Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110976/2/Kl/Pe

Linz, 16.11.2010

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, Luxemburg, vertreten durch x Rechtsanwälte, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 22.9.2010, VerkGe96-107-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG 1995) zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 27, 45 Abs.1 Z2 und Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 22.9.2010, VerkGe96-107-2010, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 1.320 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z9 und Abs.4 zweiter Satz GütbefG 1995 iVm Art.8 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 verhängt, weil er als gemäß § 23 Abs.7 GütbefG 1995 verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Geschäftsführer der x GmbH mit Sitz in x, nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Vorschriften des GütbefG 1995 iVm der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 eingehalten werden.

Anlässlich einer Kontrolle des Sattelzugfahrzeuges mit dem Kennzeichen x (L) und des mitgeführten Anhängers mit dem Kennzeichen x (L) – Lenker x – am 16.6.2010 um 20.15 Uhr auf der Westautobahn A1 im Gemeindegebiet von Innerschwand am Mondsee, km 259,100, Parkplatz Loibichl, Fahrtrichtung Salzburg, wurde Folgendes festgestellt:

Das Kraftfahrzeug wurde zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern in Österreich verwendet (Kabotage), da Feuerwerkskörper von der Firma x, A-x, zur Firma x nach A-x transportiert wurden.

Gemäß Art.8 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 ist jeder Verkehrsunternehmer, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und dessen Fahrer, wenn er Staatangehöriger eines Drittlandes ist, eine Fahrerbescheinigung mit sich führt, unter den in diesem Kapitel festgelegten Bedingungen (die Kabotage darf im Anschluss an eine grenzüberschreitende Güterbeförderung aus einem Mitgliedstaat oder einem Drittland durchgeführt werden) zur Durchführung von Kabotage berechtigt. Gemäß Art.8 Abs.3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 sind eindeutige Belege für die grenzüberschreitende Beförderung nach Österreich sowie für jede einzelne der durchgeführten Kabotagebeförderungen in Österreich mitzuführen und im Falle einer Kontrolle vorzuweisen.

Bei der durchgeführten Kontrolle konnten keine Nachweise über den vorangegangenen grenzüberschreitenden Verkehr nach Österreich vorgewiesen werden, weshalb eine unerlaubte Kabotage durchgeführt wurde.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis zur Gänze angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass es sich zwar um einen Anwendungsfall des Art.8 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 handelt, welcher erst seit dem 14.5.2010 in Österreich Anwendung findet, allerdings diese Verordnung keine Bestimmung über mitzuführende Papiere, Belege, etc. enthalte. Sie gehe davon aus, dass die Mitgliedstaaten die Einhaltung der Bestimmungen zu überwachen und Übertretungen zu ahnden haben. Jeder Verkehrsunternehmer, welcher die vom Gemeinschaftsrecht eingeräumten Möglichkeiten nutzen und Kabotagefahrten durchführen möchte, muss daher eindeutige Belege für die grenzüberschreitende Beförderung nach Österreich sowie für jede einzelne der durchgeführten Kabotagebeförderungen in Österreich vorweisen können. Die EG-Verordnung sieht damit vor, dass jeder Verkehrsunternehmer die gewünschten Belege vorweisen kann, von einem Mitführen der gewünschten Belege im Original durch den Lenker bei der Beförderung ist keine Rede. Die x GmbH konnte im Anschluss an die Anhaltung die erforderlichen Papiere vorweisen (im vorliegenden Fall den CMR-Frachtbrief). Eine unerlaubte Kabotage liegt nicht vor. Auch treffe den Beschuldigten kein Verschulden. Der Beschuldigte konnte davon ausgehen, dass das Vorweisen der eindeutigen Belege für die grenzüberschreitende Beförderung nach Österreich sowie für jede einzelne der durchgeführten Kabotagebeförderungen in Österreich für die Einhaltung der neuen Verwaltungsvorschriften ausreiche. Die neue Vorschrift war auch erst rund einen Monat anwendbar und daher die Neuorganisation der Kabotagefahrten im Unternehmen noch nicht ganz abgeschlossen. Es lägen die Voraussetzungen für die Anwendung von § 21 VStG vor. Negative Folgen der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung seien nicht erkennbar. Darüber hinaus verfüge der Bw lediglich über ein monatliches Einkommen in Höhe von 1.600 Euro und über kein Vermögen. Er ist verheiratet und sorgepflichtig für seine Ehefrau und ein einjähriges Kind.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt den bezughabendem Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß Art.8 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.10.2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs, in Kraft getreten am 14.5.2010, ist jeder Verkehrsunternehmer, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und dessen Fahrer, wenn er Staatsangehöriger eines Drittlandes ist, eine Fahrerbescheinigung mit sich führt, unter den in diesem Kapitel festgelegten Bedingungen zur Durchführung von Kabotage berechtigt.

 

Gemäß Art.8 Abs.3 der Verordnung sind innerstaatliche Güterkraftverkehrsdienste, die im Aufnahmemitgliedstaat von gebietsfremden Verkehrsunternehmern durchgeführt werden, nur dann mit dieser Verordnung vereinbar, wenn der Verkehrsunternehmer eindeutige Belege für die grenzüberschreitende Beförderung in den betreffenden Mitgliedstaat sowie für jede einzelne der durchgeführten Kabotagebeförderungen vorweisen kann.

 

Gemäß Art.8 Abs.4 der Verordnung sind keine zusätzlichen Dokumente erforderlich, um nachzuweisen, dass die in diesem Artikel festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind.

 

Gemäß Art.18 der Verordnung werden die Verordnungen (EWG) Nr. 881/92 und (EWG) Nr. 3118/93 sowie die Richtlinie 2006/94/EG aufgehoben. Verweisungen auf die aufgehobenen Verordnungen und die aufgehobene Richtlinie gelten als Verweisungen auf die vorliegende Verordnung und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle im Anhang IV zu lesen.

 

Gemäß Art.19 der Verordnung gilt diese ab dem 4.12.2011 mit Ausnahme der Art.8 und 9, die am 14.5.2010 in Kraft treten. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

 

Im Grunde der Aufhebungen der Verordnungen (EWG) Nr. 881/96 und (EWG) Nr. 3118/93 durch die nunmehrige Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 sind daher auch die auf diese Verordnungen gestützten Verpflichtungen gemäß § 7 Abs.2 GütbefG 1995 betreffend die Kabotage obsolet geworden und gehen daher die unmittelbar geltenden Bestimmungen des Art.8 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 den nationalen Regelungen vor. Diese haben im Grunde des Vorranges des Gemeinschaftsrechtes außer Acht zu bleiben.

 

Im Grunde des Art.8 Abs.3 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 besteht aber für Verkehrsunternehmer, die eine Kabotage durchführen, lediglich die Verpflichtung, „eindeutige Belege für die grenzüberschreitende Beförderung in den betreffenden Mitgliedstaat sowie für jede einzelne der durchgeführten Kabotagebeförderungen vorweisen“ zu können. Das Mitführen der Belege im Kraftfahrzeug ist dieser Bestimmung nicht zu entnehmen. Auch sind keine zusätzlichen Dokumente erforderlich. Ebenso wenig ist eine Verpflichtung vorgesehen, dass die Belege während der Fahrt bei einer Kontrolle vorgewiesen werden können müssen. Dazu ist auch dem Erwägungsgrund 18 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 zu entnehmen, dass, um wirksame Kontrollen von Kabotagebeförderungen durchführen zu können, die Vollzugsbehörden des Aufnahmemitgliedstaates zumindest Zugang zu den in den Frachtbriefen enthaltenen Daten und zu den mit den dem Kontrollgerät gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20.12.1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr erfassten Daten haben sollten. Wie dieser Zugang erfolgen soll, ist in der Verordnung nicht näher geregelt und ist von den Mitgliedstaaten entsprechend Vorsoge zu treffen. Dass hingegen der Bw von der Behörde aufgefordert worden wäre, entsprechende Nachweise vorzulegen, geht aus dem Verwaltungsstrafakt nicht hervor. Auch ist dem Tatvorwurf nicht zu entnehmen, dass trotz Aufforderung keine Belege vorgewiesen werden konnten.

 

Gemäß § 23 Abs.1 Z9 Güterbeförderungsgesetz 1995 – GütbefG 1995, BGBl. Nr. 593/1995 idF BGBl. I Nr.153/2006, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.

 

Gemäß § 23 Abs.4 GütbefG 1995 hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 Z9 die Geldstrafe mindestens 1.453 Euro zu betragen.

 

Da eine Verpflichtung zum Mitführen und Vorweisen der Belege bei der Kontrolle der unmittelbar anwendbaren Vorschrift des Art.8 Abs.3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 nicht zu entnehmen ist, wurde daher eine Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z9 GütbefG 1995 nicht begangen und war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

 

Gemäß § 1 Abs.1 VStG kann als Verwaltungsübertretung eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.

 

Bei der Interpretation von Straftatbeständen ist nach der ständigen Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts restriktiv vorzugehen.

Mangels einer gesetzlichen Verpflichtung war daher auch kein strafbares Verhalten zu erkennen.

 

5.2. Wenn hingegen dem Bw als Unternehmer mit dem Sitz in Luxemburg vorgeworfen wird, dass gemäß Art.8 Abs.3 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 Belege für die grenzüberschreitende Beförderung nach Österreich sowie für jede einzelne der durchgeführten Kabotagebeförderungen in Österreich nicht mitgeführt und im Fall einer Kontrolle nicht vorgewiesen wurden, so wurde hiemit dem Bw eine pflichtwidrige Unterlassung vorgeworfen.

 

Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, also der Ort, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Für Unterlassungsdelikte hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass Unterlassungsdelikte bei Unternehmen im Zweifel am Unternehmenssitz begangen werden, nämlich dort, wo sich die Unternehmensleitung befindet und daher die erforderlichen Vorsorgehandlungen hätten getroffen werden müssen. Dies ist am Standort des Unternehmens, nämlich in Luxemburg anzunehmen.

 

Gemäß § 2 Abs.1 VStG sind nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen.

 

Gemäß § 23 Abs.3 GütbefG 1995 ist die Bestimmung des § 23 Abs.1 Z9 GütbefG 1995 nicht zitiert, und gilt daher die gesetzliche Vermutung der Strafbarkeit auch dann, wenn Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt werden, nicht. Es war daher die belange Behörde zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens nicht zuständig bzw. liegt keine Strafbarkeit im Inland vor. Es war daher auch aus diesem Grund mit Aufhebung des Straferkenntnisses vorzugehen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Tatort; Tathandlung, keine Verpflichtung zum Mitführen der Belege während der Fahrt

 

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