Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252579/2/Kü/Fu/Ba

Linz, 27.10.2010

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des X X X X, geb. am X, X, X, vertreten durch Rechtsanwalt X, X, X, vom 08. September 2010 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20. August 2010, Gz.: 0007971/2008, mit dem über den Antrag auf neuerliche Zustellung des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung sowie über den in eventu gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 26. Mai 2009 abgesprochen wurde, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung gegen Spruchpunkt 1 (Abweisung des Antrags auf neuerliche Zustellung) des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Berufung gegen Spruchpunkt 2 (Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) des angefochtenen Bescheides wird stattgeben und Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG).

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem bekämpften Bescheid vom 20. August 2010, Gz.: 0007971/2008, hat der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz wie folgt abgesprochen:

"Über Ihren Antrag vom 26.05.2009 auf

  1. neuerliche Zustellung des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung und
  2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20.11.2008, GZ 0007971/2008

ergeht nachfolgender

 

Spruch

 

Ihre Anträge vom 26.05.2009 werden abgewiesen, es wird diesen keine Folge gegeben und

  1. das Straferkenntnis und die Vollstreckungsverfügung nicht neuerlich zugestellt und
  2. die Wiedereinsetzung in den vorigen stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20.11.2008, GZ 0007971/2008, nicht bewilligt."

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das gegenständliche Straferkenntnis am 3. Dezember 2008 und die Vollstreckungsverfügung am 24. Jänner 2009 beim Postamt 4030 hinterlegt worden seien und die Zustellungen damit als bewirkt gelten. Wenn der Beschuldigte vorbringt, sich nicht an der Abgabestelle aufgehalten zu haben, sondern immer am Betriebsstandort, so wäre es dem Beschuldigten zumutbar gewesen, an der Hintanhaltung von Zustellproblemen mitzuwirken, indem er zeitgerecht einen Nachsendeantrag bei der Österreichischen Post eingebracht hätte. Da der Beschuldigte sonst keine Beweismittel vorbringen konnte, habe der Antrag auf neuerliche Zustellung abgelehnt werden müssen.

Auch dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe nach Ansicht der belangten Behörde nicht stattgegeben werden können, da sie die Vorbringen des Beschuldigten als Schutzbehauptungen betrachte und der Beschuldigte über seine Ehefrau vom Exekutor spätestens am 30. April 2009 von den anhängigen Verfahren informiert worden sei.

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Berufungswerber (in der Folge: Bw) am 25. August 2010 zugestellt wurde, erhob der Bw das Rechtsmittel der Berufung, das am 8. September 2010 – somit rechtzeitig – mittels Fax bei der belangten Behörde eingebracht wurde.

In der Berufung führt der Bw aus, dass er am 12. Mai 2009 im Rahmen einer Akteneinsicht beim Bezirksverwaltungsamt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz festgestellt habe, dass ein Straferkenntnis vom 20. November 2008 und eine Vollstreckungsverfügung vom 16. Jänner 2009, beide zu Gz.: 0007971/2008, existieren. Vor dieser Akteneinsichtnahme sei dem Bw die Existenz von Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn nicht bekannt gewesen. Die im Akt erliegende Aufforderung zur Rechtfertigung sei dem Bw nicht zugestellt worden. Ebenso wenig sei ihm die Vollstreckungsverfügung vom 16. Jänner 2009 zugestellt worden.

In keinem der Fälle sei dem Bw bekannt gewesen, dass ein Zustellversuch bzw. eine Hinterlegung stattgefunden haben sollte. Der Bw selbst halte sich in der Zeit, in der üblicherweise Zustellungen erfolgen, praktisch immer in der Betriebsstätte seines Unternehmens in X, X, auf. An der von der Verwaltungsbehörde I. Instanz angegebenen Adresse halte sich zu dieser Zeit nur seine Ehegattin auf. Diese gehe immer zum Hausbriefkasten und habe zu keiner Zeit eine Verständigung über Zustellversuche und/oder die Hinterlegung von Schriftstücken in einem der beiden Verwaltungsstrafverfahren vorgefunden.

Da keine Verständigungen über die Hinterlegung gemäß § 17 Abs 2 Zustellgesetz vorgenommen worden seien, würden keine wirksamen Zustellungen der Aufforderung zur Rechtfertigung und des Straferkenntnisses sowie der Vollstreckungsverfügung vorliegen.

Selbst wenn die Gattin von einer Vollstreckungsverfügung Kenntnis erlangt haben sollte, wäre diese Kenntnis dem Bw nicht zuzurechnen. Der Bw selbst habe von diesem Schriftstück vor seiner Akteneinsicht keine Kenntnis erlangt. Dazu komme noch, dass selbst die Kenntnisnahme einer Vollstreckungsverfügung nichts daran ändern könne, dass eine Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung und des Straferkenntnisses an den Bw nicht erfolgt sei. Aktenkundig sei, dass der Bw nicht einvernommen worden ist. Gemäß § 24 VStG in Verbindung mit § 22 AVG wäre unter Hinweis auf VwGH 04.09.2006, 2003/09/0088 sowie VwGH 24.03.2009, 2005/09/0174 die Verwaltungsbehörde verpflichtet gewesen, eine Zustellung nur zu eigenen Handen des Bw zu verfügen. Dies sei jedoch nicht erfolgt.

Der Bw habe zum Beweis seines Vorbringens bereits im Schriftsatz vom 26. Mai 2009 und neuerlich im Schriftsatz vom 11. September 2009 die Einvernahme seiner Gattin als Zeugin beantragt. Die Zeugin sei von der Verwaltungsbehörde I. Instanz zwar vorgeladen, aber nach dem Protokoll vom 30. Juli 2009 nicht zum Vorbringen des Bw befragt worden. Die Behörde habe daher dem Beweisantrag inhaltlich nicht entsprochen.

Im Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 24. Juni 2010, VwSen-252476/2/Kü/Fu/Ba, sei der Verwaltungsstrafbehörde aufgetragen worden, sich mit den vom Bw gestellten Beweisanträgen auseinanderzusetzen und Erhebungen zur Rechtzeitigkeit zu tätigen. Entgegen diesem Auftrag habe die Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid ohne jedes weitere Ermittlungsverfahren erlassen. Die belangte Behörde habe daher ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens nicht entsprochen.

Hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung macht der Bw geltend, dass über den Antrag auf neuerliche Zustellung noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei, weshalb die belangte Behörde nicht zuständig zur Entscheidung über den ausdrücklich als Eventualantrag formulierten Antrag auf Wiedereinsetzung gewesen sei.

Selbst wenn von einer wirksamen Zustellung des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung auszugehen sei, lägen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung von Berufungen gegen das Straferkenntnis der Verwaltungsbehörde I. Instanz und gegen die Vollstreckungsverfügung vor.

Der Bw habe weder von einer Aufforderung zur Rechtfertigung noch vom Straferkenntnis und der Vollstreckungsverfügung jemals Kenntnis gehabt. Selbst wenn Verständigungen über die Hinterlegung in den Hausbriefkasten eingelegt worden sein sollten, so seien diese offenbar ohne Verschulden des Bw abhanden gekommen; im Haus wohnen zahlreiche Parteien sodass derartiges leicht vorkommen könne.

Selbst wenn die Gattin von einer Vollstreckungsverfügung Kenntnis erlangt haben sollte, wäre diese Kenntnis dem Bw nicht zuzurechnen. Der Bw selbst habe von diesem Schriftstück vor seiner Akteneinsicht keine Kenntnis erlangt. Dazu komme noch, dass selbst die Kenntnisnahme einer Vollstreckungsverfügung nichts daran ändern könne, dass eine Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung und des Straferkenntnisses an den Bw nicht erfolgt sei. Aktenkundig sei, dass der Bw nicht einvernommen worden ist. Gemäß § 24 VStG in Verbindung mit § 22 AVG wäre unter Hinweis auf VwGH 04.09.2006, 2003/09/0088 sowie VwGH 24.03.2009, 2005/09/0174 die Verwaltungsbehörde verpflichtet gewesen, eine Zustellung nur zu eigenen Handen des Bw zu verfügen. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Der Bw sei somit durch ein unvorhergesehenes und für ihn unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden an der Einbringung von Berufungen verhindert gewesen. Hätte die belangte Behörde die vom Bw beantragte Zeugin zum gesamten Vorbringen des Bw vernommen, so wäre die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gelangt und hätte dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattgegeben.

Schließlich stellt der Bw die Anträge, die Verwaltungsbehörde II. Instanz möge a) eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen sowie b) der Berufung Folge geben und den angefochtenen Bescheid der Verwaltungsbehörde I. Instanz dahingehend abändern, dass den vom Bw mit Schriftsatz vom 26. Mai 2009 gestellte Anträgen vollinhaltlich stattgegeben werden; in eventu c) der Berufung Folge geben, den angefochtenen Bescheid der Verwaltungsbehörde I. Instanz aufheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Verwaltungsbehörde I. Instanz zurückverweisen.

2.1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung – ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 9. September 2010 zur Entscheidung vorgelegt.

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung.

Gemäß § 51e Abs 4 VStG konnte der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich trotz Parteienantrags von der Abhaltung einer öffentlichen mündliche Verhandlung absehen, da der Unabhängige Verwaltungssenat einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat und bereits aufgrund der Aktenlage erkennbar war, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt und diese nur zu unberechtigten Verzögerungen des Verfahrens geführt hätte. Dem steht im Übrigen auch nicht Art. 6 EMRK entgegen. Nach der Rechtsprechung des EGMR sind die Anforderungen des Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung erfüllt, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder technische Fragen betrifft (vgl. VwGH 18.01.2005, 2002/05/1519 mit Nachweisen zur Judikatur des EGMR). Diese Voraussetzung liegt gegenständlich vor.

2.3.  Aus den genannten Beweismitteln ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zugrunde liegt:

Das Finanzamt Freistadt/Rohrbach/Urfahr erstattete am 15. Februar 2008 Anzeige an den Magistrat der Landeshauptstadt Linz gegen den Bw wegen Verdachts der Übertretung des § 3 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG).

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008, zugestellt durch Hinterlegung am 21. Februar 2008, wurde dem Bw vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz vorgeworfen, er habe es als Gewerbeinhaber der Firma X, X, X, zu verantworten, dass von dieser Firma der tschechische Staatsbürger X X, geboren am X, als Pizzazusteller von 13. November 2007 bis 31. Jänner 2008 beschäftigt wurde, obwohl für diesen weder eine Beschäftigungsbewilligung oder Zulassung als Schlüsselkraft erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein oder ein Niederlassungsnachweis ausgestellt wurde. Der Bw wurde aufgefordert, sich zum Vorwurf zu rechtfertigen. Dieser Aufforderung ist der Bw nicht nachgekommen.

Mit Straferkenntnis vom 20. November 2008 erkannte die belangte Behörde den Bw schuldig, eine Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG begangen zu haben, und verhängte über ihn eine Geldstrafe von 2500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 42 Stunden).

Das Straferkenntnis wurde dem Bw am 3. Dezember 2008 mittels RSa-Brief an seine Wohnadresse durch Hinterlegung zugestellt, wobei am 2. Dezember 2008 eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt wurde.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 16. Jänner 2009, Gz.: 0007971/2008, wurde gegen den Bw die Vollstreckung verfügt, da er seiner Zahlungsverpflichtung nicht fristgerecht nachgekommen sei.

Diese Vollstreckungsverfügung wurde dem Bw am 24. Jänner 2009 durch Hinterlegung zugestellt, wobei am 23. Jänner 2009 eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt wurde.

Zwischen 27. und 30. April 2009 wurde der Bw vom "Vollstrecker" der belangten Behörde an seiner Abgabestelle aufgesucht. Da er nicht angetroffen werden konnte, hinterließ der "Vollstrecker" ein Schreiben, in dem der Bw auf seine offenen Forderungen hingewiesen und um Kontaktaufnahme ersucht wurde. Aufgrund der Verständigung erschien die Ehegattin des Bw am 6. Mai 2009 bei der belangten Behörde. Bei der Unterredung wurde diese auf die offenen Strafen des Bw hingewiesen und ihr der "diesbezügliche Vollstreckungsauftrag" übergeben.

Am 12. Mai 2009 erschien der Bw beim Bezirksverwaltungsamt der Landeshauptstadt Linz. Es wurde ihm der Akt GZ 0007971/2008 "persönlich ausgehändigt".

Im Schriftsatz vom 26. Mai 2009 gab der Rechtsvertreter des Bw seine Bevollmächtigung bekannt und stellte folgende Anträge:

"Anträge auf neuerliche Zustellung

in eventu

Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

samt Berufungen des Beschuldigten

und

Anträge auf Aufschub der Vollstreckung"

 

Begründend führte der Rechtsvertreter aus, dass der Bw erst im Rahmen seiner Akteneinsicht am 12. Mai 2009 bei der belangten Behörde Kenntnis vom Straferkenntnis und der Vollstreckungsverfügung erlangt habe. Eine Zustellung der Bescheide sei nicht erfolgt und Zustellversuche seien dem Bw nicht bekannt geworden bzw. hätten nicht stattgefunden. In der Zeit, in der üblicherweise Zustellungen vorgenommen würden, habe er sich praktisch immer in der Betriebsstätte seines Unternehmens aufgehalten. Da weder Ankündigungen über einen zweiten Zustellversuch noch Verständigungen über die Hinterlegung vorgenommen worden seien, liege keine wirksame Zustellung vor. Es werde daher die "neuerliche" Zustellung der bezeichneten Bescheide beantragt. Für den Fall, dass dem (Primär-)Antrag des Bw nicht entsprochen werde, beantrage der Bw die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt Berufungen gegen das Straferkenntnis und die Vollstreckungsverfügung.

Im folgenden Ermittlungsverfahren vernahm die belangte Behörde die Ehegattin des Bw als Zeugin und brachte dem Bw das Beweisergebnis zur Kenntnis.

In der Stellungnahme vom 11. September 2009 wiederholte der Bw sein bisheriges Vorbringen und beantragte die neuerliche Zeugenbefragung seiner Ehegattin.

Mit Bescheid vom 13. April 2010 hat die belangte Behörde lediglich über den Eventualantrag "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20.11.2008, GZ 0007971/2008" abgesprochen. Der Bescheid wurde dem Bw am 22. April 2010 durch Hinterlegung zugestellt.

Gegen diesen Bescheid brachte der Bw mit Schriftsatz vom 30. April 2010 das Rechtsmittel der Berufung ein.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2010, Gz.: VwSen-252476/Kü/Fu/Sta, hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde der Berufung stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben.

Die erstinstanzliche Behörde hat daraufhin das Ermittlungsverfahren fortgesetzt und Ermittlungen hinsichtlich des vom "Vollstrecker" zwischen 27. und 30. April zurückgelassenen Schreibens angestellt.

Mit Bescheid vom 20. August 2010, Gz.: 0007971/2008, hat der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz den Antrag des Bw vom 26. Mai 2009 auf neuerliche Zustellung des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung sowie den Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Berufung.

2.5. Bestritten wird vom Bw die rechtskonforme Zustellung des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung. Wenn der Bw behauptet, eine Zustellung des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung sei nicht erfolgt, da keine Zustellversuche erfolgt seien und er keine Verständigungen über die Hinterlegungen bekommen habe, so schenkt ihm der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung diesbezüglich keinen Glauben. Dass im gegenständlichen Fall erfolglose Zustellversuche am 2. Dezember 2008 bzw. am 23. Jänner 2009 erfolgt sind und im Anschluss beim Zustellpostamt die Sendungen mit Abholfrist beginnend am 3. Dezember 2008 bzw. am 24. Jänner 2009 zur Abholung bereitgehalten wurden, geht aus den im Akt befindlichen Zustellnachweisen, die als öffentliche Urkunden den vollen Beweis liefern (Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht4 [2009] Rz 230), klar hervor.

Diese Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Postrückscheine ist zwar widerlegbar, wobei die gegenteilige Behauptung entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen. Die Behauptung des Empfängers, eine Hinterlegungsanzeige sei zu keinem Zeitpunkt vorgefunden worden, enthält implizit die Bestreitung der Richtigkeit der Angabe im Rückschein, die Verständigung von der Hinterlegung sei in das Hausbrieffach eingelegt worden. Die bloße Aussage des Empfängers, eine Hinterlegungsanzeige nicht vorgefunden zu haben, ist jedoch nicht ausreichend, die Angabe des Postzustellers am Rückschein, es sei eine solche Anzeige im Hausbrieffach des Empfängers eingelegt worden, zu entkräften (vgl. VwGH 18.10.1989, 89/02/0117). Die Feststellungen der belangten Behörde, dass ein Zustellversuch unternommen und danach die Hinterlegungsanzeige in das Postbrieffach eingelegt wurde, wurden vom Bw in seiner Berufung nicht mit konkreten Ausführungen in Zweifel gezogen. Auch die Einvernahme der Ehefrau des Bw konnte daran keine Zweifel wecken, da sie selbst zu Protokoll gab, über Zustellungen an ihren Ehemann keine Auskunft geben zu können. Einer Einvernahme der Postbediensteten bedurfte es bei dieser Sachlage schon deshalb nicht, weil der Zustellvorgang ordnungsgemäß beurkundet wurde und substantiierte Zweifel an der Richtigkeit der Beurkundung vom Bw nicht vorgetragen worden sind (VwGH 06.05.1997, 97/08/0022).

Es entspricht darüber hinaus nicht der Lebenserfahrung, dass einer Person gleich mehrere Dokumente (unter Berücksichtigung des ebenfalls laufenden Verfahrens zum ASVG hier zwei Straferkenntnisse und zwei Vollstreckungsverfügungen) durch Hinterlegung zugestellt wurden, ohne dass Zustellversuche gemacht und Hinterlegungsverständigungen hinterlassen wurden.

Im Übrigen ergibt sich aus dem Akt – entgegen der Ausführungen des Bw in seiner Berufung – zweifelsfrei, dass die belangte Behörde sowohl hinsichtlich der Aufforderung zur Rechtfertigung als auch hinsichtlich des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung eine Zustellung zu eigenen Handen angeordnet hat.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

3.1. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich ergibt sich hinsichtlich der Berufung gegen die Abweisung des Antrags auf neuerliche Zustellung des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung daraus, dass verfahrensrechtliche Bescheide, die im Zusammenhang mit einem materiellrechtlichen Verfahren ergehen, hinsichtlich des Instanzenzuges denselben Vorschriften unterliegen, die für den Instanzenzug in der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit maßgebend sind. Da es sich bei der gegenständlichen Angelegenheit um ein Strafverfahren und ein damit zusammenhängendes Vollstreckungsverfahren handelt, fällt die Entscheidung gemäß § 51 VStG iVm Art 129a Abs 1 Z 1 B-VG in die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich.

Die Zuständigkeit hinsichtlich der Entscheidung über die Berufung gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergibt sich aus der Bestimmung des § 72 Abs 4 AVG. Danach steht dem Antragsteller gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiedereinsetzung das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde, wenn aber in der Sache eine Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, an diesen zu.

Gemäß der Judikatur des VwGH ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (VwGH 10.10.1997, 96/02/0352).

3.2. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

§ 17 Zustellgesetz (ZustellG) idF BGBl I. Nr. 5/2008 lautet:

"Hinterlegung

§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

         (2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

         (3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

         (4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

3.3. Zu Spruchpunkt 1:

Hinsichtlich des von der belangten Behörde abgewiesenen Antrags auf neuerliche Zustellung des Straferkenntnisses und der Vollstreckungsverfügung ist zunächst festzustellen, dass sowohl die Zustellung des Straferkenntnisses als auch der Vollstreckungsverfügung rechtlich bewirkt wurden:

Die belangte Behörde ordnete sowohl hinsichtlich des Straferkenntnisses als auch hinsichtlich der Vollstreckungsverfügung eine Zustellung zu eigenen Handen an die Wohnadresse des Bw an. Gemäß § 17 Abs 1 ZustellG ist das Dokument zu hinterlegen, wenn es an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann. Ein solcher Zustellversuch erfolgte am 2. Dezember 2008 bzw. am 23. Jänner 2009. Nach § 17 Abs 2 ZustellG ist der Empfänger schriftlich von der Hinterlegung zu verständigen. Diese Hinterlegungsverständigung wurde am 2. Dezember 2008 bzw. am 23. Jänner 2009 in das Hausbrieffach eingelegt.

Selbst wenn der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich der Behauptung des Bw, dass ihm die Hinterlegungsverständigungen nie zugekommen seien, da sie im Haus abhanden gekommen seien, Glauben schenken würde, so ist dazu auszuführen, dass gemäß § 17 Abs 4 ZustellG eine im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig ist, wenn die Verständigung von der Hinterlegung beschädigt oder entfernt wurde.

Gemäß § 17 Abs 3 1. Satz Zustellgesetz ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter iSd § 13 Abs 3 ZustellG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte. Eine Ortsabwesenheit im Sinne dieser Bestimmung zum Zeitpunkt der Hinterlegungen wurde vom Bw nicht behauptet.

Im gegenständlichen Fall wurden nach dem erfolglosen Zustellversuch die Dokumente beim Zustellpostamt mit Abholfrist beginnend am 3. Dezember 2008 bzw. 24. Jänner 2009 zur Abholung bereitgehalten. Sowohl das Straferkenntnis als auch die Vollstreckungsverfügung wurden damit dem Bw rechtswirksam zugestellt.

Eine neuerliche Zustellung bereits rechtswirksam zugestellter Schriftstücke kennen die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze nicht, weshalb der Antrag des Bw von der belangten Behörde abzuweisen war.

Dass der Bw von der belangten Behörde nicht persönlich vernommen worden ist, begründet entgegen den Ausführungen des Bw keinen Verfahrensmangel, da dem Bw sowohl die Aufforderung zur Rechtfertigung als auch das Straferkenntnis zu eigenen Handen zugestellt wurden. Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid auch nicht dadurch mit Rechtswidrigkeit belastet, dass die Ehefrau des Bw kein zweites Mal einvernommen worden ist, zumal die Ehegattin gegenüber der belangten Behörde angab, darüber, welche Schriftstücke ihrem Mann zugekommen seien, keine Angaben machen zu können.

3.4. Zu Spruchpunkt 2:

Der Bw hat im Schriftsatz vom 26. Mai 2009 neben dem Antrag auf neuerliche Zustellung den Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt Berufungen gestellt, den die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid abgewiesen hat.

Der Bw bringt nun in seiner Berufung vor, dass die belangte Behörde nicht zuständig gewesen sei, über den Wiedereinsetzungsantrag abzusprechen, da die Entscheidung über den Antrag auf neuerliche Zustellung noch nicht rechtskräftig war.

Eventualanträge sind im Verwaltungsverfahren durchaus zulässig. Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird bereits dem Primärantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (VwGH 27.02.2007, 2005/21/0041; VwGH 22.12.2009, 2008/21/0561).

Die Behörde hat danach zuerst über den Primärantrag und erst dann über den Eventualantrag in der begehrten Reihenfolge zu entscheiden. Eine Erledigung des nachgereihten Eventualantrags ist erst dann zulässig, wenn der Bescheid, mit welchem dem Primärantrag nicht stattgegeben wird, in Rechtskraft erwachsen ist (VwGH 20.02.1990, VwGH 89/01/0114; 12.12.1997, 96/19/3388; vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13 [Rz 4]). Dies gilt nach der Judikatur des VwGH auch dann, wenn es sich beim Eventualantrag um einen Wiedereinsetzungsantrag handelt (VwGH 04.02.2000, 96/19/2626).

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde zwar über den Primärantrag abgesprochen. Da dieser jedoch noch nicht in Rechtskraft erwachsen war, war ihr – wie oben ausgeführt – nach der Rechtsprechung des VwGH eine Entscheidung über den Eventualantrag mangels Zuständigkeit verwehrt. Eine solche Unzuständigkeit ist von der Berufungsbehörde von Amts wegen aufzugreifen und der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos zu beheben (VwGH 27.02.2007, 2005/21/0041).

Die erstinstanzliche Behörde hätte daher erst ab rechtskräftiger Abweisung des Primärantrags über den Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entscheiden dürfen.

3.5. Im Ergebnis war daher die Berufung gegen Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen und der Berufung hinsichtlich Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides stattzugeben und Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides aufzuheben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Thomas Kühberger

 

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