Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420655/2/Wei/Ba VwSen-440132/2/Wei/Ba

Linz, 26.11.2010

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß aus Anlass der Beschwerde des X X, geb. X, X, X, vertreten durch X & Partner Rechtsanwälte OG, X, X, wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Verursachung eines künstlichen Verkehrsstaus durch Polizeibeamte der Bezirksverwaltungsbehörde Linz-Land den Beschluss gefasst:

 

 

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) iVm § 67a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG; §§ 67c bis 67g, 79a AVG und § 88 Abs 4 Sicherheitspolizeigesetz –SPG.

 

 

B e g r ü n d u n g:

 

1. Mit der beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 29. Oktober 2010 eingelangten Eingabe vom 28. Oktober 2010 hat der Beschwerdeführer (im Folgenden nur Bf) durch seine Rechtsvertreter Maßnahmenbeschwerde erhoben und dazu wie folgt vorgebracht:

 

" 1. Maßnahmenbeschwerde

 

Gegen die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erhebe ich innerhalb offener Frist Beschwerde gemäß § 88 Abs 1 und Abs 2 SPG an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wegen der Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten und von einfachgesetzlichen Rechten.

 

Angefochten wird die Maßnahme der Verursachung eines künstlichen Staus am 18.9.2010 durch Polizeibeamte, die der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zuzurechnen sind.

 

 

1.1.                 Sachverhalt:

 

Ich fuhr am 18.9.2010 gegen 12:00 Uhr mit meinem Pkw bei der Autobahnauffahrt Traun in Richtung Wien auf die A1 auf. Im Auto befanden sich meine Frau, meine Tochter, mein Sohn und ich.

 

Als ich auf die Autobahnauffahrt Traun auffuhr, bemerkte ich hinter mir ein Polizeiauto mit Blaulicht. Ich fuhr nach rechts und hielt kurz an, um das Polizeiauto passieren zu lassen. Das Polizeiauto überholte mich, blieb jedoch kurz vor dem Ende der Auffahrt stehen. Ich fuhr langsam an dem Polizeiauto vorbei, um auf ein mögliches Zeichen der Polizeibeamten reagieren zu können. Die Polizeibeamten unternahmen jedoch keine Handlungen, um mich von der Weiterfahrt auf die Autobahn abzuhalten. Als ich mit meinem Pkw auf die Beschleunigungsspur kam, sahen meine Familie und ich etwa 250 m vor uns einen Stau auf allen drei Fahrspuren. Zusätzlich stand am Staubeginn ein Polizeiauto am Pannenstreifen, sodass alle vier Spuren der Autobahn blockiert waren. Da mir ein Vorbeifahren nicht möglich war und die ganz linke Spur am wenigsten benutz war, reihte ich mich dort ein und hielt gezwungenermaßen an.

Einige Sekunden nachdem ich auf der ganz linken Spur anhielt, sah ich im Rückspiegel einen roten Pkw (es war ein roter Porsche Cayenne) regelrecht auf uns zufliegen und prallte dieser Pkw schließlich von hinten gegen das Auto, in dem meine Familie und ich uns befanden.

 

Durch den massiven Anprall wurden meine Familie und ich nach vorne geschleudert und schlugen unsere Köpfe trotz angelegter Sicherheitsgurte im Autoinnenraum an. Nachdem wir aus dem Pkw ausgestiegen waren, sahen wir, dass der Porsche selbst von einem roten VW Golf älteren Baujahres gerammt worden war. zugleich kam eine Vielzahl von Polizeifahrzeugen auf die Unfallstelle zugeschossen und Polizeibeamte, einige davon in Zivil, sprangen teilweise mit gezückten Pistolen aus ihren Autos und rannten auf den vollkommen demolierten VW Golf zu. Obwohl im VW Golf niemand mehr fähig war sich zu rühren, hielten einige Polizeibeamte ihre Pistolen durch die Autofenster des VW Golf und zielten auf die Schwerstverletzten.

 

Innerhalb von zwei bis drei Minuten waren sowohl Rettung als auch Feuerwehr an der Unfallstelle. Anscheinend hat man, einen derartigen Vorfall in Kauf nehmend, Rettung und Feuerwehr vorab informiert, sodass diese dann gleich zur Stelle waren. Meine beiden Kinder wurden in Begleitung meiner Frau mit der Rettung ins UKH Linz gebracht. Im Krankenhaus wurden bei meiner Tochter ein paar Beulen am Kopf, Kopfschmerzen und eine Zerrung der Schulter festgestellt. Die Langzeitwirkung der Unfallfolgen ist noch nicht abzusehen, da meine Tochter ein angeborenes 'juveniles spinales Anginom' zwischen den Halswirbeln C3 bis C6 hat. Jegliche Überbeanspruchung der Halswirbelsäule kann die fatalsten Folgen haben. Ferner sind meine Frau und meine beiden Kinder durch den Unfall und das Verhalten der Polizeibeamten traumatisiert.

 

Ein Polizeibeamter teilte mir nach dem Unfall mit, dass der rote Golf ein gestohlenes Fahrzeug war. Auf der Flucht vor der Polizei wurde von den beiden Flüchtenden angeblich Diebsgut aus dem Auto auf die Straße geworfen. Die Verfolgungsjagd der Polizei (8 bis 10 Polizeiautos, zwei Motorräder und ein Polizeihubschrauber) ging laut Aussagen eines Polizeibeamten bereits über 40 km. Um die von den Flüchtenden ausgehende Gefahr zu beenden, haben die Polizeibeamten daher fatalerweise die Autobahn kurz nach der Auffahrt Traun auf die A1 Richtung Wien durch einen künstlichen Stau unpassierbar gemacht.

 

Beweis:

-) beizuschaffender Verwaltungsakt

-) Vernehmung des Beschwerdeführers

-) Einvernahme von X X, X X jun. und X X als Zeugen; alle per Adresse des Beschwerdeführers

-) Einvernahme der Polizeibeamten"

 

1.2.                 Beschwerdegründe:

 

Die faktische Amtshandlung der Verursachung eines künstlichen Staus durch Polizeibeamte stellt eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Sie wurde mit physischem Zwang (Sperre der Autobahn) durchgesetzt und war es mir als Adressat der Maßnahme nicht möglich, den von der Polizeibeamten gesetzten Zwang nicht Folge zu leisten. Dadurch wurde ich am 18.9.2010 in folgenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten und einfachgesetzlichen Rechten verletzt:

 

a)        Zur Verletzung des Grundrechts auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit

 

Art 2 EMRK gewährleistet jeden Menschen ein Recht auf Leben, das die Grundrechte auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit mit einschließt.

 

Im vorliegenden Sachverhalt haben die Polizeibeamten gegen diese verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte verstoßen, indem sie im Zuge einer Amtshandlung mein Leben, meine Gesundheit und meine körperliche Unversehrtheit unzulässigerweise gefährdet haben. Durch die Verursachung eines künstlichen Staus wurden überdies die angeführten Grundrechte meiner Familie und weiterer unbeteiligter Personen verletzt.

Ein rechtfertigender Grund für diesen Grundrechtseingriff bestand nicht. Überdies bestand zu keinem Zeitpunkt eine Verhältnismäßigkeit zwischen der Verursachung eines künstlichen Staus und dem Zweck der Gefahrenabwehr iSd § 21 SPG, insbesondere da die weitere Verfolgung des Fluchtfahrzeugs durch den Einsatz eines Helikopters gewährleistet war.

 

Der bloße Umstand, dass die Polizeibeamten die Flucht eines Diebes beenden wollten, berechtigte die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes keinesfalls zu einer derart massiven und unverhältnismäßigen Maßnahme, mit der in grundrechte zahlreicher Personen eingegriffen wurde.

 

b)        Zur Verletzung des Grundrechts auf Schutz des Eigentums

 

Art 1 des 1. Zusatzprotokolls der EMRK und Art 5 StGG garantieren, dass jede Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums hat.

 

Bei der Verursachung des künstlichen Staus musste den Polizeibeamten bewusst sein, dass sie dadurch mein Eigentum und das mehrerer unbeteiligter Personen verletzen werden. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, dass ein mit überhöhter Geschwindigkeit flüchtender Dieb Rücksicht auf andere Rechtsgüter nehmen wird. Dadurch war ein Zusammenstoß mit den im Stau stehenden Pkw vorherzusehen und somit auch ein Eingriff in das Grundrecht auf Schutz des Eigentums.

 

Ferner wurden die durch den künstlichen Stau aufgehaltenen Verkehrsteilnehmer in ihrem freien Verfügungsrecht über ihre Pkw eingeschränkt, wodurch in ihr Eigentum eingegriffen wurde.

 

c)        Zum Verstoß gegen § 28 SPG

 

§ 28 SPG gewährleistet, dass bei der Abwehr gefährlicher Angriffe dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen der Vorrang vor dem Schutz anderer Güter einzuräumen ist. Ist ein Eingriff in Rechte von Menschen dennoch erforderlich, darf dieser nur vorgenommen werden, soweit die Verhältnismäßigkeit zwischen dem Anlass und dem angestrebten Erfolg gewahrt wird. So müssen die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 29 Abs 2 SPG insbesondere auf Unbeteiligte, voraussichtliche Schäden und Gefährdungen sowie die Schonung der Rechte und schutzwürdigen Interessen der Betroffenen Bedacht nehmen.

 

Bei der Verursachung eines künstlichen Staus haben die Polizeibeamten augenscheinlich nicht das Leben und die Gesundheit der unbeteiligten Verkehrsteilnehmer geschützt. Vielmehr haben sie mich und andere Unbeteiligte bewusst in eine noch größere Gefahrensituation gebracht, anstatt wegen der Gefahr des herannahenden Fluchtfahrzeugs die Auffahrt auf die A1 zu sperren. Unbeteiligte Zivilpersonen wurden so zum Rammbock für einen auf der Flucht befindlichen Dieb gemacht. Durch die Verursachung eines künstlichen Staus wurde bewusst die Gefährdung von Leib und Leben Unbeteiligter als auch der Flüchtenden in Kauf genommen. Ferner wurde das Ausmaß der voraussichtlichen Schäden und Gefährdungen offenbar nicht berücksichtigt, da die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes alleine aus diesem Grund keinen künstlichen tau verursachen hätten dürfen.

 

Darüber hinaus hätten die Polizeibeamten mich und andere auf die Autobahn auffahrende Personen vor der Gefahrensituation auf der Autobahn, die durch das mit überhöhter Geschwindigkeit herannahende Fluchtfahrzeug und dem künstlichen Stau bestand, durch eine Sperre der Auffahrt schützen müssen. Eine derartige Information war zweifellos möglich, da mich ein Polizeiauto noch auf der Autobahnauffahrt überholt hat. Stattdessen haben die Polizeibeamten absichtlich eine Kollision provoziert und Unbeteiligte, darunter mich und meine Familie, als Rammbock für das herannahende Fluchtfahrzeug benützt.

 

1.3.                 Anträge

 

Ich stelle somit die

 

A n t r ä g e,

 

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wolle

 

1.      eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen,

2.      die angefochtene Maßnahme für rechtswidrig erklären und

3.      dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde gem § 79a AVG den Ersatz der Kosten des Verfahrens des Beschwerdeführers binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu Handen des ausgewiesenen Rechtsvertreters auferlegen."

 

2.  Im Punkt 2. der Eingabe wird auf Grund des dargestellten Sachverhalts Aufsichtsbeschwerde gemäß § 89 SPG erhoben und eine Verletzung von Richtlinien für das Einschreiten gemäß § 31 SPG behauptet. Insofern wurde die Beschwerde mit abgesonderter Verfügung zu VwSen-440133-2010 an die zuständige Dienstaufsichtsbehörde weitergeleitet.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in die eingebrachte "Maßnahmenbeschwerde" Einsicht genommen und festgestellt, dass diese Beschwerde schon nach ihrem Inhalt und Rechtschutzziel ohne weiteres Verfahren aus rechtlichen Gründen als unzulässig zurückzuweisen ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts den Eingriff in subjektive Rechte des Betroffenen und die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl mwN VwGH 29.6.2000, Zl. 96/01/0596; VwGH 14.12.1993, Zl. 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983; zahlreiche weitere Judikatur bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998] E 55 ff zu § 67a AVG). Entscheidend ist, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl näher Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu Art 129a B-VG]. Nach dem überkommenen Begriffsverständnis des Verfassungsgerichtshofs muss der Verwaltungsakt gegen eine individuell bestimmbare Person gerichtet sein und einen unmittelbare Eingriff in die Rechtssphäre des Einzelnen zum Gegenstand haben (vgl mwN Eisenberger/Enöckl/Helm, Maßnahmenbeschwerde [2006], 29).

 

Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist im allgemeinen ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit [1983], 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles drohte (vgl mwN Walter/Mayer/Kuscko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 610). Maßnahmen im Rahmen der schlichten Hoheitsverwaltung können daher grundsätzlich nicht mit einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpft werden.

 

Im Übrigen dient der subsidiäre Rechtsbehelf der Maßnahmenbeschwerde nur dem Zweck, Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein- und desselben Rechts sollten mit der Maßnahmenbeschwerde nicht geschaffen werden. Was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher kein zulässiger Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde (vgl z.B. VwGH 18.3.1997, Zl. 96/04/0231; VwGH 17.4.1998, Zl. 98/04/0005). Das gilt auch dann, wenn das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende Verwaltungsverfahren allenfalls länger dauert (vgl VwGH 15.6.1999, Zlen. 99/05/0072, 0073, 0074 mwN). Demnach sind auch Zwangsmaßnahmen kein tauglicher Beschwerdegegenstand, wenn sie im Verwaltungsverfahren bekämpft werden können (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9.461 A/1977 und VwSlg 9.439 A/1977).

 

Nach § 88 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz - SPG (BGBl Nr. 566/1991 zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 133/2009) erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs regelt § 88 Abs 1 SPG kein selbständiges Rechtsinstitut, sondern nur einen Unterfall der im Art 129a Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG allgemein vorgesehenen Maßnahmenbeschwerde (vgl etwa VwGH 24.02.1995, Zl. 94/02/0500; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0339).

 

4.2. Bloße Aufforderungen oder Anordnungen stellen nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts noch keine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt dar. Erst wenn der Adressat bei Nichtbefolgung mit zwangsweiser Realisierung zu rechnen hat, wobei eine unverzüglich einsetzende physische Sanktion bevorstehen muss, kann begrifflich von einem Akt der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gesprochen werden (vgl dazu die Judikaturnachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998], E 61 und E 80 zu § 67a AVG). Die Weisung eines Sicherheitswachebeamten, eine bestimmte Straßenstelle zu verlassen, stellt noch keine faktische Amtshandlung dar, wenn kein unmittelbarer Zwang ausgeübt oder angedroht wurde. Die Androhung einer Strafanzeige schafft noch keine entsprechende Situation (vgl VwGH 28.2.1997, 96/02/0299). Der von Organen der Straßenaufsicht durch Zeichen iSd § 97 Abs 5 StVO 1960 mitgeteilten Aufforderung zum Anhalten hat der Fahrzeuglenker zwar Folge zu leisten. Deshalb handelt es sich dabei aber noch nicht um Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt. Die Nichtbefolgung solcher Zeichen stellt lediglich eine Verwaltungsübertretung dar (vgl § 99 Abs 3 lit j) StVO 1960). Steht es dem Betroffenen frei, einer Anordnung keine Folge zu leisten und die Frage ihrer Rechtmäßigkeit im Verwaltungsstrafverfahren auszutragen, so liegt keine "faktische Amtshandlung" vor (vgl etwa zur Aufforderung zum Alkoholtest oder Blutabnahme u.A. VwGH 25.3.1992, Zl. 91/02/0150; VwGH 25.3.1992, Zl. 91/03/0253; VwGH 19.1.1994, Zl. 93/03/0251; VwGH 22.4.1994, Zl. 94/02/0020; VfSlg 7.509/1975).

 

Nach dem Beschwerdevorbringen musste der Bf sein Fahrzeug infolge eines durch eine Polizeisperre verursachten Staus auf der Autobahn zum Stillstand bringen und anhalten. Er sah beim Auffahren auf die Autobahn den Stau aus 250 Metern Entfernung und ein Polizeiauto am Pannenstreifen. Er fuhr dann aus eigenem Antrieb auf den äußerst linken Fahrstreifen, um sich dort einzureihen. Sein nachfolgendes Anhalten wurde durch die Verkehrssituation und nicht durch eine unmittelbar an ihn gerichtete Anordnung oder Weisung erzwungen. Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinn der oben beschriebenen begrifflichen Voraussetzungen drohte ihm dabei zu keiner Zeit. Er war von Anordnungen nach § 97 Abs 4 StVO (sog. Weisungen) durch Organe der Straßenaufsicht, die offenbar im Untersagen der Weiterfahrt bzw der vorübergehenden Sperre der Autobahn bestanden, nicht einmal unmittelbar betroffen, zumal er sich selbst nicht an vorderster Stelle befand und daher auch keine Weisung erhielt. Er war durch den sich danach gebildeten Stau auf allen Fahrspuren der Autobahn nur mittelbar betroffen. Das durch eine solcherart - wenn auch "künstlich" - herbeigeführte Verkehrssituation erzwungene Anhalten erfüllt nicht die Merkmale der Ausübung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Die Absperrung einer öffentlichen Straße ist mangels Individualität des Aktes keine Maßnahme unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl Eisenberger/Enöckl/Helm, Maßnahmenbeschwerde, 37 mwN).

 

4.3. Gemäß § 88 Abs 2 SPG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate außerdem über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

 

Nach § 2 Abs 2 SPG besteht die Sicherheitsverwaltung aus der Sicherheitspolizei, dem Pass- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten.

 

Gemäß § 3 SPG besteht die Sicherheitspolizei aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei (Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG), und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht.

 

Gemäß § 22 Abs 3 Satz 1 SPG haben Sicherheitsbehörden unbeschadet ihrer Aufgaben nach der StPO die maßgebenden Umstände, einschließlich der Identität des dafür Verantwortlichen, zu klären, soweit dies zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. Im 2. Satz des § 22 Abs 3 SPG zieht dann der Gesetzgeber die Zäsur: Sobald eine bestimmte Person der strafbaren Handlung verdächtig ist, die Anlass für sicherheitspolizeiliche Erhebungen bildet, gelten ausschließlich die Bestimmungen der StPO. Kriminalpolizeiliche Aufklärungstätigkeit im Dienste der Strafjustiz zählt daher spätestens seit dem Sicherheitspolizeigesetz nicht mehr zur allgemeinen Sicherheitspolizei (vgl Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3 [2005], 76, A.6. mit zahlreichen Nachw).

 

Die sicherheitspolizeiliche Klärungsaufgabe kommt nach § 22 Abs 3 SPG nur in Betracht, solange kein bestimmter Mensch einer strafbaren Handlung verdächtig ist und solange sie zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich ist. Sie endet regelmäßig vor der Klärungsaufgabe im Dienste der Strafrechtspflege. Ein bestimmter Mensch ist einer strafbaren Handlung verdächtig, wenn der Verdacht auf eine zwar bestimmte, aber nicht notwendig namentlich bekannte Person fällt ("Der da!"; treffend Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, 259, A.17.).

 

Nach der vorliegenden Beschwerde wurde ein gestohlener roter VW Golf von zwei Dieben als Fluchtfahrzeug benutzt, wobei auf der Flucht auch Diebsgut aus dem Auto auf die Straße geworfen worden sein soll. Die Verfolgung auf der A1 sei bereits über 40 km von Polizeibeamten mittels Dienstfahrzeugen und einem Polizeihubschrauber vor sich gegangen. Offenbar sollte auf der Fahrbahn Richtung Wien nach der Autobahnauffahrt Traun (wie amtsbekannt ist, befindet sich in diesem Bereich eine 100 km/h Beschränkung nach dem IG-Luft) die Flucht der Diebe beendet werden.

 

Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats handelt es sich bei Dieben in einem identifizierten Fluchtfahrzeug, das von der Kriminalpolizei auf einer Autobahn verfolgt und sogar mittels Hubschrauber observiert wird, um - wenn auch namentlich unbekannte - durch die gegebenen Umstände aber doch hinreichend bestimmte Menschen, die einer strafbaren Handlung verdächtig sind. Außerdem ist nach dem Beschwerdevorbringen auch die zweite Bedingung für eine sicherheitspolizeiliche Klärungsaufgabe zu verneinen, dass nämlich zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe der gerade verfolgten Diebe gehandelt hätte werden müssen. Im Grunde des § 22 Abs 3 SPG sind nur mehr die Vorschriften der StPO anzuwenden und eine sicherheitspolizeiliche Klärungsaufgabe scheidet aus, auch wenn noch gemäß § 21 Abs 2 SPG dem gefährlichen Angriff der Täter (Rechtsgutbeeinträchtigung dauert über die strafrechtliche Vollendung des Diebstahls hinaus an) ein Ende zu setzen ist. Eine Beschwerde nach § 88 Abs 2 SPG wegen Besorgung der Sicherheitspolizei ist demnach nicht möglich.

 

Selbst wenn man diese Meinung nicht teilen will, fehlt es dem Bf aus den im Folgenden noch auszuführenden weiteren Gründen an der Beschwerdelegitimation.

 

4.3. Mit der Einführung der Eingriffsbeschwerde nach § 88 Abs 2 SPG wollte der Gesetzgeber (vgl RV SPG 148 BlgNR 18. GP, 53) Abhilfe gegen die rechtspolitisch unerwünschte Situation schaffen, welche durch Unklarheiten in der Frage bestanden, ob im Einzelfall eine polizeiliche Maßnahme als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder nur als schlichtes Polizeihandeln zu qualifizieren ist. Damit sollte auch das schlichte Polizeihandeln, sofern es in Rechte eingreift, einklagbar werden. Der Vorschrift kommt demnach auch nur insofern eine ergänzende Hilfsfunktion zu (arg.: "auf andere Weise"; vgl VwGH 26.5.2009, Zl. 2005/01/0203). Abgesehen von der Zwangsgewalt müssen demnach die sonstigen begrifflichen Voraussetzungen einer Maßnahme vorliegen.

 

Gemäß § 87 SPG hat jedermann Anspruch darauf, dass ihm gegenüber sicherheitspolizeiliche Maßnahmen nur in den Fällen und in der Art ausgeübt werden, die dieses Bundesgesetz vorsieht.

 

Der Anspruch auf Gesetzmäßigkeit besteht daher nur soweit sicherheitspolizeiliche Maßnahmen (im weiteren Sinn) dem Betroffenen gegenüber (arg.: "ihm gegenüber") gesetzt wurden. Demnach muss auch bei der Eingriffsbeschwerde nach dem § 88 Abs 2 SPG ebenso wie bei der Ausübung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Individualität des Verwaltungsaktes vorliegen und besteht kein Anspruch darauf, dass sicherheitspolizeiliches Verwaltungshandeln generell gesetzeskonform stattfindet.

 

Wie Hauer/Keplinger in ihrem Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, 860, A.3., zutreffend ausführen, finden sicherheitspolizeiliche Maßnahmen jemandem gegenüber nur statt, wenn sich die der Maßnahme zugrunde liegende Intentionalität gegen diese Person richtet. Es reicht daher nicht, wenn eine sicherheitspolizeiliche Maßnahme bloß eine faktische Auswirkung auf jemanden hat. Genau dies ist bei dem durch Polizeikräfte verursachten "künstlichen" Verkehrsstau auf der Autobahn der Fall, durch den ein Dieb mit seinem Fluchtfahrzeug am Weiterfahren gehindert werden soll. Diese generelle Polizeimaßnahme hat faktische Auswirkung auf alle vom Verkehrsstau betroffenen Fahrzeuglenker. Sie ist aber nicht intentional gegen diese Lenker gerichtet und will in deren Rechtssphäre nicht eingreifen. Entgegen der offenbar gegenteiligen Beschwerdeansicht (vgl Beschwerde, Seite 6: "Ferner wurden die durch den künstlichen Stau aufgehaltenen Verkehrsteilnehmer in ihrem freiem Verfügungsrecht über ihre Pkw eingeschränkt, wodurch in ihr Eigentum eingegriffen wurde.") hat auch niemand ein subjektives Recht auf ungehinderte Fahrt auf Autobahnen oder anderen öffentlichen Straßen.

 

Die vom Bf geltend gemachte Verletzung der Grundrechte auf Leben, Gesundheit körperliche Unversehrtheit und Eigentum betrifft ausschließlich den durch den Auffahrunfall entstandenen Personen- und Sachschaden. Dieser wurde im Sinne der Äquivalenztheorie durch die polizeiliche Sperre der Autobahn ebenso wie durch die vom Bf beim Einordnen in den Stau gewählte äußerst linke Fahrspur und das Fahrverhalten der nachfolgenden Lenker des Porsche Cayenne und des gestohlenen VW Golf verursacht. Nach dem Beschwerdesachverhalt kann keine Rede davon sein, dass durch eine polizeiliche Maßnahme unmittelbar und intentional in die geltend gemachten Rechtspositionen eingegriffen wurde. Deshalb kann der Bf auch nicht mit Erfolg behaupten, dass "ihm gegenüber" eine Maßnahme mit Eingriffswirkung ausgeübt worden wäre. Er und seine Familie waren lediglich in mittelbarer Weise betroffen. Erst eine Reihe weiterer Umstände führte zum Auffahrunfall mit den geltend gemachten Schadensfolgen.

 

Im Übrigen ist anzumerken, dass der Bf auch nicht legitimiert war, allfällige Rechtseingriffe gegen seine Familienangehörigen im eigenen Namen geltend zu machen. Für seine Person spricht er nur von einer Gefährdung, weil er offenbar selbst keine Verletzungen erlitten hatte.

 

4.4. Der Bf beruft sich ferner auf § 28 SPG wonach Sicherheitsbehörden und deren Organe bei der Aufgabenerfüllung dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen Vorrang vor dem Schutz anderer Güter einzuräumen haben.

 

Auch aus dieser Vorschrift ist zur konkreten Frage der Beschwerdelegitimation für den Bf nichts zu gewinnen. Die Aufgaben der Sicherheitsbehörden auf dem Gebiet der Sicherheitspolizei sind in den §§ 19 ff SPG geregelt. Es handelt sich dabei um objektivrechtliche Verpflichtungen der Sicherheitsbehörden zur Vorbeugung und Gefahrenabwehr. Diese Normen begründen nach herrschender Meinung keine subjektiven Rechtsansprüche auf sicherheitsbehördliches Einschreiten. Das SPG gewährt keine Schutzansprüche im Sinne von positiven Leistungsrechten (vgl mwN Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, 227, A.4.). Weil auch aus § 87 SPG kein Recht auf sicherheitsbehördliches Einschreiten zum eigenen Schutz abgeleitet werden kann, fällt ein Unterlassen der Sicherheitsbehörden oder ihrer Organe grundsätzlich nicht unter den Rechtsschutz nach dem SPG. Ebenso wenig gewährt § 87 SPG einen Anspruch auf Aufschub des Einschreitens (vgl zum Ganzen Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, aaO, 861, A.4.).

 

Eine andere, von der Frage des subjektiven Rechts auf sicherheitspolizeiliches Einschreiten zu unterscheidende, im gegenständlichen Verfahren aber nicht zu lösende Frage ist es, ob nicht durch objektiv pflichtwidriges Verhalten von Sicherheitsbehörden bzw ihrer Organe im Rahmen der sicherheitspolizeilichen Aufgabenerfüllung Ersatzpflichten des Bundes ausgelöst werden. Für das Amtshaftungsrecht wird dazu in der Literatur angenommen, dass die objektivrechtlichen Pflichten zur Gefahrenabwehr als Schutzgesetze anzusehen sind und damit als Anspruchsgrundlage für Schadenersatz in Betracht kommen (vgl abermals mit Nachw Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, 228, A.8.). Zudem ist auch auf die spezielle Haftpflichtnorm des § 92 SPG hinzuweisen, nach der der Bund verschuldensunabhängig und damit ergänzend zur Amtshaftung gemäß § 1 Abs 1 AHG, die rechtswidriges und schuldhaftes Organhandeln voraussetzt, auch Schadenersatz bei rechtmäßigem Aufschub des Einschreitens nach § 23 SPG (Z 1) oder bei rechtmäßiger Inanspruchnahme fremder Sachen zur Abwehr eines gefährlichen Angriffs nach § 44 SPG (Z 2) zu leisten hat, damit nicht der einzelne Bürger die Nachteile im Interesse des Gemeinwohls zu tragen hat (vgl dazu näher M. Lukas in Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, 958, A.1. ff zu § 92 SPG).

 

4.5. Schließlich gilt auch für die Eingriffsbeschwerde nach § 88 Abs 2 SPG zur Vermeidung einer Zweigleisigkeit des Rechtsschutzes der Grundsatz der Subsidiarität dieses Rechtsbehelfs, sofern ein Sonderrechtsweg möglich ist. Mit dieser Beschwerde sollte bekanntlich nur eine Rechtsschutzlücke hinsichtlich des schlichten Polizeihandelns geschlossen werden (vgl bereits unter Punkt 4.3). Soweit die Rechtsordnung andere Rechtsschutzinstrumente einräumt, stehen weder Maßnahmenbeschwerde nach § 88 Abs 1 SPG, noch Eingriffsbeschwerde nach § 88 Abs 2 SPG zur Verfügung (vgl Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, 867, A.7., und 874, A.13.). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichthof in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 28. Jänner 1994, Zl. 93/11/0035 (= VwSlg 13994 A/1994) aus der gerichtlichen Kontrollzuständigkeit nach dem Unterbringungsgesetz abgeleitet, dass Beschwerden an den unabhängigen Verwaltungssenat (vgl § 88 iVm § 46 SPG) gegen Anstaltsakte jedenfalls im Grunde des Prinzips der Subsidiarität unzulässig sind.

 

Der Bf und seine Familie können den ihnen durch die gegenständliche Polizeiaktion verursachten Schaden im Zivilprozess geltend machen und u.A. Schadenersatz im Amtshaftungswege verlangen (vgl unter Punkt 4.4.). Im Hinblick auf die nach der Darstellung des Bf von den Polizeikräften riskierte erhöhte Unfallwahrscheinlichkeit und die eingetretenen erheblichen Verletzungen, müsste es zu gerichtlichen Strafverfahren gegen die vermeintlich schuldigen Personen kommen. Dabei hat die Staatsanwaltschaft auch gegen einzelne Polizeibeamte, die fahrlässig Leben und Gesundheit Unbeteiligter gefährdet und schuldhaft gehandelt haben, Strafantrag wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 88 StGB und/oder wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB bei Gericht zu erheben. Dem Bf steht es in diesem Zusammenhang frei, eine geeignete Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Linz einzubringen und sich in allfälligen Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen.

 

Somit zeigt sich, dass der Bf den behaupteten Eingriff in seine Rechtspositionen in gerichtlichen Verfahren geltend machen kann. Eine zusätzliche und damit parallele Rechtsverfolgung im Wege der Eingriffsbeschwerde nach § 88 Abs 2 SPG wäre selbst dann unzulässig, wenn man davon ausginge, dass der Bf Ansprüche nach § 87 SPG aus sicherheitspolizeilichen Maßnahmen geltend machen könnte.

 

5. Im Ergebnis war die vorliegende Beschwerde aus den dargelegten Gründen als unzulässig zurückzuweisen Eine Kostenentscheidung zugunsten des Rechtsträgers der belangten Behörde, die gemäß § 79a Abs 3 AVG auch im Fall der Zurückweisung einer Beschwerde als obsiegende Partei anzusehen ist, war nicht zu treffen, weil noch keine Behörde ins Verfahren eingebunden wurde und daher keine Kosten entstanden sind.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundestempelgebühren für die Beschwerde in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtssatz zu VwSen-420655 und 440132 vom 26. November 2010

 

§ 88 Abs 1 und 2 SPG

 

Eine Polizeisperre auf der Autobahn, um Diebe in einem gestohlenen Fahrzeug in einem dadurch verursachten Stau zu stoppen, ist mangels Individualität und In-tentionalität des Aktes weder eine Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbe­hördlichen Befehls- und Zwangsgewalt, noch eine schlichte sicherheitspolizeiliche Maßnahme gegen die vom Stau betroffenen Autolenker.

 

§ 22 Abs 3 Satz 2 SPG

 

Bei Dieben in einem identifizierten Fluchtfahrzeug, das von Polizeikräften auf der Autobahn schon 40 km lang verfolgt und sogar mittels Hubschrauber observiert wird, handelte es sich um zwar namentlich unbekannte, jedoch durch die gege­benen Umstände hinreichend bestimmte Menschen, die einer strafbaren Hand­lung verdächtig sind. Demnach liegt keine Sicherheitspolizei mehr vor und sind ausschließlich die Bestimmungen der StPO anzuwenden.

 

§ 87 SPG

 

Der Beschwerdeführer, der im Stau einen Auffahrunfall mit einem nachfolgenden Porsche und dem gestohlenen VW Golf erleidet, kann die Schadensfolgen nicht als Grundrechtseingriffe mit Beschwerde gemäß § 88 Abs 2 SPG geltend machen, weil das SPG keine subjektiven Rechte auf sicherheitspolizeiliches Einschreiten bzw Schutzansprüche im Sinne von positiven Leistungsrechten einräumt. Des­halb fällt auch ein sicherheitspolizeiliches Unterlassen grundsätzlich nicht unter den Rechtsschutz iSd § 87 SPG. Davon zu unterscheiden ist, dass ein objektiv pflichtwidriges Verhalten im Rahmen der sicherheitspolizeilichen Aufgabenerfül­lung Ersatzpflichten des Bundes im Wege der Amtshaftung auslösen kann.

 

§ 88 Abs 2 SPG

 

Auch für die Eingriffsbeschwerde nach § 88 Abs 2 SPG gilt zur Vermeidung einer Zweigleisigkeit des Rechtsschutzes der Grundsatz der Subsidiarität dieses Rechtsbehelfs, sofern ein Sonderrechtsweg möglich ist. Da der Bf seine Ansprü­che aus dem Schadensereignis im Zivilrechtsweg und als Privatbeteiligter im ge­richtlichen Strafverfahren verfolgen kann, wäre die Beschwerde nach § 88 Abs 2 SPG selbst dann unzulässig, wenn man davon ausginge, dass der Bf Ansprüche nach § 87 SPG aus sicherheitspolizeilichen Maßnahmen geltend machen könnte.

 

 

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