Linz, 12.01.2011
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch X, vom 17. Dezember 2010 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 10. Dezember 2010, FE-1406/2010, Nsch-357/2010, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, sowie vom 23. Dezember 2010 gegen den (Berichtigungs)-Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 20. Dezember 2010, FE-1406/2010, Nsch-357/2010, zu Recht erkannt:
Die Berufungen werden abgewiesen und die angefochtenen Bescheide in Anfechtungsumfang bestätigt.
Rechtsgrundlage:
§§ 66 Abs.4 und 67a AVG
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem oben angeführten Bescheid vom 17. Dezember 2010 wurde dem Berufungswerber (Bw) in Bestätigung der Ausführungen im Mandatsbescheid der Erstinstanz vom 23. November 2010 gemäß §§ 4, 7, 24, 25, 26, 29, 30 und 32 FSG die von der BPD Linz am 3. April 2008, Zl. 08057989, für die Klassen A, B und E erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von acht Monaten, gerechnet ab 11. November 2010, entzogen und ihm für den gleichen Zeitraum das Recht aberkannt, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen, und ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge erteilt. Weiters wurden bis zum Ende der Entziehungsdauer die Absolvierung einer Nachschulung für alkoholauffällige Lenker und die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gemäß § 8 FSG sowie einer verkehrspsychologischen Stellungnahme angeordnet. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde einer Berufung dagegen die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte am 13. Dezember 2010.
Mit dem oben angeführten Bescheid vom 20. Dezember 2010 hat die Erstinstanz insofern eine Berichtigung im Sinne des § 62 Abs.4 AVG vorgenommen, als sie Textpassagen in der Begründung des Bescheides vom 10. Dezember 2010 abänderte, aber den Ausspruch über die Entziehung der Lenkberechtigung und deren Dauer unverändert ließ. Dem Bescheid vom 10. Dezember 2010 war der der Entziehung zugrundeliegende Sachverhalt insofern unrichtig angeführt, als offensichtlich aus einem anderen Bescheid stammende, mit dem Fall der Bw nicht zusammenhängende Textpassagen verwendet wurden. Im Berichtigungsbescheid wurde der auf den Bw bezogene Vorfall laut Anzeige zum Bestandteil der Begründung erhoben: "Nach der Anzeige vom 12. November 2010 lenkten Sie am 11. November 2010 um 19.45 Uhr das Kfz, Kz. X, in Linz auf der Ziegeleistraße 4, ca 130 m nach der Kreuzung mit der Waldeggstraße in Fahrtrichtung Leondinger Straße stadtauswärts in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand. Dort verursachten Sie einen Verkehrsunfall, indem Sie mit dem von Ihnen gelenkten Pkw mit mehreren vorschriftsmäßig abgestellten Kraftfahrzeugen kollidiert und danach von der Fahrbahn abgekommen sind, wodurch diese und der von Ihnen gelenkte Pkw beschädigt worden sind. Bei der Unfallaufnahme durch Polizeibeamte des SPK Linz konnten diese diverse Alkoholisierungsmerkmale bei Ihnen feststellen. Deswegen wurde eine Untersuchung der Atemluft mittels Atemalkoholmessgerätes durchgeführt, die einen Wert von 1,04 mg/l Atemluftalkoholgehalt ergeben hat."
Dagegen hat der Bw fristgerecht Berufung erhoben, darin aber nicht die geänderte Textpassage gemäß § 62 Abs.4 AVG angefochten, sondern den Schriftsatz der Berufung vom 17. Dezember 2010 in Teilen erneut vorgelegt.
2. Ausschließlich gegen die Dauer der Entziehung wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2010 ebenso wie gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2010. Beide Berufungen wurden seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG).
3. Der Bw macht gegen die sechs Monate übersteigende Entziehungsdauer im Wesentlichen geltend, die von ihm vorgelegten Laborbefunde zeigten, dass bei ihm kein Verdacht auf Alkoholabusus bestehe und er in keinster Weise leber- oder alkoholkrank sei. Die Wahrscheinlichkeit der Begehung eines Alkoholdeliktes sei daher noch geringer, der Bescheid verweise aber nur auf eine "diesbezügliche Unbescholtenheit". Er habe sich gar nicht auf wirtschaftliche, persönliche, familiäre oder berufliche Nachteile bezogen, habe aber die Bestätigung seines Arbeitgebers vorgelegt zum Beweis der langjährigen Firmenzugehörigkeit und Unauffälligkeit wegen Alkohol und dafür, dass der Verkehrsunfall samt den Begleitumständen nicht mit seiner Persönlichkeit und seinen Gewohnheiten korrelierten. Auch werde nicht berücksichtigt, dass Unfallsauslöser nicht er selbst, sondern ein Ausparkmanöver eines geparkten Fahrzeuges gewesen sei. Beantragt wird, eine Entziehungsdauer von lediglich sechs Monaten auszusprechen.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.
Aus der Anzeige geht hervor, dass am 11. November 2010 gegen 19.50 Uhr die Polizei zur Unfallstelle in die Ziegeleistraße wegen eines "Unfalls mit einem Alkoholisierten" um 19.45 Uhr beordert wurde. Der Bw wurde mit zwei Zeuginnen angetroffen, sein Pkw stand auf der Wiesenböschung, zwei andere Pkw auf dem bzw quer über den Gehsteig, zwei weitere Pkw am Fahrbahnrand. Angesprochen auf seine Alkoholisierungsmerkmale (leichter Alkoholgeruch, schwankender Gang, verlängerte Reaktionszeit beim Sprechen, Unaufmerksamkeit, Schläfrigkeit, leicht gerötete Augen) stimmte der Bw sofort einem Alkotest zu. Laut Anzeige gab der Bw an, er sei mit dem Firmenfahrzeug in Richtung Leonding gefahren und es habe auf einmal gekracht. Er wisse nicht, warum der Pkw jetzt auf der Wiesenböschung stehe und er glaube auch nicht, dass er in die geparkten Fahrzeuge gefahren sei. Er habe Alkohol getrunken, aber nicht so viel, dass er nicht fahren dürfte, nämlich Punsch von Mittag bis 19.00 Uhr. Der Alkotest mittels geeichtem Alkomat (Dräger, Nr. ARLL-0091) ergab bei der PI Hauptbahnhof um 20.16 Uhr 1,04 mg/l, um 20.17 Uhr 1,11 mg/l AAG. Der Führerschein wurde dem Bw laut § 39 Abs.1 FSG-Bescheinigung am 11. November 2010 um 20.30 Uhr abgenommen; der Pkw war wegen einer Beschädigung des Vorderrades fahruntüchtig.
Beschädigt wurden bei dem Unfall außer dem vom Bw gelenkten Firmenfahrzeug X (X) der Pkw X (X), der Pkw X (X), der Pkw X (X) und der Pkw X (X). Die beiden Zeuginnen stellten sich nachher als zufällig später vorbeigekommene Passanten heraus; Lenker der beschädigten Fahrzeuge waren nicht anwesend.
In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.
Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.
Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.
Gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 begeht ua eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt.
Gemäß § 26 Abs.2 Z1 FSG ist, wenn beim Lenken oder der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 begangen wird, die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen.
Unter Zugrundelegung des günstigeren Alkotestergebnisses von 1,04 mg/l AAG ist – vom Bw unbestritten – davon auszugehen, dass er eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 begangen und damit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z1 FSG verwirklicht hat.
Der Bw ist unbescholten, dh es war von erstmaliger Begehung und damit einer Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten auszugehen.
Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
Aus § 26 Abs.2 Z1 FSG folgt, dass es sich bei der dort genannten Entziehungszeit von sechs Monaten um eine Mindestentziehungszeit handelt, für deren Dauer die Lenkberechtigung jedenfalls zu entziehen ist, wenn eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 begangen wurde. Diese Bestimmung steht somit der Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer nicht entgegen, wenn Umstände vorliegen, die auf Grund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen darüber hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen (VwGH 24.4.2007, 2004/11/0001; 17.11.2009, 2009/11/0023, mit Vorjudikatur).
Dabei ist – abgesehen davon, dass nach ständiger Judikatur des VwGH Alkoholdelikte zu den schwersten Verstößen gegen Verkehrsvorschriften gehören, zumal alkoholbeeinträchtigte Lenker für sich alleine schon eine hohe potenzielle Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs darstellen, weil sie infolge ihrer herabgesetzten Konzentrations-, Beobachtungs-, und Reaktionsfähigkeit nicht in der Lage sind, die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen zufriedenstellend auszuüben – vor allem der hohe Alkoholisierungsgrad des Bw – 1,04 mg/l Atemalkoholgehalt entspricht immerhin 2,08 %o Blutalkoholgehalt – und die Verursachung eines Verkehrsunfalls mit erheblichem Sachschaden im Zustand dieser Alkoholbeeinträchtigung in die Wertung gemäß § 7 Abs.4 FSG mit einzubeziehen. Dafür dass ein ausparkendes Fahrzeug den Unfall ausgelöst haben könnte, wie der Bw erstmals in der Berufung behauptet, ergibt sich aus der Anzeige kein Anhaltspunkt, zumal die Lenker der beschädigten geparkten Fahrzeuge auch bei Eintreffen der Polizei nicht anwesend waren, was den Schluss zulässt, dass keiner von ihnen ausgeparkt haben kann. Abgesehen davon sind geparkte Autos ebenso wie Bäume als berechenbare Fixpunkte im Verkehrsgeschehen einzuordnen, dh es ist nicht einer überraschenden Änderung der zu beachtenden Verkehrssituation zu rechnen, Seitenabstände sind leicht abzuschätzen und eine vorausschauende Fahrweise einwandfrei möglich. Dass der Bw sich bei der Unfallaufnahme nur an ein "Krachen" erinnern konnte und – im Gegensatz zur neuen aber unsubstantiierten Behauptung in der Berufung – keine Erinnerung hatte, wie das von ihm gelenkte Firmenfahrzeug auf die Wiesenböschung gekommen war, spricht für sich – dass bei dem Unfall zumindest drei Pkw außer dem vom Bw gelenkten Firmenfahrzeug erheblich beschädigt wurden, ebenso. Der beim Bw gemessene Atemalkoholwert lässt auch darauf schließen, dass er von Mittag bis 19.00 Uhr unkontrolliert Punsch getrunken hat, wobei ihm bewusst sein musste, dass er noch ein ihm anvertrautes Firmenfahrzeug lenken werde; auch wenn Punsch von der Zusammensetzung und damit vom Alkoholgehalt her schwer zu berechnen ist, muss vom Inhaber einer Lenkberechtigung zumindest verlangt werden, dass er sich dessen bewusst ist und nur "überschaubare" Mengen trinkt oder eben eine gewisse Zeitspanne vor der Abfahrt nur mehr nichtalkoholische Getränke zu sich nimmt.
All diese Überlegungen hatten in die Wertung mit einzufließen, sodass insgesamt gesehen die Festsetzung der Entziehungsdauer mit acht Monaten im Sinne einer Prognose, wann der Bw die Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangt haben wird, für ausreichend aber zweifellos auch geboten und unabdingbar erachtet wird. Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer oder sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen KFZ-Lenkern (vgl VfGH 14.3.2003, G203/02; VwGH 18.3.2003, 2002/11/0062; 6.4.2006, 2005/11/0214; uva).
Die vom Bw vorgelegten Laborbefunde sind im Hinblick auf die ev. (spätere) Beurteilung seiner gesundheitlichen Eignung von Bedeutung, nicht aber im Hinblick auf die Beurteilung seiner Verkehrsunzuverlässigkeit, weil es sich dabei nicht um eine Krankheit sondern um einen charakterlichen Wertbegriff handelt.
Der rein auf die Entziehungsdauer bezogenen Berufung war daher im Anfechtungsumfang der Erfolg zu versagen und somit spruchgemäß zu entscheiden.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 54 Euro angefallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Bissenberger
Beschlagwortung:
erstmalige Begehung § 99 Abs.1 lit.a StVO, 1,04 mg/l AAG, nach VU mit Sachschaden an vom Bw gelenkten Firmenfahrzeug + 4 geparkten PKW -> 8 Monate FSE bestätigt.