Linz, 30.11.2010
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis, vom 14.6.2010, AZ: VerkR96-1936-2010, nach der am 30. November 2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden als Kosten für das Berufungsverfahren 32 Euro auferlegt (20% der verhängten Geldstrafe).
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009.
Zu II.: § 64 Abs.1 u. 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend folgendes aus:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht per E-Mail „X“ erhobenen Berufung worin er sinngemäß ausführt, das Auto nicht gefahren zu sein und selber nie in Österreich gewesen zu sein.
2.1. Mit diesem Berufungsvorbringen vermag der Berufungswerber eine Rechtswidrigkeit des Schuldspruches nicht aufzuzeigen!
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß der bestreitenden Verantwortung in Wahrung der durch Art. 6 EMRK intendierten Rechte zwecks unmittelbarer Beweisaufnahme durch Anhörung des Berufungswerbers geboten (§ 51e Abs.1 VStG).
Weder der Berufungswerber noch die Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil.
4. Sachverhalt:
Das gegenständliche Fahrzeug ist gemäß der Anzeige in Flensburg auf den Berufungswerber registriert. Dies bestreitet der Berufungswerber im Rahmen dieses Verfahrens nicht.
Noch im Einspruch gegen die Strafverfügung vom 8.2.2010 gibt der Berufungswerber an das Auto nicht selbst gefahren, sondern habe das Auto für ein paar Tage verliehen.
In seiner Reaktion auf das Parteiengehör bzw. die Ladung zur Berufungsverhandlung will sich der Berufungswerber offenbar nicht einmal mehr als Fahrzeughalter deklarieren.
Bereits im Rahmen des Parteiengehörs wurde dem Berufungswerber mit h. Schreiben vom 27.10.1010 eröffnet, wonach seine Darstellung den/die damalige(n) Lenker/Lenkerin nicht benennen zu können der Berufungsbehörde vorläufig nicht nachvollziehbar erschiene.
Er wurde auf seine Mitwirkungspflicht hingewiesen, wonach im Falle einer unterbleibenden Mitwirkung die Berufungsbehörde keine Veranlassung sehen würde, als den Berufungswerber selbst als Lenker (Fahrzeugführer) zur fraglichen Zeit anzusehen. Insbesondere die Darstellung nicht zu wissen wer am Weihnachttag des vergangenen Jahres in Österreich verwendete, wem vom Fahrzeughalter die Gelegenheit eröffnet wurde, die 700 km aus dem Großraum von Köln bis Obernberg am Inn zu fahren, wurde dem Berufungswerber vorweg als unglaubwürdig signalisiert.
Da dies einerseits völlig unlogisch und lebensfremd ist und sich der Berufungswerber jeglicher inhaltlichen Mitwirkung entschlagen hat, kommt logisch besehen nur er selbst als Lenker seines Pkw´s in Betracht.
Auch in der Ladung zur Berufungsverhandlung wurde abermals auf § 51f Abs.2 VStG hingewiesen.
Mit dem E-Mail vom 13.11.2010, 13:28 Uhr, welches von der bereits im erstinstanzlichen Verfahren vom Berufungswerber verwendeten E-Mailadresse teilte der Berufungswerber schließlich mit, zur Verhandlung nicht erscheinen zu können.
Abweichend von der bisherigen Darstellung behauptete er in diesem Schreiben, selber nie in Österreich gewesen zu sein. Er habe damals sein Auto ausgeliehen (gemeint wohl verliehen) und da er auch den Halter nicht „ernennen“ (gemeint wohl: den Fahrer benennen), sei er nicht bereit die Strafe zu bezahlen. Dies bitte er zu berücksichtigen.
Seiner Verantwortung nicht selbst gefahren zu sein kann alleine schon angesichts der Widersprüche in der Darstellung zur Fahrzeughalterschaft nicht gefolgt werden. Wer sonst als in aller Regel der Berufungswerber selbst sollte am Weihnachtstag mit diesem Fahrzeug in Österreich unterwegs gewesen sein.
Sollte es sich dabei tatsächlich um eine Person gehandelt haben dem das Fahrzeug überlassen worden wäre, müsste diese Person vom Berufungswerber wohl benannt werden können, weil einer dem Berufungswerber fremden Personen wohl kaum dessen Fahrzeug für eine Fahrt ins Ausland überlassen wurde. Da der Berufungswerber am eigenen Verfahren zu keinem Zeitpunkt substanziell mitzuwirken bereit war, sieht die Berufungsbehörde keine Veranlassung eine andere Person als den Berufungswerber selbst als Lenker zu sehen.
5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Auf dem Radarfoto ist das Kennzeichen des Kraftfahrzeuges im „Vergrößerungsfeld“ gut erkennbar. Auch die Tatzeit ist am Radarfoto festgehalten. Dass der Tatort in der Anzeige korrekt bezeichnet ist, steht für die Berufungsbehörde ebenfalls außer Zweifel. Wie aus anderen Verfahren bekannt lag und liegt für das betreffende Radarmessgerät zum Tatzeitpunkt eine gültige Eichung vor. Auch dadurch ist dessen Funktionsfähigkeit belegt.
Demnach kann nur der Berufungswerber selbst zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsüberschreitung als der Lenker seines Personenkraftwagens in Betracht kommen.
5.1. Der Berufungswerber hat während des gesamten Verfahrens kein Vorbringen getätigt, welches geeignet wäre Zweifel darüber aufkommen zu lassen, dass nicht er selbst als Fahrzeughalter sein eigenes Fahrzeug gelenkt hätte.
Er verweigerte demnach jegliche inhaltliche Mitwirkung an diesem Verfahren. Mit seiner offenkundigten Auffassung es befürfe für den Nachweis der Lenkerschaft eines Bildbeweises oder einer Anhaltung, kann dem Berufungswerber nicht gefolgt werden. Es darf geradezu als absurd bezeichnet werden darstellen zu wollen, jemanden einen Pkw verborgt zu haben, den man weder nach Namen und auch nicht dessen Wohnsitz kennt.
Da hier der Berufungswerber kein einziges Indiz für einen solchen Umstand aufzeigte sieht die Berufungsbehörde keine Grund nicht ihn selbst als Lenker (Fahrzeugführer) überführt zu erachten. In diesem Zusammenhang vermag er sich auch nicht gleichsam auf Entschlagungs- oder Aussageverweigerungsrecht berufen, zumal einer solchen Person keine strafrechtliche Verfolgung mehr drohen würde. Dies mit Blick auf die Verjährung und Art. 6 Abs.2 der EMRK.
Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
5.2. Das Verwaltungsstrafverfahren ist grundsätzlich nach den Vorschriften des AVG und VStG zu führen, somit ist der maßgebliche Sachverhalt nach den §§ 37 ff AVG von Amts wegen zu ermitteln. Einer amtswegigen Ermittlung der Person, die ein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat, sind jedoch Grenzen gesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher in derartigen Fällen mehrfach auf die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten bei der Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes hingewiesen (vgl. VwGH 08.02.1995, Zl 94/03/0108 ua). Ein Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter) darf sich demnach nicht darauf beschränken, die Lenkereigenschaft bloß zu bestreiten. Die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten erfordert es vielmehr, dem Tatvorwurf konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und dafür auch entsprechende Beweise anzubieten (vgl VwGH 28.09.1988, 88/02/0030 ua).
5.2.1. Entsprechend dieser höchstgerichtlichen Judikatur wurde der Berufungswerber seitens der Berufungsbehörde neben einem Schreiben vom 27. Oktober 2010 auch noch mit der Ladung zur Berufungsverhandlung gesondert auf die Mitwirkungspflicht hingewiesen und darin dargelegt für sein bestreitendes Vorbringen entsprechende Beweismittel vorzulegen oder zu benennen. Er blieb jedoch jegliche Mitwirkung zu Klärung des Sachverhaltes schuldig (vgl. VwGH 06.12.1985, 85/18/0051).
5.2.2. In lebensnaher Würdigung dieser Umstände gelangte daher auch die Berufungsbehörde zur Überzeugung, dass der Berufungswerber das betreffende Kraftfahrzeug zum Zeitpunkt dieser Geschwindigkeitsmessung selbst gelenkt hat.
Von einem Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter), der sein Fahrzeug nicht selbst gelenkt hätte, ist nämlich auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu erwarten, dass er zumindest nachvollziehbare Aspekte darzulegen in der Lage ist die seine Lenkerschaft (Fahrzeugführerschaft) zumindest fraglich erscheinen lassen (vgl VwGH 20.09.1996, 96/17/0320).
Wenn all das unterblieb bildet dies einen Beweis dafür, dass offenbar nur er selbst als Lenker in Betracht kommen kann. Da das betreffende Kraftfahrzeug offenbar überwiegend in Dresden in Verwendung steht, käme an sich wohl nur ein überschaubarer Personenkreis für eine Fahrt nach Österreich in Betracht. Einer solchen wohl ausschließlich vom Wissen des Fahrzeughalters ausgeführte Fahrt kann demnach durchaus als einprägsames Vorkommnis bezeichnet werden, welches einen Betroffenen wohl kaum überfordern dürfte zumindest potenzielle Lenker zu benennen, deren Angaben ihrerseits wieder überprüfbar wären.
Eine Strafverfolgung gegen einen präsumtiven Lenker wäre, wie oben schon erwähnt, angesichts der gegen diesen eingetretenen Strafverfolgungsverjährung ohnedies nicht mehr möglich. Auch vor diesem Hintergrund ist das Schweigen selbst mit Blick auf das Zeugnisverweigerungsrecht mit Hinweis auf die deutsche Strafprozessordnung (§§ 52, 55 StPO) nicht wirklich nachvollziehbar.
5.3. Aus dem gesamten Verhalten des Berufungswerbers kann vor diesem Hintergrund und gestützt auf die vorzitierte höchstgerichtliche Judikatur nur schlussgefolgert werden, dass er als Fahrzeughalter selbst Lenker des Fahrzeuges im Tatzeitpunkt war, und er durch Verweigerung der gebotenen Mitwirkung an der Sachverhaltsklärung lediglich einer Bestrafung entgehen wollte (vgl. auch VwGH 06.11.2002, 2001/02/0273, mwN).
5.3.1. Wie bereits in der Ladung aufgezeigt befreit der Verfahrensgrundsatz, dass die Behörde von Amts wegen vorzugehen hat (§ 24 VStG iVm § 39 Abs.2 AVG, § 25 Abs.1 VStG) die Partei nicht von ihrer Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, wobei diese Mitwirkungspflicht auch den Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren trifft. Die Mitwirkungspflicht hat insbesondere dort Bedeutung, wo – so wie hier – ein aus der Sicht der Partei strittiger Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit ihr geklärt werden könnte. Dies erfordert, dass der Beschuldigte seine Verantwortung nicht darauf beschränken kann, die ihm zur Kenntnis gelangten Erhebungsergebnisse – welches hier durch die Aktenlage klar gedeckt ist – für unrichtig zu erklären, ohne diesen ebenso konkrete Behauptungen entgegenzusetzen und entsprechende Beweise anzubieten.
So löst etwa das bloße globale Bestreiten eines Beschuldigten, ohne nähere Konkretisierung und Stellung von Beweisanträgen, in einem durch eine Meldung eines Sicherheitswachebeamten eingeleiteten Verfahren keine weitere Ermittlungspflicht aus. Unterlässt der Beschuldigte die gebotene Mitwirkung im Verwaltungsstrafverfahren, so bedeutet es auch dann keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Erhebungen durchführt bzw. durch absolutes Untätigsein des Beschuldigten nicht durchführen kann (unter vielen VwGH vom 20.9.1999, 98/21/0137).
Für eine Behauptung, er habe ein Fahrzeug zum Tatzeitpunkt etwa nicht gelenkt, darf ein Betroffener nicht jeglichen Beweis einfach schuldig bleiben.
Seinem Hinweis nie in Österreich gewesen zu sein und die Strafe nicht bezahlen zu können, ist daher entgegen zu halten, dass mit bloßem Bestreiten einer prima facie vom Fahrzeughalter begangenen Ordnungswidrigkeit, bei gleichzeitigem Unterlassen jeglicher inhaltlichen Mitwirkung am eigenen Verfahren, die Begehung einer Verwaltungsübertetung nicht ungeahndet bleiben kann ([vgl. dazu die bei Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren, Zweiter Halbband, 8. Auflage, auf Seite 678f angeführte Judikatur] s. obzit. Judikatur).
6. Zur Strafzumessung:
Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
6.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140, mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).
Mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Umfang von (verkehrsfehlerkorrigiert) 39 km/h ist, angesichts der dortigen als Unfallhäufungsstelle ausgewiesenen Kreuzung, der Unwertgehalt durchaus als erheblich einzustufen.
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers wird auch von der Berufungsbehörde schätzungsweise von einem Erwerbseinkommen von € 1.300,- monatlich ausgegangen. Als strafmildernd ist die für Österreich anzunehmede verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Berufungswerbers zu werten.
In der nur mit 160 Euro im Umfang im Bereich von 20% ausgeschöpften Strafrahmen vermag daher objektiv besehen kein Ermessensfehler erblickt werden.
Zu II.: Die Verfahrenskosten gründen zwingend in der unter II. zitierten Gesetzesstelle.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von € 220,-- zu entrichten.
Dr. B l e i e r