Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-165400/5/Fra/Gr

Linz, 18.01.2011

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Johann Fragner, Dr., Hofrat                                                                                2A18, Tel. Kl. 15593

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 25. August 2010, VerkR96-7119-2010, betreffend Übertretung des § 103 Abs.2 KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

I.                  Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II.              Der Berufungswerber hat zu dem Verfahren vor dem OÖ. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in Höhe von 20 Prozent der verhängten Geldstrafe (12 Euro zu entrichten).

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG; §§ 16 und 19 VStG

Zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 103 Abs.2 KFG 1967 iVm § 9 VStG gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 60 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) verhängt, weil er als Verantwortlicher der Zulassungsbesitzerin des nachgenannten Kraftfahrzeuges der Firma X trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 27. Juli 2010, VerkR96-7119-2010, insofern der Behörde nicht Auskunft darüber erteilte, wer das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen X am 31. Mai 2010 um 21:24 Uhr gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann, zumal er am 9. August 2010 mitteilte, dass er nicht mehr zuordnen könne, wer das Fahrzeug gelenkt hat.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen – als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c erster Satz VStG).

 

I.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

Anlass für die Lenkeranfrage der nunmehr belangten Behörde vom 27. Juli 2010 war die Anzeige der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich vom 2. Juni 2010, wonach der Lenker des PKWs, Kennzeichen: X, in Verdacht steht, am 31. Mai 2009 um 21:24 Uhr auf der A8 von Straßenkilometer 21.292 bis Straßenkilometer 28.223, Fahrtrichtung Passau, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten zu haben.

 

Der nunmehrige Bw hat die o.a. Lenkeranfrage wie folgt beantwortet: "Fahrer nicht eindeutig zu benennen."

 

Die nunmehr belangte Behörde legte daraufhin dem Bw mit Strafverfügung vom 12. August 2010, VerkR96-7119-2010, denselben Tatbestand wie im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis zur Last. Der nunmehrige Bw erhob dagegen rechtzeitig Einspruch und brachte vor, den Fahrer nicht zweifelsfrei benennen zu können, da der Wagen von mehreren Personen genutzt wird. Nach deutschem Recht sei er nicht verpflichtet, ein Fahrtenbuch zu führen. Er bitte dies angemessen zu berücksichtigen.

 

In seiner Berufung vom 7. September 2010 gegen das gegenständliche Straferkenntnis bringt der Bw vor, es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass das Fahrzeug am fraglichen Tag in Österreich verwendet wurde. Er habe daher auch keine Notwendigkeit gesehen, sich über die in Österreich herrschenden diesbezüglichen Rechtsvorschriften kundig zu machen. Es liege sohin eine offensichtlicher Schuldausschließungsgrund vor und eine Fahrlässigkeit sei nicht anzunehmen. Er ersuche, es bei diesem zudem nicht erheblichen Vergehen mit einer Ermahnung zu belassen.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Straferkenntnis rechtlich u.a. wie folgt ausgeführt:

 

"Auf Grund dessen, dass der Tatort der Verwaltungsübertretung in Österreich liegt, ist auch für deutsche Staatsbürger österreichsches Recht anzuwenden (Verwaltungsgerichtshof – VwGH 26.05.1999, 99/03/0074; 27.06.1997, 97/02/0220; ua.).

 

Nach der Rechtsprechung des (österreichischen) Verwaltungsgerichtshofes/VwGH ist Tatort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Auskunft begehrenden Behörde (VwGH 31.01.1996, 93/03/0156, ua.). Daraus folgt, dass derjenige, der die von einer österreichischen Behörde nach § 103 Abs.2 KFG 1967 verlangte Auskunft nach dem Lenker eines Kraftfahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erteilt, nach österreichischem Recht eine Verwaltungsübertretung begangen hat und zu bestrafen ist, auch wenn er einen Wohnsitz im Ausland hat.

 

Im Übrigen hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht als rechtswidrig erkannt, wenn ausgehend von einem Inlandsbezug eines eingebrachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem anderen Staat aufhältig ist, gerichtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist (vgl. EGMR vom 11.10.1989, Zl. 15226/89, ZVR 2/1991, Nr. 23 der Spruchbeilage). Der Inlandsbezug ist im ggst. Fall insofern gegeben, als das auf Sie zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde und diese Verwendung – ausgelöst , durch die dabei mit dem Kraftfahrzeug begangenen Normverletzung – Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechtsordnung begründet hat (vgl. UVS Oberösterreich vom 13.11.1998, VwSen-105885; VwGH vom 11.05.1993, 190/08/0095 ua.).

 

Gemäß § 103 Abs.2 Satz 3 2. Halbsatz KFG ist der Auskunftspflichtige verpflichtet, jene Aufzeichnungen zu führen, die ihm die Auskunftserteilung ermöglichen. Sollte er zur Erteilung einer solchen Auskunft mangels entsprechender Aufzeichnungen nicht in der Lage sein, fällt ihm dies zur Last (VwGH 15.05.1990, 89/02/0206 = VwSlg 13.195 A/1990 = ÖJZ 1991/140 A, 18.01.1989, 88/03/0099).

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) (vgl. etwa das Erkenntnis vom 16.02.1999, 98/02/0405, mit weiteren Nachweisen) liegt Abs.2 die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne langwierige und umfangreiche Erhebung zu ermöglichen; die auf Grund einer behördlichen Anfrage nach Abs.2 erteilte Auskunft darf daher weder in sich widersprüchlich noch unklar sein (VwGH 12.12.2001, 2001/03/0137; 26.01.2001, 99/02/0180). Im ggst. Fall steht die Lenkeranfrage, VerkR96-7119-2010, vom 27.07.2010 mit den gesetzlichen Bestimmungen im Einklang. Auch der Hinweis auf die Begehung einer Verwaltungsübertretung im Fall der Nichterteilung oder nicht fristgerechten Erteilung der gewünschten Auskunft war unmissverständlich, sodass nach dem Wortlaut des Gesetzes Sie verpflichtet gewesen wären, fristgerecht Auskunft zu erteilen, wobei die Postaufgabe bei der zweiwöchigen Frist ausreicht."

 

Der Oö. Verwaltungssenat ergänzt, dass nach österreichischer Rechtslage die übertretene Bestimmung als Verfassungsbestimmung determiniert ist und auch das "Grunddelikt" im Bundesgebiet der Republik Österreich begangen wurde. Nicht zu beurteilen ist vom Oö. Verwaltungssenat die Frage, dass möglicherweise die Vollstreckung eines österreichischen Straferkenntnisses wegen Verletzung der Auskunftspflicht von deutschen Behörden wegen Verstoßes gegen den "ordre public" nämlich gegen das innerdeutsche Verfassungsrecht und den dort nicht durchbrochenen Grundsatz des Verbotes der "Selbstbezichtigung" infolge des bestehenden Abkommens über Amts- u. Rechtshilfe in Verwaltungssachen nicht durchgeführt wird (vgl. die Vorbehaltsklausel des Art.4 des Vertrages der Republik und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- u. Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. 526/1990). Sollte hier ein Vollstreckungshindernis vorliegen, berührt dies die Rechtmäßigkeit eines gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 ergangenen Straferkenntnisses nicht.

 

Der Bw hat sohin in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht tatbestandsmäßig gehandelt zumal es ihm, was die Verschuldensfrage angelangt, nicht gelungen ist, die Fahrlässigkeitsvermutung im Sinne des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG zu entkräften. Auch die belangte Behörde hat diesbezüglich zutreffend darauf hingewiesen, dass es von einem Zulassungsbesitzer (Halter) eines in Österreich gelenkten Kraftfahrzeuges – bzw. dessen vertretungsbefugten strafrechtlichen Verantwortlichen nach § 9 VStG – verlangt werden kann, dass er sich über die in Österreich für ihn geltenden Bestimmungen rechtzeitig informiert und gegebenenfalls entsprechende Aufzeichnungen führt, wenn er den PKW so vielen Personen zum Lenken überlässt, dass ihm eine solche Auskunftserteilung ohne Führung von Aufzeichnungen nicht möglich ist. Wenn es grundsätzlich möglich ist, dass das Fahrzeug auch in Österreich verwendet werden darf, hat er im Sinne der o.a. Ausführungen entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Dies hat der Bw jedoch offensichtlich nicht veranlasst und führt in seinem Rechtsmittel auch aus, dass, weil ihm nicht bekannt war, dass das Fahrzeug am fraglichen Tag in Österreich verwendet wurde, er keine Notwendigkeit gesehen habe, sich über die in Österreich herrschenden diesbezüglichen Rechtsvorschriften kundig zu machen. Entgegen seinem Vorbringen liegt daher kein Schuldausschließungsgrund vor.

 

Was die Strafbemessung anlangt, kann der Behörde nicht unterstellt werden, dass sie den Ermessensspielraum missbraucht hätte bzw. hier ein Ermessenfehler bei der Strafbemessung vorliegt.

 

Zutreffend hat sie darauf hingewiesen, dass es durch die Nichtbekanntgabe des Lenkers der Behörde nicht möglich gewesen war, die Person, die das Grunddelikt begangen hat, festzustellen. Das Verschulden des Bw ist zumindest als fahrlässig zu qualifizieren. Auf diesen geringen Verschuldensgrad wurde Bedacht genommen, zumal der gesetzliche Strafrahmen lediglich zu 1,2 Prozent ausgeschöpft wurde. Auch im Hinblick auf die vom Bw der belangten Behörde mit Schreiben vom 16. Oktober 2010 mitgeteilten Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse (monatlich zu versteuerndes Bruttoeinkommen in Höhe von 687,99 Euro, kein Vermögen, Sorgepflicht für 5 Kinder) ist keine Unverhältnismäßigkeit in der Strafbemessung zu konstatieren. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs.1 VStG (Erteilung einer Ermahnung) liegen nicht vor, da im Hinblick auf die Nichtverfolgbarkeit des "Grunddeliktes" nicht von unbedeutenden Folgen der Übertretung ausgegangen werden kann.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Johann Fragner

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum