Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252623/9/BMa/Th

Linz, 17.12.2010

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des X, vertreten durch die X X & Partner, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Urfahr-Umgebung vom 1. Oktober 2010, SV96-64-2010-Wg/Ga, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

  II.      Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG; § 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma X X und X GmbH in X, welche für die Einhaltung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht keinen Bevollmächtigten bestellt hat, und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ und sohin strafrechtlich Verantwortlicher der obgenannten Firma folgende Verwaltungsübertretung zu verantworten:

 

Die oben angeführte Firma hat als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG die unten angeführte Person als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt (monatlich 11,04 Euro brutto pro Stunde für ein Beschäftigungsausmaß von 39,5 Stunden pro Woche) beschäftigt.

Der in Rede stehende Beschäftigte war der Firma organisatorisch sowie hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit maßgeblich unterworfen. Auch bestand eine persönliche Arbeitsverpflichtung und Weisungsgebundenheit. Die Höhe des Entgeltes lag über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG:

 

  1. Herr X, geboren am X, österreichischer Staatsangehöriger, mit Arbeiten (Zimmermannarbeiten) in Vollbeschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen ein brutto Stundenentgelt von 11,04 Euro für ein Beschäftigungsausmaß von 39,5 Stunden pro Woche. Der Genannte wurde ab dem 29.03.2010 um 10.00 Uhr beschäftigt.

 

Obwohl dieser Dienstnehmer daher nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen ist und als Beschäftigter in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung vollversichert ist, wurde hierüber eine, zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, 4020 Linz, Gruberstraße 77, als zuständiger Sozialversicherungsträger nicht vor der Aufnahme der Tätigkeiten erstattet.

 

Der Dienstnehmer wurde am 29.03.2010 um 11:24:26 Uhr - also verspätet -sozialversicherungsrechtlich mit einem Bruttogehalt von 1.914,77 Euro angemeldet.

Die gegenständliche Firma hat somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldungspflicht des § 33 Abs. 1 verstoßen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§111 Abs. 1 und 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Aligemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 i.d.F.

 

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von      Falls diese uneinbringlich ist               Gemäß

                            Ersatzfreiheitsstrafe von

 

365,00 Euro        56 Stunden                                       §111ASVG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: 36,50 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 € angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher        401,50 Euro."

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es sei festgestellt worden, dass der Dienstnehmer X am 29. März 2010 um 11.24 Uhr nach den Bestimmungen des ASVG angemeldet wurde, der Arbeitsantritt sei am 29. März 2010 aber schon um 10.00 Uhr gewesen. Bei sorgfältiger Überlegung hätte der Bw die Rechtswidrigkeit seines Handelns erkennen müssen.

 

1.3. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 8. Oktober 2010 zugestellt wurde, richtet sich die am 20. Oktober 2010 – und somit rechtzeitig – per Telefax bei der belangten Behörde eingelangte Berufung, mit der die Einstellung des Straferkenntnisses, in eventu ein Absehen von der Strafe beantragt wird.

 

1.4. Die Berufung führt im Wesentlichen aus, mit Herrn X sei vereinbart gewesen, die Arbeit am 1. April 2010 wieder aufzunehmen. Der Bw habe am Morgen des 29. März 2010 daher davon gar nicht wissen können, dass Herr X wieder zu Arbeiten begonnen hatte. Über das Lohnbüro der Firma sei versucht worden, den Präsenzdiener in der letzten Woche vor Beendigung des Präsenzdienstes telefonisch zu erreichen, um das genaue Datum der Beendigung seines Dienstes zu erfahren. Dieser sei aber nicht erreichbar gewesen. Der Bw habe nicht wissen können, dass Herr X bereits am 29. März 2010 und nicht erst am 1. April 2010 seine Arbeit wieder aufgenommen hatte.

 

2. Der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Da keine Berufungsvorentscheidung erlassen und keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied des Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu entscheiden (§ 51c VStG).

 

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsstrafakt und am 26. November 2010 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der Berufungswerber in rechtsfreundlicher Vertretung und ein Vertreter der Legalpartei, des Finanzamts Freistadt Rohrbach Urfahr, gekommen sind. Als Zeuge wurde X einvernommen.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgende Feststellungen werden getroffen:

 

X war Dienstnehmer der Firma X X und X GmbH in X, deren zur Vertretung nach außen berufenes Organ X ist, als er am 28. September 2009 dem Einberufungsbefehl vom 3. April 2009 Folge geleistet hat, wonach er in der Dauer von 6 Monaten einrechenbarer Dienstzeit einberufen wurde.

Mit seinem Arbeitgeber war vereinbart, dass X seine Arbeit am 1. April 2010 wieder aufnimmt. Vom Lohnbüro der Firma X X und X GmbH wurde am Donnerstag, dem 25. März 2010, und Freitag dem 26. März 2010, versucht, telefonisch Kontakt mit Herrn X aufzunehmen, dessen Mobiltelefon war aber nicht funktionsbereit.

Das Dienstverhältnis mit Herrn X bestand weiterhin, hatte dieser doch während seines Präsenzdienstes Kündigungsschutz.

Am Sonntag, dem 28. März 2010, hat Herr X mit seinem Polier, dem er schon seit seiner Lehrzeit in der Firma zugeteilt war, telefonisch Kontakt aufgenommen und mit diesem vereinbart, dass er nicht erst am 1. April 2010, sondern bereits am 29. März 2010 wieder mit der Arbeit beginnt. Vom Polier hat er auch erfahren, auf welcher Baustelle er sich einzufinden hat. Erst nach Arbeitsbeginn um ca. 10.30 Uhr hat X im Lohnbüro angerufen und mitgeteilt, dass er statt wie vereinbart am 1. April 2010 bereits am 29. März 2010 mit der Arbeit begonnen hat. Am 29. März 2010 um 11.24 Uhr erfolgte die Anmeldung des X gemäß ASVG.

Die Kontrolle, anlässlich derer festgestellt wurde, dass X erst nach Arbeitsantritt angemeldet wurde, erfolgte erst Wochen später.

Die Poliere der Firma X X und X GmbH haben die Anweisung, Dienstnehmer, die bei der Firma zu arbeiten beginnen, vor Arbeitsantritt in das Lohnbüro der Firma zu schicken. Von der Firma X X und X GmbH werden pro Jahr ca. 4 bis 5 Dienstnehmer beschäftigt, die Präsenzdienst zu leisten haben und ihre Arbeit in der Firma nach Ableistung des Präsenzdienstes wieder aufnehmen.

 

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt, der Befragung des Berufungswerbers und der Einvernahme des Zeugen X anlässlich der mündlichen Verhandlung am 26. November 2010. Diesen Feststellungen wurde auch vom in der Verhandlung anwesenden Vertreter der Legalpartei nicht entgegengetreten.

 

3.2. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.2.1.Gemäß § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 92/2010, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 730 bis 2.180 Euro zu bestrafen, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

 

Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen Beschäftigte nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen 7 Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

3.2.2. Die Meldung der Beschäftigung des X ist am 29. März 2010 erst um 11.24 Uhr erfolgt, obwohl dieser seine Arbeit bereits um 07.00 Uhr nach Ableistung seines Präsenzdienstes wieder aufgenommen hat. Der Bw hat damit das Tatbild der ihm vorgeworfenen Rechtsnorm erfüllt.

 

3.2.3. Bei den Verwaltungsübertretungen handelt es sich um Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs.1 VStG. Bei diesen Delikten besteht nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG die Rechtsvermutung für das Verschulden (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters. Bestreitet er dieses, so hat er nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes initiativ alles darzutun, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, dass er solche Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten ließen. Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn die Verstöße ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurden (vgl. das Erkenntnis vom 27. Februar 1995, Zl.90/10/0078 und vom 6. Mai 1996, Zl. 94/10/0116).

 

Der Bw hat den Ablauf in der Firma X X und X GmbH in einer Weise organisiert, dass über mehrere Jahre keine verspätete Meldung von Dienstnehmern nach Ableistung eines Präsenzdienstes erfolgt ist, obwohl dies jährlich mehrere Dienstnehmer betrifft.

So hat das Lohnbüro der Firma versucht, X telefonisch zu erreichen, um den genauen Zeitpunkt seines Arbeitsantritts zu eruieren und die Poliere der Firma sind angewiesen, neu eintretenden Dienstnehmer zuerst in das Lohnbüro der Firma zu schicken und diese erst danach auf den Baustellen zu beschäftigen.

 

X war bereits mehrere Jahre in der Firma X X und X GmbH beschäftigt, als er seinen Präsenzdienst angetreten hat. Er hatte damit auch ein Vertrauensverhältnis zu "seinem" Polier, den er am Sonntag telefonisch kontaktiert hat, um seine Arbeit am 29. März 2010 wieder aufnehmen zu können. Der Polier wusste, dass er neu eintretende Dienstnehmer zuerst in das Lohnbüro zu schicken hat; weil X aber schon mehrere Jahre in der Firma gearbeitet hat, sah er dazu keine Veranlassung.

Nachdem X sich wieder an seinem Arbeitsplatz eingefunden hatte, hat dieser selbst das Lohnbüro verständigt, dass er seine Arbeit am 29. März 2010 und nicht wie ursprünglich mit der Firma vereinbart am 1. April 2010 angetreten hat. Nach dieser Meldung erfolgte unverzüglich die Meldung gemäß den Bestimmungen des ASVG.

 

Die verspätete Meldung des X am 29. März 2010 nach dessen Arbeitsantritt kann dem Bw nicht zur Last gelegt werden, hat er doch Maßnahmen getroffen, die unter vorhersehbaren Verhältnissen zu einer rechtzeitigen Anmeldung des X vor dessen Arbeitsantritt geführt hätten (Anweisung an das Lohnbüro der Firma zu versuchen, mit dem Präsenzdiener Kontakt aufzunehmen, um den genauen Zeitpunkt seines Arbeitsantritts in Erfahrung zu bringen).

Dass genau in dieser Woche der Akku des Mobiltelefons nicht mehr funktionsfähig war und X sein Ladegerät für das Mobiltelefon zu Hause vergessen hatte, war für den Berufungswerber ebenso wenig vorhersehbar, wie die Tatsache, dass sich Herr X ohne sein Wissen mit einem Polier der Firma in Verbindung setzt und entgegen der Vereinbarung mit der Firma vorzeitig seine Arbeit in der Firma nach Ableistung des Präsenzdienstes wieder aufnimmt.

 

Weil aber diese Aneinanderkettung von ungewöhnlichen Umständen für den Bw nicht voraussehbar waren, hat er alles in seinem Bereich Mögliche getan, um eine verspätete Meldung des Dienstnehmers X zu verhindern. Damit kann ihm nicht einmal fahrlässiges Handeln vorgeworfen werden. Im Übrigen ist die Meldung gemäß ASVG noch am selben Tag des Arbeitsbeginns von X erfolgt, sodass eine Verkürzung der Abgabepflichten nicht eingetreten ist.

 

Der Bw hat die subjektive Tatseite der ihm vorgeworfenen Norm nicht erfüllt. Somit war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen X einzustellen.

 

3.4. Bei diesem Ergebnis braucht auch auf die weiteren in der Berufung aufgeworfenen Fragen nicht mehr eingegangen zu werden.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 

Rechtssatz zu VwSen-252623/9/BMa/Th vom 17. Dezember 2010:

 

§ 5 VStG:  Weil diese Aneinanderkettung von ungewöhnlichen Umständen für den Bw nicht voraussehbar waren, hat er alles in seinem Bereich Mögliche getan, um eine verspätete Meldung des Dienstnehmers zu verhindern. Damit kann ihm nicht einmal fahrlässiges Handeln vorgeworfen werden.

 

 

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