Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165402/6/Zo/Th

Linz, 28.10.2010

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des X, vertreten durch Rechtsanwalt X vom
9. September 2010 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 24. August 2010, Zl. VerkR96-3467-2010 wegen mehrerer Übertretungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 18. Oktober 2010, zu Recht erkannt:

 

 

I.             Hinsichtlich Punkt 1 wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Die Strafnorm wird auf § 99 Abs.2c Z4 richtig gestellt.

 

II.          Hinsichtlich Punkt 2 wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

III.   Hinsichtlich Punkt 3 wird die Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, dass        der Tatort wie folgt lautet: Linz, B126 bei km 0,9 in Fahrtrichtung A7.

 

IV.   Hinsichtlich Punkt 4 wird die Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, dass        dem Berufungswerber zwei selbstständige Verwaltungsübertretungen     vorgeworfen werden und der Tatvorwurf wie folgt lautet:

       4a:  Sie haben am 22.04.2010 um 05.49 Uhr in Linz auf der B126
              zwischen Strkm. 1,1 und 1,050 ein anderes Fahrzeug rechts anstatt
              links überholt;

       4b:  Sie haben am 22.04.2010 um 05.49 Uhr in Linz auf der B126 zwischen
              Strkm. 0,8 und 0,4 ein anderes Fahrzeug rechts anstatt links überholt.

 

       Über den Berufungsweber werden deshalb zwei Geldstrafen in Höhe von     jeweils 25 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 8 Stunden) gemäß § 99 Abs.3    lit.a StVO 1960 verhängt.

 

V.    Hinsichtlich Punkt 5 wird die Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, dass        der Berufungswerber die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h deutlich überschritten hat.

       Die Strafnorm wird auf § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 richtig gestellt.

 

Der Berufungswerber hat sämtliche Verwaltungsübertretungen am 22.4.2010 um ca. 05.49 Uhr als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen X begangen, alle Tatortangaben gelten als "Ca-Angaben".

 

VI.   Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den erstinstanzlichen    Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren einen Kostenbeitrag in Höhe          von 100 Euro zu bezahlen (das sind 20 % der von der Erstinstanz verhängten Geldstrafe)

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.-V.:   § 66 Abs.4 AVG iVm. §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 19 VStG.

zu VI.:     §§ 64 ff VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.-V.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis Folgendes vorgeworfen:

 

"1) Sie haben zu einem vor Ihnen am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst würde, da Sie bei einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 50 km/h nur einen Abstand von 2-3 m einhielten.

Tatort: Gemeinde Linz, Landesstraße Ortsgebiet, B 126 zwischen Strkm. 1,2 und 1,050 in Fahrtrichtung Linz (Süd).

Tatzeit: 22.04.2010, 05.49 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 18 Abs.1 StVO 1960.

 

2) Sie haben den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich davon zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

Tatort: Gemeinde Linz, Landesstraße Ortsgebiet, B 126 bei Strkm. 1,05 in Fahrtrichtung A7 (Süd).

Tatzeit: 22.04.2010, 05.49 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 11 Abs.1 StVO 1960.

 

3) Sie haben den bevorstehenden Überholvorgang nicht nach § 11 StVO über den Wechsel des Fahrstreifens rechtzeitig angezeigt.

Tatort: Gemeinde Linz, Landesstraße Ortsgebiet, B 126 zwischen Strkm. 1,1 und 0,9 in Fahrtrichtung A7 (Süd).

Tatzeit: 22.04.2010, 05.49 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 15 Abs.3 StVO 1960.

 

4) Sie haben ein anderes Fahrzeug rechts anstatt links überholt.

Tatort: Gemeinde Linz, Landesstraße Ortsgebiet, B 126 zwischen 1,1 und 1,050 sowie zwischen Strkm. 0,8 und 0,4 in Fahrtrichtung A7 (Süd).

Tatzeit: 22.04.2010, 05.49 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 15 Abs.1 StVO 1960.

 

5) Sie haben am angeführten Ort, welcher im Ortgebiet liegt, die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 30 km/h überschritten. die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Tatort: Gemeinde Linz, Landesstraße Ortsgebiet, B 126 zwischen Strkm. 0,8 und 0,4 in Fahrtrichtung A7 (Süd).

Tatzeit: 22.04.2010, 05.49 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 52 lit.a Z10a StVO 1960.

 

Fahrzeug:

Kennzeichen X, PKW, Audi A4 Avant, blau.

 

Dem Berufungswerber wird vorgeworfen, dass er sämtliche Verwaltungsübertretungen als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen X am 22.04.2010 um ca. 05.49 Uhr begangen hat.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgen Strafen verhängt:

 

Geldstrafe von      falls diese uneinbringlich ist     gemäß

                            Ersatzfreiheitsstrafe von

250 Euro              83 Stunden                             § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960

50 Euro                16 Stunden                             § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960

50 Euro                16 Stunden                             § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960

50 Euro                16 Stunden                             § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960

100 Euro              33 Stunden                             § 99 Abs.2e StVO 1960

 

Weitere Verfügungen (zB. Verfallsausspruch, Anrechnung der Vorhaft):

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Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG 1991) zu zahlen:

50 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 550 Euro."

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber zusammengefasst aus, dass er die ihm vorgeworfenen Übertretungen nicht habe begehen können. Dies deshalb, weil er bereits um 05.53 Uhr an seinem Arbeitsplatz (X) die Zeituhr betätigt habe und es nicht möglich sei, von dem ihm vorgeworfenen Tatort innerhalb von 4 Minuten an seinem Arbeitsplatz zu gelangen. Die Strecke zu seinem Arbeitsplatz betrage ca. 7 km und er müsse nach dem Abstellen seines Fahrzeuges auch noch das Gebäude betreten um die Zeituhr bedienen zu können. Die Uhr bei der Firma X sei ein geeichtes Gerät und es sei daher völlig ausgeschlossen, dass diese eine andere als die tatsächliche Uhrzeit anzeige.

 

Die von der Behörde angeführte Möglichkeit, dass die Uhren mehrere Minuten abweichen könnten, sei nicht nachvollziehbar, weil der Anzeiger die Uhrzeit konkret von zwei verschiedenen Uhren abgelesen habe.

 

Der Anzeiger habe offenbar eine persönliche Animosität gegen den Berufungswerber und seine Behauptungen seien widersprüchlich. Den behaupteten Abstand von 2-3 Metern hätte der Anzeiger nur feststellen können, wenn er auf gleicher Höhe mit dem Berufungswerber gefahren sei. Wenn der Anzeiger den notwendigen Sicherheitsabstand von 32 m zu dem vor ihm fahrenden LKW eingehalten habe, dann habe er aufgrund des Blickwinkels zu dem Fahrzeug des Berufungswerbers den Tiefenabstand nicht mehr einschätzen können.

 

Nach den Schilderungen des Anzeigers habe auch der LKW auf dem rechten Fahrstreifen überholt, was der Anzeiger aber offenbar nicht angezeigt habe. Hätte der Anzeiger einen ausreichenden Sicherheitsabstand zum LKW eingehalten, so wäre er durch den Fahrstreifenwechsel des Berufungswerbers nicht zum Abbremsen seines Fahrzeuges genötigt worden.

 

Der Anzeiger habe den behaupteten erneuten Fahrstreifenwechsel vom linken auf den rechten Fahrstreifen ohne Blinken nur dann wahrnehmen können, wenn er selbst dem Fahrzeug des Berufungswerbers gefolgt sei, was er aber nicht behaupte. Er habe daher auch nicht feststellen können, ob der Berufungswerber in weiterer Folge am rechten Fahrstreifen bis km 0,4 überholt habe, weil er durch den vor ihm fahrenden LKW das Fahrzeug des Berufungswerbers nicht habe sehen können. Auch die Geschwindigkeit habe er keinesfalls feststellen können, weil er dem Berufungswerber nicht nachgefahren sei.

 

Der Anzeiger habe die Anzeige als Privatperson erstattet und sich nicht in den Dienst gestellt. Er habe eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 bis 60 km/h angezeigt, während die Behörde nur eine solche von 30 km/h vorgeworfen habe. Offensichtlich handle es sich dabei nur um eine Schätzung durch die Behörde.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 18. Oktober 2010. Zu dieser sind weder der Berufungswerber noch sein Vertreter oder ein Vertreter der Erstinstanz erschienen. Es wurde der Meldungsleger X als Zeuge einvernommen.

 

4.1. Daraus ergibt sich der folgende für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber lenkte am 22.04.2010 um ca. 05.49 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen X auf der B126 in Linz in Richtung A7. Bei der ampelgeregelten Kreuzung der B126 mit der Keplerstraße kam der Berufungswerber als zweites Fahrzeug hinter einem PKW auf dem linken Fahrstreifen zum Stehen. Unmittelbar neben ihm auf dem rechten Fahrstreifen stand der Anzeiger mit seinem Fahrzeug hinter einem LKW. Nach dem Umschalten der Ampel auf Grünlicht fuhr die Fahrzeugkolonne an, wobei der erste PKW auf dem linken Fahrstreifen sehr langsam gefahren ist. Aus diesem Grund befand sich der LKW auf dem rechten Fahrstreifen bereits vor diesem PKW. Der Anzeiger hielt zum LKW einen ausreichenden Abstand ein und befand sich dabei fast auf gleicher Höhe mit dem Berufungswerber, möglicherweise einige Meter dahinter. Der Berufungswerber hingegen hielt zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug nur einen ganz geringen Abstand von deutlich weniger als einer Fahrzeuglänge ein, wobei die Fahrzeuge dabei bis zu einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h beschleunigt wurden. Der Berufungswerber fuhr beginnend etwa bei km 1,2 bis etwa km 1,050 hinter dem vor ihm fahrenden Fahrzeug nach, welches zuletzt eine Geschwindigkeit von ca. 50 km/h einhielt, wobei der Abstand zu diesem Fahrzeug deutlich weniger als eine Fahrzeuglänge betrug.

 

Ungefähr bei km 1,050 wechselte der Berufungswerber unmittelbar vor dem Zeugen auf den rechten Fahrstreifen, sodass der Zeuge wegen dieses Fahrstreifenwechsels sein Fahrzeug stark abbremsen musste. Der Berufungswerber zeigte diesen Fahrstreifenwechsel auch nicht mit dem Blinker an. Er beschleunigte sein Fahrzeug stark und konnte den auf dem linken Fahrstreifen nach wie vor langsam fahrenden PKW rasch überholen und vor diesem PKW wieder auf die linke Spur wechseln. Er überholte dann auf dem linken Fahrstreifen den LKW und hat im Verlauf der Kurve ca. bei km 0,9 wiederum ohne Blinken auf den rechten Fahrstreifen gewechselt. Daran anschließend beschleunigte er sein Fahrzeug und hat in etwa bis km 0,4 auf dem rechten Fahrstreifen mehrere PKW rechts überholt. In diesem Bereich beginnt die Sperrfläche, wobei der Berufungswerber unmittelbar vor Beginn dieser Sperrfläche wieder auf den linken Fahrstreifen wechselte und in Richtung Autobahn weitergefahren ist.

 

Auch der LKW, welchen der Berufungswerber überholt hatte, wechselte im Bereich der Kurve auf den linken Fahrstreifen, weshalb der Zeuge freie Sicht auf den Berufungswerber hatte. In diesem Bereich befindet sich eine 60-km/h Beschränkung und der Zeuge gab an, dass er selbst laut Tacho seines Fahrzeuges eine Geschwindigkeit von ca. 70 km/h gefahren ist. Der Angezeigte fuhr wesentlich schneller und entfernte sich sehr rasch von ihm. Der Zeuge schätzte die Tachogeschwindigkeit des Angezeigten auf mindestens 110 km/h.

 

Zur Vorfallszeit ist festzuhalten, dass der Zeuge in der mündlichen Berufungsverhandlung einräumte, dass sowohl seine Armbanduhr als auch die Uhr bei ihm im Auto möglicherweise um eine oder zwei Minuten vorgegangen sind. Der Berufungswerber hat die Zeituhr bei der Firma X um 05.53 Uhr betätigt. Die Fahrtstrecke von der B126, km 1,2 bis zur Firma X beträgt je nach Routenwahl zwischen ca. 4,5 bis 6,5 km.

 

Dazu ist anzumerken, dass die (längste) Fahrstrecke großteils über die Stadtautobahn führt und um diese Tageszeit das Verkehrsaufkommen noch relativ gering ist. Es ist daher keinesfalls ausgeschlossen, dass der Berufungswerber diese Strecke bei einer sehr zügigen Fahrweise in ca. 5 Minuten zurückgelegt und gleich nach dem Betreten des Firmengebäudes die Zeituhr betätigt hat. Der Zeuge hat in der Berufungsverhandlung eingeräumt, dass seine Uhren nicht geeicht sind und daher möglicherweise etwas vorgegangen sind. Wenn man dies berücksichtigt, so ist der gesamte Ablauf – auch hinsichtlich der zeitlichen Komponenten – gut nachvollziehbar.

 

Der Zeuge hat den Berufungswerber wegen dieses Vorfalles telefonisch kontaktiert, wobei dieser nicht bestritten hatte, mit seinem PKW die gegenständliche Strecke befahren zu haben. Würde man entsprechend dem Berufungsvorbringen annehmen, dass der Berufungswerber die Übertretungen wegen der geringfügigen zeitlichen Ungenauigkeit gar nicht begangen haben konnte, so würde dies bedeuten, dass ein anderer PKW-Lenker am selben Tag zur annähernd gleichen Uhrzeit diese Übertretungen begangen und sich der Anzeiger beim Kennzeichen geirrt haben müsste. Im Hinblick darauf, dass das Fahrzeug des Berufungswerbers dem Anzeiger jedoch bereits bekannt war, ist eine derartige Verwechslung auszuschließen. Es bleibt daher nur die Möglichkeit, dass die vom Zeugen festgestellte Uhrzeit um einige Minuten unrichtig war.

 

Zu den einzelnen Übertretungen ist festzuhalten, dass der Zeuge den gesamten Vorfall bereits in der Anzeige und auch in der mündlichen Berufungsverhandlung nachvollziehbar schilderte. Aus seiner Position fast aus gleicher Höhe bzw. wenige Meter hinter dem Fahrzeug des Berufungswerbers konnte er mit Sicherheit den deutlich zu geringen Sicherheitsabstand feststellen und es ist gut nachvollziehbar, dass er aufgrund des Fahrstreifenwechsels unmittelbar vor ihm sein Fahrzeug abbremsen musste, um wieder einen Sicherheitsabstand zum Berufungswerber herzustellen. Auch die beiden Überholmanöver auf dem rechten Fahrstreifen sowie den Umstand, dass der Angezeigte die Fahrstreifenwechsel nicht mit dem Blinker anzeigt, konnte der Zeuge sicher wahrnehmen. Bezüglich der vorgeworfenen Geschwindigkeit ist anzuführen, dass es sich bei den Angaben des Zeugen lediglich um einen Schätzung handeln kann. Da er selbst eine Tachogeschwindigkeit von ca. 70 km/h eingehalten hat und sich der Berufungswerber sehr schnell von ihm entfernte, musste der Berufungswerber jedenfalls wesentlich schneller als 60 km/h fahren. Eine ziffernmäßige Festlegung dieser Geschwindigkeit ist jedoch aufgrund der Schätzung nicht möglich.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 11 Abs.1 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

 

Gemäß § 15 Abs.1 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges außer in den Fällen des Abs.2 und 2a nur links überholen.

 

Gemäß § 15 Abs.3 StVO 1960 hat der Lenker des überholenden Fahrzeuges den bevorstehenden Überholvorgang nach § 11 über den Wechsel des Fahrstreifens und nach § 22 über die Abgabe von Warnzeichen rechtzeitig anzuzeigen.

 

Gemäß § 18 Abs.1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Das Verkehrszeichen gemäß § 52 lit.a Zf.10a StVO 1960 „Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)“ zeigt an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

5.2. Vorerst ist festzuhalten, dass dem Berufungswerber die Ladung zur mündlichen Verhandlung zu Handen seines Rechtsvertreters per E-Mail am 29.09.2010 an der im Berufungsschriftsatz aufscheinenden E-Mail-Adresse erfolgreich zugestellt wurde. Dennoch sind weder der Berufungswerber noch sein Vertreter zur Verhandlung erschienen, weshalb diese in deren Abwesenheit durchgeführt werden musste.

 

Wie sich aus den Überlegungen zur Beweiswürdigung ergibt, hat der Berufungswerber die ihm von der Erstinstanz vorgeworfenen Übertretungen tatsächlich begangen. In rechtlicher Hinsicht war die Tatzeit auf ca. 05.49 Uhr zu korrigieren, wobei eine geringfügige Abweichung um wenige Minuten unbeachtlich ist. Dies einerseits, weil sich der gesamte Vorfall auf einer Strecke von ca. 800 m ereignet hat und für das Befahren dieser Strecke eine bestimmte Zeitspanne erforderlich ist und andererseits dem Berufungswerber von Anfang an klar war, um welchen Vorfall es sich handelt und er in seinen Verteidigungsmöglichkeiten nicht eingeschränkt war. Es besteht auch keinerlei Gefahr einer Doppelbestrafung. Zu den jeweiligen Tatortangaben ist ebenfalls anzuführen, dass es sich dabei um ungefähre Angaben handelt, weil die jeweiligen Übertretungen mit einem fahrenden Fahrzeug begangen wurden und daher eine metergenaue Angabe nicht möglich ist.

 

Bezüglich Punkt 3 lautete der erstinstanzliche Tatort "B126 zwischen Strkm. 1,1 und 0,9" wobei das Berufungsverfahren jedoch ergeben hat, dass der Berufungswerber zwei verschiedene Überholvorgänge nicht mit dem Fahrtrichtungsanzeiger angezeigt hatte. Der Tatvorwurf "zwischen 1,1 und 0,9" kann sich jedoch nur auf einen Vorfall beziehen, weshalb in diesem Punkt der Tatvorwurf auf einen Tatort eingeschränkt werden musste. Der Berufungswerber hat jedenfalls bei km 0,9 den bevorstehenden Überholvorgang nicht mit dem Blinker angezeigt.

 

In Punkt 4 hat die Erstinstanz dem Berufungswerber zwei verschiedene Überholvorgänge als eine Verwaltungsübertretung vorgeworfen. Es handelt sich dabei jedoch um zwei selbstständige Übertretungen, welche jeweils selbstständig zu bestrafen sind. Diesbezüglich war daher der erstinstanzliche Tatvorwurfe in zwei Übertretungen aufzuteilen, wobei auch die Strafe entsprechend geteilt werden musste. Da es sich um zwei gleichartige Übertretungen mit demselben Unrechtsgehalt handelte, konnte die Strafe jeweils zur Hälfte auf die beiden Übertretungen aufgeteilt werden.

 

Bezüglich des vorgeworfenen Sicherheitsabstandes ergibt eine Berechnung des zeitlichen Abstandes unter Zugrundelegung der für den Berufungswerber günstigsten Annahmen (bei der vorgeworfenen Geschwindigkeit von ca. 50 km/h wurde eine solche von 45 km/h angenommen und es wurde der größte vorgehaltene Abstand von 3 m angenommen) einen zeitlicher Abstand von 0,24 Sekunden. Dieser ist jedenfalls viel zu gering, um noch rechtzeitig anzuhalten, wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst würde. Der Berufungswerber hat daher auch die ihm im Punkt 1 vorgeworfene Übertretung begangen. Zur Geschwindigkeitsüberschreitung ist anzumerken, dass diese lediglich auf einer Schätzung beruht, wobei jedoch offenkundig ist, dass der Berufungswerber die erlaubte Geschwindigkeit von 60 km/h überschritten hat, wenn er sich von einem Fahrzeug, welches selbst eine Tachogeschwindigkeit von 70 km/h eingehalten hat, sehr rasch entfernt hat. Eine ziffernmäßige Festsetzung dieser Geschwindigkeit ist nicht möglich, jedoch auch nicht notwendig. Jedenfalls ist erwiesen, dass der Berufungswerber die erlaubte Geschwindigkeit deutlich überschritten hat.

 

5.3. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Wie sich aus den Bestimmungen des § 99 StVO ergibt, sind beim Unterschreiten des erforderlichen Sicherheitsabstandes verschiedene Strafbestimmungen anzuwenden, je nachdem wie groß der zeitliche Abstand war. Gemäß § 99 Abs.2c Z4 StVO 1960 beträgt der Strafrahmen zwischen 72 und 2.180 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit Arrest von 24 Stunden bis 6 Wochen, wenn der zeitliche Sicherheitsabstand zwischen 0,2 und 0,4 Sekunden betragen hat.

 

Die von der Erstinstanz verwendete Strafnorm für die Geschwindigkeitsüberschreitung von § 99 Abs.2e StVO 1960 wäre nur dann anzuwenden, wenn der Berufungswerber die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten hätte. Eine solche Überschreitung ist jedoch nicht beweisbar, weshalb die generelle Strafnorm des § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 anzuwenden ist und die Höchststrafe 726 Euro beträgt. Auch für die übrigen Übertretungen ist diese Strafbestimmung heranzuziehen.

 

Auch im dichten städtischen Kolonnenverkehr ist aus Gründen der Verkehrssicherheit ein zeitlicher Abstand von mindestens einer Sekunde unbedingt erforderlich. Der Berufungswerber hat diesen notwendigen Abstand massiv unterschritten, weshalb der Unrechtsgehalt dieser Übertretung als hoch einzuschätzen ist. Es war daher diesbezüglich eine deutlich spürbare Strafe zu verhängen, wobei die Erstinstanz den gesetzlichen Strafrahmen nur zu ca. 15 % ausgeschöpft hat.

 

Auch bei der deutlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ist von einem erheblichen Unrechtsgehalt auszugehen.

 

Der Berufungswerber hat zumindest das massive Unterschreiten des Sicherheitsabstandes, das zweimalige Rechtsüberholen sowie die deutliche Geschwindigkeitsüberschreitung bewusst begangen, um möglichst schnell an seine Arbeitsstelle zu gelangen. Diese vorsätzliche Begehung ist als straferschwerend zu berücksichtigen.

 

Bezüglich der sonstigen Übertretungen ist ihm lediglich fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, diese Strafen, welche lediglich ca. 7 % des Strafrahmens betragen, sind jedoch ebenfalls nicht überhöht. Dem Berufungswerber kommt als Strafmilderungsgrund seine bisherige Unbescholtenheit zugute, sonstige Strafmilderungsgründe liegen nicht vor. Die Geldstrafen entsprechen auch den persönlichen Verhältnissen des Berufungswerbers (monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.200 Euro bei keinem Vermögen und Sorgepflichten für 2 Kinder). Eine Herabsetzung der Strafen kommt auch aus spezial- und generalpräventiven Überlegungen nicht in Betracht.

 

Zu VI.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

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