Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165626/7/Ki/Sta

Linz, 31.01.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des X, vom 15. Dezember 2010, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 7. Dezember 2010, VerkR96-4432-2008, wegen einer Übertretung der StVO 1960 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 27. Jänner 2011 durch Verkündung zu Recht erkannt:

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

II.              Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51VStG iVm § 66 Abs.4 AVG

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat den Berufungswerber mit Straferkenntnis vom 7. Dezember 2010, VerkR96-4432-2008, für schuldig befunden, er habe am 10.10.2008 um 06:35 Uhr den Pkw X in der Gemeinde Riedau auf der B 137 Innviertler Straße bei km 37,750 gelenkt und habe er ein Fahrzeug überholt, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Er habe dadurch § 16 Abs.1 lit. c StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 wurde über ihn eine Geldstrafe bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Außerdem wurde er zu Leistung des Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

 

1.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen dieses Straferkenntnis mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 Berufung.

 

Im Wesentlichen führte er aus, die Anzeigerin habe ihn auf der Polizeidienststelle in Grieskirchen mit zwei Übertretungen, die sich auf die Fahrgeschwindigkeit bezogen, konfrontiert. Dabei hätte er zwei Organmandate in Höhe von 70 Euro bezahlen sollen. Welche Übertretungen auf den Organmandaten eingetragen waren, sei ihm nicht bekannt.

 

Er bestreitet auch, dass, wie in der Anzeige angeführt wurde, er die Übertretungen eingestanden habe.

 

Weiters führt der Rechtsmittelwerber ins Treffen, dass – laut Aussage der Anzeigerin – diese einen "Fordlenker" beobachtet habe, der die angeführte Übertretung begangen hätte und dass sie das Kennzeichen des Fahrzeuges erst nachdem sie mit ihrem Fahrzeug 7 km zurückgelegt hatte, abgelesen hat.

 

Der Berufungswerber weist darauf hin, dass es auch möglich sei, dass ein anderer "Fordlenker" diese Übertretung begangen hätte.

 

Allgemein wird auch die Beweiswürdigung durch die Erstbehörde bemängelt.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 21. Dezember 2010 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Schärding eingebracht und ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 27. Jänner 2011. An dieser Verhandlung nahm lediglich der Berufungswerber persönlich teil, die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Die als Zeugin geladene Meldungslegerin ist zur Verhandlung nicht erschienen. Eine telefonische  Recherche bei der Polizeiinspektion Grieskirchen hat ergeben, dass diese sich am Tage der Verhandlung im Krankenstand befunden hat. Es sei übersehen worden, diesen Umstand dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich rechtzeitig bekannt zu geben.

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt bzw. als Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Dem Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Polizeiinspektion Grieskirchen vom 13. Oktober 2008 zu Grunde. Unter anderem zeigte die Meldungslegerin an, dass der Berufungswerber mit seinem Pkw X auf der B137 von Schärding kommend in Richtung Grieskirchen gefahren sei. Bei Strkm 37,750 habe er mit einem Überholvorgang begonnen und dabei zwei Pkw und einen Lkw überholt. Während er noch den Lkw überholen wollte, seien bereits aus der Rechtskurve die Scheinwerferlichter eines entgegenkommenden Lkw sichtbar gewesen. Der Rechtsmittelwerber habe jedoch weiter überholt und sich dann gerade noch vor dem entgegenkommenden Lkw einreihen können.

 

In einer niederschriftlichen Einvernahme vor der Polizeiinspektion Grieskirchen am 11. Oktober 2008 konkretisierte die Meldungslegerin diesen Sachverhalt unter anderem noch dahingehend, dass sich der Berufungswerber gerade noch vor dem Lkw einreihen konnte, bevor es zu einer Kollision mit dem Gegenverkehr gekommen ist.

 

Sie habe dann den Berufungswerber angerufen und ihn gefragt, ob er, wenn möglich, zur Dienststelle kommen könne um die Sache zu bereden. Der Berufungswerber ist auch erschienen. Die Meldungslegerin habe ihm mitgeteilt, dass sie auf dem Weg zur Dienststelle die riskanten Überholmanöver sowie die Raserei in der 80-Beschränkung festgestellt habe. Der Berufungswerber habe die riskanten Überholmanöver gestanden und als Grund angegeben, dass er es sehr eilig gehabt hätte. Sie hätte ihm zunächst 2 Organmandate zur Bezahlung angeboten, der Rechtsmittelwerber habe dies dankend angenommen, da er jedoch nicht genug Bargeld mit hatte, habe er noch zum Bankomat gehen müssen. Als der Rechtsmittelwerber nach ca. 10 bis 15 Minuten zurückkam, habe er angegeben, die Organmandate nicht bezahlen zu wollen. Die Meldungslegerin habe ihm darauf mitgeteilt, dass sie Anzeige erstatten werde.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat zunächst gegen den Berufungswerber auch wegen des gegenständlichen Sachverhaltes eine Strafverfügung (VerkR96-4432-2008 vom 15. Oktober 2008) erlassen, welche vom Berufungswerber beeinsprucht wurde.

 

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurden dann die Meldungslegerin und ihr Kollege X zeugenschaftlich einvernommen, die Meldungslegerin bestätigte bei ihrer Einvernahme am 23. Oktober 2009 den angezeigten Sachverhalt, ihr Kollege führte bei seiner Einvernahme aus, dass er das Gespräch auf der Polizeiinspektion Grieskirchen zwischen seiner Kollegin und dem Berufungswerber mitgehört habe, er sei aber nicht unmittelbar bei der Einvernahme dabei gewesen, er habe sich in einem angrenzenden Büro befunden. Dabei habe er aber mitbekommen bzw. gehört, dass der Angezeigte die ihm vorgehalten vorschriftswidrigen Überholvorgänge zugegeben habe.

 

Letztlich hat die Bezirkshauptmannschaft Schärding nunmehr das angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung bestritt der Rechtsmittelwerber einerseits, dass er vorschriftswidrige Überholvorgänge zugegeben habe bzw. gestand er zu, zwar überholt zu haben, erklärte dazu aber, dass er sich nicht erinnern könne, vorschriftswidrig überholt zu haben.

 

Eine Einvernahme der geladenen Zeugin war nicht möglich, da diese nicht erschienen ist.

 

2.6. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Akt aufliegenden Unterlagen sowie als Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung vom 27. Jänner 2011.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 51i VStG ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist.

 

Daraus resultiert, dass im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gilt. Aus diesem Grundsatz ist abzuleiten, dass der Unabhängige Verwaltungssenat das jeweils tatnächste Beweismittel heranzuziehen hat. Eine mittelbare Beweisaufnahme unter Heranziehung von Beweisen, die außerhalb der Verhandlung aufgenommen wurden, ist im Falle der Durchführung einer Verhandlung nur ausnahmsweise zulässig.

 

Die als Zeugin geladene Meldungslegerin ist zur mündlichen Berufungsverhandlung nicht erschienen. Recherchen haben ergeben, dass sie – behaupteter Maßen – im Krankenstand sich befand, dieser Umstand wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich jedoch bis Beginn der mündlichen Berufungsverhandlung nicht bekannt gegeben. Die oben angeführte Recherche erfolgte telefonisch nach Beginn der Berufungsverhandlung.

 

Indem die "Belastungszeugin" zur Verhandlung nicht erschienen ist, ist es nicht möglich, die Angaben des Rechtsmittelwerbers, welche nicht unschlüssig sind, zu widerlegen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der inkriminierende Überholvorgang ohne Zeugenaussage durch die Meldungslegerin im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung nicht nachvollzogen werden konnte, auch konnte nicht geklärt werden, ob im Hinblick auf die doch längere Nachfahrt eine Verwechslung gegeben gewesen sein könnte.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt daher die Auffassung, dass, auch im Hinblick auf die extrem lange Verfahrensdauer (Tatzeit 10. Oktober 2008) die Anberaumung einer weiteren Berufungsverhandlung nicht mehr vertretbar ist.

 

Festzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass die neuerliche Vertagung der Verhandlung einerseits aus ökonomischen Gründen nicht zweckdienlich ist und dieser Umstand überdies eine unzumutbare Belastung für den Rechtsmittelwerber darstellen würde. Unter Beachtung  des im L-VG 1991 (Artikel 9) festgelegten Grundsatzes, wonach sich die Verwaltung (und wohl auch der Oö. Verwaltungssenat) vor allem als Dienst an dem Menschen zu verstehen hat, woraus resultiert, dass sie dabei zu objektiven, sparsamem, wirtschaftlichem und zweckmäßigem Handeln verpflichtet ist und darüber Maßnahmen zur Förderung der Bürgernähe zu setzen hat, erschiene es nicht mehr geboten, eine Vertagung der Verhandlung vorzunehmen, zumal der Umstand des Nichterscheinens der Zeugin nicht dem Berufungswerber anzulasten sein kann.

 

Nachdem, wie bereits dargelegt wurde, im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gilt, kann sohin nicht hinreichend nachgewiesen werden, dass der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung tatsächlich begangen hat, dies jedenfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes in dubio pro reo.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

 

Nachdem, wie bereits dargelegt wurde, dem Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht hinreichend nachgewiesen werden kann, war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Alfred Kisch

 

 

 

 

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