Linz, 21.12.2010
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der Spruch hat jedoch in Abänderung zu lauten: “Sie haben am 23.04.2010, um 22:45 Uhr, als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen X, im Gemeindegebiet von Wartberg an der Krems, Autobahn A9, bei km 10.775 in Fahrtrichtung Sattledt,
II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden als Kosten für das Berufungsverfahren 60 Euro auferlegt (20% der verhängten Geldstrafe).
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009.
Zu II.: § 64 Abs.1 u. 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend folgendes aus:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen und wie folgt ausgeführten Berufung:
2.1. Mit diesem Berufungsvorbringen vermag der Berufungswerber eine Rechtswidrigkeit des Schuldspruches nicht aufzuzeigen!
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß der bestreitenden Verantwortung in Wahrung der durch Art. 6 EMRK intendierten Rechte zwecks unmittelbarer Beweisaufnahme durch Anhörung des Berufungswerbers geboten (§ 51e Abs.1 VStG).
Weder der Berufungswerber noch die Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil.
3.1. Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie durch die Würdigung der vom Berufungswerber mit 10.12.2010 übermittelten und hier am 15.12.2010 als FAX eingelangten Stellungnahme.
4. Sachverhalt:
Das gegenständliche Fahrzeug ist gemäß der Anzeige in Flensburg auf den Berufungswerber registriert. Dies ist unstrittig.
Bereits mit der Ladung zur Berufungsverhandlung vom 1.12.2010 wurde der Berufungswerber gesondert auf die Bedeutung der Mitwirkungspflicht hingewiesen. Dieser wurde letztlich in keiner Phase des Verfahrens nachgekommen.
4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Auf dem Radarfoto ist das Kennzeichen des Kraftfahrzeuges im „Vergrößerungsfeld“ gut erkennbar. Auch die Tatzeit ist am Radarfoto festgehalten. Dass der Tatort in der Anzeige korrekt bezeichnet ist, steht für die Berufungsbehörde ebenfalls außer Zweifel. Das Messergebnis blieb im übrigen unbestritten.
Sohin kann mangels anderer indizierter Lenker nur der Berufungswerber selbst als Lenker zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung in Betracht kommen.
Der Berufungswerber hat während des gesamten Verfahrens kein Vorbringen getätigt, welches geeignet wäre Zweifel darüber aufkommen zu lassen, dass nicht er selbst als Fahrzeughalter sein eigenes Fahrzeug in Österreich gelenkt hätte.
Er scheint grundsätzlich über die Würdigung von Fakten im Irrtum zu sein, wenn er etwa im Schreiben vom 10.12.2010 abermals auf die ihm vorschwebende Beweisführungspflicht durch ein sogenanntes Frontfoto verweist und vermeint darauf ein Recht zu haben. Auch mit dem Hinweis auf die angeblich anders gestaltete Rechtslage in Deutschland ist für ihn nichts zu gewinnen, weil die Beweisführung und Beweiswürdigung nicht formgebunden ist, sodass letztlich auch der Beweis auf Indizien gestützt werden kann.
Da letztlich laut bisheriger Indizienlage keine andere Person als der Fahrzeughalter selbst aktenkundig ist, und er letztlich am Verfahren in keiner wie immer gearteten Form inhaltlich zu Aufklärung beigetragen hat, sieht die Berufungsbehörde seine damalige Lenkerschaft als erwiesen.
Gefolgt kann ihm wohl darin werden, dass der Anreiseweg von angeblich 860 km zur Berufungsverhandlung in keinem Verhältnis zur hier verfahrensgegenständlichen Strafe steht. Damit entschuldigt er jedoch weder sein Fernbleiben noch die unterbliebene Mitwirkung am Verfahren.
Er hätte sich letztlich auch rechtsfreundlich vertreten lassen und damit seiner Mitwirkungspflicht nachkommen können.
Da all dies nicht geschen ist, sieht sich die Berufungsbehörde gerade nicht veranlasst seiner gänzlich unsubstanziert bleibenden bestreitenden Verantwortung zu folgen.
Wer sonst als der Fahrzeughalter selbst soll hier in lebensnahmer Würdigung der Beweislage sein eigenes Fahrzeug gelenkt haben (vgl VwGH 20.09.1996, 96/17/0320). Die Behauptung nicht zu wissen wer als Lenker in Betracht kommen könnte, mutet vor dem Hintergrund der über eine lange Wegstreckende führenden Fahrt nach Österreich geradezu absurd an. Sollten sich etwa tatsächlich zwei oder mehrere Fahrer am Weg nach Österreich abgewechselt haben, müssten zumindest diese vom Berufungswerber benennbar gewesen sein. Es deutet nichts darauf hin, dass sich jemand ohne sein Wissen seines Fahrzeuges bemächtigt bzw. dieses entfremdet hätte.
4.2. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Das Verwaltungsstrafverfahren ist grundsätzlich nach den Vorschriften des AVG und VStG zu führen, somit ist der maßgebliche Sachverhalt nach den §§ 37 ff AVG von Amts wegen zu ermitteln. Einer amtswegigen Ermittlung der Person, die ein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat, sind jedoch Grenzen gesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher in derartigen Fällen mehrfach auf die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten bei der Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes hingewiesen (vgl. VwGH 08.02.1995, Zl 94/03/0108 ua). Ein Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter) darf sich demnach nicht darauf beschränken, die Lenkereigenschaft bloß zu bestreiten. Die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten erfordert es vielmehr, dem Tatvorwurf konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und dafür auch entsprechende Beweise anzubieten (vgl VwGH 28.09.1988, 88/02/0030 ua).
Bereits in der Ladung wurde auf die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren hingewiesen. Die Mitwirkungspflicht hat insbesondere dort Bedeutung, wo – so wie hier – ein aus der Sicht der Partei strittiger Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit ihr geklärt werden könnte. Dies erfordert, dass der Beschuldigte seine Verantwortung nicht darauf beschränken kann, die ihm zur Kenntnis gelangten Erhebungsergebnisse – welches hier durch die Aktenlage klar gedeckt ist – für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten.
So löst etwa das bloße globale Bestreiten eines Beschuldigten, ohne nähere Konkretisierung und Stellung von Beweisanträgen, in einem durch eine Meldung eines Sicherheitswachebeamten eingeleiteten Verfahren keine weitere Ermittlungspflicht aus. Unterlässt der Beschuldigte die gebotene Mitwirkung im Verwaltungsstrafverfahren, so bedeutet es auch dann keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Erhebungen durchführt bzw. durch absolutes Untätigsein des Beschuldigten nicht durchführen kann (unter vielen VwGH vom 20.9.1999, 98/21/0137).
4.3. Hier hätte sich der Berufungswerbers auch nicht mehr sachbezogen auf ein Entschlagungs- oder Aussageverweigerungsrecht berufen können, zumal einer ihm allenfalls nahe stehenden und als Lenker in Betracht kommende Person keine strafrechtliche Verfolgung mehr drohen würde. Dies mit Blick auf die Verjährungsfristen und Art. 6 Abs.2 der EMRK.
Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Aus dem gesamten Verhalten des Berufungswerbers kann vor diesem Hintergrund und gestützt auf die vorzitierte höchstgerichtliche Judikatur nur schlussgefolgert werden, dass er als Fahrzeughalter selbst auch der Lenker des Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt war, und er durch Verweigerung der gebotenen Mitwirkung an der Sachverhaltsklärung lediglich einer Bestrafung entgehen wollte (vgl. auch VwGH 06.11.2002, 2001/02/0273, mwN).
4.3.1. Mit dem Hinweis auf den Abzug des Verkehrsfehlers wird das wesentliche Tatbestandselement einer Geschwindigkeitsüberschreitung verkannt, zumal es sich bei Letzteren um eine bloße Beweis- und um keine Tatkomponente handelt. Insofern war dies im Sinne des § 44a Z1 VStG richtig zu stellen und darüber hinaus der Spruch in eine sprachübliche Fassung zu bringen.
5. Zur Strafzumessung:
Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
5.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140, mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).
Mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Umfang von (verkehrsfehlerkorrigiert) 62 km/h ist, angesichts der dortigen als Unfallhäufungsstelle ausgewiesenen Tunels, der Unwertgehalt als schwerwiegend einzustufen.
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers ist die Erstbehörde schätzungsweise von einem für einen Unternehmer unrealistisch geringen Erwerbseinkommen von € 1.300,- monatlich ausgegangen.
Als strafmildernd ist die für Österreich anzunehmede verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Berufungswerbers zu werten.
In der nur mit 300 Euro im Umfang im Bereich von 20% ausgeschöpften Strafrahmen vermag daher objektiv besehen kein Ermessensfehler erblickt werden.
II. Die Verfahrenskosten gründen zwingend in der unter II. zitierten Gesetzesstelle.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von € 220,-- zu entrichten.
Dr. B l e i e r