Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-531094/2/Bm/Sta

Linz, 16.12.2010

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung der Frau x und des Herrn x, x,  gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 11.11.2010, Ge20-85-2010, betreffend die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der bestehenden Betriebsanlage der x, x, im Standort x, zu Recht erkannt:

 

          Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben; die Angelegenheit wird zur neuerlichen Augenscheinsverhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Gewerbebehörde I. Instanz zurückverwiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.2 iVm § 64h Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit oben bezeichnetem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding wurde der x, x, die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung der bestehenden Betriebsanlage durch den Anbau einer Produktions- und Lagerhalle sowie Aufstellung einer Laserschneidanlage im Standort x, Gst. Nr. x, KG. x, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

 

2. Gegen diesen Bescheid haben die Berufungswerber x innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und in dieser im Wesentlichen ausgeführt, dass sie bereits in der Stellungnahme vom 18.10.2010 zum Verfahrensgegenstand die Erstellung eines objektiven Lärmgutachtens seitens der Behörde beantragt haben; diesem Antrag sei in keiner Form Rechnung getragen worden. Außerdem sei die Errichtung einer Lärmschutzwand bzw. der Einbau von Lärmschutzfenstern gefordert worden, um die zu erwartenden zusätzlichen Lärmbelästigungen nach der beantragten Firmenerweiterung zu reduzieren. Durch den Schichtbetrieb und die vor allem in den Sommermonaten geöffneten Hallentore seien die Berufungswerber einer fast pausenlosen Lärmbelästigung ausgesetzt. Auch dieser Antrag sei nicht berücksichtigt worden.

 

3. Diese Berufung wurde von der belangten Behörde gemeinsam mit dem bezughabenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat ohne Abgabe einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt I. Instanz zu Ge20-85-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte gemäß § 67d Abs.1 AVG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

 

1.     das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

 

2.     die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

 

3.     die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

 

4.     die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

 

5.     eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

 

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung, wenn dies zur Wahrung der im §74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

 

Gemäß § 353 Abs.1 GewO 1994 sind dem Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlage folgende Unterlagen anzuschließen:

1.     in vierfacher Ausfertigung

a)    eine Betriebsbeschreibung einschließlich eines Verzeichnisses der Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen,

b)    die erforderlichen Pläne und Skizzen,

c)     ein Abfallwirtschaftskonzept; dieses hat zu enthalten:

1.     Angaben über die Branchen und den Zweck der Anlage,

2.     eine verfahrensbezogene Darstellung des Betriebes,

3.     eine abfallrelevante Darstellung des Betriebes,

4.     organisatorische Vorkehrungen zur Einhaltung abfallwirtschaftlicher Rechtsvorschriften und

5.     eine Abschätzung der zukünftigen Entwicklung

  2.   in einfacher Ausfertigung

        a) nicht unter Z 1 fallende für die Beurteilung des Projekts und der zu  erwartenden Emissionen der Anlage im Ermittlungsverfahren erforderliche  technischen  Unterlagen  .......

 

Gemäß § 66 Abs.2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde I. Instanz zurückverweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

5.2. Gegenständlich ergibt sich aus der Einsichtnahme in den Verfahrensakt der erstinstanzlichen Behörde zu Ge20-85-2010, dass die Anlageninhaberin x mit Eingabe vom 30.6.2010 und 20.9.2010 um Erteilung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung für die Änderung der bestehenden Betriebsanlage auf Gst. Nr. x, KG. x, durch Anbau einer Produktions- und Lagerhalle sowie Aufstellung einer Laserschneidanlage angesucht hat.

Als Projektsunterlagen eingereicht wurde ein Einreichplan der Firma x vom 4.5.2010, eine technische Beschreibung und Konformitätserklärung der Firma x vom 16.9.1999, Aufstellungsbedingungen und Produktinformation der Firma x, ein Messprotokoll über die Geräuschpegel der einzusetzenden Maschine des Typs Tubematic, eine Betriebsbeschreibung sowie eine Baubeschreibung, Angaben über Abfälle und ein Anrainerverzeichnis.

 

Nach Vorprüfung der Projektsunterlagen hat die belangte Behörde mit Kundmachung vom 11.10.2010 eine mündliche Augenscheinsverhandlung für den 21.10.2010 anberaumt und an diesem Tage durchgeführt.

Noch vor Durchführung der mündlichen Verhandlung langten bei der erstinstanzlichen Behörde Einwendungen der Berufungswerber ein; darin wurden Einwendungen wegen  befürchteter Lärmbelästigungen durch das beabsichtigte Vorhaben vorgebracht. Bei der mündlichen Verhandlung war auch der Berufungswerber x anwesend.

 

Der Verhandlung wurde ein gewerbetechnischen Amtssachverständiger sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck beigezogen.

Der der mündlichen Verhandlung beigezogene gewerbetechnische Amtssachverständige legte im Befund das geplante Vorhaben dar; in lärmtechnischer Hinsicht wurden vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen mit Ausnahme zur bestehenden Produktionshalle keine Äußerungen getätigt und wurde nach Abschluss der mündlichen Verhandlung auch kein weiteres lärmtechnische Gutachten bzw. ein medizinisches Gutachten eingeholt.

 

Zunächst ist zu der oben zitierten Bestimmung des § 66 Abs.2 AVG auf die ständige Judikatur des Verwaltungs­gerichtshofes zur Durchführung und zum Umfang des Ermittlungs­verfahrens im gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungs­ver­fahren zu verweisen. Demnach ist die Feststellung, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung für die Errichtung oder Änderung einer Anlage gegeben sind und ob sich zu erwartende Emissionen auf die bestehende Situation zum Nachteil der Nachbarn belästigend oder gesundheitsgefährdend auswirken, Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens.

Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt der Genehmigungswerberin zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden.

Erst sachverständig fundierte Feststellungen über den Charakter der erhobenen Lärmereignisse, der damit verbundenen Lärmspitzen und der Änderung der bestehenden Lärmsituation  ermöglichen eine Abklärung aus medizinischer Sicht, welche Auswirkungen diese Emissionen ihrer Art und ihrem Ausmaß nach auf den menschlichen Organismus auszuüben vermögen.

 

Dem medizinischen Sachverständigen fällt – fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen – die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend der in diesem Zusammenhang in § 77 Abs.2 enthaltenen Tatbestandsmerkmalen auszuüben vermögen (VwGH 25.9.1990, 90/04/0035; 24.11.1992, 92/04/0119).

 

Auf Grund der Sachverständigengutachten hat sich sodann die Behörde im Rechtsbereich ihr Urteil zu bilden.

 

Im gegenständlichen Genehmigungsverfahren hat es die belangte Behörde unterlassen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens entsprechende Sachverständigen­gutachten zur Feststellung des relevanten Sachverhaltes, insbesondere im Hinblick auf Lärm, einzuholen.

Dazu ist festzuhalten, dass dies nach dem Akteninhalt auch darin gelegen ist, dass von Seiten der Konsenswerberin keine ausreichenden (lärmtechnischen) Unterlagen im Sinne des § 353 GewO, die der Beurteilung zu Grunde zu legen sind, vorgelegt und solche auch von der belangten Behörde nicht eingefordert wurden. So enthalten die vorgelegten Projektsunterlagen zwar ein Messprotokoll über die Geräuschpegel der Laserschneidmaschine, hinsichtlich der offenbar nach dem Befund des gewerbetechnischen Amtssachverständigen in der neuen Halle beabsichtigten Be- und Entladetätigkeiten bzw. hinsichtlich eventueller zusätzlicher Fahrbewegungen (zur und in der Halle) bedingt durch die nach der Betriebsbeschreibung geplanten Anlieferung der Materialien Bleche und Rohre und der damit verbundenen Lärmemissionen sind keine Angaben enthalten.  

Das im erstinstanzlichen Verfahren durchgeführte Ermittlungsverfahren bezieht sich ausschließlich auf die Gewerbetechnik, Ermittlungen über die von dem den  Verfahrensgegenstand bildenden Vorhaben ausgehenden, auf den Nachbarn einwirkenden Immissionen nach Art und Ausmaß bedingt durch Lärm, wurden nicht geführt.

In Ermangelung dieser Ermittlungen wurde auch kein medizinisches Gutachten zur Frage eingeholt, welche Auswirkungen die durch das beantragte Vorhaben möglicherweise verursachten Änderungen des Ist-Maßes auf gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen haben.

 

Die vorliegenden Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens,  das wie oben ausgeführt auch insofern mangelhaft geblieben ist, als die vorgelegten Projektsunterlagen für eine Beurteilung der zu erwartenden Immissionen der Betriebsanlage nicht ausreichend sind, sind jedenfalls nicht geeignet, eine ausreichende Grundlage für die Beantwortung der Rechtsfrage zu bilden, ob durch den Betrieb der gegenständlichen Anlage Gesundheitsgefährdungen bzw. unzumutbare Belästigungen für die Nachbarn zu besorgen sind oder ob gegebenenfalls solche Gefährdungen oder Belästigungen durch Vorschreibung geeigneter Auflagen auf ein zumutbares Maß beschränkt werden können.

 

Nach Vorlage der im obigen Sinn ergänzten Projektsunterlagen durch die Konsenswerberin wird es Aufgabe des lärmtechnischen Sachverständigen sein, aufbauend auf die Ergebnisse des festzustellenden oder durch Vorgaben eine lärmtechnischen Projektsbestandteiles bekannt gegebenen Ist-Zustandes die ungünstigsten Immissionssituationen für die nächstgelegenen Anrainer zu berechnen. Für den Fall, dass eine Änderung der bestehenden Lärmsituation durch das beantragte Vorhaben zu erwarten ist, wird von der belangten Behörde auch ein medizinisches Gutachten einzuholen sein.  

 

Nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates erscheint zur Vervollständigung der notwendigen Ermittlungsergebnisse als Entscheidungsgrundlage für die Erlassung des Bescheides im Hinblick auf die gemäß § 74 Abs.2 Z2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen die Durchführung einer mündlichen Augenscheinsverhandlung mit Sachverständigenbeweis betreffend die geltend gemachten Lärmeinwendungen im Sinne des § 66 Abs.2 AVG als unvermeidlich, weshalb aus den oben angeführten Sach- und Rechtsgründen insgesamt spruchgemäß zu entscheiden war.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

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