Linz, 28.12.2010
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Rechtsanwalt Ing. Mag. X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 18. November 2010, Zl. VerkR96-8172-2009-BS, wegen Übertretung der StVO 1960, nach der am 28. Dezember 2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
I. Die auf das Strafausmaß eingeschränkte Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 100 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 60 Stunden ermäßigt wird.
II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 10 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.
Rechtsgrundlagen:
zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – VStG.
zu II.: § 65 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem o. a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 52 lit.a Z10a iVm § 99 Abs.2d StVO 1960 eine Geldstrafe von 200 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 144 Stunden verhängt, weil er am 19.09.2009 um 20.47 Uhr den PKW, Alfa Romeo, schwarz, mit dem Kenneichen X, in Marchtrenk, auf der A 25, bei km 12,238, in Richtung Linz gelenkt habe wobei er die durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 48 km/h überschritten habe. Die im Betracht kommende Messtoleranz sei zu seinen Gunsten berücksichtigt worden.
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung:
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentliche mündlichen Verhandlung war wegen der Bestreitung der zur Last gelegten Übertretung dem Grunde nach in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG).
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Erörterung des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes, Zl. VerkR96-8172-2009-BS, dem sich das Messprotokoll und der Eichschein angeschlossen findet, woraus die bis 31.12.2012 bestehende gültige Geräteeichung (Gerät Nr. 7331) hervorgeht.
Im Beisein des Rechtsvertreters wurde der am Verhandlungstag nicht zur Verfügung stehende Meldungsleger Insp. X bereits am 22.12.2010 von der Berufungsbehörde im Beisein des Rechtsvertreters abgesondert als Zeuge einvernommen.
Anlässlich der Berufungsverhandlung am 28.12.2010 wurde die Berufung vom Rechtsvertreter auf das Strafausmaß eingeschränkt. Die Behörde erster Instanz nahm ohne Angaben von Gründen an der Berufungsverhandlung nicht teil.
5. Eingangs gilt es trotz des nunmehr bereits in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch darauf hinzuweisen, dass es sich beim Vorfallstag um einen Samstag gehandelt hat. Die Geschwindigkeitsbeschränkung gilt hier an Werktagen von 05:00 bis 22:00 Uhr und demnach auch an diesem Tag. Das Verkehrsaufkommen war sehr gering und dem Berufungswerber kann daher durchaus gefolgt werden, dass er irrtümlich davon ausgegangen ist, die zeitlich eingeschränkte Geschwindigkeitsbeschränkung wäre am Samstag (Werktag) nicht in Kraft gewesen.
Die Grundlage für diese Geschwindigkeitsbeschränkung ist der an Wochentagen massive Schwerverkehr, wobei sich im dortigen Bereich mehrere teilweise mehrspurige Aus- und Auffahrten befinden und wegen der Gefährlichkeit der beim Einordnen entstehenden Situationen und der damit verbundenen früher zahlreichen Verkehrsunfällen wegen abrupter Fahrstreifenwechsel eine solche erforderlich war. Seit Inkrafttreten der Geschwindigkeitsbeschränkung sind, wie aus anderen Verfahren evident die Unfälle zurück gegangen (z.B. VwSen-161670).
6. Zur Strafzumessung:
Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
6.1. Im gegenständlichen Fall ist den vorgetragenen Ausführungen des Berufungswerbers zu folgen, wonach der im Tatbestand – hier eines Ungehorsamsdeliktes – vertypte [geschwindigkeitsabhängige] Unrechtsgehalt hinter dem für derartige Übertretungshandlungen in aller Regel üblichen Ausmaß zurück blieb. Vielmehr kann hier der Unwertgehalt durchaus an den Übertretungsumfang des § 20 Abs.2 StVO, demnach im Ausmaß von 28 km/h, angelehnt beurteilt werden.
Da der Messbereich – Messentfernung 292,5 m – durchaus übersichtlich verläuft, erschöpft sich hier die an einem Samstag um 20:47 Uhr in der verkehrsarmen Zeit und insbesondere vom Schwerverkehr nur mehr wenig belastete Strecke, die "Schädlichkeit des Verhaltens" - in dieser spezifischen Fallgestaltung, auf den formalen Ungehorsam. Dem Schutzziel der Verordnung wurde demnach nur im geringen Umfang zuwider gehandelt. Der Schutzzweck dem die Strafdrohung dient und das Ausmaß der mit einer Tat verbundenen Schädigung gesetzlich geschützter Interessen (§ 19 VStG) muss bei rechtsrichtiger Auslegung auf die Umstände des konkreten Falls und nicht bloß formelhaft zur Anwendung gelangen. Widrigenfalls käme es unvermeidlich zur Ungleichbehandlung dadurch, mit einer schablonenhaften Anwendung einer Bestimmung, Ungleiches (immer) gleich zu behandeln (vgl. unter vielen h. Erk. v. 21.2.1997, VwSen-104374/./Br).
Die Übertretung erfolgte hier an einem Wochentag und Tageszeit, an dem das Ziel dieser Verkehrsbeschränkung wohl (noch) formal in Geltung stand, aber der dahinter stehende Schutzzweck – ob des geringen Verkehrsaufkommens – empirisch sich weitgehend auf den Selbstzweck reduzierte. Der Berufungswerber irrte darüber offenbar, wobei er jedoch darüber hinaus auch noch einen Regelverstoß gegen § 20 Abs.2 StVO in Kauf nahm (gemessene Geschwindigkeit 153 km/h).
Weil im übrigen der Berufungswerber bislang mit Geschwindigkeitsdelikten noch nie negativ in Erscheinung getreten ist scheint selbst mit einer Geldstrafe von 100 Euro der Tatunwert hinreichend sanktioniert (vgl. h. Erk. v. 21.2.1997, VwSen-104374).
Der Oö. Verwaltungssenat erachtet daher auch mit diesem Strafausmaß dem Strafzweck ausreichend gerecht werden zu können
Auch die Ersatzfreiheitsstrafe musste in einer sachgerechten Relation zur Geldstrafe reduziert zu werden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r