten habe.

 

Das ASVG sieht keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens vor, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Unkenntnis eines Gesetzes nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Von einem Gewerbetreibenden bzw unternehmerisch tätigen Geschäftsführer einer GmbH ist zu verlangen, dass er über die Rechtsvorschriften, die er bei der Ausübung seines Gewerbes zu beachten hat, ausreichend orientiert ist. Er ist verpflichtet, sich über diese Vorschriften und über die Vertretbarkeit seiner Rechtsauffassung bei kompetenter Stelle Gewissheit zu verschaffen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] E 175 ff zu § 5 VStG; weiters VwGH 25.01.2005, 2004/02/0293).

 

Wenn die Berufung mit der zwar irrigen, aber "durchaus nicht denkunmöglichen" Rechtsauffassung eines Werkvertragsverhältnisses argumentiert, um ein Verschulden zu verneinen, übersieht sie offenbar, dass bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung zum Einen die fahrlässige Begehungsweise genügt und zum Anderen die Bwin als handelrechtliche Geschäftsführerin verpflichtet gewesen wäre, sich mit sämtlichen für ihr Unternehmen einschlägigen Rechtsvorschriften – wozu fraglos auch die Bestimmungen des ASVG zählen – vertraut zu machen und bei Unklarheiten Erkundigungen einzuholen.

 

Mit dem Vorbringen der Tätigkeit für mehrere Auftraggeber und der "rein auftragsbezogenen Beschäftigungsdauer" konnte die Bwin daher noch glaubhaft machen, dass sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da sie es unterlassen hatte, bei kompetenter Stelle eine entsprechende Rechtsauskunft einzuholen, und sich einfach mit der für sie günstigen Rechtsauffassung begnügte, hat sie sowohl in objektiver als auch in subjektiv Hinsicht fahrlässig gehandelt. Es sind keine Umstände bekannt geworden, die der Bw die Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt unmöglich gemacht hätten.

 

Die Bwin hat demnach das Meldevergehen nach ASVG auch subjektiv zu verantworten.

 

4.6. Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

4.7. Aus der einleitenden Formulierung "unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes" im § 111 Abs 2 ASVG ergibt sich grundsätzlich, dass auch für jene nach § 111 Abs 1 ASVG zu ahndenden Übertretungen im Erstfall die Vorschriften über die außerordentliche Milderung der Strafe (§ 20 VStG: Unterschreiten der Strafuntergrenze bis zur Hälfte) bzw. über ein Absehen von der Strafe unter allfälliger gleichzeitiger Ermahnung (§ 21 VStG) in vollem Umfang zum Tragen kommen sollen, d.h. bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen im Zuge der Strafbemessung auch zwingend berücksichtigt werden müssen. Daraus folgt, dass im Ergebnis auch im Falle einer Übertretung gemäß § 111 Abs 1 ASVG im Zuge der Strafbemessung zunächst zu prüfen ist, ob gemäß § 21 VStG die Voraussetzungen für ein Absehen von der Strafe vorliegen; wenn dies nicht zutrifft, so ist noch darüber hinaus zu untersuchen, ob nach § 20 VStG eine Unterschreitung der Strafuntergrenze geboten ist (näher dazu VwSen-251936/2/Gf/Mu/Ga vom 03.10.2008 und VwSen-251903/2/WEI/Se vom 17.09.2009).

 

Die belangte Behörde ist wohl davon ausgegangen, dass die Folgen der Übertretung angesichts des Zeitraumes der nicht zur Sozialversicherung gemeldeten Beschäftigung nicht unbedeutend sein können. Auch der Oö. Verwaltungssenat ist der Auffassung, dass die Straflosigkeit einer nicht ganz kurzen Übertretung der Meldepflicht des § 33 Abs 1 ASVG weder in spezial- noch generalpräventiver Hinsicht vertretbar erscheint, weil damit negative Beispiels- und Folgewirkungen für das Rechtsgeltungsbewusstsein verbunden wären. Auch das Verschulden der Bwin kann nicht als geringfügig iSd § 21 Abs 1 VStG angesehen werden, weil die Tat nicht wesentlich hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt des gegenständlichen Ungehorsamsdelikts zurückblieb. Von unbedeutenden Folgen kann grundsätzlich bei wochenlanger Nichtmeldung eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung und dem damit verbundenen volkswirtschaftlichen Schaden nicht gesprochen werden. Die Anwendung des § 21 Abs 1 VStG scheidet daher aus.

 

Auch die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung im Sinne des § 20 VStG war nicht in Betracht zu ziehen, da im Fall der Bwin keine deutlich überwiegenden Milderungsgründe hervorgekommen sind.

 

4.8. Bei der Strafbemessung ging die belangte Behörde von einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.000 Euro und fehlenden Sorgepflichten aus. Dieser Einschätzung der persönlichen Verhältnisse ist die Berufung nicht entgegen getreten, weshalb sie auch im Berufungsverfahren zugrunde gelegt werden kann.

 

Die belangte Behörde wertete die Unbescholtenheit als mildernd und die lange Dauer der nicht gemeldeten Beschäftigung als erschwerend. Der Erschwerungsgrund wird vom erkennenden Verwaltungssenat nicht geteilt, zumal man bei einer Beschäftigung in der Dauer von etwas mehr als drei Wochen noch nicht von einer besonders langen Dauer sprechen kann, die zusätzlich erschwerend gewertet werden dürfte. Der Tatzeitraum kommt ohnehin im Spruch des Straferkenntnisses zum Ausdruck und prägt damit den Unrechtsgehalt der Tat. Die erstbehördliche Annahme eines Erschwerungsgrundes verstößt nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 erster Satz StGB (iVm § 19 Abs 2 VStG), wonach Erschwerungs- und Milderungsgründe nur anzunehmen sind, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen.

 

In Abwägung der Strafzumessungsgründe sprechen nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats die Umstände des Falles zwar noch nicht für ein geringfügiges, aber im Hinblick auf die Unbescholtenheit und das Tatsachengeständnis der Bwin, sowie ihren zwar vorwerfbaren, aber zumindest nachvollziehbaren Rechtsirrtum für ein weniger schwer wiegendes Verschulden der Bwin. Dem erkennenden Verwaltungssenat erscheint mit Rücksicht auf das erstmalige ordnungswidrige Handeln der Bwin eine Reduktion der Geldstrafe auf die Höhe der Mindeststrafe des anzuwendenden Strafrahmens gemäß § 111 Abs 2 ASVG im Betrag von 730 Euro als tat- und schuldangemessen und noch ausreichend, um sie künftig von der Begehung von einschlägigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

Die Ersatzfreiheitsstrafe war nach § 111 Abs 2 ASVG innerhalb von zwei Wochen festzusetzen. Im angemessenen Verhältnis zur herabgesetzten Geldstrafe von 730 Euro war die Ersatzfreiheitsstrafe auf 111 Stunden zu reduzieren.

 

5. Der Berufung war daher gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs 4 AVG insoweit stattzugeben, als die verhängte Geldstrafe mit 730 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 111 Stunden neu festzusetzen war. Im Übrigen war sie als unbegründet abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

 

Bei diesem Ergebnis verringerte sich gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz auf 73 Euro (10 % der Geldstrafe). Für das Berufungsverfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat war hingegen gemäß § 65 VStG kein weiterer Kostenbeitrag festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigen Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr.  W e i ß

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum