Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252667/15/Gf/Mu

Linz, 31.01.2011

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des x, vertreten durch RA x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg vom 30. November 2010, Zl. SV96-26-2010, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 27. Jänner 2011 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen und stattdessen bloß eine Ermahnung erteilt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass es in dessen Spruch anstelle von "2010" richtig jeweils "2009" zu heißen hat.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 21 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Perg vom 30. November 2010, Zl. SV96-26-2010, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 3 Tage) verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH zu vertreten habe, dass von dieser vom 21. bis zum 24. September "2010" (gemeint offensichtlich: 2009) auf einer näher bezeichneten Baustelle in Salzburg zwei ausländische Staatsangehörige mit Montagearbeiten gegen Entgelt beschäftigt worden seien, ohne dass diese zuvor beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet gewesen seien. Dadurch habe der Rechtsmittelwerber eine Übertretung des § 33 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955 in der im gegenständlichen Fall maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 150/2009 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb er nach § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass dieses dem Rechtsmittelwerber angelastete deliktische Verhalten von Kontrollorganen des Finanzamtes Salzburg-Stadt festgestellt worden und daher als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe  zu berücksichtigen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihm am 2. Dezember 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 16. Dezember 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Begründend bringt der Berufungswerber dazu vor, dass im gegenständlichen Sachverhalt mit der Beschäftigung der beiden Ausländer keine Pflichtversicherung nach ASVG begründet worden sei. Denn die in diese Richtung zielenden Überlegungen der Behörde seien deshalb unzutreffend, weil die herangezogenen Ausländer zum Tatzeitpunkt bereits nach dem GSVG versichert gewesen seien. Darüber hinaus hätten sich diese in keiner wirtschaftlichen oder persönlichen Abhängigkeit zum Rechtsmittelwerber befunden, weil sie den Auftrag jederzeit auch hätten ablehnen können.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Perg zu Zl. SV96-26-2010 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 27. Jänner 2011, zu der als Parteien der Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter einerseits und x als Vertreter der Amtspartei (Finanzamt Salzburg-Stadt) sowie die Zeugen x, x, x und x (KIAB Salzburg) erschienen sind.

2.1.1. Im Rahmen dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Die GmbH des Beschwerdeführers beauftragte den ersten und den zweiten Zeugen damit, im Zuge der Herstellung einer Glasfassade entsprechende Winkelprofile und Schienen, die als Halterungen für die Glasplatten dienten, zu montieren. Da diese Profile und Schienen passgenau an der Gebäudewand zu verankern waren, erhielten die beiden Zeugen die dementsprechenden Anweisungen vom dritten Zeugen, einem Arbeitnehmer der GmbH, dem die  Bauleitung für die Herstellung der gesamten Glasfassade oblag. Aus vertragsrechtlicher Sicht waren die ersten beiden Zeugen – allseits unbestritten – nicht auf der Grundlage eines Werkvertrages, sondern im Wege eines freien Dienstverhältnisses mit der GmbH des Beschwerdeführers tätig. Sie verfügten überdies jeweils über eine eigenständige Gewerbeberechtigung – beim zweiten Zeugen lautend auf "Montage und Demontage von vorgefertigten Winkelprofilen und Fachböden durch einfache Schraubverbindungen", beim ersten Zeugen noch ergänzt durch den Zusatz "unter Ausschluss der den reglementierten Gewerben vorbehaltenen Tätigkeiten" – und waren dem entsprechend während des Tatzeitraumes allseits unbestritten nach GSVG pflichtversichert. Weiters wurde nicht in Abrede gestellt, dass diese beiden Beschäftigten zwar das zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderliche Kleinwerkzeug (Bohrmaschine, Akkuschrauber, normaler Werkzeugkasten) selbst beigestellt haben; das Material (Alu- und Stahlwinkel, Profilschienen) und größere Arbeitsgeräte (z.B. Gerüst, Leitern, elektrische Metallsäge) wurden aber seitens der GmbH beigebracht. Die Entlohnung des ersten und des zweiten Zeugen erfolgte wöchentlich je nach der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden, wobei der Inhalt ihrer Tätigkeit nach den insoweit übereinstimmenden Angaben aller Zeugen primär die Montage von Winkelprofilen, darüber hinaus aber auch sämtliche Tätigkeiten erfasste, die nach den Vorgaben des ersten Zeugen auf der Baustelle gerade anfielen (wie das Tragen und Einpassen der Glasscheiben, das Verblechen der fixierten Fassade, etc.).

2.1.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die glaubwürdigen und inhaltlich übereinstimmenden Aussagen der in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen sowie auf den Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Aktes, der zu diesen auch nicht im Widerspruch steht.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1.1. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Nach § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S.d. des ASVG derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs-(Lehr‑)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Als Dienstnehmer i.S.d. ASVG ist nach § 4 Abs. 2 leg.cit. anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Nach § 4 Abs. 4 ASVG stehen den Dienstnehmern im Sinne dieses Bundesgesetzes solche Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für

1. einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe,

2. eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. die von ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit),

wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen, es sei denn

a) dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG oder § 2 Abs. 1 BSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind oder

b) dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben-)Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Z 1 lit. f B-KUVG handelt oder

c) dass eine selbständige Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer der Kammern der freien Berufe begründet, ausgeübt wird oder

d) dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfonds-Gesetzes handelt.

 

Nach § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG handelt u.a. derjenige ordnungswidrig, der als Dienstgeber entgegen den Vorschriften des ASVG Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet. Eine solche Ordnungswidrigkeit ist gemäß § 111 Abs. 2 ASVG von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar mit Geldstrafe von 730 € bis zu 2.180 €, im Wiederholungsfall von 2.180 € bis zu 5.000 €, bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.

 

In diesem Zusammenhang ist nach § 539a ASVG für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend (Abs. 1); durch den Missbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes können Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden (Abs. 2); ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre (Abs. 3); Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen sind für die Feststellung eines Sachverhaltes nach diesem Bundesgesetz ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Beurteilung maßgebend (Abs. 4); die Grundsätze, nach denen (1.) die wirtschaftliche Betrachtungsweise, (2.) Scheingeschäfte, Formmängel und Anfechtbarkeit sowie (3.) die Zurechnung nach den §§ 21 bis 24 der Bundesabgabenordnung für Abgaben zu beurteilen sind, gelten auch dann, wenn eine Pflichtversicherung und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten nach diesem Bundesgesetz zu beurteilen sind (Abs. 5).

 

3.1.2. Dem gegenüber unterscheidet die Bestimmung des § 1151 Abs. 1 ABGB grundsätzlich zwischen dem Typus eines "Dienstvertrages" (§§ 1153 ff ABGB) und jenem eines "Werkvertrages" (§§ 1165 ff ABGB): Wenn sich jemand auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet, so entsteht ein Dienstvertrag; wenn jemand die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt, hingegen ein Werkvertrag.

 

Dabei ist nach den Gesetzesmaterialien (vgl. Blg StenProt Herrenhaus, XXI. Session 1912, 206 u. 207, abgedr. bei R. Dittrich – H. Tades, Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, [bis zur] 36. Aufl., Wien 2003, S. 1666 f) für die Unterscheidung zwischen Dienst- und Werkvertrag der Gegensatz der wirtschaftlichen Bedingungen und Zwecke in folgenden Punkten charakteristisch: Dienstvertrag: "a) Dauerndes Verpflichtungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, b) Arbeit unter der Leitung und Verfügung und c) mit den Arbeitsmitteln des Arbeitgebers, d) persönliche Arbeitspflicht und persönlicher Anspruch auf die Arbeit, e) Haftung des Arbeitnehmers für Diligenz, im übrigen aber f) Erfolg wie Mißerfolg der Arbeit auf Rechnung des Arbeitgebers, alles in allem genommen somit g) persönliche und wirtschaftliche Unterordnung des Arbeitnehmers in den Organismus des Unternehmens des Arbeitgebers"; Werkvertrag: "a) Verpflichtung zu einer Leistung, deren Erfolg b) nach eigenem Plane zu bewerkstelligen und c) mit eigenen Mitteln, auch d) durch Gehilfen und Substituten, aber e) unter Haftung nicht nur für Sorgfalt, sondern Gewährleistung für Mängel der Arbeit, und f) Übernahme der Gefahr des Mißlingens, kurz g) das Geschäft eines selbständigen Unternehmens".

 

3.1.3. Das ASVG geht einerseits ersichtlich davon aus, dass Werkverträge bzw. Werkunternehmer nicht der Sozialversicherungspflicht nach diesem Gesetz unterliegen sollen; andererseits wird der Anwendungsbereich für (sozialversicherungspflichtige) Dienstverhältnisse weiter als jener nach § 1151 ABGB gefasst, indem explizit auch sog. "freie Dienstverträge" (vgl. § 4 Abs. 4 ASVG und daran anknüpfend § 1164a ABGB) einbezogen werden. In der Folge bedingt dies eine Abgrenzung zwischen dem Bereich jener Beschäftigungsverhältnisse, hinsichtlich der eine ASVG-Pflichtversicherung besteht, und jenem, bezüglich derer dies nicht zutrifft, wobei insbesondere auch grundrechtliche (3.1.3.1.) und rechtsstaatliche (3.1.3.2.) Überlegungen mit einzubeziehen sind.

 

3.1.3.1. Dass erstmals mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 (BGBl.Nr. 201/1996) zwei neue Personengruppen – nämlich die auf Grund "freier Dienstverträge" bzw. die "dienstnehmerähnlich" Beschäftigten – in die Sozialversicherungspflicht einbezogen wurden (vgl. dazu auch 886 BlgNR, 20. GP, 76 ff), könnte zunächst gegen das Grundrecht auf Privatautonomie, wie dies z.B. in Art. 5 StGG zum Ausdruck kommt (vgl. dazu allgemein insbes. VfGH v. 3.3.1995, B 915/94 = VfSlg 14049/1995; s.a. L.K. Adamovich – B.C. Funk – G. Holzinger, Österreichisches Staatsrecht, Bd. 3: Grundrechte, Wien 2003, RN 42.227 u. 42.230; W. Berka, Die Grundrechte - Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich, Wien 1999, RN 712 ff [718]), im Besonderen gegen dessen Wesensgehalt verstoßen.

 

Aus grundrechtlicher Sicht besteht der Wesensgehalt der Privatautonomie nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates darin, dass die Rechtssubjekte im Geschäftsverkehr untereinander – vorbehaltlich der Bestimmung des § 879 ABGB – Verträge jeglichen Inhalts abschließen können. Allerdings setzt die im ABGB vorgenommene Kategorisierung nach Vertragstypen, der aus privatrechtssystematischer Sicht nur subsidiärer Charakter zukommt, der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in zweifacher Hinsicht eine Schranke: Aus grundrechtlicher Sicht ist es ihm nämlich zum einen jedenfalls verwehrt, eine im ABGB vertypte, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des B-VG bereits vorgefundene Vertragsart gänzlich zu beseitigen; und zum anderen ist deren inhaltliche Modifikation jeweils an das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes geboten. Daraus resultiert umgekehrt für den Normunterworfenen insgesamt als eine wesentliche Konsequenz, dass er darauf vertrauen kann, dass es – von der prinzipiellen Privatautonomie mit bloß subsidiärer Maßgeblichkeit des Gesetzes ausgehend – primär in seiner Hand liegt, die aus einem Vertragsverhältnis resultierenden Konsequenzen festzulegen bzw. konkret: Wollen die Parteien einen Werkvertrag bzw. einen freien Dienstvertrag abschließen, legen sie dessen spezifischen Inhalt selbst fest; soweit in diesem Zusammenhang etwas ungeregelt bleibt, kommen subsidiär die Bestimmungen das ABGB über den Werkvertrag – oder, wenn sich herausstellen sollte, dass es sich in Wahrheit um einen Dienstvertrag handeln sollte, eben jene – zur Anwendung, wobei auch die Abgrenzung zwischen diesen beiden Typen im Lauf der Zeit durch Judikatur und Lehre eine entsprechende Ausgestaltung mit einem ganz bestimmten Inhalt erfahren hat.

 

Diesen Grundsatz scheint jedoch das dem ASVG mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 zu Grunde gelegte Konzept gerade ins Gegenteil zu verkehren, weil zunächst schon durch die Institutionalisierung eines neuen Vertragstypus ("Beschäftigungsverhältnis"), der unter einem den traditionellen Dienstvertrag i.S.d. § 1151 ABGB, aber auch darüber hinausgehende Bereiche (vgl. § 4 Abs. 4 ASVG i.d.F. BGBl.Nr. 201/1996: "ohne Dienstnehmer i.S.d. Abs. 2 zu sein") mit umfasst, die überkommene zivilrechtliche Trennung konterkariert wird.

 

Dazu kommt, dass auch die in der privatrechtlichen Judikatur und Literatur entwickelten Interpretationsrichtlinien vom Gesetzgeber unter einem im Wege der Neufassung des § 539a ASVG (Stichwort: "wahrer wirtschaftlicher Gehalt") in einer völlig systemfremden – nämlich: anknüpfend an Denkstrukturen, die dem Abgabenrecht entlehnt wurden – Weise modifiziert wurden.

 

Dies führt(e) im Ergebnis dazu, dass ein durchschnittliches Privatrechtssubjekt anlässlich des (vermeintlichen) Abschlusses eines Werkvertrages bzw. Dienstvertrages im Vorhinein nicht mehr verlässlich abschätzen kann, ob er einen solchen oder nicht doch einen anderen Typus von Vertrag abgeschlossen hat, wie dies auch gerade am Beispiel des verfahrensgegenständlichen Anlassfalles deutlich wird:

 

Dass die Herstellung von Profiltragevorrichtungen für Glasfassaden nicht von jedermann erbracht werden kann, sondern ein gewisses Mindestmaß an Fachkenntnis erfordert, ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Entscheidend ist aber, dass es den Vertragsparteien hier darauf ankam, dass die beiden Ausländer zwar keinen spezifischen Erfolg, sondern lediglich ein ernsthaftes Bemühen schuldeten, aber dass diese organisatorisch nicht in das Unternehmen des Beschwerdeführers eingebunden sein sollten. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass sich der erste Zeuge explizit ausbedungen hatte, seine in der BRD lebenden pflegebedürftigen Eltern im Notfall jederzeit unterstützen zu können; wäre eine derartige Situation eingetreten, hätte die GmbH selbst für einen entsprechenden Ersatz sorgen müssen. Dass ein Unternehmen überhaupt auf einer solchen relativ unverbindlichen Basis mit Beschäftigten kooperiert, ist vornehmlich in deren besonderen fachlichen Qualitäten begründet bzw. anders gewendet: Eine eigenunternehmerische Tätigkeit auf einer derart sie einseitig bevorzugenden Rechtsgrundlage vermögen nur solche Beschäftigte über einen längeren Zeitraum wirtschaftlich durchzuhalten, die in der Branche über einen besonders guten Ruf verfügen; dass dies im gegenständlichen Fall auf beide Zeugen zutraf, zeigt der Umstand, dass ihnen der Rechtsmittelwerber bereits mehrfach eine Fixanstellung in seiner GmbH angeboten hat, was beide jedoch bisher stets unter Hinweis auf die weitere Aufrechterhaltung ihrer Unabhängigkeit abgelehnt haben. Nach allgemein-zivilrechtlicher Beurteilung wurde somit ein freier Dienstvertrag abgeschlossen, was auch von allen Verfahrensbeteiligten nicht in Abrede gestellt wurde.

 

Eine Beurteilung nach den Kriterien des § 539a ASVG müsste hingegen dazu führen, dass es sich insoweit nicht um einen "reinen" freien Dienstvertrag, sondern um einen solchen in der Sonderform eines Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. ASVG handelte, weil rein wirtschaftlich betrachtet die Montage der Winkelprofile auf Grund entsprechend detaillierter Plan- und Materialvorgaben durch einen Angestellten des Rechtsmittelwerbers erfolgte und die Manipulationen der beiden ersten Zeugen objektiv besehen nur geringe Anforderungen an deren Fachkenntnisse stellte.

 

Für die Vertragsparteien ist dabei von besonderer Bedeutung, dass eine solche Beurteilung seriöserweise erst im Wege einer ex-post-Betrachtung, also erst zu einem Zeitpunkt erfolgen kann, zu dem beispielsweise die Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG bereits entstanden und der Straftatbestand des § 111 Abs. 1 ASVG schon längst erfüllt ist, sodass insoweit eine entsprechende "Rückabwicklung" rechtlich gar nicht mehr möglich ist. 

 

Ob es sich daher im gegenständlichen Fall tatsächlich um einen "reinen" freien Dienstvertrag bzw. um einen solchen (gemischten) freien Dienstvertrag, der zugleich auch ein "Beschäftigungsverhältnis" i.S.d. § 35 Abs. 1 ASVG i.V.m. § 4 Abs. 2 und 4 ASVG und i.V.m. § 539a ASVG darstellt, handelt, zieht jedoch – von der Vertragsauslegung in Bezug auf nicht explizit geregelte Fragen (wie Gefahrtragung, Höhe und Fälligkeit des Entgelts, etc.) abgesehen – wesentliche Konsequenzen, eben bis hin zur Problematik "Pflichtversicherung oder keine Pflichtversicherung nach ASVG?" und "Strafbarkeit oder keine Strafbarkeit im Falle unterlassener Meldung?" nach sich, die von einem durchschnittlichen Gewerbetreibenden nicht eigenständig gelöst werden können (vgl. jüngst auch VwGH v. 30. Juni 2010, Zl. 2010/08/0102). 

 

Ein Regelungssystem wie jenes des § 35 Abs. 1 ASVG i.V.m. § 4 Abs. 2 und 4 ASVG und i.V.m. § 539a ASVG, das es im Wege einer Aneinanderreihung unbestimmter und zudem systemfremder Rechtsbegriffe – anstelle einer konkreten Festlegung von spezifischen Kriterien, an Hand derer zweifelsfrei erschließbar ist, ob eine von den Parteien als freier Dienstvertrag beabsichtigte Vereinbarung (auch) als ein Beschäftigungsverhältnis anzusehen ist – im Ergebnis letztlich verunmöglicht, schon auf Gesetzesebene einen Vertragsinhalt von vornherein und zuverlässig im Typensystem des ABGB einordnen zu können, könnte daher einen dem einfachen Gesetzgeber entzogenen Eingriff in den Wesensgehalt des Grundrechts der Privatautonomie oder zumindest eine Verletzung des Sachlichkeitsgebotes darstellen.

 

3.1.3.2. Davon abgesehen könnten sich auch unter dem Aspekt des allgemeinen (Art. 18 Abs. 1 B-VG) bzw. des spezifischen strafrechtlichen (Art. 7 Abs. 1 EMRK) Legalitätsprinzips aus verfassungsrechtlicher Sicht Bedenken gegen die in Rede stehende Regelung ergeben.

 

Im vorliegenden Fall setzt sich der Straftatbestand aus der Zusammenschau des § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG, des § 111 Abs. 2 ASVG und des § 33 Abs. 1 ASVG zusammen und lautet auf das Wesentliche zusammengefasst dahin, dass derjenige, der als Dienstgeber eine von ihm beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anmeldet, eine Ordnungswidrigkeit (d.h.: eine Verwaltungsübertretung) begeht, für die er von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen ist.

 

Wie bereits zuvor dargestellt, weicht der Dienstgeber-Begriff des ASVG von jenem des ABGB in weiten Bereichen ab. Für Privatrechtssubjekte, die beabsichtigen, einen Werk- oder freien Dienstvertrag anstelle eines echten Dienstvertrages abzuschließen, ist es angesichts des Umstandes, dass lediglich Letzterer, nicht aber auch Erstere mit Meldepflichten, deren Verletzung unter Strafsanktion steht, verbunden ist, somit unverzichtbar, bereits ex ante und allein schon auf Grund des Gesetzestextes völlige Klarheit darüber zu besitzen, ob bzw. dass die von ihnen in Aussicht genommene Vereinbarung nicht (auch) ein Beschäftigungsverhältnis i.S.d. ASVG verkörpert.

 

Diesem Anspruch könnte jedoch das Regelungssystem des § 35 Abs. 1 ASVG i.V.m. § 4 Abs. 2 und 4 ASVG und i.V.m. § 539a ASVG aus den bereits zuvor genannten Gründen allenfalls nicht gerecht werden: Unter dem Aspekt, dass ein gesetzlicher Straftatbestand gerade dann, wenn er einen Eingriff in einen a priori rechtsfreien Raum bewirkt, einer besonders genauen Determinierung bedarf (vgl. z.B. auch  VfGH v. 2.7.1993, G 226/92 [= VfSlg 13505/1993]; s.a. VwGH v. 13.10.2010, 2009/06/0189, m.w.N.), könnte sich § 111 Abs. 1 ASVG insoweit als verfassungswidrig erweisen, als diese den Begriff "Dienstgeber" offensichtlich in einer unbestimmten und zugleich missverständlichen Weise verwendet.

 

3.1.3.3. Dem gegenüber hat jedoch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. März 1997, G 392/96 u.a. (= VfSlg 14802/1997), ausgesprochen, dass § 4 Abs. 4 ASVG in der damaligen, materiell aber auch gegenwärtig noch maßgeblichen Fassung keinen Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip begegnet, weil der Typus des freien Dienstvertrages "angesichts der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Rechtsfigur des freien Dienstvertrages ohne größere Schwierigkeiten möglich ist".

 

Diese Judikatur geht zusammengefasst dahin, dass "ein freier Dienstvertrag dann vorliegt, wenn es an der für ein Arbeitsverhältnis wesentlichen persönlichen Abhängigkeit mangelt, die sich durch die Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation, durch die Bindung an Arbeitszeiten, an ein bestimmtes Verhalten bei der Erbringung der Arbeitsleistung und an persönliche Weisungen sowie durch die Unterwerfung unter Kontrollen dieses Verhaltens manifestiert. Der freie Dienstnehmer kann im Regelfall selbst die Lage seiner Arbeitszeit und seinen Arbeitsort bestimmen, er unterliegt keinen Weisungen seines Dienstgebers wie, wann und in welcher Reihenfolge er seine Arbeiten zu verrichten hat. Als ein wichtiges Anzeichen für die persönliche Abhängigkeit gilt der Umstand, dass sich der zur Arbeit Verpflichtete grundsätzlich nicht vertreten lassen darf, sondern die Arbeit in eigener Person zu leisten hat. Daher deutet eine grundsätzlich bestehende Vertretungsmöglichkeit auf einen freien Dienstvertrag hin. ... Besteht jedoch vertragsmäßig überhaupt keine Arbeitspflicht, steht es dem Auftragnehmer vielmehr völlig frei, die Arbeit entweder selbst zu erbringen oder jemanden anderen damit zu betrauen, liegt kein freier Dienstvertrag vor. Daran lässt auch Abs. 4 des § 4 keinen Zweifel, wenn er ausdrücklich von Personen spricht, die sich 'zu Dienstleistungen für einen Auftraggeber (Dienstgeber) ... verpflichten'". Von dieser auf das Element der persönlichen Abhängigkeit abstellenden Differenzierung zwischen Dienstvertrag, freiem Dienstvertrag und Werkvertrag ausgehend begegnet es nach Ansicht des VfGH "keinen unter Gesichtspunkten des Rechtsstaatsprinzips relevanten Schwierigkeiten, die Regelungen des ASVG, insbesondere jene über den Beginn und Ende der Versicherungspflicht, über die Berechnung der Beiträge und die Meldepflicht auf solche Verträge anzuwenden" (vgl. VfSlg 14802/1997, S. 410 f.).

 

Wenngleich der VfGH diese Feststellungen einerseits explizit auf den Vorbehalt der "von den Antragstellern geltend gemachten Bedenken" beschränkte (und diese hatten damals den zuvor erwähnten grundrechtlichen Aspekt [vgl. oben, 3.1.3.1.] nicht vorgebracht), und andererseits dem gegenüber den Begriff "dienstnehmerähnlich" als unter dem Blickwinkel des Art. 18 Abs. 1 B-VG zu unbestimmt ansah, weil es sich insoweit um eine nicht durch Judikatur und Literatur vorhergebildete, sondern um eine neue gesetzgeberische Begriffsbildung handelte, lässt sich daraus insgesamt besehen zumindest eine solche Interpretationsrichtlinie ableiten, die sowohl aus dem Blickwinkel des Legalitätsprinzips als auch aus grundrechtlicher Sicht weniger gewichtigen Einwänden ausgesetzt ist als jene des sog. "beweglichen Systems", die der VwGH (vgl. zuletzt z.B. VwGH v. 5.11.2010, Zl. 2010/09/0188) zu einer ähnlichen Problemlage im Ausländerbeschäftigungsgesetz entwickelt hat (s.a. die Zusammenfassung der älteren, vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996 ergangenen Judikatur des VwGH zum Dienstnehmer-Begriff des § 4 ASVG in VwSen-252558 v. 13.12.2010).

 

Unausgesprochen dürfte dadurch wohl auch zum Ausdruck gebracht worden sein, dass die durch § 4 ASVG i.d.F. des Strukturanpassungsgesetzes vorgenommene Institutionalisierung von neuen Vertragstypen ("Beschäftigungsverhältnis", "freier Dienstvertrag") auch im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes keinen Bedenken begegnen dürfte, sodass diese Vorgangsweise abstrakt betrachtet weder eine Verletzung des Wesensgehalts des Grundrechts der Privatautonomie bedeutete noch deren konkrete Ausgestaltung vom rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers nicht mehr gedeckt war.

 

3.1.3.4. Davon ausgehend hat daher der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall davon abgesehen, gemäß Art. 140 Abs. 1 i.V.m. Art. 129a Abs. 3 und i.V.m. 89 B-VG einen Antrag auf Aufhebung des zweiten Halbsatzes des § 4 Abs. 2 ASVG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

 

3.2. Die zuvor unter 3.1.3.3. dargestellte Judikatur für den vorliegenden Fall zu Grunde legend ergibt sich Folgendes:

 

3.2.1. Selbst wenn der Beschwerdeführer und der erste und der zweite Zeuge aus deren subjektiver Sicht einen Werkvertrag i.S.d. §§ 1165 ff ABGB abschließen wollten, war die gegenständliche Vereinbarung aus dem Blickwinkel des § 4 Abs. 2 ASVG deshalb als ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu qualifizieren, weil es objektiv besehen gerade essentiell darauf ankam, dass die beiden Zeugen die ausbedungene Leistung (Montage von Winkelprofilen) in ihrer spezifischen Eigenschaft als gewerberechtlich befugte (und daher nicht weiter einschulungsbedürftige) Professionisten eigenständig erbringen, sodass eine Vertretung nicht in Betracht kam.

 

3.2.2. Im gegenständlichen Fall blieb allseits unbestritten, dass die beiden Ausländer zum Tatzeitpunkt bereits i.S.d. § 2 Abs. 1 Z. 1 bis 3 GSVG pflichtversichert waren. Ebenso haben aber auch alle Verfahrensbeteiligten außer Streit gestellt, dass sie auf der verfahrensgegenständlichen Baustelle nicht bloß solche Tätigkeiten, die von ihrer Gewerbeberechtigung umfasst waren, sondern darüber hinaus auch Arbeiten durchzuführen hatten – und auch tatsächlich durchgeführt haben –, wie sie auf einer Baustelle üblicherweise anfallen (Abladen von Materialien, Verbringen der Glasplatten in den 4. Stock, Ein- und Anpassen der Scheiben, Montage von Blechverkleidungen, etc.). Dem Umstand, dass das Ausmaß dieser "berechtigungsfremden" Tätigkeiten im Detail letztlich nicht genau eruierbar war (vgl. dazu näher unten, 3.3.2.), kommt auf der Ebene der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit des Handelns des Beschwerdeführers keine maßgebliche Bedeutung zu: Weil § 4 Abs. 4 Z. 1 lit. a ASVG explizit auf "diese" Tätigkeit abstellt, geht daraus zweifelsfrei hervor, dass eine bestehende Pflichtversicherung nach GSVG eine Meldepflicht nur dann und insoweit obsolet macht, als der Beschäftigte ausschließlich Tätigkeiten vornimmt, die durch den Rahmen seiner Gewerbeberechtigung gedeckt sind; hinsichtlich aller darüber hinaus gehenden Arbeiten besteht hingegen eine (zusätzliche) Versicherungs- und damit Meldepflicht nach ASVG, weil es sich insoweit nicht (mehr) um eine unter die genannte Ausnahmebestimmung fallende eigenunternehmerische Tätigkeit des Beschäftigten handelt.

 

Da hier die "berechtigungsfremden" Tätigkeiten jeweils aufgrund entsprechender Anweisungen des Bauleiters des Beschwerdeführers vorgenommen wurden und diesbezüglich zweifelsfrei eine persönliche Abhängigkeit und organisatorische Eingliederung in das Unternehmen des Rechtsmittelwerbers vorlag – die die beiden Ausländer im Interesse der Aufrechterhaltung des Gesamtbeschäftigungsverhältnisses akzeptieren mussten und auch akzeptiert haben –, kann insoweit auch dem Aspekt, dass im Übrigen das zur Montage der Winkelprofile erforderliche – und insoweit nicht relevante – Werkzeug von den Ausländern selbst beigestellt wurde, im Hinblick darauf, dass die erforderlichen Bauteile (Glasplatten) und Hilfsmittel (Gerüst, Leitern) von der GmbH stammten, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur eine untergeordnete Bedeutung zukommen.

 

In Verbindung damit, dass der erste und der zweite Zeuge auch insoweit ihre Arbeitszeit und den Arbeitsort ebenso wenig wie den Arbeitsablauf völlig frei gestalten konnten, sondern jedenfalls der Rahmenkoordination des dritten Zeugen, eines Arbeitnehmers des Rechtsmittelwerbers, unterstellt waren – sodass sie ihre Arbeit allseits unbestritten am selben Ort und während derselben Zeit wie die Bediensteten des Beschwerdeführers ausführen mussten –, lag aber diesbezüglich nicht einmal ein bloß "freier Dienstvertrag" i.S.d. § 4 Abs. 4 ASVG und – weil es den Auftragnehmern gerade nicht völlig frei stand, die Leistung entweder selbst zu erbringen oder jemand anderen damit zu betrauen – erst recht kein Werkvertrag, sondern im Ergebnis vielmehr ein (reiner) Dienstvertrag i.S.d. §§ 1153 ff ABGB und der hierzu ergangenen zivilrechtlichen Judikatur und Literatur, wie diese im vorzitierten VfGH-Erkenntnis vom 14. März 1997, G 392/96 u.a. = VfSlg 14802/1997 (S. 409 f) näher dargestellt ist (vgl. oben, 3.1.3.3.), vor.

Davon ausgehend kam dem Beschwerdeführer sohin die Eigenschaft eines "Dienstgebers" i.S.d. § 35 Abs. 1 ASVG zu.

Dadurch, dass er als solcher der sich an das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis knüpfenden Meldepflicht nicht entsprochen hat, hat er somit auch tatbestandsmäßig i.S.d. § 111 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 ASVG und insoweit, als er angesichts des Umstandes, dass das gegenwärtige Regelungssystem nunmehr schon seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, also seit 15 Jahren besteht, und dennoch vorab keine diesbezüglichen Erkundigungen bei der zuständigen Behörde eingeholt hat, grundsätzlich zumindest auch fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.

Seine generelle Strafbarkeit ist daher gegeben.

3.3.2. Auf der Ebene des Verschuldens ist dem Rechtsmittelwerber zunächst zugute zu halten, dass die hier maßgebliche Rechtslage – wie zuvor ausgeführt – bislang nicht eindeutig geklärt ist und zudem verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese nicht ohne erheblichen Begründungsaufwand entkräftet werden können. Davon ausgehend kann auch dem Umstand, dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH bei unklarer Rechtslage ein Verschulden grundsätzlich nur dann gänzlich ausgeschlossen werden kann, wenn entsprechende Erkundigungen bei der zuständigen Behörde und/oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person eingeholt wurden (vgl. z.B. VwGH v. 13. Juni 1989, Zl. 85/08/0064, sowie die weitere, bei W. Hauer – O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Wien 2004, S. 1246 ff, zitierte Rechtsprechung), hier lediglich eine untergeordnete Bedeutung zukommen: Denn der Beschwerdeführer hat hier vorab – wenngleich nicht bei einer zuständigen Behörde oder einem berufsmäßigen Parteienvertreter, so doch – zumindest bei seiner Interessenvertretung (Kammer der gewerblichen Wirtschaft) um entsprechend klärende Informationen ersucht, wobei es angesichts der bestehenden Unsicherheit durchaus ungewiss erscheint, ob er bei einer zuständigen Behörde eine zutreffende Auskunft erhalten hätte.

Sein Verschulden ist daher bloß als geringfügig zu qualifizieren.

3.3.2. In welchem quantitativen Ausmaß die beiden Ausländer solche Tätigkeiten, die nicht von ihrer Gewerbeberechtigung umfasst waren und daher der Versicherungspflicht nach ASVG unterlagen, ließ sich nach nunmehr eineinhalb Jahren, aber auch deshalb nicht mehr exakt klären, weil die seitens des Magistrates der Stadt Wien ausgestellten Gewerbeberechtigungen insoweit auch einen gewissen Graubereich offenlassen. Grundsätzlich wäre diese Frage bereits von der belangten Behörde zu ermitteln gewesen; daher kann im Zuge der vom Oö. Verwaltungssenat nunmehr vorzunehmenden ex-post-Betrachtung – weil entgegenstehende Beweisergebnisse objektiv nicht vorliegen – den Aussagen der beiden Ausländer und des Rechtsmittelwerbers, dass diese "berechtigungsfremden" Tätigkeiten umfangmäßig weniger als 10% betragen haben, nicht entgegengetreten werden.

Wenn davon ausgehend die gemäß § 111 ASVG erforderliche Meldung bloß für einen Zeitraum von vier Tagen unterblieben ist, waren die Folgen dieser Übertretung aber offensichtlich unbedeutend.

3.3.3. Damit liegen aber hier im Ergebnis die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 VStG vor, sodass der Oö. Verwaltungssenat zwingend von der Verhängung einer Strafe abzusehen hatte; aufgrund des in der öffentlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Beschwerdeführer ist das erkennende Mitglied zudem der Überzeugung, dass die Erteilung einer Ermahnung ausreicht, um den Rechtsmittelwerber künftig von der Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

3.4. Insoweit war daher der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe zu bestätigen, dass es in dessen Spruch – wie sich aus dessen Begründung in Verbindung mit der Aufforderung zur Rechtfertigung der belangten Behörde vom 15. März 2010, Zl. SV96-26-2010, zweifelsfrei ergibt – anstelle von "2010" richtig jeweils "2009" zu heißen hat.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

VwSen-252667/15/Gf/Mu vom 31. Jänner 2011

Erkenntnis

 

StGG Art 2 und 5;

EMRK Art 7 Abs 1;

B-VG Art 18 Abs 1, Art 140

VStG § 21

ASVG §§ 4, 33, 35, 111, 539a

 

Anmerkung: RS 1 bis 3 wie VwSen-252627/23/Gf/Mu vom 24.12.2010

 

Rechtssatz 1

Die mit dem StrukturanpassungsG 1996 begonnen habende Institutionalisierung eines neuen Vertragstypus durch § 4 ASVG ("Beschäftigungsvertrag") scheint prinzipiell sowohl im Hinblick auf den Wesensgehalt des Grundrechts auf Privatautonomie als auch im Hinblick auf das spezifische strafrechtliche Legalitätsprinzip des Art 7 Abs 1 EMRK und das allgemeine Legalitätsprinzip des Art 18 Abs 1 B-VG verfassungsrechtlich bedenklich. Andererseits dürfte aber in der Entscheidung des VfGH VfSlg 14.802/1997 nicht nur die rechtsstaatliche Unbedenklichkeit, sondern mittelbar auch die sachliche Rechtfertigung dieser Neuregelung zum Ausdruck kommen, sodass im Ergebnis von der Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages iSd Art 140 B-VG abgesehen werden konnte.

 

Rechtssatz 2

Nach VfSlg 14.802/1997 ist die Auslegung der in § 4 Abs 2 und § 4 ASVG enthaltenen unbestimmten Gesetzesbegriffe iSd überkommenen zivilrechtlichen Judikatur und Literatur geboten: Liegt eine persönliche Abhängigkeit vor, handelt es sich um einen Dienstvertrag. Ein freier Dienstvertrag ist durch eine grundsätzlich bestehende Vertretungsmöglichkeit gekennzeichnet. Ein Werkvertrag liegt hingegen erst dann vor, wenn schon von vornherein überhaupt keine persönliche Arbeitspflicht besteht. Lediglich in letzterem Fall handelt es sich nicht um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.

 

Rechtssatz 3

Der Einbau der Steuerungseinheit einer Lüftungsanlage nach den Plänen und mit dem Material des Auftraggebers an einem von Letzterem bestimmten Ort ist als Dienstvertrag und somit als ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu qualifizieren.

 

Rechtssatz 4

Eine Meldepflicht gemäß § 4 Abs 4 Z 1 lit a ASVG ist gegeben, wenn und soweit die Beschäftigten tatsächlich über den Rahmen ihrer gewerberechtlichen Befugnis hinausgehend tätig geworden sind.

 

Rechtssatz 5

Es liegen bloß unbedeutende Folgen vor, wenn die quantitative Überschreitung weniger als 10% der gesamten Tätigkeit und die Beschäftigungsdauer bloß 4 Tage betragen hat.

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 20.06.2011, Zl.: B 388/11-3

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 14. November 2012, Zl.: 2011/08/0157-7 

 

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