Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522708/3/Bi/Kr

Linz, 14.12.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vom 29. Oktober 2010  gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 19. Oktober 2010, VerkR21-939-2009/LL, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als die Entziehungs­dauer, gerechnet ab 19. Oktober 2010, auf 18 Monate herabgesetzt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24 Abs.1, 25 Abs.1 und 3, 3 Abs.2, 30 Abs.1 und 32 Abs.1 FSG die von der BH Linz-Land am 26.6.2009, Zl. 09177392, für die Klassen A, B, BE erteilte Lenkberechtigung für den Zeitraum von 22 Monaten, beginnend ab Zustellung des Bescheides, entzogen und für den gleichen Zeitraum das Recht aberkannt, von einem allfällig ausgestellten ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen und ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leicht­kraft­fahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge ausgesprochen. Den Führerschein habe er gemäß § 29 Abs.3 FSG unverzüglich bei der BH Linz-Land abzuliefern. Gemäß § 24 Abs.3 FSG wurde angeordnet, dass er vor Ablauf der Entziehungs­dauer ein amts­ärztliches Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zu erbringen habe, wobei die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung dieser Anord­nung ende. Einer allfällig eingebrachten Berufung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs.2 AVG aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 19. Oktober 2010.

 

2. Ausschließlich gegen die Entziehungsdauer wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungs­vor­entscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Ober­österreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, einem wenn auch straffällig gewordenen, verurteilten und wieder aus der Haft entlassenen Staatsbürger dürfe die grundsätzliche Chance auf Wiedereingliederung nicht im Vorhinein de facto verwehrt werden. Die Entziehung seiner Lenkberech­tigung komme einem "Grundsatzverbot" gleich, weil sein bestehendes Arbeits­verhältnis eine Lenkbe­rechtigung zwingend voraussetze, weil er Baustellen erreichen und immer wieder praxisüblich während der Arbeitszeit Materialien besorgen müsse. Er sei für mehrere Baustellen gleichzeitig verantwortlich, habe sich seine Position ehrlich und fleißig erworben und sei maßgeblich am Erfolg des Betriebes beteiligt. Lang­fristig betrachtet sei ein aufrechtes Arbeitsverhältnis auch im Sinne des Gesetz­gebers die beste Prävention gegen Rückfallkriminalität.

Das Gerichtsurteil sei im Kern gerecht und ihm sei bewusst, dass er selbst für dessen Zustandekommen verantwortlich zu machen sei. Allerdings habe er sich für eine sofortige Enthaftung "generell" schuldig im Sinne der Anklage­schrift bekannt: Die Suchtgiftmenge der Anklageschrift betrage zwar 2.480 g, die tat­säch­lich in Umlauf gesetzte Menge betrage aber lediglich 400 g. Für den Zeit­raum 2002 bis 2009 ergebe das ein Bild, das die ihm angelastete "Gewerbs­mäßigkeit" dramatisch revidiere. Seine vorherige Unbescholtenheit sei ein wert­volles Indiz für die positiv zu bewertende Zukunftsprognose und sie sollte ihm auch nicht zusätzlich erschwert werden. Straffällig gewordenen, bestraften und bedingt entlassenen Staatsbürgern sollten keine zusätzlichen unverhältnis­mäßi­gen "Handicaps" auf dem Weg in ihre Zukunft mitgegeben werden. Verschiedene in der Praxis kumulierte Gesetzesebenen könnten zu paradoxen Situationen führen. Das Prinzip der Resozialisierung setze vor allem eine geregelte Beschäf­tigung voraus, aus der er seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Der unver­hält­nis­mäßig lange Führerscheinentzug stehe diesem Prinzip zu 100 % kontra­produktiv entgegen, da die Lenkberechtigung die unverzichtbare Basis seiner geregelten Beschäftigung sei. Er sei sich seiner Schuld bewusst, akzeptiere und respektiere die Gesetze und appelliere gerade deshalb an das rechte Augenmaß hinsichtlich Strafbemessung beim Führerscheinentzug. Er werde auch in Zukunft seinen Teil dazu beitragen, wieder ein akzeptiertes Mitglied der Gesellschaft zu sein und zu bleiben. Er besuche erfolgreich eine Drogentherapie bei "X", absolviere und bestehe sämtliche DrogenScreenings, habe unmittelbar nach seiner Entlassung seine Arbeit wieder angetreten und seine Position erfolgreich wieder eingenommen. Er werde in Zukunft keine Drogen mehr konsumieren, da ihm das Haftübel gezeigt habe, wie sinnlos und schädlich es sei, sich außerhalb der Gesetze zu bewegen. Er ersuche um eine Chance, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen und seinen Kindern wieder ein akzeptiertes Vorbild sein zu können. Der Führerschein möge nur ein kleiner Teil dieses Ansinnens sein, aber er sei unverzichtbar.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, insbesondere das Urteil des Landes­gerichtes Linz als Schöffengericht vom 14. Jänner 2010, 21 Hv 207/09p.

Der 1973 geborene Bw wurde darin schuldig erkannt, im Zeitraum von 2002 bis 13.8.2009 in Linz, Salzburg, Ansfelden und anderen Orten

A) vorschriftswidrig Suchtgift

I. in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen Per­sonen (gewinnbringend) überlassen zu haben, wobei er die Straftat in Bezug auf Suchtgift in einer das 15fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (großen Menge) begangen habe, und zwar ca 1.440 g bis 2.425 g Kokain, ca 42,5 bis 43,5 g Amphetamin und eine geringe Menge an Ecstasy-Tabletten (Amphetamin­derivat) an nachgenannte Abnehmer

1. im Spätsommer 2008 in Linz bei 2 Übergaben zu je 100 bis 150 g, gesamt zumindest 200 bis 300 g Kokain gewinnbringend an M.K.;

2. im Zeitraum von Frühjahr 2007 bis Anfang August 2009 (29 Monate) in Teilmengen von je 10 bis 20 g alle 10 bis 14 Tage insgesamt ca 870 bis 1.740 g Kokain zum Grammpreis von 70 bis 100 Euro und am 13.8.2009 weitere 115,7 g Kokain und eine insgesamt unbekannte Menge an Amphetamin gewinnbringend an D.P.;

3. im Dezember 2008 ca 0,5 g Amphetamin unentgeltlich als Probe, im Jänner 2009 40 g Amphetamin zum Grammpreis von 16 Euro und im Mai/Juni 2009 10 g Kokain zum Grammpreis von 100 Euro (für D.P.) gewinnbringend an A.W.;

4. im Zeitraum von August 2008 bis Anfang August 2009 in Linz bei etwa 15 Angriffen zu je 1 bis 2 g insgesamt ca 15  bis 30 g Kokain gewinnbringend zum Grammpreis von 100 Euro an 15 nicht näher bekannte Abnehmer;

5. im Zeitraum von 2003 bis 2005 bei etwa 10 Übergaben eine insgesamt unbekannte Menge an Speed (Amphetamin) und Ecstasy-Tabletten an L.P.;

6. im Zeitraum 2003 bis Juni 2009 in Linz und Ansfelden geringe Mengen Kokain unentgeltlich und bei 3 Übergaben ca 2,5 g Kokain zum Grammpreis von 50 bis 60 Euro an H.E.;  

7. Anfang August 2009 in Ansfelden und Geboltskirchen geringe Mengen Kokain unentgeltlich und von Anfang August 2009 bis 13.8.2009 bei 4 bis 5 Übergaben zu je 1 bis 1,5 g ca 7 g Kokain zum Grammpreis von 70 Euro gewinnbringend an G.H.;

8. im Frühjahr 2009 ca 200 g Kokain gewinnbringend an nicht näher bekannte Abnehmer;

9. im Zeitraum von Juli 2008 bis September 2008 in Feldkirchen bei 3 Teilver­käufen zu je 5 g insgesamt 15 g Kokain zum Grammpreis von 100 Euro, 2 bis 3 g Speed (Amphetamin) und 3 Ecstasy-Tabletten (Amphetaminderivat) zum Stück­preis von 10 Euro gewinnbringend an B.H., wobei er das Kokain aus einer halb mit Kokain befüllten Plastikdose (10x6x3 cm) und aus einem halb mit Kokain befüllten Plastiksackerl entnahm und mitteilte, dass die Lieferung "größerer Mengen" kein Problem wäre;

10. im Dezember 2008 in Ansfelden 5 g Kokain zum Grammpreis von 100 Euro gewinnbringend an W.R. und P.S., wobei er das Kokain wiederum aus einer halb mit Kokain befüllten Plastikdose entnahm;

II. vorschriftswidrig Suchgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) überstei­genden Menge anderen Personen (gewinnbringend) angeboten zu haben, wobei er die Straftat in Bezug auf Suchtgift in einer das 15fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Mengen (großen Menge) beging, und zwar

1. am 6.8.2009 400 g Kokain zum Grammpreis von 65 bis 70 Euro und vor dem bzw am 10.8.2009 1.000 g Kokain bzw 400 g Kokain zum Grammpreis von 70 Euro an D.P., dem er ca 1 g Kokain als Probe übergab und mit dem er verein­barte, dass die Übergabe des Kokain (im Gegenwert von ca 30.000 Euro) am 13.8.2009 stattfinden sollte;

2. im Frühjahr 2009 geringe Mengen Kokain an M.M. zum Eigenkonsum;

III. vorschriftswidrig Suchtgift erworben und besessen zu haben, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar 53,5 g Kokain und 9 g Cannabiskraut (THC) sowie 7,8 g Amphetamin, das er an verschiedene Abnehmer gewinnbringend verkaufen wollte, bis zur Sicherstellung am 13.8.2009;

IV. vorschriftswidrig Suchtgift erworben und besessen zu haben, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging, und zwar

1. im Frühjahr 2005 in Ansfelden 3 bis 4 Klemmsäckchen mit je ca 1 g Kokain, gesamt 3 bis 4 g Kokain bis zur Entsorgung durch L.P., die das Kokain versteckt in einer Holzschütte fand; 

2. im Zeitraum von 2002 bis 13.8.2009 eine insgesamt unbekannte Menge an Amphetamin, Kokain und Ecstasy-Tabletten bis zum Eigenkonsum;

B) vorschriftswidrig einen psychotropen Stoff erworben und besessen zu haben, und zwar 30 bis 35  Rivotril-Tabletten (Clonazepam), die er bis zur Sicherstellung am 13.8.2009 besaß;

C) am 13.8.2009 in Ansfelden, wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe besessen zu haben, und zwar eine Teleskopstahlrute.

Er habe hiedurch begangen

zu A) I. das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs.1 5.Fall, Abs.2 Z3 SMG,

zu A) II. das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs.1 4.Fall, Abs.2 Z3 SMG,

zu A) III. die Vergehen des Unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs.1 Z1 1. und 2. Fall SMG,

zu A) IV. die Vergehen des Unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs.1 Z1 1. und 2. Fall, Abs.2 SMG,

zu B) das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit psychotropen Stoffen nach § 30 Abs.1 1. und 2. Fall SMG und

zu C) das Vergehen nach § 50 Abs.1 Z2 WaffenG.

Der Bw wurde hiefür unter Anwendung des § 28 Abs.1 StGB nach dem Strafsatz des § 28a Abs.2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten – unter Anrechnung der Vorhaft vom 13.8.2009 bis 14.1.2010 – verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe mit einem Teil von 20 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der nicht bedingt nachge­sehene Teil der Freiheitsstrafe beträgt 10 Monate. Sichergestellte Suchtgifte, Utensilien und Verpackungsmaterialien mit Suchtgiftanhaftungen sowie die Stahl­rute wurden eingezogen und der Bw gemäß § 20 Abs.1 StGB zur Bezahlung von 10.000 Euro zur Abschöpfung der eingetretenen unrechtmäßigen Bereicherung verurteilt.

Mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit und die überwiegend geständige Einlassung gewertet, erschwerend waren das Zusammentreffen der mehrfachen Verbrechen und Vergehen sowie der lange Tatzeitraum. Aus der Urteils­begrün­dung ergibt sich weiters, dass der Bw – erlernter Maurer mit Umschulung zum Bürokaufmann, vor der Verhaftung am 13.8.2009 beschäftigt über das AMS in einer Stiftung, Fa. X in X, mit 1.000 Euro monatlich mit Neben­beschäftigung bei der Fa. X mit 1.500 Euro; dem stehen gegen­über Kredit­rückzahlungen von 1.100 Euro monatlich durch Errichtung eines Ein­familien­hauses in X und Unterhaltszahlungen von 700 Euro für drei minderjährige Kinder, seit 2002 Konsum von Kokain, Amphetamin und Ecstasy-Tabletten, seit 2003 Suchtgifthandel – bei der gewinnbringenden Weitergabe von Suchtgift in der Absicht handelte, sich durch wiederkehrende Tatbegehung ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen. Der Reinheitsgehalt des Kokain lag zwischen 16,3 % (+/-0,96) bzw 21% (+/-7,8); den höchsten Reinheitsgehalt von 39,6% (+/-0,39) hatte des Kokain, das an die verdeckte Ermittlerin als Probe überlassen wurde. Der Bw benutzte das Firmenfahrzeug seines Arbeit­gebers zur Abwicklung der Suchtgiftgeschäfte. Angesichts der gezeigten Reue wurde ein Teil der Freiheitsstrafe von 20 Monaten bedingt nachgesehen, wobei die Vorhaft die Hälfte des unbedingten Strafanteils von 10 Monaten um 1 Tag (13.8.2009 bis 14.1.2010) überstieg. Die bedingte Entlassung wurde mit der Weisung verbunden, binnen 14 Tagen eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit nachzuweisen und eine ambulante Drogen­therapie zu absolvieren.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenk­berechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. Gemäß § 7 Abs.3 Z11 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß §§ 28 Abs.2 bis 5 oder 31 Abs.2 SMG begangen hat.

Die Bestimmung nach § 28a SMG wurde durch die Suchtmittelgesetz-Novelle 2007 ab 1. Jänner 2008 in Kraft gesetzt und beinhaltet wie zuvor § 28 SMG den Suchtgifthandel. Eine entsprechende Novellierung hinsichtlich § 7 Abs.3 Z11 FSG ist jedoch (noch) nicht erfolgt. Der Unabhängige Verwaltungssenat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass eine strafbare Handlung nach     § 28a SMG (weiterhin) eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs.3 FSG bildet; dies insbesondere auch deshalb, weil die dort aufgelisteten Tatsachen nur demons­trativ aufscheinen. Eine andere Betrachtungsweise würde zum Ergebnis führen, dass zwar die Vorbereitung zum Suchtgifthandel (nunmehr § 28 SMG) eine bestimmte Tatsache wäre, der eigent­liche Handel (nunmehr § 28a SMG) aber nicht. In Anbetracht dessen ist der Unabhängige Verwaltungssenat der Ansicht, dass eine strafbare Handlung nach § 28a SMG weiterhin unter Ziffer 11 des § 7 Abs.3 FSG zu subsumieren ist.

Gemäß § 28a Abs.1 ist zu bestrafen, wer vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge erzeugt, einführt, ausführt oder einem anderen anbietet, überlässt oder verschafft. Gemäß Abs.2 Z3 unterliegt einer höheren Strafdrohung, wer die Straftat nach Abs.1 in Bezug auf Suchtgift in einer das 15fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (großen Menge) begeht.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflich­keit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei der Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuver­lässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen.

 

Die Begehung der im rechtskräftigen Urteil genannten Straftaten hat der Bw nicht bestritten, sodass hinsichtlich der Begehung des Verbrechens Suchtgift­handels nach § 28a Abs.1 5.Fall, Abs.2 Z3 und Abs.1 4. Fall, Abs.2 Z3 SMG vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs.1 Z11 FSG auszugehen war. Dabei ist die Erstinstanz wie auch der UVS an den Schuldspruch des strafge­richtlichen Urteils gebunden, dh der in der Berufung gestartete Versuch des Bw, die in Verkehr gesetzte Menge an Kokain "schönzu­reden" und die Gewerbs­mäßigkeit, bezogen auf 7 Jahre, zu relativieren, schlägt fehl.  

Zweifels­ohne ist davon auszugehen, dass die Begehung der im Urteil genannten Tat typischerweise durch die Verwen­dung eines Kraftfahrzeuges erleichtert wird (vgl VwGH 1.12.1992, 92/11/0057). Außerdem hat der Bw zur Abwicklung seiner Drogengeschäfte Firmenfahrzeuge seines Arbeitgebers verwendet.

 

Verbrechen nach § 28a Suchtmittelgesetz sind wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gesundheit von Menschen verwerflich und gefährlich. Dass der Bw selbst Konsument war, vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass ihm eben deshalb selbst die schädliche Wirkung der von ihm in Verkehr gesetzten Suchtgifte sowie die Nachteile einer körper­lichen und psychischen Abhängigkeit davon bekannt und bewusst war und er trotzdem ohne Rücksicht auf die Folgen für andere die Schaffung und Beibehaltung eines für ihn unverzichtbaren laufenden Zusatzeinkommens beharrlich verfolgte. Seine Gier überwog letztlich und führte so zu seiner Verurteilung.

Der Suchtgifthandel mit Kokain zeichnet sich im Hinblick auf Art und Menge des Suchtgiftes durch eine sehr große Verwerflichkeit aus, ist dieses Suchtgift doch geeignet, zahlreiche Menschen in ihrer Gesundheit schwer zu beeinträchtigen (vgl VwGH 21.11.2000, 2000/11/0199).

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH bilden bei der Beurteilung der Verkehrs­zuverlässigkeit allfällige berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nach­teile, die mit der Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind,  kein wie immer geartetes Beweisthema (vgl E 14.11.1995, 95/11/0300; 24.8.1999, 99/11/0166; 30.5.2001, 2001/11/0081; 23.4.2002, 2000/11/0182; uva). Abgesehen davon handelte der Bw mit der Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit gemäß der Weisung des Strafgerichtes, wobei der Unterhalt für seine Kinder im Vordergrund steht. Ob er selbst noch Suchtgift konsumiert, ist für die Beurteilung der Verkehrsunzuverlässigkeit wenig relevant.

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrs­teilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern (vgl VfGH 14.3.2003, G203/02; VwGH 18.3.2003, 2002/11/0062; 6.4.2006, 2005/11/0214; uva).

 

Unter dem Begriff Verkehrsunzuverlässigkeit ist ein charakterlicher Mangel zu verstehen. Von Kraft­fahr­­zeuglenkern muss wegen der im Straßen­verkehr häufig auf­treten­den Konfliktsituationen eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Geisteshaltung erwartet werden. Das wiederum setzt voraus, dass der Lenker eines Kraftfahr­zeuges Respekt und Achtung vor dem selbstbestimmten Leben und der Gesundheit anderer Straßen­­verkehrsteilnehmer besitzt, was beim Bw aufgrund seines wenig wert­schätzenden Verhaltens anderen Personen, die er offenbar nur als potentielle Kunden betrachtete, mehr als fraglich ist. Insbesondere musste ihm auf­grund jahrelanger Bekanntschaft mit D.P. bekannt sein, dass dieser in seinem Lokal seit Frühjahr 2007 minderjährige Personen mit von ihm bezogenen Kokain "versorgte".

Der Bw hat die bestimmte Tatsache im langen Tatzeitraum von 2002 bis 13.8.2009, also über 7 Jahre lang, verwirklicht; am 14. Jänner 2010 erging das Urteil des Landes­gerichtes Linz. Bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 Abs.4 FSG sind strafbare Handlungen, nicht aber die Verurteilung wegen dieser Straf­taten, sodass es nicht darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt nach der Tat das Urteil erging oder dieses rechtskräftig wurde, sondern wann die als bestimmte Tatsache zu wertende Straftat begangen wurde. Mit dieser beginnt nämlich die Verkehrs­unzuverlässigkeit und ab dem Zeitpunkt ihrer Begehung ist deren Dauer im Sinne einer Prognose zu berechnen, ab wann die Behörde das Wieder­bestehen der Verkehrszuverlässigkeit beim Straftäter annimmt. Da der Bw die bestimmte Tatsache bereits mit der letzten Tat am 13. August 2009 ver­wirklicht hat, war bei Erlassung des angefochtenen Bescheides am 19. Oktober 2010 bereits von einer Dauer der Verkehrs­unzu­ver­lässigkeit von 14 Monaten und laut Spruch noch weiteren 22 Monaten, dh bis 19. August 2012 und somit von insgesamt 36 Monaten auszugehen.

 

Der Bw wurde rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt, wovon 20 Monate bedingt nachgesehen wurden, dh er befindet sich jetzt in der Probezeit. Er hat allerdings erstmalig 10 Monate in Haft verbracht.

Nach der Judikatur des VwGH führt die bedingte Strafnachsicht zwar noch nicht zwingend dazu, dass der Betreffende bereits als verkehrszuverlässig anzusehen ist. Die bei der Beurteilung der Verkehrszu­verlässigkeit zu berücksichtigenden Gesichtspunkte decken sich nicht mit jenen zur Gänze, die für das Gericht bei der Entscheidung betreffend die bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB von Bedeutung sind, gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, dass nach dieser Gesetzesstelle die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen sind und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln könnte, die für die in § 7 Abs. 4 FSG genannten Wer­tungs­kriterien von Bedeutung sein können.  Das Strafgericht ist demnach davon ausgegangen, dass im Falle des Bw nach § 43a Abs.3 iVm § 43 Abs. 1 StGB anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, wobei insbe­sondere die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad der Schuld, das Vorleben und das Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen waren (vgl VwGH 19.12.2007, 2007/11/0194).

 

Eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit ist nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde auf Grund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides mit Recht annehmen durfte, es liege Verkehrsunzuverlässigkeit vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten (Mindestentziehungsdauer) eintreten.

Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab Tathandlung bzw. Beendigung des strafbaren Verhaltens zu bemessen, dh hier ab 13.8.2009. Der UVS vertritt die Ansicht, dass schon aufgrund des überaus langen Tatzeitraumes, des Umstandes, dass es sich bei Kokain um eine harte Droge handelt (vgl VwGH 21.11.2006, 2005711/0168), und dass der Bw einen wesentlichen Teil seines Einkommens aus seinen Suchtgift-Geschäften bezog, die Zukunftsprognose des Gerichts im Hinblick auf die Gesamt-Freiheitsstrafe von immerhin 30 Monaten bei Erstbegehung, davon 20 Monate bedingt, insofern zu relativieren ist, als die Annahme von 36 Monaten Verkehrsunzuverlässigkeit, insbesondere wegen der Verurteilung zu 20 Monaten bedingter Freiheitsstrafe, zu lang ist. Es ist aber aus den genannten Überlegungen zumin­dest von einer Dauer der Verkehrsun­zuverlässigkeit von insgesamt 30 Monaten ab der letzten Tat auszugehen, dh eine Herabsetzung der Entziehungsdauer auf 18 Monate, gerechnet ab Bescheid­zustellung am 19. Oktober 2010, somit bis 19. Februar 2012, ist damit  gerechtfertigt. In diesem Licht vermag der UVS eine vom Bw behauptete "Kontraproduktivität" der Entziehungsdauer nicht zu erblicken.     

 

Das Lenkverbot und die Aberkennung des Rechts, von einem allenfalls vorhan­denen ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, gründet sich gemäß §§ 32 Abs.1, 24 Abs.1 und 30 Abs.1 FSG als einziges Kriterium auf die Verkehrs­unzuverlässigkeit und ist damit für den gleichen Zeitraum wie die Entziehungsdauer ebenfalls durch den Gesetzgeber zwingend vorgesehen.

Es war daher im Anfechtungsumfang spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

VwSen-522708/3/Bi/Kr vom 14. Dezember 2010

Erkenntnis

FSG;

SMG § 28a Abs 2

Die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit von insgesamt 36 Monaten ab Beendigung der Straftat – hier Suchtgifthandel in der Qualifikation des § 28a Abs 2 SMG (15-fache Grenzmenge übersteigend) mit Kokain über 7 Jahre lang, Schaffung eines fortlaufenden Einkommens dadurch, Gewerbsmäßigkeit, zusätzlich zu Amphetamin und Ecstasy-Tabletten insgesamt 1.440 g bis 2.425 g Kokain anderen überlassen und 1.800 g Kokain angeboten – ist im Hinblick auf die Verurteilung nach dem Strafsatz des § 28a Abs 2 SMG zu insgesamt 30 Monaten Freiheitsstrafe, wovon allerdings 20 Monate bedingt nachgesehen wurden, zu lang. Demnach war die Verkehrsunzuverlässigkeit auf insgesamt 30 Monate herabzusetzen, dh die Entziehungsdauer von 22 Monaten auf 18 Monate herabzusetzen.

 

 

 

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