Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401096/5/SR/Sta

Linz, 14.01.2011

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des x, geboren am x, Staatsangehöriger von Afghanistan, vertreten durch x, Rechtsanwältin in x, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck vom 28. Oktober bis 2. November 2010 im PAZ Wien zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft in der Zeit vom 28. Oktober (Nachmittag) bis 2. November 2010 als rechtswidrig festgestellt.

 

II.      Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer Kosten in der Höhe von insgesamt 750,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 135/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage und der Gegenschrift in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde von folgendem Sachverhalt aus:

 

1.1. Der undokumentierte Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) ist laut eigenen Angaben am 21. März 1981 geboren, Staatsangehöriger von Afghanistan und zu einem unbekannten Zeitpunkt (vermutlich am 8. August 2010) illegal in das Bundesgebiet eingereist. Nach der Ankunft in Wien bestieg der Bf einen Zug und wollte damit nach Deutschland (Hamburg) weiterreisen. Bei einer fremdenpolizeilichen Kontrolle im Zug wurde der illegale Aufenthalt des Bf festgestellt. Nach dem Verlassen des Zuges stellte der Bf im Bereich des Linzer Hauptbahnhofes gegenüber Organen des Stadtpolizeikommandos Linz (PI Linz Hauptbahnhof) einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag). Vor der illegalen Einreise in Österreich hat sich der Bf ca. 2 Wochen in Griechenland aufgehalten.

 

Seit 13. September 2010 ist Griechenland zur Führung des Asylverfahren zuständig. In der Folge erklärte sich Griechenland zur Übernahme des Bf und zur Führung des Asylverfahrens bereit.

 

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle WEST (im Folgenden: Bundesasylamt) vom 8. Oktober 2010, AI 10 06.997, zu eigenen Handen zugestellt am 11. Oktober 2010, wurde der Asylantrag gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 (im Folgenden: AsylG) als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass Griechenland für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Gleichzeitig wurde der Bf gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG aus dem Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und die Zurückschiebung, Zurückweisung oder Abschiebung für zulässig erklärt.

 

Am 14. Oktober 2010 hat sich der Bf zur freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan bereit erklärt und das "Rückkehrhilfe – Erhebungsformular" ausgefüllt und unterfertigt. Der Verein Menschrechte Österreich hat davon u.a. die belangte Behörde am 14. Oktober 2010 verständigt.

 

Trotz der Rückkehrwilligkeit hat der Bf innerhalb offener Frist gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Oktober 2010 Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben. Die Beschwerde langte am 21. Oktober 2010 beim Asylgerichtshof ein. Am 25. Oktober 2010 hat der Asylgerichtshof dem Bundesasylamt mitgeteilt, dass der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt werde.

 

1.3. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 11. Oktober 2010, GZ. Sich40-2536-2010, wurde über den Bf zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2a Z 1. iVm § 80 Abs. 5 FPG iVm § 57 AVG 1991 verhängt.

 

Nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und Darstellung des relevanten Sachverhaltes zeigte die belangte Behörde auf, dass der Bf nach Kenntnisnahme der Zustimmungserklärung seitens Griechenlands entgegen vorheriger Ausführungen den Aufenthalt in Griechenland bestritten und Angaben gemacht habe, um einer Abschiebung nach Griechenland zu entgehen. In diesem Zusammenhang habe der Bf klargestellt, dass er unter keinen Umständen nach Griechenland zurück wolle, sein Reiseziel Hamburg sei bzw. er sich im Westen Europas aufhalten wolle. Dass der Bf eine Abschiebung nach Griechenland mit allen Mitteln zu verhindern suche, zeigten auch seine unglaubhaften Versuche der nachträglichen Verschleierung des Fluchtweges. Weiters stellte die belangte Behörde fest, dass die Identität des Bf nicht gesichert und er abgesehen eines Bargeldbetrages in der Höhe von 510 Euro völlig mittellos sei.

 

Abstellend auf den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Oktober 2010,        AI 10 06.997, mit dem der Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen, die Zuständigkeit Griechenlands festgestellt und die Ausweisung nach Griechenland verfügt worden war, erachtete die belangte Behörde die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG als gegeben.

 

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, dass bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 76 Abs. 2a FPG die Behörde im Gegensatz zu der Rechtsnorm des § 76 Abs. 2 FPG kein Ermessen im Hinblick auf die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG habe. "Es bleibe jedoch zu prüfen, ob die Sicherung der Abschiebung bzw des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung mittels Schubhaft notwendig" sei "und ob in der Person des Asylwerbers gelegene, besondere Umstände der Schubhaft entgegen" stünden.

 

Hinsichtlich der Notwendigkeit der Schubhaft werde festgehalten, dass in Fällen, in denen der Asylantrag gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und eine durchsetzbare Ausweisung erlassen worden sei, der Sicherungsbedarf bereits durch die im Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 geänderten Rechtsbestimmungen indiziert sei.

 

Mit einer zeitnahen Abschiebung sei in diesem Fall jedenfalls zu rechnen, da sich das Asylverfahren des Bf in finalem Stadium befinde und selbst im Falle des Einbringens eines Rechtsmittels im Asyl- und Ausweisungsverfahren von einer sehr kurzen Anhaltung in Schubhaft auszugehen sei.

 

Die Handlungsweise des Bf lasse erkennen, dass es ihm weniger um einen sicheren Aufenthalt sondern um eine umfassendere Betreuung und Versorgung in einem zentralen Schengenstaat gehe. Dafür habe er erhebliche Mittel und Mühen aufgewendet, sich nicht dem Verfahren in Griechenland gestellt und während der Weiterreise zahlreiche illegale Grenzübertritte in Kauf genommen. Gegenüber den österreichischen Behörden habe der Bf eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er nicht in den offensichtlich zuständigen Mitgliedstaat zurückkehren wolle. Den Asylantrag in Österreich habe er erst im Rahmen einer Fremdenkontrolle gestellt und dabei ausgesagt, dass der Zielstaat Deutschland sei.

 

Nach umfassenden Ausführungen zu § 76 Abs. 2a FPG und der Bezugnahme auf den vorliegenden Sachverhalt kommt die belangte Behörde zum Ergebnis, dass sich der Bf, sollte er in Freiheit belassen werden, dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen und in die Anonymität abtauchen werde. Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass der Bf nach einem Abtauchen in die Anonymität dem österreichischen Staat weiter finanziell zu Last fallen könnte. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass das Abtauchen des Bf in die Anonymität in der Folge zu einer Zuständigkeit Österreichs im Asylverfahren führen würde.

 

In den Fällen des § 76 Abs. 2a FPG sei von der Verhängung der Schubhaft lediglich in absoluten Ausnahmefällen abzusehen. Derartige Umstände lägen im vorliegenden Fall aber nicht vor. Nach genauer Abwägung im Rahmen der Einzelfallprüfung komme die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Anordnung der Schubhaft verhältnismäßig sei.

 

Der Schubhaftbescheid wurde dem Bf am 11. Oktober 2010 in Anwesenheit eines Dolmetschers ausgefolgt. Ohne Angabe von Gründen hat sich der Bf geweigert, die Übernahme des Schubhaftbescheides zu bestätigen. 

 

Nach der Ausfolgung des Schubhaftbescheides wurde der Bf um 12.15 Uhr festgenommen und in das PAZ Wien eingeliefert, wo er am 11. Oktober 2010 um 19.00 Uhr einlangte.

 

1.4. Mit E-Mail vom 13. Oktober 2010 teilte das Bundesasylamt der belangten Behörde mit, dass der Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Oktober 2010, AI 10 06.997, erlassen und durchsetzbar sei. In der Folge wurde der belangten Behörde am 19. Oktober 2010 zur Kenntnis gebracht, dass der Bf gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Asylgerichtshof eingebracht habe.

 

1.5.1. Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2010, gerichtet an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, eingelangt am 21. Oktober 2010 erhob der Bf Beschwerde wegen "rechtswidriger In-Schubhaftnahme" und stellte den Antrag, die Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung festzustellen. Neben dem Kostenbegehren wurde der Eventualantrag gestellt, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen.

 

Nach Wiedergabe der persönlichen Daten brachte die Vertreterin vor, dass der Bf unmittelbar nach der Ausfolgung des zurückweisenden Asylbescheids des Bundesasylamtes festgenommen worden sei und sich seit diesem Zeitpunkt in Schubhaft befinde.

 

Gegen diesen Bescheid habe der Bf Beschwerde eingebracht und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. In dieser Beschwerde sei geltend gemacht worden, dass Griechenland kein sicherer Dublinstaat wäre. Zur Untermauerung dieses Standpunktes sei auf die Spruchpraxis des EGMR hingewiesen worden. Auszugsweise gibt die Vertreterin einen Teil einer Entscheidung des EGMR in englischer Sprache wieder und folgt daraus, dass der Asylgerichtshof "dies respektieren" und der Beschwerde "jedenfalls die aufschiebende Wirkung zuerkennen" werde. Da die "zwingend vorgeschriebene Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einige Zeit in Anspruch nehmen" werde und "während dem überhaupt erst durch verschiedene Instanzen geklärt werden" müsse, ob der Bf nicht doch seinen Aufenthalt legalisieren könne, sei das Vorgehen der belangten Behörde auf keinen Fall geeignet, auf eine möglichst kurze Haftdauer hinzuwirken. Ein Ausschöpfen des Instanzenzuges sei auch nicht als unnötiges in die Länge ziehen des Verfahrens zu qualifizieren. Das Vorgehen der belangten Behörde stelle ebenfalls einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Prinzip dar, da dem Bf durch die Verhängung der Schubhaft der Zugang zu einer adäquaten Rechtsberatung und damit der realen Möglichkeit, seinen Aufenthalt zu legalisieren, erheblich erschwert worden sei.

 

"Die rechtsstaatswidrige Absicht" gestehe die belangte Behörde mit "entwaffnender Offenheit" selbst ein, indem sie auf die verkürzte Rechtsmittelfrist Bezug nehme.

 

Durch Zufall habe der Bf trotz der Inhaftierung Zugang zu einer "unabhängigen Rechtsvertretung" gefunden, sodass er trotz der verkürzten Rechtsmittelfrist eine Beschwerde gegen die Asylentscheidung einbringen habe können. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde befinde sich das Asylverfahren durch die Beschwerdeeinbringung nicht im finalen Stadium und es könne auch nicht die Rede von einer zeitlich sehr kurzen Anhaltung in Schubhaft sein. Schon aus diesem Grunde sei die Schubhaft rechtswidrig.

 

Zu keinem Zeitpunkt habe der Bf in Österreich Handlungen gesetzt, die vermuten ließen, dass er sich dem Verfahren entziehen werde. Dies vor allem deshalb, da es gerade sein Ziel sei, den Aufenthalt in Österreich zu legalisieren, da er sich in Griechenland nicht sicher fühle. Nach der Judikatur des VwGH sei die fehlende Ausreisewilligkeit allein noch kein Grund, um die Schubhaft zu verhängen. Der Logik der belangten Behörde folgend, hätte der Bf bereits vor der Asylantragsstellung bzw. der Bescheiderlassung ausreisen sollen. Der Bf möchte auf jeden Fall den rechtlich möglichen Weg gehen, um seinen Aufenthalt in Österreich zu legalisieren. Damit sei aber nicht automatisch ein Untertauchen verbunden. Der Umstand der illegalen Einreise könne nicht ein reales Risiko des Untertauchens begründen. Der Verwaltungsgerichtshof stelle in ständiger Rechtsprechung fest, dass dem Grund für eine allfällige Weiterreise nach Österreich Relevanz zukommen könne. Die Gründe des Bf seien der belangten Behörde bekannt und würden eine hinreichende Rechtfertigung für das Leugnen (Aufenthalt in Griechenland) aufgrund der wohlbegründeten Furcht vor Zurückschiebung darstellen.

 

Bis zur Festnahme am 11. Oktober 2010 habe sich der Bf im Lager Thalham aufgehalten und sei jederzeit zur Verfügung der Behörden gestanden. Die ihm zustehende Unterstützung habe der Bf bereitwillig angenommen und die belangte Behörde liefere kein triftiges Argument, warum der Bf durch Abtauchen in die Anonymität auf die Unterstützung verzichten sollte. Die Schubhaftverhängung bedürfe konkreter Umstände und dürfe nicht als Standardmaßnahme erfolgen. Da die belangte Behörde keine einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen habe, sei die Verhängung der Schubhaft rechtswidrig.

 

Nach Ausführungen zu § 76 Abs. 2a FPG und der auszugsweisen Wiedergabe von Entscheidungen einiger Unabhängiger Verwaltungssenate, die sich auf "gleichgelagerte" Fälle bezogen hätten, vermeint die Vertreterin, dass die belangte Behörde eine konkrete Einzelfallprüfung verabsäumt habe.

 

Im Hinblick darauf, dass mit einem gelinderen Mittel das Auslangen gefunden werden hätte können, sei die Schubhaft von Anfang an rechtswidrig. Die Feststellung der belangten Behörde, dass der Bf seinen Aufenthalt in Österreich nicht legalisieren könne, sei nicht Aufgabe dieser Behörde und diese Beamten würden auch nicht über die fachliche Ausbildung verfügen, um über den Ausgang dieses Verfahrens entscheiden zu können. Es könne nämlich keinesfalls davon ausgegangen werden, dass der Asylantrag des Bf jedenfalls mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werde und es stimme absolut nicht, dass jeder Dublin-Treffer zu einer rechtskräftigen Ausweisung führe.

 

Die behördlichen Annahmen seien weder gerechtfertigt noch verhältnismäßig. Somit hätte die belangte Behörde das gelindere Mittel ernsthaft prüfen und anzuwenden gehabt. Abschließend geht die Vertreterin des Bf davon aus, dass die belangte Behörde im Widerspruch zur UNHCR-Richtlinie vom Februar 1999 die Haft verhängt und diese somit gänzlich missachtet habe.

 

1.5.2. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2010 übermittelte die belangte Behörde per E-Mail den Fremdenakt und erstattete eine Gegenschrift.

 

Einleitend wies die belangte Behörde auf den vorliegenden Schubhaftbescheid vom 11. Oktober 2010, den erhobenen und festgestellten Sachverhalt und die Einvernahmen im Asylverfahren hin. Die Einvernahmen im Asylverfahren würden erhebliche Widersprüche und den vehementen Rückkehrunwillen nach Griechenland aufzeigen. Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Verhalten des Bf im bisherigen Verfahren weist die belangte Behörde auf das (ursprüngliche) Reiseziel Deutschland hin und bekräftigt damit ihre bisherigen Überlegungen. Die "Bereitschaft" des Bf, freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückkehren zu wollen, erscheint der belangten Behörde wenig glaubhaft. Im Hinblick auf die am 21. Oktober 2010 beim Asylgerichtshof eingegangene Beschwerde geht die belangte Behörde davon aus, dass die Rückführung nach Griechenland zeitnah in der ersten Novemberwoche bewerkstelligt werden könne.

Für den Fall einer Fortsetzung der Reise nach Deutschland und der Ergreifung des Bf in Deutschland würde Österreich relativ wahrscheinlich die Zuständigkeit zur Führung des Asylverfahrens erlangen.

 

Anschließend beantragte die belangte Behörde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Mit E-Mail vom 25. Oktober 2010 teilte die belangte Behörde dem Oö. Verwaltungssenat mit, dass der Asylgerichtshof der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Oktober 2010 die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt habe und die Durchführbarkeit der Ausweisung somit mit 25. Oktober 2010 eingetreten sei. Es sei beabsichtigt, die Abschiebung nach Griechenland am 3. bzw. am 4. November 2010 vorzunehmen.

 

1.6. Mit Erkenntnis vom 27. Oktober 2010, VwSen-401091/5/SR/Sta, den Parteien zugestellt am 28. Oktober 2010 um 11.25 Uhr bzw um 11.42 Uhr, wurde die Beschwerde des Bf als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Entscheidungszeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. 

 

1.7. Von folgendem Sachverhalt erlangte der Oö. Verwaltungssenat erst nach Aktenvorlage zur gegenständlichen Beschwerde Kenntnis.

 

Mit Scheiben vom 22. Oktober 2010 ersuchte der Asylgerichtshof um Mitteilung, ob nach wie vor eine Abschiebung nach Griechenland geplant sei und für welchen Zeitpunkt diese vorgesehen sei. Das Ersuchen des Asylgerichtshofes langte am 25. Oktober 2010 bei der belangten Behörde ein.

 

Entsprechend dem Ersuchen teilte die belangte Behörde mit E-Mail vom 25. Oktober 2010 mit, dass sich der Bf zur freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan angemeldet und das BMI bereits die Zustimmung gegeben habe. Ein Ersatzreisedokument sei bereits beantragt worden. Da von der Vertretungsbehörde ein solches noch nicht ausgestellt worden sei, halte die belangte Behörde an einer Überstellung des Bf nach Griechenland in der 1. Novemberwoche noch fest. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt das Ersatzreisedokument einlangen, würde die Überstellung nach Griechenland abgebrochen und dem Bf eine freiwillige Rückkehr nach Afghanistan ermöglicht werden.

 

Noch am 25. Oktober 2010 ersuchte die belangte Behörde um Buchung von zweier unbegleiteter Deportee Flüge nach Griechenland für den Bf und für einen weiteren Asylwerber.

 

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2010 ersuchte die belangte Behörde das Bundesministerium für Inneres (BMI), Schub-/Schubhaftkoordination EKC Permanenzdienst, um Vorführung des Bf an das afghanische Konsulat im Wien am 27. Oktober 2010.

 

Am 27. Oktober 2010 übermittelte der Verein x ein Entlassungsansuchen für den 2. November 2010, 10.00 Uhr, und begründete dies damit, dass sich der Bf zur freiwilligen Heimkehr ins sein Heimatland entschlossen habe. Neben der Flugbuchungsbestätigung wurde auch eine Kopie des Reisepasses vorgelegt.

 

Im Bericht vom 27. Oktober 2010, Stich40-2536-2010, hielt die BPD Wien, LPK für Wien, Abteilung für fremdenpolizeiliche Maßnahmen und Anhaltevollzug, fest, dass der Bf der afghanischen Botschaft vorgeführt und für diesen in der Folge ein Heimreisezertifikat ausgestellt worden sei. Das Heimreisezertifikat habe ein Vertreter des Vereins x übernommen. Eine Ausfertigung des Berichtes langte am 27. Oktober 2010 bei der belangten Behörde ein.

 

Mit E-Mail vom 27. Oktober 2010 teilte das BMI u.a. der belangten Behörde folgendes mit:

"Die u.a. Einstweilige Verfügung des EGMR betr. Rule 39 vom 27.10.2010, APPL. Nr. 62154/10, Herrn x bis zu einer endgültigen Entscheidung des EGMR nicht nach Griechenland abzuschieben ergeht zur Kenntnisnahme und umgehenden weiteren Veranlassung.

Zwecks Einhaltung von Berichtspflichten wird einer umgehenden Rückmeldung des Vollzuges ersucht.

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bis zur Entscheidung des EGMR die Nichtbeachtung dessen Einstweiliger Verfügung vom 27.10.2010 und Auslieferung nach Griechenland eine Konventionsverletzung seitens Österreich bedeuten wird." (Hervorhebungen im Original)

 

Aufgrund dieser Mitteilung führte die belangte Behörde im E-Mail vom 27. Oktober 2010 aus, dass sich der Fremde gegenwärtig in Schubhaft befinde und die in Folge durchführbarer Ausweisungsentscheidung (AIS 10 06.997) für 4. November 2010 avisierte Abschiebung nach Griechenland storniert werde und seitens der BH Vöcklabruck sichergestellt sei, dass der Fremde bis zur Entscheidung des EGMR nicht nach Griechenland abgeschoben werde.

 

Mit E-Mail vom 27. Oktober 2010, 16.14 Uhr, informierte die Sicherheitsdirektion Oberösterreich die belangte Behörde (Außenstelle Thalham) von der "einstweiligen Verfügung des EGMR" und dem Ersuchen um Abstandnahme von der Abschiebung nach Griechenland und forderte die belangte Behörde um "umgehende Rückmeldung des Vollzuges" auf.

 

Am 28. Oktober 2010 vermerkte das Bundesasylamt im AIS/DGA unter der Zahl 10 06.997, dass die Überstellung nach Griechenland aufgrund der "auf-schiebenden Wirkung" ausgesetzt und dies Griechenland mitgeteilt worden sei.

 

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 ersuchte die belangte Behörde das PAZ Wien, den Bf am 2. November 2010 aus der Schubhaft zu entlassen und ihn an Vertreter des Vereins x zu übergeben, da sich der Bf zur freiwilligen Ausreise entschlossen habe.

 

Am 3. November 2010 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass der Bf unter Gewährung von Rückkehrhilfe am 2. November 2010 aus dem Bundesgebiet ausgereist sei.

 

Mit Schreiben vom 24. November 2010 gab die nunmehrige Rechtsvertreterin bekannt, dass ihr der Bf Vollmacht erteilt habe. Anschließend ersuchte sie um Akteneinsicht.

 

2. Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2010, gerichtet an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, eingelangt am 15. Dezember 2010, erhob der Bf, nunmehr vertreten durch Rechtsanwältin x, Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft in der Zeit vom 28. Oktober bis 2. November 2010.

 

Einleitend stellte die Rechtsvertreterin das bisherige Verfahren dar. Ergänzend zum innerstaatlichen Verfahrensablauf wies die Rechtsvertreterin auf das Beschwerdeverfahren vor dem EGMR hin. Demnach habe der Bf Beschwerde an den EGMR erhoben und die Zuerkennung einer einstweiligen Anordnung beantragt.

 

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2010 habe der EGMR eine einstweilige Anordnung erlassen, wonach die Abschiebung des Bf nach Griechenland zu unterbleiben habe, bis der EGMR Gelegenheit gehabt habe, die Beschwerde des Bf zu prüfen. Das Beschwerdeverfahren gegen die Republik Österreich sei beim EGMR zu Zl. 62153/2010 anhängig.

 

Die belangte Behörde gehe davon aus, dass eine durchsetzbare Ausweisung vorliege und dem Bf kein faktischer Abschiebeschutz zukomme. Daraus folge, dass die Anordnung der Schubhaft bzw. deren Fortsetzung jedenfalls dann rechtswidrig sei, wenn eine durchsetzbare Ausweisung nicht oder nicht mehr vorliege.

 

Seit der Erlassung der einstweiligen Anordnung durch dem EGMR am 27. Oktober 2010 liege diese Tatbestandvoraussetzung nicht mehr vor.

 

Der EGMR entnehme der Regel 39 der Verfahrensordnung i.V.m. Art 34 und 46 EMRK bei Auslegung der Vorschriften der Verfahrensordnung im Lichte der einschlägigen Vorschriften der EMRK und daher der Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der EMRK sowie des effet utile die Pflicht eines jeden Konventionsstaates, einstweilige Anordnungen zu befolgen, wenn diese zum Zweck der Verhinderung irreparabler Schädigung der Interessen von Beschwerdeführern erlassen wurden. Der betreffende Staat müsse jegliche Handlungen unterlassen, die geeignet seien, die Wirksamkeit des Urteils in der Hauptsache zu beeinträchtigen (siehe Michael Kleine-Cossack, Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerde, C.F. Müller, 2. Aufl., München, 2007, Rz. 1453).

 

Nach auszugsweiser Wiedergabe der Entscheidung des EGMR vom 6. Februar 2003 (Mamatkulov&Abdurasulovic gegen die Türkei, Applications no. 46827/99 and 45951/99), einer Folgeentscheidung (Paladi gegen Moldau, Urteil vom 10. März 2009, Application no. 39806/05) und dem Verweis auf Christoph Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, Verlag Beck, 3. Aufl., München, 2008, S. 50) stehe für die Rechtsvertreterin fest, dass die Republik Österreich verpflichtet sei, den vom EGMR zuerkannten Schutz zu gewähren.

 

Im Übrigen werde diese Rechtsansicht auch vom BMI geteilt. Das BMI habe als weisungsbefugte Oberbehörde der belangten Behörde am 27. Oktober 2010 um 13.36 Uhr Folgendes mitgeteilt:

"Die u.a. Einstweilige Verfügung des EGMR betr. Rule 39 vom 27.10.2010, APPL. Nr. 62154/10, Herrn x bis zu einer endgültigen Entscheidung des EGMR nicht nach Griechenland abzuschieben ergeht zur Kenntnisnahme und umgehenden weiteren Veranlassung.

Zwecks Einhaltung von Berichtspflichten wird einer umgehenden Rückmeldung des Vollzuges ersucht.

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bis zur Entscheidung des EGMR die Nichtbeachtung dessen Einstweiliger Verfügung vom 27.10.2010 und Auslieferung nach Griechenland eine Konventionsverletzung seitens Österreich bedeuten wird." (Hervorhebungen im Original)

 

Die belangte Behörde habe bereits um 14.31 Uhr auf das Schreiben reagiert und die vorgesehene Abschiebung nach Griechenland storniert. Daraus sei ableitbar, dass die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass der Bf nicht nach Griechenland abgeschoben werde.

 

Unabhängig davon, dass sich der Bf zur freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan bereit erklärt habe, habe seit dem 27. Oktober 2010 kein Sicherungsbedarf mehr bestanden und der Bf hätte entlassen werden müssen. Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 27. Oktober 2010 sei die Anhaltung des Bf in der Zeit vom 28. Oktober bis zum 2. November 2010 rechtswidrig. In der angesprochenen Entscheidung habe sich der Oö. Verwaltungssenat ausschließlich darauf gestützt, dass das Verhalten des Bf ausschließlich darauf ausgerichtet gewesen sei, seine Abschiebung nach Griechenland "hintanzuhalten" und er "durch sein Verhalten (z.B.: freiwillige Heimreise in der Herkunftsstaat) das in der Dublin-VO vorgesehene Regelungsregime unterlaufen" wollte. Mit der Zuerkennung einer "interim measure" durch den EGMR verliere diese Begründung jedoch ihre Relevanz, sodass die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2a FPG spätestens ab dem Zeitpunkt der Zuerkennung nicht mehr vorgelegen seien.

 

Abschließend beantragte der Bf die Rechtwidrigerklärung der Anhaltung in Schubhaft in der Zeit vom 28. Oktober bis 2. November 2010 und den Zuspruch der Kosten im Umfang der Pauschalersatzverordnung.

3. Die belangte Behörde hat die fremdenpolizeilichen Aktenteile per E-Mail übermittelt und eine Gegenschrift erstattet.

 

Einleitend wurde auf die bisherigen Entscheidungen, die darin enthaltenen Sachverhaltsdarstellungen verwiesen und mitgeteilt, dass der Bf im Rahmen der freiwilligen Rückkehr am 2. November 2010 aus der Schubhaft entlassen worden sei.

Der Bf habe von sich aus den Wunsch geäußert, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren. Dem sei die belangte Behörde nachgekommen. Offensichtlich verfolge die Rechtsvertretung andere Interessen als der Bf selbst. Es sei kaum vorstellbar, dass der Bf gewillt sei, die laufenden Anwaltskosten zu tragen, um letztlich ein Verfahren fortzuführen, welches gegenständlich für den Bf selbst nicht mehr sachrelevant sein könne. Eine aktuell bestehende Vollmacht werde daher in Frage gestellt. Fraglich sei auch, ob die vom EGMR ausgesprochene "einstweilige Maßnahme" in vorliegender Sache noch sachrelevant sei, zumal sich der Fremde selbst nach Zustellung der "Entscheidung" des EGMR für eine eigenständige Rückkehr in den Herkunftsstaat ausgesprochen habe.

 

Abschließend wurde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Nach § 83 Abs. 1 FPG ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

4.1.2. Dem Bf wurde am 11. Oktober 2010 der Schubhaftbescheid der belangten Behörde ausgefolgt, anschließend wurde er in das PAZ Wien verbracht und bis 2. November 2010 in Schubhaft angehalten.

 

Der Beschwerde vom 21. Oktober 2010 gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft wurde nicht Folge gegeben und der Oö. Verwaltungssenat hat mit Erkenntnis vom 27. Oktober 2010, VwSen-401091/5/SR/Sta, zugestellt am 28. Oktober 2010, die weitere Anhaltung des Bf in Schubhaft für zulässig erachtet.

 

Im Hinblick auf dieses Erkenntnis, dessen Ausspruch einen neuen Titelbescheid nach § 83 Abs. 4 FPG darstellt, ist das zur Entscheidung zuständige Mitglied des Oö. Verwaltungssenates ausschließlich gehalten, über die Anhaltung des Bf ab dem 28. Oktober 2010, 11.43 Uhr, bis zum 2. November 2010 abzusprechen.

 

Die vorliegende Beschwerde, die ausschließlich die Anhaltung in Schubhaft in der Zeit vom 28. Oktober bis 2. November 2010 betrifft, ist im Wesentlichen begründet. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist von einer Bevollmächtigung der nunmehrigen Rechtsvertreterin auszugehen (siehe Vollmachtserteilung vom 19. Oktober 2010 – vorgelegt mit der Beschwerdeschrift vom 20. Oktober 2010 zu VwSen-401091).

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG 2005 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß    § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 vorletzter Satz AsylG nicht nachgekommen ist, oder

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde,

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegen stehen.

 

Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs. 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs. 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

4.3. Der Bf erachtet die Anhaltung in Schubhaft in der Zeit vom 28. Oktober bis 2. November 2010 ausschließlich deshalb für rechtswidrig, weil er trotz der "einstweiligen Anordnung des EGMR vom 27. Oktober 2010" weiterhin in Schubhaft angehalten wurde.

 

Unbestritten steht fest, dass der Asylantrag des Bf gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und damit verbunden eine durchsetzbare Ausweisung nach Griechenland erlassen worden ist. Da der Asylgerichtshof der zuständigen Asylbehörde mitgeteilt hat, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wird, wurde ab Zugang dieser Mitteilung die durchsetzbare Ausweisungsentscheidung auch durchführbar. Innerstaatlich hat sich an dieser Rechtslage vorerst nichts geändert.

 

Nach Art. 39 VerfO kann die zuständige Kammer oder deren Präsident den Parteien eines Verfahrens vorläufige Maßnahmen "empfehlen", die im Interesse der Parteien oder eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs ergriffen werden sollten. Ergriffen werden kann die vorläufige Maßnahme aber nur vom betroffenen Staat selbst. In der Praxis wird dieses Instrument ausschließlich dann eingesetzt, wenn ein glaubhaftes und unmittelbar bevorstehendes Risiko eines irreparablen Schadens besteht (siehe: Christoph Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, Verlag C.H.Beck, 3. Aufl., München, 2008, § 12 RNr.1). Grabenwarter führt weiter aus, dass die beklagten Staaten im Rahmen von Art. 39 VerfO ersucht werden, die vom Beschwerdeführer angegriffenen Maßnahmen während des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofes nicht zu vollziehen und kommt zum Ergebnis, dass "vorläufige Maßnahmen für die Mitgliedsstaaten verbindlich sind". Diese Annahme begründe der EGMR im Fall x mit der Effektivität des Rechtsschutzsystems. Die Nichtbefolgung der vorläufigen Maßnahme sei eine Verletzung des Rechts auf Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK. Nur durch die Beachtung der vorläufigen Maßnahme habe der Mitgliedstaat die Möglichkeit, seine Pflicht zur Befolgung eines Endurteils des EGMR zu befolgen.

 

Wie Grabenwarter zutreffend ausgeführt hat, stellt die vorläufige Maßnahme eine Empfehlung dar, die sich an den beklagten Mitgliedstaat richtet. Auch wenn die Empfehlung, die vom Bf "einstweilige Anordnung" genannt wird, für den beklagten Mitgliedstaat verbindlich ist, erlangt der Bf durch diese nicht die verfahrensrechtliche Stellung, die einer Person zukommt, der im Verfahren die aufschiebenden Wirkung zuerkannt worden ist. Die vorliegende Ausweisungsentscheidung bleibt formal nach dem AsylG durchsetzbar und auch durchführbar.

 

Der Vorlageakt lässt den Schluss zu, dass die belangte Behörde trotz des Vorliegens der vorläufigen Maßnahme weiterhin von einer durchführbaren Ausweisungsentscheidung und einer zulässigen Abschiebung des Bf nach Griechenland in absehbarer Zeit ausgegangen ist. Bezieht man jedoch die vom Bf wiedergegebenen Schriftsätze in die Beurteilung mit ein, ist zu ersehen, dass die belangte Behörde jedenfalls am 28. Oktober 2010 ihre Absicht fallen gelassen hat, den Bf in naher Zukunft nach Griechenland abzuschieben. Aus dem Schreiben vom 25. Oktober 2010 an den Asylgerichtshof ist abzuleiten, dass das primäre Ziel der belangten Behörde noch die Überstellung nach Griechenland war, im Falle der Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes durch die Vertretungsbehörde von Afghanistan dem Bf jedoch die freiwillige Rückkehr nach Afghanistan ermöglicht werden sollte.

 

Nach Verständigung über die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf am 27. Oktober 2010 hat die belangte Behörde am 29. Oktober 2010 das PAZ Wien ersucht, den Bf am 2. November 2010 zu entlassen, ihn an einen Vertreter des Vereins x zu übergeben um ihm die freiwillige Rückkehr in den Herkunftsstaats zu ermöglichen.

 

Gestützt auf § 80 Abs. 2 FPG kann die Schubhaft so lange aufrecht erhalten werden, bis ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Diese Bestimmung ist nicht isoliert zu betrachten und auch nicht dahingehend auszulegen, als das Ziel überhaupt nicht mehr erreicht werden kann. Sie muss jedenfalls im Zusammenhang mit jener Norm gesehen werden, auf die sich die Anhaltung bezieht. Die belangte Behörde hat sich bei der Schubhaftverhängung ausschließlich auf § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG gestützt, da eine zeitnahe Außerlandesbringung evident war. Wie dem vorliegenden Sachverhalt zu entnehmen ist, hat die belangte Behörde ein konkretes Sicherungsbedürfnis auch erst dann angenommen, als die Abschiebung unmittelbar bevorstand und eine Vereitelung der fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu befürchten war.

 

Wie bereits dargelegt, hat die belangte Behörde die Notwendigkeit der Schubhaft ausschließlich damit begründet, dass die unmittelbar bevorstehende Überstellung nach Griechenland gesichert werden müsse. Infolge der Bereitschaft des Bf, freiwillig in sein Herkunftsland auszureisen, hat die belangte Behörde die erforderlichen Schritte gesetzt und die notwendigen Voraussetzungen für eine Ausreise in den Herkunftsstaat des Bf geschaffen und für den Fall des Fehlschlagens dieser Variante weiterhin die Überstellung nach Griechenland betrieben. Solange die belangte Behörde vorrangig die Überstellung nach Griechenland betrieben hat, bestand ein konkretes Sicherungsbedürfnis für die zeitnah bevorstehende Überstellung.

 

In Kenntnis der "Erlassung der vorläufigen Maßnahme" hat das Bundesasylamt die Überstellung nach Griechenland ausgesetzt und dies auch den zuständigen griechischen Behörden zur Kenntnis gebracht. Im AIS/DGA wurde die "Aussetzung und die Verständigung Griechenlands" am 28. Oktober 2010 vermerkt. Von der Aussetzung der Überstellung wurde die belangte Behörde nicht informiert.

 

Auch wenn die belangte Behörde grundsätzlich darauf vertrauen kann, dass sie vom Bundesasylamt unverzüglich von jeder wesentlichen, die Überstellung betreffende Änderung in Kenntnis gesetzt wird, wäre sie im vorliegenden Fall schon aufgrund der für sie ungewöhnlichen Fallkonstellation (innerstaatliche Auswirkung der vorläufigen Maßnahme) gehalten gewesen, neben der regen Kontaktnahme mit dem BMI auch Rücksprache mit dem Bundesasylamt zu halten.

 

Unter Bezugnahme auf die "Erlassung der vorläufigen Maßnahme" hat das Bundesasylamt die Überstellung des Bf nach Griechenland "ausgesetzt" und eine Überstellung nach Griechenland von einer Entscheidung des EGMR abhängig gemacht hat. Somit konnte das Ziel – die zeitnahe Abschiebung des Bf nach Griechenland – in absehbarer Zeit nicht mehr erreicht werden.

 

Unabhängig davon, ob die "vorläufige Maßnahme" eine Wirkung entfalte, die einem (zeitlich befristeten) Abschiebeverbot gleichkäme oder deren Nichtbeachtung eine Konventionsverletzung zur Folge haben würde, die im Hinblick auf drohende Sanktionen zu vermeiden ist, war im vorliegenden Fall ausschlaggebend, dass, bedingt durch die "Aussetzung der Überstellung nach Griechenland", ein konkretes Sicherungsbedürfnis im Beurteilungszeitraum nicht mehr gegeben war.

 

Die belangte Behörde konnte aufgrund der vorliegenden wesentlichen Sachverhaltsänderungen, die spätestens im Verlaufe des Nachmittags des 28. Oktobers 2010 hervorgekommen sind, die Schubhaft nicht weiter auf § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG stützen.

 

Wie bereits ausgeführt, wurde die Anordnung der Schubhaft und die Anhaltung ausschließlich damit begründet, dass die Überstellung nach Griechenland zu sichern sei und ein dementsprechendes Sicherungsbedürfnis bestehe. Dieser Ansicht ist auch der Oö. Verwaltungssenat in seinem Erkenntnis vom 27. Oktober 2010, VwSen-409091/5/SR/Sta, beigetreten und er hat daher aufgrund des ihm zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Sachverhaltes (die nunmehr vorliegenden wesentlichen Sachverhaltsänderungen waren ihm nicht bekannt) festgestellt, dass "zum gegenwärtigen Zeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen".

 

Bedingt durch die Sachverhaltsänderungen wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, den relevanten Sachverhalt einer neuerlichen Beurteilung zu unterziehen. Da der Zweck der Schubhaft durch die "Aussetzung der Überstellung nach Griechenland" nicht mehr erreicht werden konnte, hätte die belangte Behörde den Bf unverzüglich aus der Schubhaft entlassen müssen. Von einer Aufhebung der Anhaltung hätte sie nur dann Abstand nehmen können, wenn sie diese auf einen anderen Schubhafttatbestand stützen hätte können. Jedenfalls hätte die belangte Behörde für die weitere Anhaltung einen Schubhaftbescheid erlassen müssen. In Anbetracht dessen, dass die belangte Behörde im Anschluss daran, als für sie erkennbar sei musste, dass die Schubhaft nicht mehr auf § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG gestützt werden konnte und zu diesem Zeitpunkt gegen den Bf ein Ausweisungsverfahren der Asylbehörden in den Herkunftsstaat weder beabsichtigt noch eingeleitet war, kein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung eingeleitet hat, lässt sich dem vorliegenden Sachverhalt ein vertretbarer Schubhaftgrund nicht entnehmen. Da weder eine durchsetzbare fremdenpolizeiliche Ausweisung noch ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot vorlagen, hätte der Bf auch nicht zwangsbewehrt abgeschoben werden dürfen. Die Sicherung der freiwilligen Ausreise mittels Schubhaft ist im FPG nicht vorgesehen.

 

Die Anhaltung in Schubhaft für den Zeitraum vom 28. Oktober (Nachmittag) bis 2. November 2010 war als rechtswidrig festzustellen.

 

5. Nach § 79a Abs. 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs. 2 FPG hat die im Verfahren nach    § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder zurückgezogen oder abgewiesen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs. 3 AVG). Nach § 79a Abs. 6 AVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bf nach § 79a Abs. 1 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der Aufwandsersatzverordnung UVS, BGBl. Nr. II 456/2008, antragsgemäß ein Aufwandsersatz in Höhe von insgesamt 750,80 Euro (davon 13,20 Euro Eingabegebühr) zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs. 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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