Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165526/3/Bi/Kr

Linz, 26.11.2010

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau X, vertreten durch X, vom 9. November 2010 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Braunau/Inn vom 19. Oktober 2010, VerkR96-4227-2010, wegen Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

I.  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die Wortfolge "in Burgkirchen auf der B147, Ortsgebiet Kühberg Nr. X bei km 33.410," zu entfallen hat.

 

II. Die Rechtsmittelwerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 8 Euro, das sind 20% der verhängten Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 19 VStG

zu II.: § 64 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu 1.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 40 Euro (24 Stunden EFS) verhängt, weil sie mit Schreiben der BH Braunau/Inn vom 20. April 2010 als Zulassungsbesitzerin aufgefordert worden sei, binnen zwei Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer den Pkw X am 10. Jänner 2010 um 13.46 Uhr in Burgkirchen auf der B147, Ortsgebiet Kühberg Nr. X bei km 33.410, gelenkt habe, und sie diese Auskunft innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht erteilt habe.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 4 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvor­entschei­dung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäfts­ver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z1 und 3 VStG). 

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, es sei richtig, dass sie die verlangte Auskunft nicht erteilt habe. Das könne ihr aber nicht vorgehalten werden, weil es nicht ihre Aufgabe sei, zu beweisen, dass sie nicht persönlich der Schnellfahrer gewesen sei. Laut EGMR habe ein Fahrzeughalter das Recht zu schweigen; eine Verurteilung widerspreche der Unschuldsvermutung. Die Behörde habe den Lenker zu beweisen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der auf die Bw persönlich zugelassene Pkw zum Vorfallszeitpunkt am 10. Jänner 2010, 13.46 Uhr, im Bezirk Braunau/Inn im Ortsgebiet Kühberg trotz erlaubter Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h mittels geeichtem Radargerät MUVR 6F IdNr.158, mit einer Geschwindigkeit von 69 km/h gemessen wurde. Nach Abzug der vorgeschriebenen Toleranzen von 5 km/h wurde eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 64 km/h, dh eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 14 km/h der Anzeige und der Anlastung in der daraufhin von der Erstinstanz gegen die Bw wegen Übertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 ergangenen Strafverfügung vom 15. März 2010 zugrundegelegt. Im Einspruch gegen die Strafverfügung führte die Bw aus, sie besitze das Fahrzeug erst seit fünf Monaten und sei noch nie damit in Österreich gewesen. Der Pkw werde aber auch von anderen Personen benützt.  

An die Bw wurde unter Beilage des Radarfotos, das den Pkw von vorne, aber den Lenker nicht erkennbar zeigt, ein Auskunftsersuchen gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 gerichtet und am 4. Mai 2010 zugestellt, auf das aber keinerlei Reaktion erfolgte. 

 

Daraufhin erging an die Bw als Zulassungsbesitzerin des genannten Pkw die Strafverfügung wegen Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG vom 1. Juni 2010, fristgerecht beeinsprucht von der Bw mit der Begründung, auf dem Foto sei kein Fahrer erkennbar, sie selbst komme nicht in Frage und den Lenker habe sie bislang nicht ermitteln können. Als Vorsitzende des X kümmere sich um die Mobilität der Vereinsmitglieder, weshalb sie sich ein günstiges Zweitauto zugelegt habe, mit dem sie aber noch nie in Österreich gewesen sei. Ihr werde eine Strafe angedroht für ein Vergehen, das sie unmöglich begangen haben könne; sie könne sich nicht vorstellen, dass es dafür in Österreich gesetzliche Grundlagen gebe.

Nach Erhebungen zu den finanziellen Verhältnissen der Bw und Wahrung des Parteiengehörs erging seitens der Erstinstanz das nunmehr angefochtene Straf­erkenntnis.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraft­fahr­zeug ge­lenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger ver­wendet hat bzw zu­letzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der be­treffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Aus­kunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Aus­kunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten er­scheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall der schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeich­nun­gen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Ver­fassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunfts­verweigerung zurück.

 

Nach der Rechtsprechung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes ist Tat­ort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Aus­kunft begehrenden Behörde (vgl E 31.1.1996, 93/03/0156; uva). Daraus folgt, dass derjenige, der die von einer österreichischen Behörde nach    § 103 Abs.2 KFG 1967 verlangte Auskunft nach dem Lenker eines Kraftfahr­zeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erteilt, nach österreichi­schem Recht eine Ver­wal­tungsübertretung – und zwar gemäß der Bestimmung des KFG 1967 und nicht mehr wegen des zur Lenkeranfrage geführt habenden Grunddeliktes der StVO 1960 – begangen hat und zu bestrafen ist, auch wenn er seinen Wohnsitz im Aus­land hat. Im übrigen hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht als rechts­wid­rig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines einge­brachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem ande­ren Staat aufhältig ist, ge­richtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl EGMR v 11. Oktober 1989, Zl. 15226/89, Zeitschrift für Verkehrsrecht ZVR 2/1991, Nr.23 der Spruchbeilage).

 

Der Inlandsbezug ist im gegenständlichen Fall insofern gegeben, als das auf die Bw zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde und diese Verwendung, ausgelöst durch die dabei mit dem Kraftfahrzeug begangene Normverletzung, Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechts­ord­nung begründet hat (vgl VwGH 11.5.1993, 90/08/0095 ua).

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschen­rechte (EGMR) zu Artikel 6 MRK ist ein derartiges Auskunftsverlangen nach Kriterien der österreichischen Rechtsordnung zulässig (EGMR 10. April 2008, Beschwerden 58452/00 und 61920/00, Lückhof und Spanner gegen Österreich).

 

Die Bw hat auf die Lenkeranfrage nicht reagiert. Eine Auskunft im Sinne des Ersuchens wurde somit nicht erteilt und auch keine Person benannt, die die gewünschte Auskunft erteilen hätte können. Die Bw hat zwar mittlerweile auf ein den Fahrer nicht erkennen lassendes Radarfoto und indirekt auf angeblich ergebnislose Bemühungen diesen zu finden hingewiesen, jedoch bleibt im Ergebnis nur die Tatsache, dass eine Aus­kunftserteilung nicht erfolgt ist. Das vermag aber daran nichts zu ändern, dass sie durch die Nichterteilung der gewünschten Auskunft in objektiver Hinsicht den ihr vorgeworfenen Tatbestand erfüllt hat, zumal das Auskunftsbegehren eine ausdrückliche Belehrung über die maßgeblichen Rechts­vorschriften enthielt.

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zu­grunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jeder­zeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebun­gen zu ermöglichen (vgl VwGH 18.11.1992, 91/03/0294 ua).

Dieser Rechtsprechung hat sich auch der Unabhängige Verwaltungssenat anzu­schlie­ßen, weil eine effektive Verkehrsüberwachung - dh auch ausländischer Kraftfahrzeuge - zur Auf­rechterhaltung der Verkehrssicherheit ansonsten nicht ausreichend ge­währ­leistet wäre.

 

Die Lenkeranfrage im gegenständlichen Fall stand mit den gesetzlichen Be­stimmun­gen im Einklang, war klar und eindeutig formuliert und auch der Hinweis auf die Begehung einer Verwaltungsübertretung im Fall der Nichterteilung war unmissverständlich. Dass sich ein Zulassungsbesitzer, wenn er das Kraftfahrzeug jemandem überlässt, der es im Ausland lenkt, ebenso an die dort geltenden gesetzlichen Bestimmungen halten muss wie der Lenker selbst, liegt auf der Hand. Die Bw hätte daher, wenn die Gefahr besteht, dass sie den Überblick über die wechselnden Lenker des auf sie zugelassenen Kraftfahrzeuges verliert, entsprechende Aufzeichnungen führen müssen, die sie für die Auskunftserteilung heranziehen hätte können. Sie hat daher bei Nichterteilung der Aus­kunft schuldhaft gehandelt und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verant­worten. Der Unabhängige Verwaltungssenat verkennt dabei nicht, dass die Bw gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967, also nach österreichischen Rechtsvorschriften, die hier ohne jeden Zweifel anzuwenden waren, zu einer Auskunftserteilung – mit allen Konse­quen­zen – verpflichtet ist, nicht aber nach deutscher Rechts­ordnung, weshalb derartige Strafen in Deutschland nicht vollstreckt werden, wohl aber in Österreich. Die Spruchänderung im Hinblick auf den Ort des Lenkens ist eher kosmetischer Natur, zumal sich die Verpflichtung zur Lenkerbekanntgabe nicht auf den Ort sondern nur auf die Zeit des Lenkens bezieht.

 

Zur Strafbemessung ist auszuführen, das der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 bis 5.000 Euro Geldstrafe bzw bis zu 6 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Bw ist in Österreich unbescholten, was strafmildernd berücksichtigt wurde; straferschwerende Umstände waren nicht gegeben. Der Schätzung ihrer finan­ziellen Verhältnisse durch die Erstinstanz hat die Bw nicht widersprochen; allerdings ist auch nicht anzunehmen, dass die Bezahlung der niedrigen Geldstrafe ihren Unterhalt oder den ihr anvertrauter Personen zu schmälern geeignet wäre.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann im Ergebnis nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, hält general­präventiven Überlegungen stand und soll die Bw zur Beachtung der in Österreich geltenden Gesetzesbestimmungen anhalten, wenn sie ihr Kraftfahr­zeug anderen für die Benützung in Österreich bereitstellt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

Lenkeranfrage durch deutschen Zulassungsbesitzer nicht beantwortet -> bestätigt

 

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