Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231108/2/WEI/Fu/Ba

Linz, 29.11.2010

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der X X, geb. X, X, X, vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft X & X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 12. Mai 2010, Zl. Sich 96-105-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

II.     Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 24, 44a Z 1 und Z 2, 45 Abs 1 Z 3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG;

Zu II: § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 12. Mai 2010, Zl. Sich 96-104-2010, wurde die Berufungswerberin (in der Folge: Bwin) wie folgt für schuldig erkannt:

 

"Sie halten sich seit 11.11.2009, seit rechtkräftigem Abschluss des Asylverfahrens, welches mit einer Ausweisung gemäß Asylgesetz verbunden war, im Bundesgebiet der Republik Österreich, aufrechte Meldung nach Meldegesetz an der Adresse X, X, auf, obwohl Sie über keinen entsprechenden Aufenthaltstitel bzw. über keine Niederlassungsbewilligung oder sonstige Rechte zum Aufenthalt in Österreich verfügen.

Trotz Aufforderung zur Ausreise vom 15.12.2009 haben Sie das Bundesgebiet der Republik Österreich bis zum heutigen Tage nicht verlassen.

Ihr Aufenthalt ist daher rechtswidrig."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde "§ 120 Abs 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz" als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung über die Bwin gemäß § 120 Fremdenpolizeigesetz (FPG) eine Geldstrafe in der Höhe von 1 000 Euro, und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden der Bwin 100 Euro (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen aus, dass feststehe, dass im konkreten Fall keine aufenthaltsrechtlichen Genehmigungen, kein anhängiges Asylverfahren oder sonstige Rechtsgrundlagen vorliegen, die die Beurteilung des Aufenthalts der Bwin als rechtmäßig rechtfertigen würden.

 

Das von der Bwin erwähnte Verfahren auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung könne einen legalen Aufenthalt in Österreich nicht begründen. Es sei diesbezüglich auf die Bestimmung des § 44b Abs 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zu verweisen, der normiert, dass Anträge gemäß §§ 43 Abs 2 und 44 Abs 3 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz begründen.

 

Wenn die Bwin die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts auf die Bestimmung des Art 8 EMRK gründet und auf ihre familiäre Situation verweist, so sei dazu auszuführen, dass als rechtmäßiger Aufenthalt ausschließlich die in § 31 Abs 1 FPG angeführten Gründe gelten. Ein Aufenthaltsrecht, welches sich auf Art 8 EMRK stützt, sehe § 31 Abs 1 FPG nicht vor, weshalb das Vorbringen der Bwin ins Leere gehe.

 

Der Tatbestand des § 120 Abs 1 Z 2 FPG sei daher objektiv als erfüllt anzusehen.

 

Die belangte Behörde schließt ihre Begründung mit Erwägungen zum Verschulden und zur Strafbemessung.

 

2. Gegen das Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, mittels Fax am 27. Mai 2010 – und damit rechtzeitig – bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

In der Berufung stellt die Bwin zunächst fest, dass das Straferkenntnis vollumfänglich angefochten wird. Als Berufungsgrund wird die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Bezug nehmend auf die Stellungnahme vom 6. Mai 2010 führt die Bwin aus, dass ein strafrechtlich relevantes Verschulden an seinem "aufenthaltstitellosen" Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vorliege, sondern der Aufenthalt durch Art 8 EMRK und die besonderen familiären Beziehungen der Bwin zu Österreich gerechtfertigt sei. Weiters hätte die Bwin von ihrem gesetzlich gewährleisteten Antragsrecht nach § 44 Abs 3 NAG Gebrauch gemacht. Es wäre geradezu absurd, wenn der Gesetzgeber einerseits der Bwin aufgrund des langjährigen Aufenthalts in Österreich die Möglichkeit einräumt, einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu stellen, und andererseits die Behörde erster Instanz den Vorwurf erhebt, dass die Bwin sich ohne Aufenthaltstitel in Österreich aufhalte. Eine derartige Interpretation des Gesetzes widerspreche dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrecht auf Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art 8 Abs 1 EMRK. Dies deshalb, als das Verfahren nach § 44 NAG als beendet gilt, wenn die Bwin freiwillig das Bundesgebiet verlassen würde. Es könne daher kein schuldrelevanter Vorwurf gegen die Bwin erhoben werden, wenn diese von ihrem sowohl verfassungsgesetzlich als auch einfachgesetzlich gewährleisteten Recht Gebrauch macht, in Österreich einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs 3 NAG einzubringen und den Ausgang dieses Verfahrens auch in Österreich abzuwarten.

Unrichtig sei darüber hinaus die Behauptung, wonach mit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine Ausweisung gemäß Asylgesetz (AsylG) verbunden war. Hinsichtlich der Bwin habe der Asylgerichtshof die Ausweisungsentscheidung der ersten Instanz behoben.

Darüber hinaus wird auch die Höhe der verhängten Geldstrafe als verfassungswidrig angefochten. Die Mindeststrafe iSd BGBl I 2009/122 entspreche keinesfalls dem Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung, noch den Einkommensverhältnissen der Bwin. Es seien daher die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte auf Gleichbehandlung und Schutz des Eigentums durch dieses Bundesgesetz verletzt.

Schließlich stellt die Bwin den Antrag auf Einstellung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens.

3. Mit Schreiben vom 14. Juni 2010 hat die belangte Behörde ihren Verwaltungsstrafakt zur Zahl Sich 96-105-2010 samt Berufungsschrift ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung. Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3.2. Aus den genannten Beweismitteln ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender wesentliche S a c h v e r h a l t:

Die Bwin, eine serbische Staatsangehörige, reiste am 20. Mai 2004 illegal nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag, der mit Urteil des Asylgerichtshofes vom 6. November 2009 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Am 26. November 2009 hat die Bwin um Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs 3 NAG bei der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land angesucht. Dazu hat die Sicherheitsdirektion von Oberösterreich mit Schreiben vom 10. März 2010 eine begründete Stellungnahme gemäß § 44b Abs 2 NAG abgegeben, in der sie zum Ergebnis gelangt, dass sich fremdenpolizeiliche Maßnahmen iSd Art 8 EMRK als zulässig erweisen.

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28. April 2010 wurde der Bwin folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt:

 

"Es wird Ihnen zur Last gelegt, folgende Verwaltungsübertretungen begangen zu haben:

 

Sie halten sich seit 11.11.2009, seit rechtkräftigem Abschluss des Asylverfahrens, welches mit einer Ausweisung gemäß Asylgesetz verbunden war, im Bundesgebiet der Republik Österreich, aufrechte Meldung nach Meldegesetz an der Adresse X, X, auf, obwohl Sie über keinen entsprechenden Aufenthaltstitel bzw. über keine Niederlassungsbewilligung oder sonstige Rechte zum Aufenthalt in Österreich verfügen.

Trotz Aufforderung zur Ausreise vom 15.12.2009 haben Sie das Bundesgebiet der Republik Österreich bis zum heutigen Tage nicht verlassen.

Ihr Aufenthalt ist daher rechtswidrig.

 

Verwaltungsübertretungen nach § 120 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz."

Dieser Aufforderung, die der Bwin am 03. Mai 2010 durch Hinterlegung zugestellt wurde, ist sie mit Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 6. Mai 2010 nachgekommen. Darin bringt die Bwin vor, dass ein strafrechtlich relevantes Verschulden an ihrem "aufenthaltstitellosen" Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vorliege, sondern dieser titellose Aufenthalt durch Art 8 EMRK und die besonderen familiären Beziehungen zu Österreich gerechtfertigt sei. Darüber hinaus sei nach wie vor ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs 3 NAG anhängig. Die nunmehrige Situation gleiche einem Notstand iSd VStG, da das Verfahren der Bwin nach § 44 NAG automatisch endet, wenn sie das Bundesgebiet verlassen sollte.

Die belangte Behörde erließ daraufhin das angefochtene Straferkenntnis, mit dem die Bwin für schuldig befunden wurde, § 120 Abs 1 Z 2 FPG übertreten zu haben. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 11. Mai 2010 wurde der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs 3 NAG abgewiesen und mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 12. Mai 2010 wurde die Bwin aus dem Bundesgebiet der Republik ausgewiesen.

4. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 120 Abs 1 FPG (BGBl. I. Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009), begeht im Fall der Ziffer 2 eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen,

         wer als Fremder sich nicht rechtsmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Nach § 120 Abs 4 FPG ist, wer eine Tat nach Abs 1, 2 oder 3 begeht, obwohl er wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, mit Geldstrafe von 5.000 Euro bis zu 15.000 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

 

Nach § 120 Abs 5 FPG liegt eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs 1 Z 2 nicht vor,

1. wenn die Ausreise nur in ein Land möglich wäre, in das eine Abschiebung unzulässig (§ 50) ist;

2. solange der Fremde geduldet ist (§ 46a),

3. im Fall des Aufenthalts eines begünstigten Drittstaatsangehörigen ohne Visum oder

4. solange dem Fremden die persönliche Freiheit entzogen ist.

 

Gemäß § 120 Abs 6 FPG schließt eine Bestrafung gemäß Abs 1 Z 2 eine solche wegen der zugleich gemäß Abs 1 Z 1 begangenen Verwaltungsübertretung aus.

 

Nach § 120 Abs 7 FPG liegt eine Verwaltungsübertretung nach Abs 1 nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen.

 

4.2. Im Zusammenhang mit der Verwaltungsübertretung des § 120 Abs 1 Z 2 FPG ist die dieser Blankettstrafnorm erst Inhalt gebende Vorschrift des § 31 FPG zu beachten. Nach der Überschrift regelt diese Bestimmung die Voraussetzungen für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Sie lautet idF BGBl I Nr. 122/2009:

 

"§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes  nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt."

 

§ 44a VStG regelt schließlich, welche Anforderungen an den Spruch eines Straferkenntnisses zu stellen sind. Er lautet:

 

"§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten."

4.3. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z 1 VStG entwickelten Judikatur ist die angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den vorgeworfenen Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl VwSlg. 11.466 A/1984 verst. Sen.; 11.894 A/1985 verst. Sen.). Im Spruch sind somit zum einen alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind, und zum anderen die Tathandlungen, durch die der Tatbestand verwirklicht wurde, zu beschreiben. Eine nähere Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht ebenso wenig wie die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes (vgl VwGH 13.1.1982, Zl. 81/03/0203; VwSlg 11.069 A/1983; VwGH 15.2.1983, Zl. 81/11/0122; vgl auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] VStG § 44a Anm 2).

Im Erkenntnis vom 6. März 2008, VwSen-230972/2/WEI/Eg/Se, hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich entsprechend seiner ständigen Spruchpraxis auf Seiten 6 f wie folgt ausgeführt:

 

"Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner Judikatur zum (vergleichbaren) Straftatbestand des § 82 Abs 1 Z 4 iVm § 15 Abs 1 des Fremdengesetzes 1992 im Hinblick auf § 44a Z 1 VStG, der die eindeutige Umschreibung der als erwiesen angenommene Tat im Spruch fordert, ausgesprochen, dass eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts rechtens nur dann in Betracht kommt, wenn keine der in den einzelnen Ziffern des § 15 Abs 1 FrG 1992 angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist. Die Annahme der Unrechtmäßigkeit eines inländischen Aufenthalts aus der Verneinung bloß eines Teils der in § 15 Abs 1 FrG 1992 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts stehe mit dem Gesetz nicht in Einklang (vgl etwa VwGH 18.1.2000, Zl. 94/18/0396; VwGH 24.3.2000, 96/21/0919; VwGH 5.10.2000, 96/21/0861; VwGH 8.11.2000, 97/21/0223; VwGH 23.1.2001, 97/21/0056).

 

Diese Judikaturlinie hat der Verwaltungsgerichtshof auch für die inhaltlich gleichgelagerte Strafbarkeit des unrechtmäßigen Aufenthalts nach § 107 Abs 1 Z 4 iVm § 31 Abs 1 FrG 1997 (vgl VwGH 30.5.2001, 2000/21/0009) fortgeführt. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes nur in Betracht, wenn keine der im § 31 Abs 1 FrG 1997 angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist, sowie dann, wenn die Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltes gemäß § 31 Abs 3 FrG 1997 geendet hat. Im Spruch des Straferkenntnisses ist - um den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG zu entsprechen - die als erwiesen angenommene Tat durch Verneinung aller im § 31 Abs 1 FrG 1997 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts oder - im Fall des § 31 Abs 3 FrG 1997 - durch Verneinung einer weiter bestehenden Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu umschreiben (vgl VwGH 13.12.2002, 2000/21/0052; VwGH 17.6.2003, 2000/21/0191; VwGH 17.6.2003, 2002/21/0205, VwGH 18.5.2004, 2001/21/0103; VwGH 23.11.2004, 2003/21/0142; jüngst VwGH 24.10.2007, 2007/21/0303).

 

Diesen Ausführungen folgend kann für die weitgehend gleichgelagerte Bestimmung des § 31 Abs 1 FPG nichts Anderes gelten. Nach der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (vgl 952 BlgNR 22. GP, Seite 89) wurden nur geringfügige terminologische und inhaltliche Änderungen (Normierung von abschließenden Fallkonstellationen des rechtmäßigen Aufenthalts) vorgenommen."

4.4. Die belangte Behörde hat der Bwin im angefochtenen Straferkenntnis lediglich zur Last gelegt, dass sie seit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens über "keinen entsprechenden Aufenthaltstitel bzw über keine Niederlassungsbewilligung oder sonstige Rechte zum Aufenthalt in Österreich" verfüge. Damit wird der Spruch des angefochtenen Strafbescheides den beschriebenen Anforderungen des § 44a Z 1 VStG in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht gerecht, da er nicht unter Berücksichtigung bzw Verneinung sämtlicher alternativen Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt nach dem § 31 Abs 1 FPG umschrieben wurde.

Darüber hinaus wird der Spruch des hier angefochtenen Straferkenntnisses auch dem § 44a Z 2 VStG nicht gerecht, welcher die Zitierung der Verwaltungsvorschrift, gegen die mit der Tat verstoßen wurde, verlangt. Entsprechend der auch auf die aktuelle Rechtslage übertragbaren Judikatur des Verwaltungsgerichthofs (vgl VwGH 24.4.2001, Zl. 98/21/0402; VwGH 24.10.2007, Zl. 2007/21/0303) ist als übertretene Norm neben § 120 Abs 1 Z 2 FPG auch § 31 Abs 1 FPG insgesamt anzuführen. Im Spruch des vorliegenden Straferkenntnisses ist die Anführung des § 31 Abs 1 FPG jedoch gänzlich unterblieben, die belangte Behörde hat sich allein auf § 120 Abs 1 Z 2 FPG gestützt.

Auch die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss sämtliche gemäß § 44a Z 1 und Z 2 VStG in den Spruch aufzunehmende Elemente umfassen (vgl etwa VwGH 05.07.2000, Zl. 97/03/0081). Da die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28. April 2010 diesen Kriterien ebenfalls nicht entspricht, wurde innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs 2 VStG keine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt.

4.5. Schon aus diesen Gründen war der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs 4 AVG stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis zur Gänze aufzuheben, ohne dass auf die Berufung näher eingegangen werden musste. Im Hinblick auf die bereits verstrichene Verfolgungsverjährungsfrist war auch die Einstellung des Verfahrens gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG zu verfügen.

5. Bei diesem Ergebnis war der Bwin gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. W e i ß

 

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