Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252471/3/WEI/Mu/Ba

Linz, 21.01.2011

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X X, X, X, vertreten durch die X & X Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 15. April 2010, Zl. SV-28/10, wegen einer Verwal­tungsübertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz  (ASVG) zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkennt­nis aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren werden gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.              Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren entfällt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungs­verfahrensgesetz 1991 – AVG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

„Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma X X-GmbH. in X, X, verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten, dass durch oa. Firma Fr. X X, geb. am X, zumindest am 11.2.2010, in der Betriebsstätte oa. Firma in X, X („X“) mit Eingabetätigkeiten am Computer (Steuerungsgerät für TV-Geräte) als Dienstnehmerin beschäftigt wurde, ohne dass diese Dienstnehmerin vor Arbeitsantritt von oa. Firma  als verantwortlicher  Dienstgeberin beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurde. Der Monatslohn von Fr. X X lag (bei Annahme des kollektivvertraglichen Mindestlohnes) über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 (2) ASVG. Fr. X X arbeitete gemäß den Anweisungen und auf Rechnung oa. Firma. Sie war somit Dienstnehmerin. Da die Dienstgeber jeden von ihnen beschäftigten vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden haben, stellt dies eine Übertretung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) dar.“

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde eine Verwaltungsübertretung nach dem § 33  Abs 1 iVm § 111  Abs 1 Z 1 und 2 ASVG als gegeben und verhängte nach dem Strafrahmen des § 111 Abs 2 ASVG eine Geldstrafe in Höhe von 750 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 75 Euro (10 % der Geldstrafe) vorgeschrieben.

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass der Sachverhalt, das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Bw aufgrund der Anzeige des Finanzamtes Gmunden erwiesen sei.

 

Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung sei gegen den Bw das Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden. Da der Bw innerhalb der gesetzten zwei­wöchigen Frist darauf nicht reagiert habe, sei das Strafverfahren ohne seine Anhörung durchgeführt worden.

 

Nach Darstellung der verletzten Verwaltungsvorschriften stellte die belangte Behörde weiters fest, dass der gegenständliche Tatbestand der angelasteten Verwal­tungsübertretung somit in objektiver Hinsicht erfüllt sei.

 

Zum Verschulden führte die belangte Behörde aus, dass für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genüge und es sich im vorliegenden Fall um ein Ungehorsam­keitsdelikt gehandelt habe.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien keine Erschwerungsgründe hervorgekommen, während die völlige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit strafmildernd zu werten gewesen sei. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entspre­chender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnisses, welches dem Bw am 21. April 2010 durch Hinterlegung zugestellt wurde, richtet sich die am 23. April 2010 – und damit rechtzeitig – bei der belangten Behörde eingelangte Berufung, mit der das angefochtene Straferkenntnis seinem gesamten Umfang nach als unrichtig bekämpft wird.

 

In der Berufung wird zunächst ausgeführt, dass es sich bei der namentlich genannten Person um die zukünftige Gattin des Bw gehandelt habe und die Verehelichung am 30. April 2010 stattfinden werde. In der Folge wird weiters vorgebracht, dass diese Person nie für das gegenständliche Unternehmen tätig geworden sei. Zum Kontrollzeitpunkt habe sie lediglich ihren künftigen Gatten besucht. Aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse habe sie sich bei der Überprüfung nicht äußern können. Abschließend gibt er seine Einkommens- und Familienverhältnisse bekannt.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

3.1. Der Magistrat der Stadt Steyr hat mit Vorlageschreiben vom 28. April 2010 die Berufung des Bw dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich unter Anschluss des von ihr geführten Aktes mit dem Ersuchen um Entscheidung übermittelt.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenates hat Beweis erhoben durch Einsicht­nahme in den Akt des Magistrates der Stadt Steyr zu Zl. SV-28/10; da sich bereits aus diesem der entscheidungsrelevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3.3. Aus der Aktenlage ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt:

 

In der Anzeige des Finanzamtes Gmunden-Vöcklabruck vom 25. Februar 2010, FA-GZ. 053/75030/8/2010, wird der Bw einer Verwaltungsübertretung nach dem ASVG verdächtigt, weil im Zuge einer Kontrolle nach dem AuslBG und Erhebungen nach § 89 Abs 3 EStG am 11. Februar 2010, gegen 18.35 Uhr im gegenständlichen Lokal von Organen dieses Finanzamtes festgestellt wurde, dass die im Spruch angeführte Person hinter der Theke sitzend bei Eingabetätigkeiten am Computer (Steuerungsgerät für TV-Geräte) angetroffen wurde. Zur Dauer der Beschäftigung wurde ausgeführt, dass zumindest zum Zeitpunkt der Kontrolle die Tätigkeit ausgeübt wurde. Weiters geht aus diesem Strafantrag hervor, dass ein Beschäftigungsverhältnis sowohl von dieser Person als auch vom Bw bestritten wurde.

 

Dieser Anzeige wurde u.a. zum einen ein mit dieser Person aufgenommenes Personenblatt beigelegt, in welchem nur die Felder Familienname, Vorname, Geburtsdatum und Wohnadresse ausgefüllt wurden und zum anderen ein Versicherungsdatenauszug vom 22. Februar 2010, 15:59:06 Uhr, aus dem hervorgeht, dass die beschäftigte Person nicht zur Sozialversicherung angemeldet wurde. Aus dem beigelegten Foto ist auch nicht erkennbar, ob es sich tatsächlich zum einen um den Arbeitsplatz der im Spruch genannten beschäftigten Person und zum anderen um die im Spruch beschriebenen Eingabetätigkeit gehandelt habe, weil sich auf diesem Foto keine beschäftigte Person befindet und daraus auch nicht ersichtlich ist, um welche Eingabetätigkeit es sich im gegenständlichen Fall gehandelt hat.

 

Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11. März 2010, Zl. SV-28/2010, die mit Beginn der Abholfrist am 17. März 2010 durch Hinterlegung zugestellt wurde, wurde dem Bw der Sachverhalt wie im Spruch des angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt. Allerdings reagierte der Bw innerhalb der gesetzten zwei­wöchigen Frist darauf nicht.

 

Daraufhin erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis vom 15. April 2010.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 111 Abs 1 Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz – ASVG (BGBl Nr. 189/1955 idFd Art I Teil 2 des SRÄG 2007, BGBl I Nr. 150/2009) handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

 

1.  Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

 

2.  Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

 

3.  Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

 

4.  gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeich­nungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß Absatz 2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

 

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

 

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

 

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestim­mungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erst­maligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Entsprechend § 33 Abs 1a ASVG kann die Anmeldeverpflichtung auch in zwei Schritten erfüllt werden, nämlich derart, dass vor Arbeitsantritt die Dienstgeber­kontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben) und innerhalb von 7 Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung die noch fehlenden Angaben (vollständige Anmeldung) gemeldet werden.

 

Gemäß § 33 Abs 2 ASVG gilt Abs 1 für die nur in der Unfall- und Pensions­versicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Nach § 4 Abs 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgeber beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (unmittelbar) auf Grund des ASVG versichert (Vollversicherung), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollver­sicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Als Dienstnehmer iSd ASVG gilt gemäß § 4 Abs 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäf­tigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merk­malen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen; unabhängig davon gelten Personen jedenfalls dann als Dienstnehmer, wenn sie entweder mit einem Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungscheckgesetz entlohnt werden oder wenn sie nach § 47 Abs 1 iVm Abs 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lohnsteuerpflichtig sind, soweit es sich nicht um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs 1 Z 4 lit a oder b EStG oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs 1 Z 4 lit c EStG, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, handelt.

 

Nach § 35 Abs 1 ASVG ist als Dienstgeber derjenige anzusehen, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, wobei gemäß § 35 Abs 2 ASVG Besonderes für jene nach § 4 Abs 1 Z 4 und 5 ASVG pflichtversicherte und für nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG teilversicherte Dienstnehmer, für Heimarbeiter und für nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz überlassene Dienstnehmer gilt. Die dem Dienstgeber gemäß § 33 ASVG vorgeschriebenen Pflichten können nach § 35 Abs 3 ASVG grundsätzlich auch auf Bevollmächtigte übertragen werden; dennoch hat der Dienstgeber auch in diesem Fall die in § 33 ASVG vorgesehene Meldung selbst zu erstatten, wenn eine der Voraussetzungen des § 35 Abs 4 ASVG vorliegt.

4.1.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Dienstnehmereigenschaft gemäß den Kriterien des § 4 Abs 2 ASVG ist im Zuge der Beurteilung der Frage, ob im konkreten Fall eine entsprechende persönliche Abhängigkeit vorlag bzw. überwogen hat, primär maßgeblich, ob eine Bindung des Arbeitenden an vom Dienstgeber vorgegebene Ordnungsvorschriften bezüglich des Arbeitsortes, der Arbeitszeit, des arbeitsbezogenen Verhaltens und sich darauf beziehende Weisungs- und Kontrollbefugnisse sowie eine persönliche Arbeitspflicht vorlag (vgl z.B. VwGH v. 17. September 1991, Zl. 90/08/0152); soweit danach keine abschließende Beurteilung möglich ist, kann im Zuge der Beurteilung des Gesamtbildes darüber hinaus auch auf sekundäre Kriterien – wie die Dauer des Arbeitsverhältnisses oder Weisungsrechte des Dienstgebers bezüglich des Arbeitsverfahrens – abgestellt werden (vgl z.B. VwSlg 11361 A/1984). Im Ergebnis genügt es für die Annahme des Vorliegens einer persönlichen Abhängigkeit, wenn der Arbeitende durch die Beschäftigung während dieser Zeit so in Anspruch genommen wird, dass er selbst über diese Zeit auf längere Sicht nicht frei verfügen kann und die Nichteinhaltung der übernommenen Verpflichtung einen Vertragsbruch mit entsprechenden rechtlichen Konsequenzen darstellen würde (vgl VwGH v. 27. November 1990, Zl. 89/08/0178).   

Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen eine zwangsläufige Folge der persönlichen Abhängigkeit und findet ihren Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die zur Erbringung der Arbeitsleistung erforderlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel (vgl VwGH v. 11. Dezember 1990, Zl. 88/08/0269).

 

Unter „Entgelt“ sind nach § 49 Abs 1 ASVG jene die Geld- und/oder Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund  des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

 

Von der Vollversicherung nach § 4 ASVG und damit von der Krankenversicherungspflicht sind nach § 5 Abs 2 leg cit u.a. geringfügig beschäftigte Personen ausgenommen.

 

Gemäß § 5 Abs 2 ASVG galt zum Tatzeitpunkt ein Beschäftigungsverhältnis als geringfügig, wenn es für eine kürzere Zeit als einen Kalendermonat vereinbart war und für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens 28,13 Euro, insgesamt jedoch höchstens 366,33 Euro gebührte oder für mindestens einen Kalendermonat oder auf unbestimmte Zeit vereinbart war und im Kalendermonat kein höheres Entgelt als 366,33 Euro gebührte (vgl. Kundmachung vom 17. Dezember 2009, BGBl II Nr. 450/2009)

 

4.2. Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob der Bw – der tatbestands­mäßigen Voraussetzung des § 111 Abs 1 ASVG entsprechend – als "Dienstgeber" iSd iVm § 35 Abs 1 ASVG tätig geworden ist oder tatsächlich kein derartiges Dienstverhältnis vorlag.

 

In diesem Zusammenhang legt § 4 Abs 2 ASVG fest, dass als Dienstnehmer derjenige anzusehen ist, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, während als Dienstgeber derjenige gilt, für dessen Rechnung der Betrieb, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, geführt wird.

 

Die belangte Behörde geht in ihrer Beweiswürdigung allerdings nur davon aus, dass im gegenständlichen Fall auf Grund der Erhebungen des Finanzamtes Gmunden ein Dienstverhältnis vorgelegen ist, weil sie diese Person bei Eingabetätigkeiten am Computer angetroffen habe. Auf Grund dieses Umstandes fand die belangte Behörde, dass die im Spruch angeführte Person für den Bw tätig geworden und somit organisatorisch und hinsichtlich des Arbeitsplatzes maßgeblich unterworfen war, weshalb sie auch daraus eine persönliche Arbeitsverpflichtung und Weisungsgebundenheit angenommen hat. Darüber hinaus ging die belangte Behörde beim Entgelt davon aus, dass der Monatslohn bei Annahme des kollektivvertraglichen Mindestlohnes über die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG gelegen ist.

 

Allerdings ist schon auf Grund der Aktenlage zweifelhaft, ob überhaupt der Bw als Dienstgeber in Frage kommt. Bereits im zuvor dargelegten Strafantrag des zuständigen Finanzamtes wurde nämlich festgehalten, dass sowohl der Bw als auch die bei der Kontrolle angetroffene Person ein Beschäftigungsverhältnis bestritten hatten. Auch hatte diese Person im Personenblatt keine Angaben über ihre Tätigkeiten gemacht. Außerdem befindet sich im erstbehördlichen Akt kein einziger Beweis dafür, dass tatsächlich der Bw für diese Verwaltungsübertretung zur Verantwortung gezogen werden kann.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich kann auch nicht nachvollziehen, wie die belangte Behörde zur Annahme gelangte, dass diese Person für den Bw zumindest am 11. Februar 2010 tätig war und der Monatslohn bei Annahme des kollektivvertraglichen Mindestlohns über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs 2 ASVG lag, wenn weder vom zuständigen Finanzamt noch von der belangten Behörde eine genaue Arbeitszeit dieser beschäftigten Person festgestellt wurde, um beurteilen zu können, dass der Monatslohn über der zuvor genannten Geringfügigkeitsgrenze lag.

 

Zudem geht aus dem Akt nicht eindeutig hervor, um welche Tätigkeit es sich im gegenständlichen Fall tatsächlich gehandelt hat, weil im Personenblatt beim amtlichen Vermerk ausgefüllt wurde, dass diese Person beim „Bedienen des Fernsehgerätes über den Computer (Steuergerät)“ beobachtet wurde. Im Strafantrag des zuständigen Finanzamtes wird jedoch ausgeführt, dass diese Person sitzend hinter der Theke bei Eingabetätigkeiten am Computer (Steuerungsgerät für TV-Geräte) betreten worden ist. Auf dem der Anzeige beigelegten Foto ist aber weder diese beschäftigte Person ersichtlich noch die Eingabetätigkeit erkennbar.

 

Hingegen wurde nunmehr im Berufungsvorbringen vorgebracht, dass es sich damals bei dieser Person um die künftige Gattin des Bw gehandelt hat, die nur auf Besuch bei ihm war und nie für sein Unternehmen tätig geworden ist. Auf Grund ihrer schlechten Deutschkenntnisse konnte sie sich bei der Kontrolle durch das zuständige Finanzamt nicht entsprechend artikulieren. Weiters wurde bekannt gegeben, dass die Verehelichung am 30. April 2010 erfolgen sollte und seine zukünftige Gattin ein Kind erwartet.

 

Auf Grund der in der Berufung bekannt gegebenen voraussichtlichen Verehelichung hat daher der Oö. Verwaltungssenat die Rechtsvertretung des Bw zur Vorlage der Heiratsurkunde aufgefordert. In der Folge wurde am 19. Jänner 2011 die Heiratsurkunde übermittelt, aus der eindeutig hervorgeht, dass der Bw am 15. Mai 2010 die im Spruch angeführte Person in X

tatsächlich geheiratet hat. Zudem hat eine ZMR-Anfrage ergeben, dass der Bw und seine Ehefrau am selben Wohnsitz leben sowie seine Ehefrau am 16. November 2010 einen Sohn zur Welt gebracht hat (vgl Aktenvermerk vom 20. Jänner 2011, Zl. VwSen-252471/2/Mu).

 

Auf Grund dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die damals zukünftige Gattin tatsächlich nur auf Besuch im Unternehmen des Bw war. Auch, wenn die Kontrollorgane des zuständigen Finanzamtes diese Person bei Eingabetätigkeiten am Computer angetroffen hat, heißt dies noch lange nicht, dass sie für das gegenständliche Unternehmen Eingaben tätigte. Möglicherweise hat sich diese lediglich zum Zeitvertreib privat mit dem Computer beschäftigt.

 

Bei der gegebenen Beweislage teilt der erkennende Verwaltungssenat im Ergebnis die Ansicht der Berufung, dass die im Spruch angelastete Verwaltungsübertretung nach Ausweis der Aktenlage nicht erwiesen ist. Die belangte Behörde hat den Bw mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11. März 2010 zwar ein Mal aufgefordert, zum gegenständlichen angelasteten Sachverhalt Stellung zu nehmen. Nachdem dieser allerdings daraufhin nicht reagierte, hatte sie sich einfach der persönlichen Meinung des Anzeigelegers angeschlossen, ohne einen weiteren Versuch zu unternehmen, zu hinterfragen, ob in diesem Fall tatsächlich schon eine Beschäftigung in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt vorlag.

 

5. Im Ergebnis war der Berufung daher gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs 4 AVG Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren mangels einer tauglichen Tatanlastung und einer erwiesenen Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

Gemäß § 66 Abs 1 VStG entfiel damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigen Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

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