Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165220/8/Sch/Th

Linz, 22.11.2010

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Ing. Mag. X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 1. Juli 2010, Zl. VerkR96-2557-2008-OJ, wegen Nichtstattgebung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 24. September 2010, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 iVm 69 Abs.1 AVG iZm §§ 24 und 51 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Herr X hat mit Eingabe vom 19. Mai 2010 die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die rechtskräftige Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 20. Mai 2008, VerkR96-2557-2008, beantragt und gleichzeitig Einspruch erhoben.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 1. Juli 2010, Zl. VerkR96-2557-2008-OJ, wurde dem Antrag des Herrn X vom
19. Mai 2010 auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs.1 und 2 AVG und § 24 VStG nicht stattgegeben.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Unbestritten ist, dass der Berufungswerber am 2. Februar 2008 gegen 19.30 Uhr im Gemeindegebiet von Ottensheim einen Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschaden verursacht hat. Er war von einem Tankstellenareal in die bevorrangte Rohrbacher Straße eingefahren und hatte dabei offenkundig einen anderen Fahrzeuglenker übersehen. Der zweitbeteiligte Unfalllenker erlitt dabei Verletzungen.

 

Der Berufungswerber hat die Unfallstelle in der Folge zu Fuß verlassen und sich zu einem Bekannten begeben. Mit diesem ist er dann am nächsten Tag gegen 0.50 Uhr bei der Polizeiinspektion Puchenau erschienen.

 

Die zuständige Verwaltungsstrafbehörde hat dieses Verhalten als Übertretung der §§ 4 Abs.2 zweiter Satz und 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 gewertet und deshalb über den Berufungswerber mit Strafverfügung vom 20. Mai 2008 jeweils eine Verwaltungsstrafe verhängt. Diese Strafverfügung ist – nach einem vergeblichen postalischen Zustellvorgang – dem Berufungswerber am 11. Juli 2008 durch ein Behördenorgan der Wohnsitzgemeinde zugestellt worden. Mangels Einspruches ist die Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen.

 

Wegen der Verletzungen des zweitbeteiligten Unfalllenkers ist der Berufungswerber mit Urteil des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 18. Juli 2008, 2 u 60/08 b, wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 und 4 erster Fall StGB zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden.

 

Mit Eingabe des inzwischen rechtsfreundlich vertretenen Berufungswerbers vom 19. Mai 2010 wurde ein Antrag auf Wiederaufnahme des mit erwähnter Strafverfügung abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens eingebracht. Gleichzeitig wurde Einspruch gegen diese Strafverfügung erhoben.

 

Begründet wurde der Antrag mit einem neurologisch-psychiatischen Fachgutachten von Prim. Doz. Dr. X, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Schmerzmedizin. Im Gutachten vom 8. März 2010, kommt der Sachverständige zu dem Schluss, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass beim Beklagten ein sogenannter posttraumatischer psychogener Schock oder eine dissoziative Amnesie vorgelegen sei, aufgrund dessen er, in diesem Ausnahmezustand, die Unfallstelle verlassen und erst Stunden später die Polizei aufgesucht hatte.

 

Demnach sei der Beklagte nicht dazu befähigt gewesen, die Obliegenheiten (Erste Hilfe an verletzten Personen, Verständigung der nächsten Polizeidienststelle, Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung) einzuhalten.

 

In einem späteren "Ergänzungsgutachten", datiert mit 28. April 2010, führt der Sachverständige aus, dass er den Vorgang vorerst nicht abschließend beurteilen könne. Er ersucht das beauftragende Gericht um konkret umschriebene ergänzende Mitteilung.

 

4. Dem Wiederaufnahmeantrag wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Erstbehörde vom 1. Juli 2010 nicht stattgegeben, wobei begründend auf den Umstand verwiesen wurde, dass der Antrag vom 19. Mai 2010 verspätet eingebracht worden sei. Die zweiwöchige Einbringungsfrist im Sinne des § 69 Abs.2 AVG sei überschritten worden, da das Gutachten Dris. X vom 8. März 2010 laut entsprechender eingeholter Mitteilung des Landesgerichtes Linz dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers bereits am 18. März 2010 zugestellt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Berufungswerber also bereits Kenntnis von dem als Beweismittel angesehenen Gutachten.

 

Das Gericht hat offenkundig den Sachverständigen mit der Ergänzung dieses Gutachtens beauftragt. Es liegt nämlich im Akt – vorgelegt vom Berufungswerber, ebenso wie das schon erwähnte Gutachten vom 8. März 2010 – ein solches "Ergänzungsgutachten", eben jenes vom 28. April 2010 ein. Der Berufungswerber hat hier aber nur die Seiten 1 und 3 dieses Gutachtens vorgelegt, es muss offenkundig dazwischen noch einen Text geben, da der Text auf Seite 3 des Gutachtens beginnt mit "Darüber hinaus wird...".

 

Eine gutachtliche Aussage ist nicht enthalten.

 

Wie der Sachverständige letztendlich den Vorgang beurteilt hat, kann dem vorgelegten Akt nicht entnommen werden.

 

Geht man davon aus, dass schon in dem ursprünglichen Gutachten, nämlich jenem vom 8. März 2010, eine Aussage im Hinblick auf den psychischen Zustand des Berufungswerbers nach dem Verkehrsunfall getroffen wird, wäre der Wiederaufnahmeantrag des Berufungswerbers jedenfalls bei weitem verspätet. Anders verhält es sich, wenn, wie offenkundig dies das Gericht getan hat, noch Ergänzungen für erforderlich befunden worden wären, wie sie vom Sachverständigen eingefordert wurden, allerdings ist hier zumindest den vom Berufungswerber vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen, wie diese endgültige Beurteilung des Sachverständigen ausgefallen ist.

 

5. Unbeschadet der formalen Frage der Rechtzeitigkeit der Antragstellung erscheint der Berufungsbehörde der Antrag auch dem Grunde nach nicht berechtigt.

 

Eine Strafverfügung ist bekanntlich ein Strafbescheid, der ohne vorausgegangenes Verfahren erlassen werden kann. Nicht zuletzt aus diesem Grund bestimmt das Gesetz ja auch, dass solche Strafverfügungen eigenhändig zuzustellen sind. Der Beschuldigte hat in einem solchen Fall noch keine Gelegenheit gehabt, sich gegenüber einem Tatvorwurf zu äußern, daher liegt es an ihm, wenn er der Meinung ist, dass Gründe vorliegen könnten, die gegen eine Verwaltungsstrafe sprechen, ein solches Verfahren in Gang zu setzen. Der Berufungswerber behauptete bei seiner ersten polizeilichen Einvernahme große Erinnerungslücken nach dem Verkehrsunfall. Er sei aufgrund eines "Schocks" herumgeirrt. Er hätte also, ob plausibel oder nicht, einen Grund gehabt, gegen einen Strafbescheid vorzugehen. Dazu genügt bei einer Strafverfügung ein rechtzeitig eingebrachter Einspruch, der nicht einmal einer Begründung – und schon gar nicht eines Sachverständigengutachtens – bedarf. Es genügt also, wenn jemand rechtzeitig in einer Eingabe unter Bezugnahme auf die entsprechende Strafverfügung bloß die Formulierung "Ich erhebe Einspruch" verwendet. Mit diesem Akt tritt die Strafverfügung ex lege außer Kraft und ist es dann Sache der Behörde, ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten, die entsprechenden Beweisaufnahmen zu tätigen und die Parteirechte zu wahren. Wenn ein Beschuldigter, dem eine Strafverfügung zugestellt wurde, durch fristgerechte Einbringung eines Einspruches kein Verfahren in Gang setzt, dann findet auch keines statt, in dem von der Partei Vorbringen getätigt und Beweismittel geltend gemacht werden könnten. Erhebt also jemand keinen Einspruch, kann nicht mehr davon die Rede sein, dass er ohne Verschulden ist, wenn in einem Verwaltungsstrafverfahren keine Beweismittel beigeschafft und erörtert werden können.

 

Der Berufungswerber hat die gegen ihn erlassene Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen lassen. Die Gründe dafür können letztlich dahingestellt bleiben, möglicherweise hat er einen Einspruch nicht als aussichtsreich qualifiziert, worauf es allerdings nicht ankommt. Es könnte auch sein, dass er mit der Strafverfügung die Angelegenheit für erledigt angesehen hat, nicht bedenkend, dass in der Übertretung von Bestimmungen des § 4 StVO 1960 versicherungsrechtlich Obliegenheitsverletzungen erblickt werden könnten, die dann, wie gegenständlich auch der Fall, Regressansprüche der Kfz-Haftpflichtversicherung zur Folge haben. Darin dürfte nach Ansicht der Berufungsbehörde auch der eigentliche Grund des verfahrensgegenständlichen Wiederaufnahmeantrages liegen.

Dazu kommt noch, dass neue Tatsachen oder Beweismittel allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeizuführen gehabt hätten (vgl. § 69 Abs.1 Z2 AVG). Diesbezüglich enthält der Wiederaufnahmeantrag, aber auch die ergänzende Stellungnahme gegenüber der Berufungsbehörde vom 1. Oktober 2010 durch den Rechtsvertreter des Berufungswerbers, eine sehr optimistische Prognose. In diesen Eingaben ist davon die Rede, der Berufungswerber verfüge über ein neues Beweismittel, das "belegt, dass ihn an den zur Last gelegten Taten kein Verschulden trifft". Das Gutachten vom 8. März 2010 selbst ist diesbezüglich viel zurückhaltender, dort heißt es auf Seite 7 bloß, "dass es daher nicht ausgeschlossen werden kann, dass beim Beklagten ein sogenannter posttraumatischer psychogener Schock..." vorgelegen ist. Dass ein Verwaltungsstrafverfahren mit dieser gutachtlichen Aussage voraussichtlich, also mit hoher Wahrscheinlichkeit, einen anderen Ausgang genommen hätte als in der erwähnten Strafverfügung manifestiert, muss sehr dahingestellt bleiben.

 

6. Die Vorschreibung eines Kostenbeitrages iSd. § 64 Abs.6 VStG zum Wiederaufnahmeverfahren hatte zu unterbleiben, da die Erstbehörde eine Formalentscheidung getroffen hat, nämlich die Zurückweisung des Antrages wegen Verspätung, wenngleich dieser Terminus im Spruch des Bescheides nicht verwendet wurde. Bei Abweisung einer Berufung gegen einen Formalbescheid fallen keine Kosten an (vergleichbar etwa mit einer Berufungsentscheidung über einen Zurückweisungsbescheid wegen verspäteter Einbringung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung).

 

7. Über den gleichzeitig mit dem Wiederaufnahmeantrag eingebrachten Einspruch gegen die Strafverfügung vom 20. Mai 2008 hat zuständigkeitshalber die Erstbehörde zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

S c h ö n

 

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