Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281226/9/Py/Hu

Linz, 27.01.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die auf die Strafhöhe eingeschränkte Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 21. April 2010, GZ: Ge96-9-5-2010-Bd/Fs, wegen Übertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die zu Faktum 1) verhängte Strafhöhe auf 170 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 8 Stunden), die zu Faktum 2) verhängte Strafhöhe auf 350 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Stunden) herabgesetzt wird.

 

II.     Der Beitrag des Berufungswerbers zum Verfahren vor der belangten Behörde verringert sich auf 52 Euro, das sind 10 % der nunmehr verhängten Geldstrafen. Für das Berufungsverfahren ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  §§ 64 und 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 21. April 2010, GZ: Ge96-9-5-2010-Bd/Fs, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) als handelsrechtlichen Geschäftsführer der Firma x wegen Verwaltungsübertretung nach § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl.Nr. 450/1994 idgF iVm § 58 Abs.8 1. Satz Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl.Nr. 340/1994 idgF zu Faktum 1) eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden), wegen Verwaltungsübertretung nach § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm § 65 Abs.4 1. Satz BauV zu Faktum 2) 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 28 Stunden) verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 70 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma x in x, und somit als das gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ und sohin strafrechtlich Verantwortlicher zu vertreten, dass im Zuge einer am 16.9.2009 von einem Organ des Arbeitsinspektorates Linz auf der Baustelle x, durchgeführten Baustellenkontrolle festgestellt wurde, dass am genannten Tag die Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung nicht eingehalten worden sind.

 

Am 16.9.2009 waren mehrere Arbeitnehmer der oben angeführten Firma mit Verputzarbeiten auf dem Fassadengerüst tätig, wobei das Gerüst folgende Mängel aufwies:

  1. Die am nordseitigen Gerüst als Aufstieg verwendete lotrechte Leiter war trotz einer Leiterlänge von ca. 6,00 m mit keinem Rückenschutz versehen. Dadurch wurde § 58 Abs.8, 1. Satz BauV übertreten, wonach, sofern bei Aufstiegen die Leiternlänge von lotrechten Leitern mehr als 5,00 m beträgt, diese mit einem Rückenschutz zu versehen sind.
  2. Bei dem 3-etagigen, mehrreihigen, freistehend nicht standsicheren Metallgerüst war nur höchstens jeder 2. Steher verankert.
    Dadurch wurde § 65 Abs.4, 1. Satz BauV übertreten, wonach jeder Steher eines mehrreihigen, freistehend nicht standsicheren Metallgerüst verankert sein muss."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde zur verhängten Strafhöhe aus, dass Milderungs- bzw. Erschwerungsgründe nicht gewertet wurden und von einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 2.000 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgegangen wird.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung vom 26. April 2010, die mit Eingabe vom 14. Jänner 2011 auf die im Straferkenntnis verhängte Strafhöhe eingeschränkt wurde.

 

 

3. Mit Schreiben vom 28. April 2010 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Weiters wurde im Rahmen des Parteiengehörs eine Stellungnahme von am Verfahren beteiligten Arbeitsinspektorat Linz eingeholt und dem Bw übermittelt. Mit Eingabe vom 14. Jänner 2011 schränkte der Bw seine Berufung auf die im Straferkenntnis verhängte Strafhöhe ein. Die Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte im Grunde des § 51e Abs.3 Z2 VStG entfallen.

 

5. Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 58 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl.Nr. 340/1994 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung sind Arbeitsgerüste Gerüste, von denen aus oder auf denen Arbeiten ausgeführt werden.

 

§ 58 Abs.8 BauV lautet: Werden als Aufstiege lotrechte Leitern verwendet, sind diese, sofern die Leiterlänge mehr als 5,00 beträgt, ab einer Höhe von 3,00 m mit einem Rückenschutz gemäß § 75 Abs.2 zu versehen. Durchlaufende lotrechte Leitern sind in Abständen von nicht mehr als 10,00 m durch Zwischenpodeste zu unterteilen, sofern in diesem Bereich keine Aufstiegsmöglichkeit auf eine Gerüstlage besteht. Zur Erleichterung des Ausstieges von der lotrechten Leiter auf eine Gerüstlage dürfen im Ausstiegsbereich (im Bereich des Leiterkorbes) Mittel- und Fußwehren entfallen.

 

Gemäß § 118 Abs.3 1. Satz ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl.Nr. 450/1994 gilt die Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl.Nr. 340/1994 (BauV), nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z. 1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 65 Abs.4 1. Satz Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) muss jeder Steher eines mehrreihigen, freistehend nicht standsicheren Metallgerüsts verankert sein.

 

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

5.2. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Bw zu Faktum 1) eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro (EFS 12 Stunden), zu Faktum 2) eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro (EFS 28 Stunden), verhängt. Milderungs- und Erschwerungsgründe wurden nicht gewertet. Als mildernd ist dem Bw jedoch zugute zu halten, dass er die Feststellungen des Arbeitsinspektorates anlässlich der Kontrolle nicht bestreitet, was einem Schuldeingeständnis nahe kommt. Weiters ist die lange Dauer des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens als Milderungsgrund zu bewerten. Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. B304/07 ausgesprochen, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen ist. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, ist auch die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer relevant (vgl. VfSlg. 17.307/2004; 17.582/2005, 17.644/2005). Nicht eine lange Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnis der staatlichen Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art.6 Abs.1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des EGMR).

 

Im gegenständlichen Verfahren sind seit der Tatbegehung und der Erlassung des Erkenntnisses des Oö. Verwaltungssenates über zwei Jahre vergangen, sodass aufgrund der vorliegenden Sach- und Rechtslage von keiner iSd Art.6 Abs.1 EMRK zu qualifizierenden noch gänzlich angemessenen Verfahrensdauer auszugehen war. Dieser Umstand war daher als Milderungsgrund iSd § 24 Abs.2 StGB bei der Strafbemessung entsprechend zu werten. Erschwerungsgründe sind auch im Berufungsverfahren nicht hervorgetreten und lag  zum Tatzeitpunkt noch keine rechtskräftige Bestrafung nach dem ASchG vor. Seitens des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenates erscheint daher auch mit den nunmehr verhängten Strafen eine ausreichende Sanktion gesetzt, um dem Bw die Unrechtmäßigkeit seines Verhaltens eindringlich vor Augen zu führen und ihn künftig zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuleiten. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass bei weiteren Übertretungen mit empfindlich höheren Strafen zu rechnen ist. Ein Überwiegen der Milderungsgründe, die eine Anwendung des § 20 VStG rechtfertigen würden, kann jedoch nicht festgestellt werden, da für das beträchtliche Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen nicht die Zahl der Milderungs- und Erschwerungsgründe ausschlaggebend ist, sondern ausschließlich deren Bedeutung – somit dem Gewicht nach – im Rahmen des konkret gegebenen Sachverhalts (vgl. u.a. VwGH vom 27. Februar 1992, 92/02/0095). Ebenso scheidet eine Anwendung des § 21 VStG aus, da die dafür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

6. Gemäß § 64 VStG war der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz entsprechend der nunmehr verhängten Geldstrafe neu festzusetzen. Da die Berufung Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag zum Berufungsverfahren gemäß § 65 VStG nicht zu leisten.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

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