Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165352/2/Fra/Gr

Linz, 07.10.2010

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Johann Fragner, Dr., Hofrat                                                                               2A18, Tel. Kl. 15593

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der X, vertreten durch Frau X, vom 19. August 2010 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 8. Juni 2010, VerkR96-2616-2009-Mg/Hel, betreffend Übertretung des §99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 iVm § 5 Abs 5 erster Satz und Abs 9 StVO 1960 zu Recht erkannt:

 

I.            Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis     aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.            Die Berufungswerberin hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu      entrichten.


 


Rechtsgrundlagen:

Zu I: § 66 Abs. 4 AVG 1991 iVm §§ 24 und 45 Abs. 1 Z. 1 VStG 1991;

Zu II: §66    Abs.   1       VStG  1991.
 

 

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding wurde über die Berufungswerberin (Bw) wie folgt abgesprochen: 

"Sie haben am 23.09.2009 um ca. 09.45 Uhr, den PKW der Marke X, mit dem amtlichen Kennzeichen X im Gemeindegebiet von X von der X kommend, auf der X bis zum Parkplatz des Objektes X in einem vermutlich durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt, und sich am 23.09.2009 um 12.04 Uhr auf der Polizeiinspektion X, nach der Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organes der Straßenaufsicht geweigert, sich zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Suchtgift einem bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt vorführen zu lassen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 99 Abs 1 lit b StVO 1960 iVm § 5 Abs 5 erster Satz und Abs 9 StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

·         1.600 Euro Geldstrafe 

·         336 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, falls die Geldstrafe uneinbringlich ist

Ferner haben Sie gemäß § 64 VStG 160 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen, dies ergibt einen Gesamtbetrag von 1.760 Euro."

 

I.2. Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung vom 19.08.2010. Es wird beantragt, der UVS möge der Berufung stattgeben und eine mündliche Berufungsverhandlung mit umfassender Beweisaufnahme anberaumen und nach Durchführung der Berufungsverhandlung das Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit aufheben und das Verfahren gemäß § 45 VStG einstellen.

Die Bw bestreitet im Wesentlichen, dass sie sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befand.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hat , weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c erster Satz VStG).

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Bezirkshauptmannschaft Eferding.

 

I.4.1. Die belangte Behörde gibt nach Wiedergabe der relevanten gesetzlichen Bestimmungen Abs1 lit. b StVO folgenden wesentlichen Sachverhalt an:

Die Bw begab sich am 23.09.2009 zur PI X, um sich dort mit Herrn X zu einer zuvor mit dem Mobiltelefon vereinbarten Zeugenaussage zu der Strafsache 14 St 10/09i (StA Linz) zu treffen. Im Zuge der Befragung wurde von Herrn X eine vermutete Suchtgiftbeeinträchtigung festgestellt, woraufhin er die Bw aufforderte, sich zum Zweck einer Feststellung der Beeinträchtigung durch Suchtgift einem bei der Bundesbehörde tätigen Arzt vorführen zu lassen. Die Bw verweigerte dies, da sie sich eigentlich im Krankenstand befände und nicht wolle, dass ihr Arbeitgeber sie bei der Fahrt zur Bundespolizeibehörde erblickt. In der Folge wurde die Bw von Herrn X und Herrn X mit dem Dienstauto zu ihrem Wohnsitz gebracht.

 

I.5. Die Bw, nunmehr rechtsfreundlich vertreten durch Frau X, führt in ihrer Berufung folgende Beschwerdepunkte an:

Die vermuteten Suchtgiftsymptome müssen begründet und auch festgestellt werden, wobei gewisse Verhaltensweisen oder Auffälligkeiten vorhanden sein müssen, damit überhaupt ein Hinweis auf eine Suchtgiftbeeinträchtigung besteht (vgl. Pürstl, Kommentar zur StVO, 12 Auflg. , § 5 Abs.9 StVO, Anmerkung 39). Das Straferkenntnis ist schon deswegen rechtswidrig, da keine Tatsachenfeststellungen dazu getroffen wurden, ob zum Tatzeitpunkt spezifische Suchtgiftsymptome vorlagen. Die Bw führt weiters die Frage an, warum es keine Feststellung derartiger Symptome im Zeugenprotokoll vom 23.09.2009 gegeben habe. In der Folge hält die Bw fest, dass die Zeugenaussage von Herrn X, in der er angab, dass sie stark zitterte, verengte Pupillen und wässrig glänzende Augen hatte, nicht mit dem durchgeführten Drogencheckformular übereinstimmt, welches im Zuge der Amtshandlung ausgefüllt wurde.

Weiters führt die Bw in der Berufung an, dass aus dem Behördenakt nicht hervorgehe ob Herr X zum Tatzeitpunkt Organe der Straßenaufsicht waren, da keine Ermächtigung vorliege. Gemäß Punkt 4 der Berufung weist die Bw noch auf evtl. Verfahrensmängel hin, da die zeugenschaftliche Einvernahme von Herr X in deren gegenseitigen Beisein durchgeführt wurde und somit keine unbeeinflusste Aussage vorliegen kann.

Die Bw stellt somit die Anträge:

 

I.6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 5 Abs 1 Satz 1 StVO darf, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, weder ein Fahrzeug lenken noch in Betrieb nehmen.

Nach § 5 Abs 5 StVO sind Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Bundespolizeibehörde tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des §5a Abs 4 StVO ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs 2.

1.Keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben hat oder

2. aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war.

 

Gemäß § 5 Abs 9 StVO gelten die Bestimmungen des Abs 5 auch für Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befinden.

Gemäß § 5 Abs 4 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs. 2) zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmeßgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden haben.

 

Die Bestimmung in § 5 Abs 4 StVO gilt auf für Personen, bei denen eine Beeinträchtigung durch Suchtgift vermutet wird.

 

Die Definition des Begriffs „nächstgelegene Dienststelle“ in §5 Abs 4 StVO bedarf einer exakten Ausführung. Im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens wurde dieser Begriff weder erwähnt, noch von der belangten Behörde als wichtig erachtet, bzw. näher erläutert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28.02.1997, GZ 97/02/0051, erwogen, dass der Begriff „ nächstgelegene“ Dienststelle nicht im „räumlichen, baulichen Sinn“ zu verstehen ist, sondern vielmehr im „funktionell-organisatorischem Sinn“. Diese Bestimmung ist dahingehend zu verstehen, dass eine Person, die durch ein besonders geschultes Organ der Straßenaufsicht aufgefordert wird, zur Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Suchtgift, sich einem bei  einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Bundespolizeibehörde tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 StVO ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt, untersuchen zu lassen, zu der örtlich näheren Dienststelle gebracht werden muss.

In weiterer Folge stellt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis fest, dass der Begriff der „nächstgelegenen“ Dienststelle in § 5 Abs 4 StVO nicht wörtlich genommen und überspannt werden darf, sodass es beim Infragekommen von mehreren Dienststellen allenfalls sogar auf einen geringfügigen Entfernungsunterschied ankommt. Dies würde bedeuten, dass eine exakte „Vermessung“ zweier Dienstellen, die sich nur wenige Meter voneinander entfernt befinden, als eine unzulässige und überspannte Auslegung des Begriffs der „örtlich näheren Dienststelle“ zu verstehen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof führt gleichzeitig aus, dass einer Aufforderung im Sinne des § 5 Abs. 4 StVO nur dann nicht Folge geleistet werden muss, wenn die Aufforderung in Ansehung einer erheblich weiter entfernten Dienstelle erfolgt.

Im gegenständlichen Verfahren wurde der Bw im Straferkenntnis vorgeworfen, sie habe sich geweigert, zum Zweck der Feststellung der Beeinträchtigung durch Suchtgift einem bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt vorführen zu lassen, wobei aus dem Straferkenntnis nicht ersichtlich ist, um welche Bundespolizeibehörde in Oberösterreich es sich vermutlich handelt. Ausgehend von der Annahme, dass es sich entweder um die Bundespolizeibehörde Linz bzw. Bundespolizeibehörde Wels handeln könnte, wurde eine jeweilige Wegstrecke von der Polizeiinspektion X (X) bis zur Bundespolizeibehörde Linz ( schnellste Route auf der B 129 von 25 km) bzw. Bundespolizeibehörde Wels ( schnellste Route auf der B 134 % B 137 von 23 km) ermittelt (DORIS – intraMAP des Landes ).

Die Bw wurde am 23.09.2009 um 12.04 Uhr (lt. Straferkenntnis) zu einer solchen Untersuchung aufgefordert. Diese Aufforderung der Polizeibeamten widerspricht aber dem rechtlichen Grundsatz nach §5 Abs 4 und 5 StVO, da die Bw einem im öffentlichen Sanitätsdienst (Gemeindearzt, Amtsarzt) stehenden Arzt vorgeführt hätte werden müssen. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich kommt hier zu dem Entschluss, dass es für die Organe der Straßenaufsicht durchaus möglich gewesen wäre, am Mittwoch den 23.09.2009 (Wochentag) einen im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt für die Durchführung der Untersuchung der Bw zu kontaktieren.  

Somit musste die Bw auch der Aufforderung, sich bei einem bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt untersuchen zu lassen, nicht Folge leisten, da es sich in diesem Beschwerdefall um eine wesentlich weiter entfernte Dienststelle handelte (VwGH 28.02.1997; GZ 97/02/0051). Dies geht eindeutig aus der bereits oben berechneten Wegermittlung hervor. Der Vorwurf der belangten Behörde, die Bw habe sich geweigert, sich zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Suchtgift einem bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt vorführen zu lassen, bildet somit keine Verwaltungsübertretung. Bei diesem Ergebnis war die von der Bw relevierte Frage, ob die Meldungsleger bei ihr relevante Symptome einer Suchtgiftbeeinträchtigung wahrgenommen haben, nicht mehr zu untersuchen.

Eine Verhandlung entfiel gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG, da die Entscheidung bereits auf Grund der Aktenlage feststeht.

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

.

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Fragner

 

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