Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231141/8/SR/Gru

Linz, 10.01.2011

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, x, vertreten durch x, x, gegen das Straferkenntnis des Polizei­direktors von Linz vom 3. September 2010, Gz.: S-19.063/10-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz (FPG), zu Recht erkannt:

I.       Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.      Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 45 Abs 1 Z 2, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrensgesetz 1991 (AVG);

zu II: § 65VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 3. September 2010, Gz.: S-19.063/10-2, wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt für schuldig erkannt und bestraft:

 

"Wie vom Fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 12.03.2010 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 18.04.2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind."

Dadurch habe der Bw eine Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG iVm § 31/1 Z. 2-4 u. 6 FPG begangen.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw gemäß § 120 Abs. 1 FPG eine Geldstrafe von 1.000,-- Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen, verhängt.

Begründend wurde dazu von der belangten Behörde ausgeführt, dass die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung auf Grund entsprechender dienstlicher Wahrnehmungen eines Beamten des fremdenpolizeilichen Referates der BPD Linz, der hierüber vorgelegten Anzeige vom 12. März 2010 sowie aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei als erwiesen anzusehen sei.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen stand für die belangte Behörde fest, dass der Bw Fremder im Sinne des Fremdengesetzes sei und über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz verfüge. Weiters sei der Bw nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels und es komme ihm kein Aufenthaltsrecht nach den asylrechtlichen Bestimmungen zu. Da für ihn auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgestellt worden sei, erfülle er keine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 FPG. Er halte sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf.

Darüber hinaus sei vom fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz mit Bescheid vom 14. Juli 2006 gegen den Bw ein Aufenthaltsverbot erlassen worden.

Für die belangte Behörde stehe daher fest, dass sich der Bw tatsächlich unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufgehalten und somit gegen die angeführten Bestimmungen des Fremdengesetzes verstoßen habe, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen habe, bestehe ein hohes Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung (VwGH vom 19.02.1997, Zl. 96/21/0516, ua.).

In diesem Sinne sei bei der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen habe, berücksichtigt worden. Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit gewertet worden, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien ebenfalls beachtet worden.

2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 9. September 2010 durch Hinterlegung zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende, am 21. September 2010 – und damit rechtzeitig – der belangten Behörde mit E-Mail übermittelte Berufung.

In der Begründung brachte der Vertreter vor, dass das Straferkenntnis angefochten und die Einstellung gemäß § 45 VStG in eventu gemäß § 21 VStG beantragt werde. Mangels zur Verfügung stehender Unterlagen werde ein ausführliches Berufungsvorbringen bei der mündlichen Verhandlung erstattet.

3. Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Verwaltungsstrafakt, GZ. S-19-063/10-2 samt Berufungsschrift vorgelegt.

3.1. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2010 wurde der Vertreter zur Vollmachtsvorlage und Übermittlung eines begründeten Berufungsantrages aufgefordert.

Innerhalb offener Frist legte der Vertreter die Vollmacht im Original vor.

In der fristgerecht vorgelegten Berufungsverbesserung brachte der Vertreter vor, dass keine taugliche Verfolgungshandlung vorliege und dem Konkretisierungsgebot nicht entsprochen worden wäre. Nach negativem Ausgang des Niederlassungsverfahrens bemühe sich der Bw nunmehr um einen humanitären Aufenthaltstitel. Obwohl der Bw versucht habe, "Ausreisepapiere" zu erlangen, seien ihm solche nicht ausgestellt worden. Ihn treffe daher kein Verschulden.

Abschließend beantragte der Bw u.a. die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

Im Schreiben vom 10. Jänner 2011 gab die belangte Behörde bekannt, dass trotz mehrmaliger Versuche und Urgenzen der belangten Behörde die Vertretungsbehörde kein Heimreisezertifikat für den Bw ausgestellt habe. Der Bw sei weiterhin nicht abschiebbar.

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Vorlageakt; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das mit Berufung bekämpfte Straferkenntnis aufzuheben ist, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3.2.1. Aufgrund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:

Der Bw ist Staatsangehöriger von Marokko.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2006, GZ 1-96702/FRB/07, hat die belangte Behörde gegen den Bw ein Aufenthaltsverbot erlassen. Das Aufenthaltsverbot ist mit 7. September 2007 in Rechtskraft erwachsen. Seit 17. April 2008 ist das Aufenthaltsverbot durchsetzbar.

Bei der Bearbeitung des Fremdenaktes des Bw stellte das fremdenpolizeiliche Referat der belangten Behörde am 12. März 2010 fest, dass das gegen den Bw erlassene Aufenthaltsverbot seit dem 17. April 2008 durchsetzbar ist.

Aufgrund der Anzeige vom 12. März 2010, AZ Fr-96.702, hat die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren eingeleitet und den Bw zur Rechtfertigung aufgefordert. Der Bw ist dem behördlichen Ersuchen nicht nachgekommen.

 

Ohne weitere Ermittlungen hat die belangte Behörde das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

Im bisherigen fremdenpolizeilichen Verfahren ist der Bw seiner Mitwirkungsverpflichtung nachgekommen. Trotz mehrmaliger Ersuchen hat die Vertretungsbehörde des Bw für diesen kein Heimreisezertifikat ausgestellt.

 

Abstellend auf die Aktenlage hält sich der Bw jedenfalls seit dem 18. April 2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

 

3.2.2. Unstrittig verfügt der Bw über keinen Aufenthaltstitel für Österreich. Im bisherigen Verfahren ist die belangte Behörde den Angaben des Bw über seine Identität gefolgt und davon ausgegangen, dass er ein Staatangehöriger von Marokko ist. Zweifel an der Identität des Bw sind im Verfahren nicht aufgetaucht.

Der Bw ist den Forderungen der belangten Behörde im Verfahren nachgekommen und hat somit unbestritten in jeder Phase umfassend mitgewirkt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Nach § 31 Abs. 1 leg. cit. halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind; sofern sie während des Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen,

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (aufgehoben, BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungs­gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

Nach § 120 Abs. 5 Z. 2 FPG liegt eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs. 1 Z. 2 nicht vor, solange der Fremde geduldet ist (§ 46a).

 

Gemäß § 46a Abs. 1 Z. 3 FPG ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet geduldet, solange deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich scheint.

 

4.2. Der Aufenthalt des Bw lässt sich auch auf keine Bestimmung des § 31 Abs. 1 FPG stützen.

Dennoch kann dem Bw nicht der im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck kommende Vorwurf gemacht werden.

 

Wie dem Vorlageakt und dem ergänzenden Schreiben der belangten Behörde zu entnehmen ist, hat der Bw im Beurteilungszeitraum im fremdenpolizeilichen Verfahren umfassend mitgewirkt und ist allen behördlichen Ersuchen nachgekommen. Allfällige Abschiebungsversuche ins seinen Herkunftsstaat sind ausschließlich daran gescheitert, dass die Vertretungsbehörde des Bw für diesen kein Heimreisezertifikat ausgestellt hat. Da der Bw auch über kein Reisedokument verfügt, ist ihm eine Ausreise in einen Drittstaat weder möglich noch zumutbar.

 

Von der belangten Behörde wird nicht bestritten, dass die Abschiebung des Bw im Beurteilungszeitraum tatsächlich nicht möglich war, der Bw im Ermittlungsverfahren seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist und er somit die Gründe, die einer Abschiebung tatsächlich entgegen stehen, auch nicht zu vertreten hat.

 

Im Hinblick darauf ist im Beurteilungszeitraum davon auszugehen, dass der  Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet geduldet war.

 

Entgegen der ursprünglichen Ansicht der belangten Behörde liegt gemäß § 120 Abs. 5 Z. 2 FPG keine Verwaltungsübertretung vor.

 

4.3. Da die dem Bw zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet, war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis hat der Bw gemäß § 65 VStG keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Stierschneider

 

 

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