Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-165385/22/Fra/Bb

Linz, 28.12.2010

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Johann Fragner über die Berufung von Herrn X, vom 31. August 2010 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 4. August 2010, GZ VerkR96-2204-2010-Dg, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 19. November 2010 und am 16. Dezember 2010, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.                   Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II.                Für den Berufungswerber entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Zu I.:

 

1. Mit dem Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom
4. August 2010, GZ VerkR96-2204-2010-Dg, wurde Herr X (der Berufungswerber) wie folgt für schuldig befunden (auszugsweise Wiedergabe):

 

"Sie haben sich am 19. März 2010 um 17.35 Uhr in X nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert, sich zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Suchtgift einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt vorführen zu lassen, wobei vermutet werden konnte, dass Sie zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort das angeführte Fahrzeug in einem vermutlich durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt haben.

 

Tatort: X, X, Zufahrt X

Tatzeit: 19. März 2010, 16.50 bis 17.00 Uhr".

 

Der Berufungswerber habe dadurch § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.5 erster Satz und § 5 Abs.9 StVO verletzt.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs.1 StVO eine Geld­strafe in der Höhe von 1.600 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Tagen, verhängt. Weiters wurde der Berufungswerber zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages erster Instanz in der Höhe von 160 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, das – nach dem aktenkundigen Zustellrückschein – am 17. August 2010 dem Berufungswerber nachweislich persönlich zugestellt wurde, richtet sich die durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter am 31. August 2010 – und somit rechtzeitig – via Telefax erhobene Berufung, mit der im Ergebnis die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung angestrebt wird.

 

Zur näheren Begründung führt der Berufungswerber im Wesentlichen an, dass ihn der amtshandelnde Polizeibeamte lediglich aufgefordert habe, zur Suchtgiftuntersuchung zur Polizeiinspektion Braunau zu fahren. Eine Aufforderung zu einem Arzt zu fahren, habe es nie gegeben. Es sei nur von einem Drogentest auf der Polizeiinspektion Braunau die Rede gewesen.

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat den Verwaltungsstrafakt samt Berufungsschrift mit Schreiben vom 3. September 2010, GZ VerkR96-2204-2010-Dg, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.  Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den zur Berufungsentscheidung vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn und in die Berufung sowie in den Verfahrensakt der Führerscheinbehörde der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn zu GZ VerkR21-167-2010 und Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 19. November 2010 und am 16. Dezember 2010.

 

An der mündlichen Verhandlung am 19. November 2010 haben der Zeuge BI X (PI X) und ein Vertreter der belangten Behörde (X), an der Fortsetzungsverhandlung am 16. Dezember 2010 die Zeugin Insp. X teilgenommen. Der Berufungswerber und dessen Rechtsvertreter haben an beiden Verhandlungen – entschuldigt - nicht teilgenommen.

 

Der Vertreter der belangten Behörde wurde in der Verhandlung zum Sachverhalt gehört und die Zeugen wurden unter Erinnerung an ihre Wahrheitspflicht zeugenschaftlich befragt.

 

Das Ergebnis der mündlichen Verhandlungen wurde dem Berufungswerber - im Rahmen des Parteiengehörs - zu Handen seines Rechtsvertreters nachweislich zur Kenntnis gebracht.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

5.1. Gemäß § 5 Abs.5 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Bundespolizeibehörde tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs.4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs.2

  1. keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs. 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben hat oder
  2. aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war.

Wer zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem Arzt gebracht wird, hat sich einer Untersuchung durch diesen zu unterziehen; die genannten Ärzte sind verpflichtet, die Untersuchung durchzuführen.

 

Die Bestimmungen des Abs.5 gelten gemäß § 5 Abs.9 StVO auch für Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befinden; wer zum Arzt gebracht wird, hat sich der Untersuchung zu unterziehen. Die in Abs.5 genannten Ärzte sind verpflichtet, die Untersuchung durchzuführen.

 

Gemäß § 99 Abs.1 lit.b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.600 Euro bis 5.900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 2 bis 6 Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.

 

5.2. Als Ergebnis der öffentlichen mündlichen Verhandlungen gilt als erwiesen festgestellt, dass der Berufungswerber am 19. März 2010 gegen 16.50 - 17.00 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen X  auf Straßen mit öffentlichen Verkehr bis zur X lenkte und anlässlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle an Ort und Stelle infolge festgestellter Suchtmittelsymptome (enge Pupillen, gerötete Augenbindehäute, schweißige Stirn, unruhiges hektisches Verhalten, ungehinderter Redegang, aufdringliches Verhalten) von X der X zunächst zu einem Alkovortest im Sinne des § 5 Abs.3a StVO aufgefordert wurde, welcher um 17.33 Uhr durchgeführt und ein Ergebnis von 0,0 mg/l Atemluftalkoholgehalt erbrachte.

 

Ob der Berufungswerber im Anschluss an den Alkovortest gemäß § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.9 StVO zum Zweck der Feststellung einer Beeinträchtigung durch Suchtgift zur Vorführung zu einem der in § 5 Abs.5 StVO genannten Ärzte aufgefordert wurde, ließ sich trotz umfassender zeugenschaftlicher Befragung des meldungslegenden Polizeibeamten X und seiner bei der Amtshandlung anwesenden Kollegin X nicht zweifelsfrei klären, zumal beide Beamte mehr als achte Monate nach dem Vorfall zur damaligen an den Berufungswerber gerichteten Aufforderung – naturgemäß – keine konkreten und detaillierten Aussagen (mehr) machen und somit die diesbezüglichen Vorbringen des Berufungswerbers nicht widerlegen konnten. Die beiden Exekutivorgane sagten zwar übereinstimmend aus, dass der Berufungswerber zum Zwecke der Harnuntersuchung aufgefordert worden sei, zur nahegelegenen Dienststelle der Polizeiinspektion Braunau mitzukommen - an den Wortlaut der Aufforderung bzw. ob der Begriff "Arzt" im Rahmen der damaligen Amtshandlung erwähnt wurde, konnten sich beide Zeugen im Befragungszeitpunkt nicht mehr exakt erinnern. Grundsätzlich sei die übliche Vorgangsweise jene, dass der Proband zunächst ersucht werde, zum Harntest mitzukommen. Erst im Falle eines positiven Harntests ergehe die Aufforderung zur Vorführung zum Arzt.

 

Es ist damit infolge der - durch die Zeugenaussagen nicht widerlegbaren – Behauptungen des Berufungswerbers nicht mit der für im Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt, dass der Berufungswerber im Anschluss an den Alkovortest vom einschreitenden Exekutivbeamten (X) aufgefordert wurde, sich zum Zweck der Feststellung einer Suchtgiftbeeinträchtigung einem in § 5 Abs.5 StVO genannten Arzt vorführen zu lassen. Der Berufungswerber wurde zwar in unbestrittener Weise zur Harnabgabe auf der Polizeiinspektion Braunau am Inn aufgefordert, jedoch ist eine Verweigerung der Abgabe einer Harnprobe, welche nach derzeitiger Rechtlage nicht verpflichtend ist, der Verweigerung der Vorführung zum Arzt im Sinne des § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.9 StVO nicht gleichzuhalten.

 

Aus den angeführten Gründen ist daher der Berufung stattzugeben, das Straferkenntnis zu beheben und das gegen den Berufungswerber geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

Zu II.:

 

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  Johann  F r a g n e r

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum