Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240765/5/Gf/Gru/Mu

Linz, 15.10.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch RA x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 4. August 2010, GZ SanRB96-119-2009, wegen einer Übertretung des Tabakgesetzes zu Recht erkannt:

I.     Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.   Der Berufungswerber hat weder einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 4. August 2010, Zl. SanRB96-119-2009, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 500,-- Euro (Ersatzfreiheits­strafe: 50 Stunden) verhängt, weil er es als Betreiber und Inhaber des Lokales „x“ – bei dem es sich mangels räumlicher Abtrennung zum sog. "Mallbereich" um einen Teil des öffentlichen Ortes "Einkaufszentrum x" und nicht um einen Gastronomiebetrieb  i.S.d. Tabakgesetzes handle, sodass dort ein generelles Rauchverbot bestehe – zu verantworten habe, dass für die Einhaltung des Rauchverbotes insofern nicht Sorge getragen worden sei, als am 4. Dezember 2009 um 15.20 Uhr dort Gäste an Tischen, die zum Lokal gehören, geraucht hätten. Dadurch habe er jeweils eine Übertretung des § 13 Abs. 1 i.V.m. § 13c Abs. 1 Z. 2, § 13 Abs. 2 Z. 3 und § 14 Abs. 4 des Tabakgesetzes, BGBl.Nr. 431/1995, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 120/2008 (im Folgenden: TabakG), begangen, weshalb er nach § 14 Abs. 4 TabakG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der dem Beschwerdeführer angelastete Tatvorwurf auf einer – im Nachhinein zeugenschaftlich bestätigten – Anzeige einer Privatperson basiere und dieser auf Grund des in der Folge von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien keine Milderungsgründe hervorgekommen, während dem Rechtsmittelwerber auf Grund zweier bereits im Frühjahr 2009 angelasteten Übertretungen die Rechtswidrigkeit seines Handelns hätte bekannt sein müssen, welcher "Umstand ..... als erschwerend zu werten" gewesen sei; seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses ihm am 10. August 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 23. August 2010 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

 

Darin bringt der Beschwerdeführer vor, dass er nur für das von ihm betriebene Lokal, nicht aber für die außerhalb desselben befindliche Einkaufsstraße (sog. "Mall") des Einkaufzentrums verantwortlich sei. Denn er sei nicht "Inhaber" derselben, weshalb er auch gegen keine der in § 13c Abs. 1 und Abs. 2 TabakG normierten Obliegenheiten verstoßen haben könne. Zudem könne trotz des Umstandes, dass sein Lokal gegenüber der Mall "offen" sei, im vorliegenden Fall auch die Maßgeblichkeit der Ausnahme­bestimmung des § 13a Abs. 3 TabakG nicht zweifelhaft sein. Nachdem das Rauchverbot des § 13 Abs. 1 TabakG explizit für "Räume öffentlicher Orte" gelte, sei primär das Tatbestandsmerkmal des "Raumes" maßgebend. Aufgrund des im Einkaufszentrum bestehenden Luftangebotes sei dieses aber mit einem Ort "im Freien" vergleichbar, weshalb der Bereich der Mall somit kein Raum in einem öffentlichen Ort sei. Darüber hinaus treffe das Rauchverbot primär den Raucher selbst. Außerdem widerspreche sich die Behörde mit der Behauptung, dass die Tische zum „x“ – und damit nicht zum öffentlichen Ort „Einkaufszentrum x“ – gehören, letztlich selbst. Nach den Bestimmungen des Tabakgesetzes ist zudem zwischen einem Rauchverbot in „Räumen eines öffentlichen Ortes“ einerseits und „den der Verabreichung von Speisen oder Getränken an Gäste dienenden Räumen“ andererseits zu differenzieren; diesbezüglich fehle aber im gegenständlichen Straferkenntnis eine entsprechende Konkretisierung, wo genau gegen das Rauchverbot verstoßen worden sei, nämlich: innerhalb oder außerhalb des Lokales. Es hätte hier somit allenfalls bloß eine Bestrafung wegen des Allgemeindeliktes, nicht aber eine Bestrafung wegen eines Sonderdeliktes in Frage kommen können.

 

Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass jedenfalls bloß ein geringes Verschulden vorgelegen sei und die vorgeworfene Tat auch keine Folgen nach sich gezogen habe, da „Nichtraucher“ nicht beeinträchtigt worden seien; somit lägen die Voraussetzungen des § 21 VStG vor.

 

Aus allen diesen Gründen wird daher die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Strafhöhe bzw. ein Absehen von der Strafe beantragt.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Linz-Land zu GZ SanRB96-119-2009; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen schon gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Weil in dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, war im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung zuständig (vgl. § 51c VStG).

 

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 14 Abs. 4 i.V.m. § 13c Abs. 1 Z. 2, § 13 Abs. 1 und § 13c Abs. 2 Z. 3 TabakG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.000 Euro zu bestrafen, der als Inhaber von Räumen eines öffentlichen Ortes gemäß § 13 Abs. 1 TabakG nicht dafür Sorge trägt, dass in diesen Räumen eines öffentlichen Ortes nicht geraucht wird.

 

Nach § 14 Abs. 4 i.V.m. § 13c Abs. 1 Z. 3, § 13a Abs. 1 Z. 1 und § 13c Abs. 2 Z. 4 TabakG begeht u.a. auch derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.000 Euro zu bestrafen, der als Inhaber eines Gastgewerbetriebes i.S.d. § 13a Abs. 1 TabakG nicht dafür Sorge trägt, dass in den der Verabreichung von Speisen oder Getränken an Gäste dienenden Räumen (= lt. Überschrift zu § 13a TabakG: in "Räumen der Gastronomie"), soweit nicht gemäß § 13a Abs. 2 bis Abs. 4 TabakG eine Ausnahme vom Rauchverbot besteht, nicht geraucht wird.

 

3.2. Während also die erstere Strafnorm ein absolutes, strafbewehrtes Verbot statuiert, erweist sich dem gegenüber Letztere insofern bloß als relativ, als diese (zahlreiche) Ausnahmen zulässt. Im Übrigen entspricht dieses Delikt insofern ein und demselben Typus, als tatbestandsmäßig ein "Rauchverbot ..... gilt" und dieses formal jeweils auf den Begriff "Räume" abstellt. Offensichtlich ist mit diesem Terminus inhaltlich jedoch jeweils Unterschiedliches gemeint: Während § 13a TabakG, wie dies insbesondere aus dessen Abs. 2 und 3 deutlich wird, in seiner Zielsetzung davon ausgeht, dass unter den "Räumen der Gastronomie" - gleichsam in einem engeren Sinn - nur solche zu verstehen sind, die nach allen Seiten (und allenfalls auch nach oben) abgeschlossen bzw. zumindest mittels einer rauchdichten Tür abschließbar sind (vgl. § 13a Abs. 2 TabakG: "wenn gewährleistet ist, dass der Tabakrauch nicht in die mit Rauchverbot belegten Räumlichkeiten dringt"), liegt dem § 13 Abs. 1 TabakG in einem weiteren Sinn die Vorstellung eines Raumes zu Grunde, der sich außerhalb eines nach allen Seiten abgeschlossenen Raumes befindet bzw. befinden kann und über den der Inhaber verfügungsberechtigt ist.

 

Insbesondere am Beispiel eines überdachten, mehrgeschossigen Einkaufszentrums (wie es auch dem gegenständlichen Fall zu Grunde liegt) erläutert verkörpern daher das Einkaufzentrum als Ganzes einerseits sowie jene Räume, die sich außerhalb von abgegrenzten (d.h. abgeschlossenen bzw. abschließbaren) Gastgewerbebetrieben befinden, andererseits jeweils die "Räume öffentlicher Orte" i.S.d. § 13 Abs. 1 TabakG, hingegen die der Gastronomie dienenden, allseits umschlossenen Einheiten jene unter § 13a Abs. 1 TabakG zu subsumierenden Räume.

 

Diese idealtypische Abgrenzung verschwimmt allerdings dann, wenn ein Gastronomiebetrieb (auch bzw. ausschließlich) aus Räumen, die nicht nach allen Seiten abgegrenzt sind, besteht, d.h nur (bzw. sowohl) über Räume i.S.d. § 13 Abs. 1 TabakG (als auch über Räume i.S.d. § 13a Abs. 1 TabakG) verfügt.

 

3.3. Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch in diesem Fall hinsichtlich der Tatanlastung - im Hinblick auf die nur in Bezug auf Räume i.S.d. § 13a TabakG, nicht jedoch auch für Räume i.S.d. § 13 Abs. 1 TabakG bestehenden Ausnahmen gemäß § 13a Abs. 2 bis 4 TabakG - strikt zwischen diesen beiden Delikten zu differenzieren ist. 

 

In Verbindung damit, dass § 44a Z. 1 VStG nämlich als einen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsstrafverfahrens festlegt, dass der Spruch des Straferkenntnisses den Tatvorwurf genau zu bezeichnen hat - dazu gehört insbesondere eine möglichst präzise Angabe von Tatort und Tatzeit, sodass kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür der Beschuldigte bestraft worden ist, um den Täter rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. die Nachweise bei W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Wien 2004, S. 1520 ff, m.w.N.) - ist daher, um gerade einem Gastgewerbetreibenden einen effektiven Schutz vor einer Doppelbestrafung zu gewährleisten, eine dementsprechend exakte Spruchkonkretisierung zu fordern.

 

Wenn sich das strafbare Verhalten daher in einem überdachten Einkaufszentrum zugetragen hat und der Tatort dort derart ausgestaltet ist, dass der Gastgewerbetreibende einerseits über ein als solches räumlich abgegrenzt wahrnehmbares "eigentliches" Gastlokal (= abgeschlossener Raum i.S.d. § 13a Abs. 1 TabakG) verfügt und andererseits auch außerhalb desselben zu diesem Lokal gehörige (Sessel und) Tische aufgestellt sind, die vom eigentlichen Lokal durch eine sog. "Einkaufsstraße" ("Shopping Mall") getrennt sind, dann kann nach der dem
TabakG offensichtlich zu Grunde liegenden Konzeption hinsichtlich der Verletzung des Rauchverbots an außerhalb des eigentlichen Lokals befindlichen Tischen jedenfalls nur eine Bestrafung wegen des Allgemeindeliktes des § 14 Abs. 4 i.V.m. § 13c Abs. 1 Z. 2 TabakG (öffentlicher Ort), nicht jedoch auch eine Bestrafung wegen des Sonderdeliktes des § 14 Abs. 4 i.V.m. § 13c Abs. 1 und § 13a Abs. 1 bis 4 TabakG (Raum eines Gastgewerbebetriebes) erfolgen.

 

In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 2009, B 776/09, ausgesprochen, dass Räume "nach dem allgemein gebräuchlichen Begriffsverständnis dreidimensional eingegrenzte Bereiche" sind. Wenngleich diese Begründung in Wahrheit unscharf ist – weil unter einem Raum gerade nach dem allgemein gebräuchlichen Begriffsverständnis auch genau das Gegenteil verstanden werden kann: in Analogie zu einer Geraden und einer Ebene stellt der Raum nämlich die unbegrenzte Einheit dar, während dem gegenüber der Punkt, die Fläche bzw. der Körper jeweils die konträren, dimensional limitierten Erscheinungsformen bilden –, bleibt im Ergebnis dennoch kein Zweifel, dass der VfGH unter den spezifischen "Räumen öffentlicher Orte" (i.S.d. § 13 Abs. 1 TabakG – denn nur darauf bezieht sich die Festlegung des VfGH in dem vorangeführten Erkenntnis !) eine nach drei Dimensionen eingegrenzte Einheit verstanden wissen will.

 

Daraus folgt aber für den hier in Rede stehenden Problemkreis, dass das in § 13a TabakG geregelte Gastgewerbelokal gleichsam einen "Raum im Raum" verkörpert, wenn sich jenes in einem überdachten (und sohin selbst den Begriff des Raumes erfüllenden) Einkaufszentrum befindet, wobei hierfür a priori sowohl eine Bestrafung wegen des Sonderdelikts gemäß § 14 Abs. 4 i.V.m. § 13c Abs. 1 und § 13a Abs. 1 bis 4 TabakG als auch eine Bestrafung wegen des Allgemeindelikts nach § 14 i.V.m. § 13c Abs. 1 Z. 2 TabakG in Betracht kommt.

 

Da beiden Strafbestimmungen jedoch offenkundig dieselbe Intention zu Grunde liegt (Schutz vor Passivrauchen in Räumen), ist aber im Hinblick auf Art. 4 des 7. ZPMRK eine Kumulation dieser Strafen gemäß § 22 VStG unzulässig.

 

Um einen Konventions- bzw. Verfassungsverstoß hintanzuhalten, ist es daher im Hinblick auf § 44a Z. 1 VStG in jenen Fällen, in denen der Beschuldigte ein solcher Inhaber eines in einem überdachten Einkaufszentrum befindlichen Gastgewerbebetriebes ist, der auch Tische außerhalb seines "eigentlichen" Lokals aufgestellt hat, entweder erforderlich, im Spruch des Straferkenntnisses die Tat dahin zu konkretisieren, ob jene Tische, an denen gegen das Rauchverbot verstoßen wurde, innerhalb oder außerhalb des "eigentlichen" (abgeschlossenen, d.h. dreidimensional abgrenzbaren Raumes im Raum) Lokals aufgestellt waren oder es bedarf dann, wenn ein solcher abgeschlossener Lokalbereich z.B. deshalb nicht existiert, weil die Räume der Gastronomie i.S.d. § 13a Abs. 1 TabakG nach außen hin - d.h. zumindest nach einer Seite hin - offen ausgestaltet sind, eben der expliziten (negativen) Feststellung im Spruch des Straferkenntnisses, dass der Tatort nicht den Begriff des Raumes i.S.d. § 13a Abs. 1 TabakG erfüllt.

 

3.4. Diesem Erfordernis wird der Spruch des mit der gegenständlichen Berufung angefochtenen Straferkenntnisses im Ergebnis gerade noch gerecht.

 

Zwar ist dort angeführt ist, dass "an den Tischen, die zum Gastronomiebetrieb 'x' gehören, geraucht" wurde, womit an sich indiziert wird, dass diese Tische zu einem "Raum der Gastronomie" i.S.d. § 13a TabakG gehören, sodass (wenn die dementsprechenden Voraussetzungen vorgelegen wären) lediglich eine Bestrafung wegen des Sonderdeliktes des § 14 Abs. 4 i.V.m. § 13c Abs. 1 und § 13a Abs. 1 bis 4 TabakG (Räume der Gastronomie), nicht jedoch eine solche wegen des Allgemeindeliktes des § 14 Abs. 4 i.V.m. § 13c Abs. 1 Z. 2 TabakG (öffentlicher Ort) hätte erfolgen dürfen.

 

Allerdings wird im Spruch auch klargestellt, dass es sich beim gegenständlichen Gastronomiebetrieb "mangels räumlicher Abgrenzung zum Mallbereich um einen Teil des Raumes des öffentlichen Ortes 'Einkaufszentrum x' iSd § 13 Tabakgesetz und nicht um einen Gastronomiebetrieb iSd § 13a Tabakgesetz" handelt, sodass daraus bei verständiger Würdigung insgesamt gerade noch hinreichend deutlich wird, dass sich die Tische nicht in einem "Raum der Gastronomie" gemäß § 13a TabakG befunden haben und somit eine Bestrafung wegen des Allgemeindeliktes erfolgte.

 

Wenngleich dem Beschwerdeführer zuzugestehen ist, dass eine größere Klarheit unschwer dadurch zu erzielen gewesen wäre, wenn die belangte Behörde im Zuge der Formulierung des Spruches des Straferkenntnisses den verwirrenden Zusatz "Gastronomie" überhaupt vermieden hätte, kann somit letztlich dennoch kein ernster Zweifel daran bestehen, dass sie hier aufgrund der konkreten faktischen Umstände letztlich eine Bestrafung wegen einer Übertretung des Allgemeindeliktes des § 13 Abs. 1 i.V.m. § 13c Abs. 1 Z. 2 und § 13c Abs. 2 TabakG erfolgte.

 

3.5. Dennoch führt die Beschwerde im Ergebnis deshalb zum Erfolg, weil gegenständlich Umstände vorliegen, die (wenngleich diese primär nicht von der belangten Behörde, sondern vom Gesetzgeber zu vertreten sind, aber dessen ungeachtet) insgesamt betrachtet keine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass auch in diesem konkreten Fall letztlich ein an den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit orientiertes Strafverfahren durchgeführt wurde.

 

3.5.1. Die Strafbestimmung des § 14 Abs. 4 i.V.m. § 13c Abs. 2 Z.3 und i.V.m. § 13c Abs. 1 Z. 2 TabakG, wonach der Inhaber eines Raumes eines öffentlichen Ortes dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen hat, indem er nicht dafür Sorge zu tragen hat, dass in diesem Raum nicht geraucht wird, normiert kein notwendig akzessorisches Delikt. D.h., dass die Übertretung auch begangen werden kann, ohne dass in diesem Raum tatsächlich geraucht wurde – z.B. dadurch, dass für Räume, in denen auf Grund ihrer Zwecksetzung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass in diesen üblicherweise geraucht wird, entweder keinerlei Vorsorgehandlungen getroffen (z.B. keine Verbotsschilder angebracht) oder sogar Maßnahmen gesetzt wurden, die (wie z.B. das Aufstellen von Aschenbechern) die Benutzer zu einem gebotswidrigen Verhalten geradezu animieren sollen.

 

Umgekehrt kann daraus, dass in einem solchen Raum geraucht wurde, zumindest auf der Tatbestandsebene auf eine strafgesetzwidrige Unterlassung des Inhabers des Raumes geschlossen werden. Ein derartiger Schluss ist jedoch nur dann zulässig, wenn das Faktum, dass geraucht wurde, auch zweifelsfrei feststeht.

 

Diesbezüglich ist der dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde liegenden Anzeige einer Privatperson vom 9. Dezember 2009 wörtlich (nur) Folgendes zu entnehmen (Hervorhebungen im Original):

 

"ANZEIGE

 

wegen:   Verstoß gegen das TabakG

 

gegen:   Die in der x, x, x angesiedelten Gastro-

                        nomiebetriebe:

                        1. x (Delikatessen, Partyservice) (15:15)

                        2. Cafe x (14:30)

                        3. Cafe x (15:10)

                        4. x (15:05)

                        5. x (15:20)

                        6. x (13:35)

                        7. x (14:55)

                        8. x (15:25)

                        9. x (14:55)

                        10. x (15:20)

                        11. x (15:45)

                        12. x (17:50)

                        13. x (15:40)

                        14. x (15:00)

                        15. x (15:00)

                        16. Cafe x (15:00)

                        17. x (15:20)

                        18. x (14:55)

                        19. x (x) (15:25)

                        21. x (x) (15:15)

                        22. x (17:50)

                        23. x (15:40)

                        24. x (x) (15:20)

                        25. x (x) (15:00)

                        26. x Cafe (x) (15:40)

 

I. (Sachverhaltsdarstellung)

 

Am 04.12.2009 in der Zeit von 13:35 Uhr bis 17:50 Uhr wurde in den angezeigten Betrieben von den Gästen bzw dem Personal geraucht.

 

II.

 

Die Regelung, dass in öffentlichen Gebäuden (wozu auch Einkaufszentren zählen) absolutes Rauchverbot herrscht, ist bereits mit der TabakG Novelle (Inkraftgetreten 01.01.2005) gesetzlich vorgeschrieben.

 

III.

 

Da meine Anzeige vom 14.09.2009 offenbar keine Änderung des gesetzwidrigen Verhaltens der Betreiber gebracht hat, erwarte ich die Einleitung eines weiteren Strafverfahrens gegen die Betreiber der angezeigten Betriebe.

Weiters rege ich an, den Strafrahmen auszuschöpfen, da offensichtlich nur dadurch ein gesetzeskonformes Verhalten der Betreiber erreicht werden kann.

 

Steyr, 09.12.2009                                                                                 Ing. x x, eh"

 

In der Folge wurde der Anzeigenleger (im Rechtshilfeweg) zeugenschaftlich einvernommen, wobei er angegeben hat (vgl. die Niederschrift des Magistrates der Stadt Steyr vom 12. Jänner 2010, Zl. Ge-1523/09):

 

"Ich kann mich an die Sachverhalte noch erinnern.

Ich war zweimal in der x. Es war dies am 11.9.2009 zwischen 13.00 Uhr und 15.00 Uhr und am 4.12.2009 zwischen 13.35 Uhr und 17.50 Uhr. Ich habe zu diesen Zeitpunkten die von mir angezeigten Vorfälle beobachtet.

Bei beiden Besuchen in der x war meine Gattin, Fr. x, geb. ....., x, x, in meiner Begleitung. Auch sie hat die Vorfälle beobachtet.

Fotos oder Ähnliches habe ich nicht gemacht.

Meine Angaben entsprechen der Wahrheit."

 

Darauf hin wurde der Beschwerdeführer zwar mehrfach dazu aufgefordert, sich zum Tatvorwurf zu rechtfertigen (was dieser jeweils auch getan hat); von dieser Verfahrensbeteiligung abgesehen wurden aber seitens der belangten Behörde bis zur Erlassung des Straferkenntnisses keine weitere Ermittlungsschritte – insbesondere nicht auch solche in der Sache –  getätigt.

 

Dabei fällt bereits beim Betrachten der Anzeige ins Auge, dass diese (ganz abgesehen davon, dass sie keine Angabe über die Anzahl der in den einzelnen Lokalen jeweils beobachteten Raucher und erst recht keine Angaben von deren Personaldaten enthält, sodass es schon von daher besehen schwer fällt, diese Feststellung einfach bedenkenlos zu übernehmen) einerseits – und zwar sogar mehrfach – zu ein und demselben Zeitpunkt mehrere Betriebe erfasst, nämlich z.B. um 14.55 Uhr (drei Betriebe), um 15.00 Uhr (vier Betriebe), um 15:15 Uhr (zwei Betriebe) um 15.20 Uhr (vier Betriebe, darunter auch jenen des Beschwerdeführers) und um 15.25 Uhr (zwei Betriebe), und andererseits der Anzeigenleger in diesem Zeitraum von einer halben Stunde insgesamt 17 Betriebe beanstandet hat, was einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von weniger als 2 Minuten pro Lokal entspricht, wobei zudem davon auszugehen ist, dass diese örtlich nicht unmittelbar nebeneinander liegen. Daraus sowie aus der Zeitgleichheit in Bezug auf mehrere Betriebe, aber auch aus der Auf- bzw. Abrundung auf jeweils volle fünf Minuten ergibt sich damit insgesamt, dass die Fixierung der jeweiligen Tatzeit durch den Anzeigenleger nur äußerst kursorisch erfolgt sein kann. Dies berücksichtigend kann aber auch keinesfalls von vornherein bedenkenlos davon ausgegangen werden, dass ihm bei der Zuordnung einzelner Zeiten zu einzelnen Betrieben nicht auch entsprechende (Flüchtigkeits-)Fehler unterlaufen sind, zumal die Vermutung nicht von der Hand zu weisen ist, dass es auch Lokale gegeben haben muss, hinsichtlich derer es nichts zu beanstanden gab, was jedoch nichts daran ändert, dass diese Feststellungen dennoch eine entsprechende Zeitdauer in Anspruch genommen haben müssen.

 

Wesentlich gravierender wiegt jedoch die Tatsache, dass sich weder aus der Anzeige selbst noch auch aus der zeugenschaftlichen Einvernahme des Anzeigenlegers noch aus sonstigen Aktenbestandteilen auch nur irgendein Hinweis dafür ergibt, dass einerseits die im angefochtenen Straferkenntnis angesprochenen Tische nicht in einem Raum der Gastronomie i.S.d. § 13a TabakG, sondern tatsächlich in der Mall und damit in einem Raum eines öffentlichen Ortes i.S.d. § 13 Abs. 1 TabakG standen und dass diese andererseits auch zweifelsfrei zum Betrieb des Beschwerdeführers gehörten.

 

In Bezug auf die entscheidende Frage (s.o., 3.3.), ob im gegenständlichen Fall somit eine Bestrafung wegen des Allgemeindeliktes des § 14 Abs. 4 i.V.m. § 13c Abs. 1 Z. 2 TabakG (öffentlicher Ort) oder vielmehr eine solche wegen des Sonderdeliktes des § 14 Abs. 4 i.V.m. § 13c Abs. 1 und § 13a Abs. 1 bis 4
TabakG (Räume der Gastronomie)
zu erfolgen hatte, finden sich also keine Ermittlungsergebnisse.

 

3.5.2. Fehlt es damit aber am Nachweis der Erfüllung von essentiellen Tatbestandsmerkmalen, so war der gegenständlichen Berufung schon aus diesem Grund gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

3.5.3. Aus Gründen der Verfahrensökonomie sei die belangte Behörde für Fälle, in denen ein Verfahren wegen einer Übertretung des TabakG nicht auf eine Anzeige eines geschulten Kontrollorganes hin, sondern lediglich auf Grund einer Anzeige einer Privatperson – der von Gesetzes wegen nicht ein in gleicher Weise erhöhtes Vertrauen in ihre Objektivität wie bestimmten Behörden- und Aufsichtsorganen (vgl. die §§ 47 bis 50 VStG) entgegengebracht wird – einzuleiten ist, generell noch auf Folgendes hingewiesen:

 

Um berechtigterweise einen Schluss derart ziehen zu können, dass durch die Feststellung des tatsächlichen Rauchens die Sorgetragungspflicht verletzt wurde, bedarf es schon auf Tatbestandsebene diesbezüglicher Spezifizierungen, d.h. zumindest der Angabe der Anzahl der festgestellten Raucher, idealerweise auch der Angabe von deren Personaldaten.

 

Dies ist schon deshalb erforderlich, weil ein Strafverfahren nicht dazu dienen kann, um der in Bezug auf den hier in Rede stehenden Problemkreis in der Tagespolitik vorgenommenen Umkehrung der Werte noch weiteren Vorschub zu leisten. Denn offensichtlich kann kein Zweifel daran bestehen, dass die potentielle Beeinträchtigung der Gesundheit – vor der das TabakG nach seiner erklärten Zielsetzung einen entsprechenden Schutz bieten will – primär vom Raucher,  vom Lokalbetreiber hingegen nur indirekt ausgeht. Daher ist durch § 14 Abs. 5 TabakG das Rauchen an öffentlichen Orten auch eigenständig unter Strafe gestellt, sodass die Aufgabe der Vollzugsbehörden von Gesetzes wegen in erster Linie darin besteht, Strafverfahren gemäß § 14 Abs. 5 TabakG, hingegen solche nach § 14 Abs. 4 TabakG lediglich subsidär durchzuführen. Dass sich dieses System deshalb, weil es der Gesetzgeber hier – im Unterschied etwa zu den nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz oder dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz vorgesehenen Strafverfahren – verabsäumt hat, Exekutivorgane mit Ermittlungsaufgaben zu betrauen, in der Praxis mittlerweile deshalb ins Gegenteil verkehrt hat, weil der Inhaber eben auch im Falle einer bloßen Privatanzeige für die Behörde wesentlich leichter greifbar ist als (mangels Auskunftspflicht gegenüber dem und Festhalterecht für den Anzeiger) jene Person(en), die in einem Raum eines öffentlichen Ortes geraucht hat (haben), kann aber selbstredend nicht dazu führen, dass die für ein Verwaltungsstrafverfahren maßgeblichen Mindeststandards nicht beachtet werden.

 

Dazu gehört es aber jedenfalls, den Beschuldigten selbst dann, wenn die "Kontrolle" seines Lokales durch eine Privatperson erfolgte, schon vor Ort auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens hinzuweisen, damit ihm der Kontrollvorgang als solcher überhaupt bewusst und damit überhaupt erst für alle Beteiligten eine grundsätzliche Möglichkeit geschaffen wird, die erforderlichen Beweise (hierzu gehören vornehmlich auch die Personaldaten der betretenen Raucher, die dem weiteren Verfahren als Zeugen beizuziehen sind, und Feststellungen dazu, woraus sich die Zugehörigkeit der Tische zum Lokal des Betretenen) zu sichern. All dies kann nämlich offensichtlich keinesfalls dann gelingen, wenn sich sowohl die Kontrolle als auch die Anzeige und die Durchführung des Ermittlungsverfahrens – wie in schon längst vergangen geglaubten Zeiten – lange Zeit hindurch bloß im Verborgenen abspielen.

 

Daher ist dem Beschuldigten die angelastete Übertretung weiters seitens der Behörde auch möglichst umgehend vorzuhalten, um ihm so eine effektive Rechtfertigung und Verteidigung zu ermöglichen. Die im gegenständlichen Fall zwischen dem Tattag (4. Dezember 2009) und der ihm erst am 12. April 2010 zugestellten Aufforderung zur Rechtfertigung (vom 29. März 2010, Zl. SanRB96-119-2009) liegende Zeitspanne von mehr als 4 Monaten erweist sich vor dem Hintergrund einer bloßen, auf Grund einer anonymen Kontrolle erfolgten Privatanzeige jedenfalls als zu lange. Denn mangels besonderer Vorkommnisse oder spezifischer gesetzlicher Aufzeichnungspflichten kann nach einer so langen Zeit realistischerweise von keinem durchschnittlichen Lokalbetreiber erwartet werden, dass er sich noch an Details des Kontrolltages – insbesondere daran, dass und wie viele Personen um 15:20 Uhr tatsächlich geraucht haben, und zwar an Tischen, die zweifelsfrei zu seinem Lokal gehörten – erinnern kann.

 

Angesichts des Umstandes, dass der Lokalbesitzer im Falle eines negativen Ausganges des Strafverfahrens unter Umständen sogar eine Entziehung seiner Gewerbeberechtigung zu gewärtigen hat (und derartige Verfahren beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich auch bereits tatsächlich anhängig sind), können die zuvor angesprochenen Grundsätze sohin wohl auch nicht als praxisfremd oder überzogen qualifiziert werden.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r o f

Rechtssatz:

 

VwSen-240765/5/Gf/Gru/Mu vom 15. Oktober 2010

 

§ 13a Abs. 1 TabakG; § 13c Abs. 1 TabakG; § 44a Z. 1 VStG;

 

* Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen dem Sonderdelikt des § 14 Abs. 4 i.V.m. § 13c Abs. 1 und § 13a Abs. 1 bis 4 TabakG (Räume der Gastronomie) gegenüber dem Allgemeindelikt des § 14 Abs. 4 i.V.m. § 13c Abs. 1 Z. 2 TabakG (öffentlicher Ort) grundsätzlich wie VwSen-240749/2/Gf/Gru vom 9. Juli 2010, jedoch mit dem Unterschied, dass hier dem Konkretisierungsgebot gerade noch entsprochen ist;

 

* Allerdings: Fehlen jeglicher Ermittlungsergebnisse hinsichtlich des essentiellen Tatbestandsmerkmales, ob sich die Tische in einem "Raum der Gastronomie" oder außerhalb desselben in einem "Raum eines öffentlichen Ortes" befanden und woran ersichtlich war, dass diese dem Lokal des Beschuldigten zugehörten;

 

* Besondere Anforderungen im Falle von bloßen Privatanzeigen:

– Feststellungen bezüglich der Anzahl und Daten jener Personen, die ge-

   raucht haben, und dass diese Tische zweifelsfrei zum Lokal des Beschul-

   digten gehören;

– Unmittelbare Konfrontation des Lokalbetreibers durch den privaten "Kon-

   trollor" zwecks Bewusstmachung und Beweissicherung

– Umgehender (zeitnaher) Vorhalt der Übertretung durch die Behörde.

 

 

 

 

 

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