Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281205/9/Py/Rd/Hu

Linz, 21.09.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27. Jänner 2010, Ge96-2536-2009, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, der Arbeitsmittelverordnung und der Bauarbeiterschutzverordnung zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II.     Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungsver­fahren den Betrag von insgesamt 240 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafen zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27.1.2010, Ge96-2536-2009, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von jeweils 150 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 12 Stunden (Fakten 1 und 2) und von jeweils 300 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 24 Stunden (Fakten 3, 4 und 5), wegen  Verwaltungsübertretungen gemäß § 130 Abs.1 Z16 iVm § 35 Abs.1 Z1 ASchG und § 18 Abs.7 AM-VO (Faktum 1), § 130 Abs.1 Z16 iVm § 35 Abs.1 Z2 ASchG und § 18 Abs.7 AM-VO (Faktum 2), § 130 Abs.1 Z16 ASchG iVm § 19 Abs.1 AM-VO (Faktum 3), § 130 Abs.5 Z1 ASchG iVm §§ 159 Abs.4 Z1 und 154 Abs.5 BauV (Faktum 4), § 130 Abs.5 Z1 ASchG iVm §§ 87 Abs.3 und 88 Abs.3 BauV (Faktum 5) verhängt.

 

Nachstehender Tatvorwurf wurde dem Berufungswerber im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegt:

 

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gem. § 9 Abs.1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufene, verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Organ der x, mit Sitz in x, diese ist Inhaberin einer Gewerbeberechtigung für "Baumeister (§ 99 GewO 1994)" am Standort x, nicht dafür Sorge getragen, dass die Vorschriften des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG), der Arbeitsmittel­ver­ordnung (AM-VO) und der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) eingehalten wurden.

 

Am 19.5.2009 wurde vom Arbeitsinspektor x bei der Besichtigung der Baustelle Neubau Reihenhausanlage "Wohnpark x" in x, Folgendes festgestellt:

1)       Eine Baustahlmatte wurde als Lastaufnahmeeinrichtung benutzt, obwohl diese dafür nicht geeignet ist und auch nicht nach den Angaben der Hersteller oder Inverkehrbringer als Lastaufnahmeeinrichtung dafür vorgesehen ist, obwohl Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass Arbeitsmittel nur für Arbeitsvorgänge und unter Bedingungen benutzt werden dürfen, für die sie geeignet sind und für die sie nach den Angaben der Hersteller oder Inverkehrbringer vorgesehen sind.

2)       An der Lastaufnahmeeinrichtung waren die zulässige Belastung und gegebenen­falls die Bedingungen, unter denen sie gilt, nicht deutlich angegeben, obwohl Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer einzuhalten sind und auf Lastaufnahmeeinrichtungen und Anschlagmitteln die zulässige Belastung und ge­gebenenfalls die Bedingung, unter denen sie gilt, deutlich anzugeben sind. Erforder­lichen­falls ist auch die Eigenlast anzugeben. Lastaufnahmeeinrichtungen und Anschlagmittel dürfen über die zulässige Belastung hinaus nicht belastet werden.

3)       Für die Benutzung des Baukranes war keine schriftliche Betriebsanweisung gemäß Verordnung über den Schutz der ArbeitnehmerInnen bei der Benutzung von Arbeits­mitteln erstellt worden, obwohl für die Benutzung von Kranen unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten schriftliche Betriebsanweisungen zu erstellen sind.

4)       Über die Unterweisung der als Anschläger eingesetzten Arbeitnehmer ist kein Nachweis darüber auf der Baustelle aufgelegen, obwohl Nachweise über die Durchführung der Unterweisung zu führen sind und diese zur Einsichtnahme auf der Baustelle aufliegen müssen.

5)       Das Fanggerüst bei den Häusern 6-8 war nicht als geeignete Schutzeinrichtung für Dacharbeiten auf Dächern mit einer Absturzhöhe von mehr als 3m und einer Dachneigung von mehr als 20° im Sinne der BauV ausgeführt, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Geeignete Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und Dachfanggerüste (§ 88). Dachfanggerüste müssen mit einer mindestens 100 cm hohen tragfähigen Schutzwand ausgerüstet sein, deren oberer Rand, gemessen im rechten Winkel zur Dachfläche, einen Abstand von mindestens 60 cm von der Dachfläche haben muss. Der Belag des Dachfanggerüstes darf bei Arbeiten im Bereich des Dachsaums nicht mehr als 1,50 m unterhalb des Dachsaums liegen."        

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstraf­verfahrens beantragt.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Sachverhalt nicht bestritten werde. Die x gehöre zur x-Gruppe und bestehe für alle diese Unternehmen eine hierarchische Organisation dahingehend, dass im operativen Bereich, also bei der Erbringung von Bauleistungen, eine Verantwortungskette vom Facharbeiter zum Polier, von diesem zum Bauleiter und von diesem zum Geschäftsführer bestehe. Für den Bereich der Geschäftsführung werde aber in der Regel im Wege der sogenannten Bauleiter-Vollmacht die Haftung der Geschäftsführer einvernehmlich abbedungen und der jeweilige Bauleiter zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 VStG.

Dieser Vorgang sei auch für das gegenständliche Bauvorhaben in x, Wohnanlage x, eingehalten worden. Die entsprechende Vollmacht sei im Verfahren vorgelegt worden, das Straferkenntnis gehe aber darüber hinweg, weil sie dem Arbeitsinspektorat – nach Auskunft dieser Behörde – nicht zugegangen sei. Selbst wenn man sich den zitierten Entscheidungen unterwerfe und den Eingang der Bestellungsurkunde für die Wirksamkeit der Übertragung der Verantwortung anerkenne, sei im Anlassfall die Verurteilung des Geschäfts­führers nicht gerechtfertigt. Das Arbeitsinspektorat habe eine Ausdehnung des Verfahrens auf den verantwortlichen Beauftragten beantragt und wäre dieser unabhängig vom Zugang der Bauleiter-Vollmacht an das Arbeitsinspektorat für das verwaltungsstrafrechtlich zu qualifizierende Unterlassen an der Baustelle heranzuziehen.

Durch das Unterfertigen der Bestellungsurkunde habe der Berufungswerber seiner Aufsichts- und Haftungspflicht entsprochen, da er an diesem Formalvor­gang teilgenommen habe und damit der Überzeugung sein durfte, dass die Überwachung der Baustelle nun in den Verantwortungsbereich des Bauleiters falle, für alle Bereiche, die mit dieser Vollmacht abgedeckt seien. Da die Übermittlung von Vollmachten an das Arbeitsinspektorat für das gut geschulte Personal eine Routineangelegenheit sei, könne dem Berufungswerber als Geschäftsführer auch nicht mehr zugemutet werden, den Übermittlungsvorgang selbst auszuführen oder zu überwachen. Es fehle daher jegliches Verschulden.  Es sei dem Berufungswerber in seiner Unternehmensgruppe kein Fall bekannt, bei dem eine Bauleiter-Vollmacht nach Ausstellung dem Arbeitsinspektorat nicht übermittelt worden sein sollte.     

 

3. Mit Schreiben vom 16. Februar 2010 legte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vor. Da keine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG). Da in der Berufung eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde und der Bw zudem in seiner Mitteilung vom 19. März 2010 ausdrücklich auf die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung verzichtete, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gemäß   § 51e Abs.3 Z1 abgesehen werden.

 

Das Arbeits­inspektorat Wels wurde am Verfahren beteiligt und teilte dieses in seiner Stellungnahme vom 15.3.2010 mit, dass die Bestellung des x zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 VStG bzw § 23 ArbIG bei Arbeitsinspektorat Wels nicht eingelangt und daher nicht rechts­wirksam erfolgt sei. Aufgrund der abweichenden Schreibweise des x/x erfolgte seitens des Oö. Verwaltungssenates beim Arbeitsinspektorat Wels eine telefonische Klarstellung dahingehend, dass weder für x noch für x beim Arbeitsinspektorat Wels eine Bestellungsurkunde einlangte.  

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Gemäß § 9 Abs.2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abge­grenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

 

Gemäß § 23 Abs.1 Arbeitsinspektionsgesetz wird die Bestellung von verantwort­lichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52, in der jeweils geltenden Fassung für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist.

 

Gemäß § 130 Abs.1 Z16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Gemäß § 130 Abs.5 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geld­strafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 35 Abs.1 ASchG haben Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass

Z1: Arbeitsmittel nur für Arbeitsvorgänge und unter Bedingungen benutzt werden dürfen, für die sie geeignet sind und für die sie nach den Angaben der Hersteller oder Inverkehrbringer vorgesehen sind;

Z2: bei der Benutzung von Arbeitsmitteln die für sie geltenden Bedienungs­anleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer sowie die für sie geltenden elektrotechnischen Vorschriften einzuhalten sind.

 

Gemäß § 18 Abs.7 Arbeitsmittelverordnung sind auf Lastaufnahmeeinrichtungen und Anschlagmitteln die zulässige Belastung und gegebenenfalls die Bedin­gungen, unter denen sie  gilt, deutlich anzugeben. Erforderlichenfalls ist auch die Eigenlast anzugeben. Lastaufnahmeeinrichtungen und Anschlagmittel dürfen über die zulässige Belastung hinaus nicht belastet werden. Lastaufnahme­einrichtungen und Anschlagmittel sind so aufzubewahren, dass ihre Beschädi­gung und die Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit ausgeschlossen sind.

 

Gemäß § 19 Abs.1 Arbeitsmittelverordnung sind für die Benutzung von Kranen unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten schriftliche Betriebsan­weisungen zu erstellen. Diese Betriebsanweisungen müssen mindestens Sicher­heitsregeln für folgende Bereiche enthalten:

1.      Aufnehmen, den Transport und das Absetzen von Lasten,

2.      gegebenenfalls Betreten  von Kranen und Kranbahnen,

3.      Verständigung zwischen Last-Anschläger, Einweiser und Kranführer,

4.      Umrüstung und Wartung von Kranen, Aufbau und Abbau von Kranen,

5.      gegebenenfalls Betrieb von Kranen mit einander überschneidenden     Arbeitsbereichen,

6.      gegebenenfalls Heben von Lasten durch zwei oder mehrere Krane,

7.      bei im Freien verwendeten Kranen das Verhalten in der Nähe von       Freileitungen,

8.      bei im Freien verwendeten Kranen das Verhalten bei Berührung von    Freileitungen,

9.      Verhalten bei Windeinwirkung oder Gewittern, falls Regelungen auf diesem   Gebiet aufgrund  des Aufstellungsortes und der Art des Krans für die          Sicherheit der ArbeitnehmerInnen erforderlich sind,

10.    Sicherung gegen Inbetriebnahme durch Unbefugte.

 

Gemäß § 159 Abs.4 Z1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) müssen, sofern ein Arbeitgeber auf einer Baustelle Arbeitnehmer länger als fünf Arbeitstage beschäftigt, auf der Baustelle weiters zur Einsichtnahme Nachweise und Berechnungen gemäß §§ 45 Abs.8, 50 Abs.3, 52 Abs.6, 53 Abs.2, 56 Abs.3 und 4, 65 Abs.7, 68 Abs.3, 69 Abs.5, 71 Abs.2, 82 Abs.2 und 154 Abs.5 aufliegen.

 

Gemäß § 154 Abs.5 BauV hat die Unterweisung der Arbeitnehmer in mündlicher und erforderlichenfalls in schriftlicher Form zu erfolgen. Arbeitnehmer, die der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, müssen in einer Sprache unterwiesen werden, die eine für sie verständliche Unterweisung ermöglicht. Die Unterweisung hat durch geeignete Personen und erforderlichenfalls in schriftlicher Form und bildlicher Darstellung zu erfolgen. Über die Durchführung der Unterweisung sind Aufzeichnungen zu führen. Nach erfolgter Unterweisung ist in geeigneter Form zu prüfen, ob die Unterweisung verstanden wurde. Für eine angemessene Aufsicht, insbesondere bei der erstmaligen Durchführung von Arbeiten, muss gesorgt sein.

 

Gemäß § 87 Abs.3 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Bei besonderen Gegebenheiten, wie auf glatter, nasser oder vereister Dachhaut, die ein Ausgleiten begünstigen, müssen auch bei geringerer Neigung solche Schutzeinrichtungen vorhanden sein. Geeignete Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und Dachfanggerüste (§ 88).

 

Gemäß § 88 Abs.3 BauV müssen Dachfanggerüste mit einer mindestens 1,00 m hohen tragfähigen Schutzwand ausgerüstet sein, deren oberer Rand, gemessen im rechten Winkel zur Dachfläche, einen Abstand von mindestens 60 cm  von der Dachfläche haben muss. Der Belag des Dachfanggerüstes darf bei Arbeiten im Bereich des Dachsaums nicht mehr als 1,5 m unterhalb des Dachsaums liegen.   

 

4.2. Zum Einwand des Berufungswerbers, wonach für das gegenständliche Bauvorhaben "x" Herr x aufgrund der Bestellungsurkunde vom 1. Oktober 2008 zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs.2 VStG iVm § 23 ArbIG bestellt wurde und sohin dieser die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung zu tragen habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten erst rechtswirksam wird, nachdem beim zuständigen Arbeits­inspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Die vom Berufungswerber in seinem Berufungsschrift­satz benannte und auch im Einspruch gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vorgelegte Bestellungsurkunde konnte seine Wirksamkeit nicht entfalten, zumal § 23 des Arbeitsinspektions­gesetzes in dieser Hinsicht eine lex specialis zu § 9 VStG darstellt (vgl. VwGH 20.9.2001, 99/11/0227). Mangels Einlangen der entsprechenden Bestellungsmitteilung beim Arbeitsinspektorat Wels, war von keiner rechtswirksamen Bestellung des Herrn x auszugehen und verbleibt die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung somit beim Berufungs­werber. Auch konnte den Berufungswerber sein Vorbringen, wonach es sich bei der Übermittlung von Vollmachten an das Arbeitsinspektorat um Routineange­legen­­heiten seines gut geschulten Personals handle und es ihm nicht zugemutet werden könne, die Übermittlungsvorgänge selbst auszuführen oder zu überwachen, nicht von seiner Verantwortung befreien, hat er doch sowohl für den Baustellenbereich als auch bei Sekretariats­arbeiten für ein taugliches Kontrollsystem, welches nicht nur auf Anweisungen und Belehrungen, sondern vor allem auch für eine effiziente Überwachung und Kontrolle abzuzielen hat, Sorge zu tragen. Ein fahrlässiges Verhalten ist bei nicht entsprechender eingehender und dauernder Kontrolle der eingesetzten Personen anzunehmen (VwGH vom 17.06.2004, Zl. 2002/03/0200 unter Verweis auf das Erkenntnis vom 28.06.1994, 92/04/0192).

 

Im vorliegenden Fall steht daher zweifelsfrei fest, dass der Berufungswerber zu dem im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Tatzeitpunkt handelsrechtlicher Geschäftsführer und das für die Einhaltung der Verwaltungs­vor­schriften verantwortliche Organ der x mit dem Sitz in x, war. Die im Spruch näher bezeichneten Übertretungen sind erwiesen und werden vom Berufungswerber auch nicht bestritten. Der Berufungswerber erfüllt sohin den objektiven Tatbestand der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen und hat diesen auch zu verantworten.

 

4.3. Geht man demnach mangels wirksamer Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 VStG von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Berufungswerbers für die vorliegende Baustelle aus, kann er in subjektiver Hinsicht nicht deshalb straffrei werden, weil er im Glauben gewesen sei, die Bestellung seines Mitarbeiters zum verantwortlichen Beauftragten sei wirksam erfolgt.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Der Berufungswerber versucht sein mangelndes Verschulden mit der Darstellung einer sogenannten hierarchischen "Kontrollkette" darzulegen. Näher definiert wurde die Kontrollkette dahingehend, dass eine Hierarchie von der Geschäfts­leitung zum Bauleiter, von diesem zum Polier, von diesem zum Vorarbeiter und schließlich zu den Arbeitern, bestehe. Als Bauleiter würden nur entsprechende Dienstnehmer herangezogen, welche sodann in leitender Funktion tätig sind. Abgesehen von der beruflichen Ausbildung gebe es regelmäßige hausinterne Schulungen und Kontrollen der Bauleiter anlässlich der wöchentlichen Bauleitertreffen, bei denen auch der Bereich des Arbeitsschutzes regelmäßig behandelt werde. Es gebe auch weiters Anordnungen dahingehend, dass die Bauleiter die Kontrolle nach unten ausüben, wobei sie berechtigt sind, Dienstnehmer, die Anordnungen im Bezug auf den Arbeitnehmerschutz nicht befolgen, abzumahnen und letztlich auch die Beendigung des Dienstverhältnisses einzuleiten. Die Geschäftsleitung könne daher davon ausgehen, dass geeignete Personen über die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften wachen.

 

Unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG ist es im Hinblick auf ein das Verschulden ausschließendes "wirksames Kontrollsystem" nicht aus­reichend, dass auf den einzelnen Baustellen Bauleiter bzw Vorarbeiter und Poliere mit der Überwachung der Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind bzw vom verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen mindestens wöchentliche Kontrollen durchgeführt werden; ferner sei auch die Erteilung von Anordnungen (Weisungen) und Schulungen nicht ausreichend (vgl. VwGH vom 28.3.2008, Zl. 2007/02/0147).

 

Mit seinem Vorbringen hat der Berufungswerber zwar allgemein das Bestehen eines Kontrollsystems behauptet, jedoch nicht erkennbar dargelegt, wie dieses Kontrollsystems im Einzelnen auf der gegenständlichen Baustelle funktionieren hätte sollen. Hiezu wäre es erforderlich gewesen aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet sei, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutz­rechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolge und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungs­befugte vorgesehen habe, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangten und dort auch tatsächlich befolgt würde (vgl. VwGH vom 9.9.2005, Zl. 2005/02/0018).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reichen nämlich etwa stichprobenartige Überprüfungen der Baustellen und die Erteilung von Weisungen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus (vgl. VwGH vom 30.4.2007, Zl. 2006/02/0034). So sind die vom Berufungs­werber dargestellten wöchentlichen Bauleiterbesprechungen, bei welchen unter anderem auch regelmäßig auf Arbeitnehmerschutzvorschriften hingewiesen wird, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreichend, um ein wirksames Kontrollsystem darzustellen.

 

Dem Berufungswerber ist es mit seinem Vorbringen nicht gelungen, sich von seinem schuldhaften Verhalten zu befreien.

 

5. Zur Strafbemessung wird Nachstehendes bemerkt:

 

5.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

5.2. Die Bestimmungen des ASchG bzw der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen haben den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, weil hiedurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen.

So werden durch das Nichtverwenden bzw Nichtanbringen von geeigneten Schutzeinrichtungen Arbeitnehmer gerade jenen Gefahren in hohem Maß ausgesetzt, denen die Arbeitnehmerschutzbestimmungen entgegentreten wollen, was auch durch schwerste Unfälle immer wieder vor Augen geführt wird.

 

5.3. Von der belangten Behörde wurden im angefochtenen Straferkenntnis über den Berufungswerber Geldstrafen von zweimal 150 Euro (Fakten 1 und 2) sowie von dreimal 300 Euro (Fakten 3 bis 5) bei einem Strafrahmen von 145 Euro bis 7.260 Euro verhängt. Es wurde sohin hinsichtlich der Fakten 1 und 2 die gesetzliche Mindeststrafe nur marginal überschritten, sodass de facto von der Verhängung der gesetzlichen Mindeststrafe in diesen beiden Spruchpunkten auszugehen war. Bezüglich der verhängten weiteren Geldstrafen in Höhe von jeweils 300 Euro kann keine fehlerhafte Ermessensentscheidung seitens der belangten Behörde erblickt werden, darf doch nicht außer Acht gelassen werden, dass ein Arbeitnehmer aus ca. 9 m abgestürzt und sich dabei schwer verletzt hat, also sehr konkrete gravierende Folgen iSd § 19 Abs.2 VStG, die bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sind, eingetreten waren. Darüber hinaus wurde der Strafbemessung ein monatliches Nettoeinkommen von 3.000 Euro, kein Vermögen und keine Sorgepflichten zugrunde gelegt. Den von der belangten Behörde bei der Strafbemessung geschätzten persönlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen wurde in der Berufung nichts Gegenteiliges entgegengebracht, sodass der Oö. Verwaltungssenat von der Richtigkeit selbiger ausgehen konnte. Überdies wurde die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit als strafmildernd, straferschwerend keine Umstände gewertet.

 

Eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG kommt nicht in Betracht, da ein Überwiegen der Milderungsgründe nicht vorgelegen ist. Das Vorliegen der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit allein bewirkt noch kein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe.

 

Auch liegt kein geringfügiges Verschulden vor, zumal das Verhalten des Berufungswerbers nicht erheblich hinter dem in der jeweiligen Strafdrohung zum Ausdruck kommenden Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt, weshalb auch von der Anwendung des § 21 Abs.1 VStG Abstand zu nehmen war.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Der Ausspruch über die Kosten ist in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.      

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

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