Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165495/2/Bi/Kr

Linz, 28.10.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn RA X, vom 18. Oktober 2010 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Vöcklabruck vom 27. September 2010, VerkR96-65776-2009-Hai, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkennt­nis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52 lit.a Z10 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.e StVO 9160 eine Geldstrafe von 305 Euro (144 Stunden EFS) verhängt, weil er am 6. Oktober 2009, 9.59 Uhr, mit dem Pkw X in der Gemeinde Seewalchen am Attersee, A1, Baustelle bei km 234.144 in Fahrtrichtung Wien, im angeführten Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßen­verkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchst­ge­schwin­digkeit von 60 km/h um 62 km/h überschritten habe.  

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 30,50 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, seinen Beweisanträgen auf Einholung der Standortbewilligung für das stationäre Radargerät sei nicht entsprochen worden. Auf dem Radarfoto seien zwei Fahrzeuge zu sehen, das Kennzeichen sei nicht eindeutig ablesbar, sodass die richtige Anlastung fraglich sei. Dem Bescheid betreffend "Arbeiten im Bereich der Westautobahn A1, Bewilligung" komme keine Bescheidqualität zu, weil er nicht an einen Normadressaten gerichtet sei. Ihm sei auch keine rechtswirksame Geschwindigkeitslimitierung zu entnehmen; außer­dem ergebe sich aus Punkt 14. eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 und nicht auf 60 km/h. Das Plandokument "Bauphase 5 – FR Wien" decke sich hin­sichtlich Baustelleneinrichtungen/Leitbacken/Verkehrszeichen nicht mit dem Radar­lichtbild, weil darin kein Baustellenbereich erkennbar sei, der laut Regelplan bei km 234.144 bereits vorhanden gewesen sein musste. Eine ordnungsgemäße Eichung des Radargerätes ergebe sich nicht und auch nicht, ob das Gerät im Einvernehmen mit dem BEV aufgestellt worden sei – das fehlerhafte Ergebnis lasse nur den Schluss zu, dass weder eine Eichung erfolgt noch das Gerät ord­nungs­gemäß aufgestellt gewesen sei. Beantragt wird die Vorlage der Betriebs­an­leitung samt Radarfotos an einen technischen Sachverständigen, eine foto­gramme­trische Rückrechnung, Beibringung der 60 km/h-Beschränkung zum Beweis für das Vorliegen eines Kundmachungsmangels – dazu wird näheres ausgeführt. Außerdem enthält die Berufung Einwände betreffend Strafhöhe im Hinblick auf nicht berücksichtigte Milderungsgründe. Beantragt wird die Auf­hebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, in eventu der Ausspruch einer Ermah­nung bzw Strafherabsetzung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie in die Baustellenverordnungen samt dem entsprechenden Bauphasenplan.

Aus dem Verfahrensakt geht hervor, dass laut Anzeige der genannte Pkw am
6. Oktober 2009, 9.59 Uhr, bei km 234.144 der A1, Baustellenbereich Seewalchen, in Fahrtrichtung Wien im Bereich einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h mit dem stationären Radargerät MUVR 6FA 1975, Nr.04, mit einer Geschwindigkeit von 129 km/h gemessen wurde. Nach bei Geräten dieser Bauart vorgeschrie­benen Toleranzabzug von aufgerundet 5 % vom Messwert, das sind 7 km/h, wurde eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 122 km/h der Anzeige und dem Tat­vor­wurf zugrunde gelegt. Auf Aufforderung der Erstinstanz gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 teilte der Bw mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010 mit, dass er selbst der Fahrzeuglenker zur Tatzeit war.

Der Bw beeinspruchte die gegen ihn gerichtete Strafverfügung der Erstinstanz vom 2. Dezember 2009 fristgerecht und argumentierte nach Übersendung der beiden Radarfotos und des Eichscheines für das Radarmess­gerät sowie einer Stellung­nahme des Landespolizeikommandos für Oö vom 4. März 2010 dahin­gehend, aus den Radarfotos sei keine Baustelle und keine Geschwindig­keits­limi­tierung ersichtlich. Weiters verwies er auf Diskrepanzen bei der Identi­fikations­nummer des Radargerätes – Nr. 1975 oder Nr.04, und argumentierte wie in der Berufung damit, es habe sich um ein fehlerhaftes Messergebnis gehandelt.

Die Erstinstanz forderte daraufhin eine Vergrößerung des Kennzeichenfotos an, auf dem das Kennzeichen nun einwandfrei abzulesen war.

Sodann erging das angefochtene Straferkenntnis, wobei Unterlagen über die Baustellenbewilligung bzw die dem Tatvorwurf zugrundeliegende Verordnung aus dem Akt nicht ersichtlich sind.

 

Bei Einsichtnahme in die von der Erstinstanz im vorangegangenen, nicht den Bw betreffenden Verfahren übermittelten Unterlagen wurde vom UVS festgestellt, dass die in Rede stehende Baustelle von der Erstinstanz mit Bescheid vom
2. September 2008, VerkR01-1900-2-2008, bewilligt wurde. Auflagenpunkt 35 legt den Zeitplan der einzelnen Bauphasen fest und lässt ersehen, dass am Vor­fallstag, dem 6. Oktober 2009, km 234.144, die Bauphase 5 in Kraft war (28.5. bis 12.11.2009, km 236.058 bis km 222.281).

 

Mit Verordnung der Erstinstanz vom 2. September 2008, VerkR01-1900-2-2008, wurden gemäß § 43 Abs.1a StVO zur Durchführung von Bauarbeiten (General­erneuerung der A1 Regau-Seewalchen) die aus den Plänen für die Bauphasen 1 bis 6 ersichtlichen Verkehrsbeschränkungen, Verkehrs­gebote und -verbote für die Zeit­räume, die aus dem Bescheid vom 2. September 2008 hervorgehen, verordnet. Auf der RFB Wien wurde ein Geschwindigkeits­trichter mit Beginn der 100 km/h-Beschränkung bei km 234.808, Beginn der 80 km/h-Beschränkung bei km 234.558 und Beginn der 60 km/h-Beschränkung bei km 234.358 angeordnet; dieser wurde in der Bauphase 2 eingerichtet und durch das Aufstellen der Ver­kehrs­zeichen zwischen 23. und 26. September 2008 in Kraft gesetzt.

Mit Verordnung der Erstinstanz vom 3. März 2009, VerkR01-1900-16-2008, wurde die ursprüngliche Verordnung für die Bauphase 3 wie folgt geändert: "Die 60 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung auf der RFB Wien beginnt anstatt bei km 234.358 erst bei km 234.108. Dadurch wird die vorher bestehende 80 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung bis km 234.108 verlängert." Diese abgeänderte Verordnung wurde durch das Entfernen der 60 km/h-Tafeln durch die Autobahn­meisterei Seewalchen am 3. März 2009 kundgemacht.

Für den Zeitraum der darauffolgenden Bauphase 4, bei der es sich lediglich um einen kurzen Bauabschnitt zur Änderung der Verkehrsführung handelte, ist die genaue Aufstellung der genannten Beschränkungszeichen aus dem Verordnungs­akt nicht ersichtlich; vermutlich reichte die 80 km/h-Geschwindigkeitsbe­schrän­kung auch hier bis km 234.108.

Die Verkehrszeichen für die Bauphase 5 wurden vom 26. bis 28. Mai 2009 entsprechend dem am 2. September 2008 verordneten Plan aufgestellt, sodass die 60 km/h-Beschränkungszeichen bereits bei km 234.358 standen, ent­sprechend der ursprünglichen Verordnung der Erstinstanz. Allerdings hatte die Erstinstanz die Verordnung bereits vor dem Aufstellen der genannten Verkehrs­zeichen durch die Verordnung vom 19. Mai 2009, VerkR01-1900-22-2008, die dem UVS in einem nicht den Bw betreffenden, gleichgelagerten Berufungs­verfahren zur Kenntnis gelangt ist, insoweit abgeändert, als durch diese Abänderungs­­verordnung angeordnet wurde, dass "in Abänderung des Planes für die Bauphase 5 sich auf der RFB Wien die 80 km/h-Geschwindigkeits­beschrän­kung von km 234.558 bis km 233.908 erstreckt und die 60 km/h-Geschwindig­keitsbeschränkung anstatt bei km 234.358 erst bei km 233.908 beginnt." 

Bei der Aufstellung der Verkehrszeichen ca 1 Woche nach Erlass der Verordnung wurde diese Abänderungsverordnung jedoch aus unerklärlichen Gründen nicht beachtet und in weiterer Folge führte die Exekutive Radarmessungen auf der Grundlage der ursprüng­lichen Verordnung und der tatsächlich aufgestellten Verkehrszeichen, nämlich im Bereich der kundgemachten 60 km/h-Geschwin­dig­keits­be­schränkung, durch.

 

Bezogen auf den ggst Fall ist zu sagen, dass das Radarfoto bei km 234.144, dh aus einer Position vor dem Ende der Einbindung der Auffahrt Seewalchen aufgenommen wurde, wobei die Boden­markierungen rechts nicht im Phasenplan 5 eingezeichnet sind. Zuordenbar sind aber die für die Gegenrichtung geltenden übereinander angebrachten Verkehrs­zeichen "Ende der 60 km/h-Beschränkung" und "Überholverbot für Lkw". Betonblöcke sind rechts nicht zu sehen, allerdings können diese auch für den Baustellenverkehr entfernt worden sein, zumal am Dienstag, 6. Oktober 2009, 9.59 Uhr, normale Arbeitszeit war. Betonblöcke sind nicht verordnet und ihr Standort daher auch nicht kundzumachen. Bei Öffnung der äußerst rechten Fahrspur für den Baustellenverkehr könnte das "Fahrverbot ausgenommen Baustellenverkehr" so weit nach rechts gerückt worden sein, dass es auf dem Radarfoto tatsächlich nicht mehr zusehen ist.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen: Gemäß § 52 lit.a Z10 lit.a StVO 1960 zeigt das Vorschriftzeichen "Geschwindig­keits­beschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

Gemäß § 99 Abs.2c Z9 StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Orts­gebietes um mehr als 50 km/h überschreitet.

 

Dem UVS steht gemäß Art.129 Abs.3 B-VG die Prüfung ordnungsgemäß kundge­machter Verordnungen nicht zu, er kann aber bei Zweifeln an der sach­lichen Richtig­keit einer ordnungsgemäß kundgemachten Verordnung die inhalt­liche Richtig­keit der Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof prüfen lassen. Hingegen hat der UVS nach der Rechtsprechung des Verfassungs­gerichtshofes eine nicht gehörig kundgemachte Verordnung nicht anzuwenden, weshalb er die gehörige Kundmachung einer Verordnung jedenfalls zu prüfen hat.

 

Gemäß § 44 Abs.1 StVO 1960 sind die im § 43 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßen­verkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Dabei kommt es zwar nicht auf die völlig exakte Aufstellung der Verkehrszeichen an; wenn aber der Aufstellungsort des Verkehrszeichens wesentlich von der Stelle abweicht, die in der Verordnung vorgegeben wurde, ist die Verordnung nicht gehörig kundgemacht (vgl VwGH 25.1.2002, 99/02/0014). Im ggst Fall wurde die Geschwindigkeitsbeschränkung für die Bauphase 5 durch Aufstellung der Verkehrszeichen zwischen 26. und 28. Mai 2009 in Kraft gesetzt, wobei aber die Erstinstanz bereits vor dieser Zeit die ursprüngliche Verordnung vom September 2008 durch die neue Verordnung vom 19. Mai 2009 abgeändert hatte, sodass der abgeänderte Verordnungstext kundzumachen gewesen wäre. Damit wäre der Beginn der 60 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung bei km 233.908 kundzumachen gewesen, was üblicherweise zur Folge gehabt hätte, dass das bei km 234.144 stationierte Radargerät abgebaut worden wäre, weil es im 80 km/h-Bereich gelegen wäre, oder die Geschwindigkeitsmessungen wären im Hinblick auf die Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mit entsprechendem Tatvorwurf erfolgt. Mit der fehlenden Umsetzung der Verordnung vom 19. Mai 2009 hinsichtlich der Verschiebung des 60 km/h-Beschränkungsbereiches war aber die Geschwindig­keits­beschränkung für die Bauphase 5 nicht ordnungsgemäß kundgemacht. 

Diese Konsequenz ergibt sich aber lediglich aufgrund des zeitlichen Ablaufs betreffend Änderung der ursprünglichen Verordnung und Aufstellung der Verkehrs­zeichen. Wären die Verkehrszeichen entsprechend der ursprünglichen Verordnung bereits vor der Änderungsverordnung vom 19. Mai 2009 aufgestellt worden, hätte das Unterlassen der Anbringung nur bewirkt, dass die Änderungs­verordnung nicht in Kraft getreten wäre. Da aber die Änderungsverordnung bereits vor dem Aufstellen der Verkehrszeichen erlassen wurde, bilden die ursprüngliche Verordnung und die Änderungsverordnung eine den Behörden­willen darstellende Einheit, sodass die Änderungsverordnung bei der Aufstellung der Verkehrszeichen insofern zu berücksichtigten gewesen wären, als die Verkehrs­­zeichen entsprechend der geänderten Verordnung aufgestellt hätten werden müssen. Daraus folgt, dass am 6. Oktober 2009 um 9.59 Uhr der Radarstandort bei km 234.144 laut (fehlerhafter) Kundmachung im 60 km/h-Bereich lag, während die verordnete erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h laut Verordnung vom 19. Mai 2009 nicht kundgemacht war.

 

Damit ist dem Bw weder vorwerfbar, er habe die 60 km/h-Geschwindigkeits­beschränkung nicht eingehalten - diese stand wegen bereits erfolgter Erlassung der Abänderungsverordnung vom 19. Mai 2009 nicht mehr in Geltung - noch ist ihm vorwerfbar, er habe die 80 km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung nicht einge­halten, weil diese zwar verordnet, aber nicht kundgemacht war. Damit war gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG – die dem Bw zur Last gelegte Tat bildet keine Verwaltungsübertretung – spruchgemäß zu entscheiden, wobei Verfahrens­kostenbeiträge naturgemäß nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

 

Wie VwSen-164907 vom 26.07.2010

 

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