Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-522709/3/Bi/Kr

Linz, 06.12.2010

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn X, vom 29. Oktober 2010 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 18. Oktober 2010, VerkR21-100-2010/LL, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die Entziehungsdauer, gerechnet ab 18. Oktober 2010, auf 3 Monate herabgesetzt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24 Abs.1, 25 Abs.1 und 3, 3 Abs.2, 32 Abs.1, 30 Abs.1 FSG die von der BH Linz-Land am 26. Juni 2007, Zl. 06304041, für die Klasse B erteilte Lenkbe­rechtigung für den Zeitraum von 12 Monaten, beginnend mit Zustellung des Bescheides, entzogen und ihm für die Dauer der Entziehung ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge erteilt sowie das Recht aberkannt, von einem allfällig ausgestellten ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen. Weiters wurde ihm gemäß §§ 29 Abs.2 und 32 FSG auferlegt, den Führerschein sowie den Mopedausweis (Nr. X, ausgestellt am 8.6.2005, X) unverzüglich abzuliefern und wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 18. Oktober 2010.

 

2. Ausschließlich gegen die Entziehungsdauer wendet sich die vom Bw frist­gerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvor­entscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, auch wenn er mit rechtskräftigem Urteil des LG Steyr vom 25.3.2010, 10 Hv 15/10v, wegen §§ 15, 142 Abs.1 StGB zu einer teilbe­ding­ten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden sei, wovon der bedingte Teil 12 Monate umfasse, entbinde das die Behörde nicht, bei der Wertung im Sinne einer Beurteilung der Entzugsdauer die Tathandlung als solche und die Gewichtung im Rahmen der bei derartigen Delikten üblichen Deliktsdelinquenzen und vor allem seine Persönlichkeit zu berücksichtigen. Die Entzugsdauer müsse nicht nur den Belangen der Verkehrszuverlässigkeit und Verkehrssicherheit gerecht werden, sondern vorrangig seiner Persönlichkeit. Er sei bislang völlig unbescholten gewesen und habe die Tat im Ausnahmezustand unter Einwirkung dritter Personen begangen; es sei ein einmaliger "Ausrutscher" gewesen, der mit seinem bisherigen Verhalten in völlig und an sich unerklär­barem Widerspruch stehe. Weiters seien gewichtige Milderungsgründe zu berück­sichti­gen, nämlich seine von Anfang an erklärte völlige Schuldeinsicht, sein Geständnis, die gänzliche Schadenswiedergutmachung hinsichtlich Schmerzen­geld­an­sprüchen im Strafverfahren und sein "Nachtatverhalten". Auch die bereits tatsächlich zurückgelegte Haftdauer von 4 Monaten sei in die Ermessensentschei­dung mit einzubeziehen. Er habe sich seither in gerichtlicher und verwaltungs­behörd­licher Hinsicht untadelig verhalten, sei bereits im Mai 2010 aus der Haft entlassen worden und habe danach seine Verkehrszuverlässigkeit durch das Lenken von Kraftfahrzeugen bewiesen, sodass davon ausgegangen werden könne, dass seine Sinnesart in Zukunft keinerlei, schon gar nicht weitere schwere strafbare Handlungen befürchten lasse, die etwa durch das Lenken von Kraftfahr­zeugen erleichtert würden. Seine einmalige Verfehlung sei zweifellos durch eine persönliche Unreife und die tatsächliche Unkenntnis der allenfalls zu erwartenden schweren Folgen charakterisiert. Gerade das Nachtatverhalten und der Umstand, dass die vom Gericht ausgesprochen Strafe bereits deutlich mache, dass die personale Täterschuld einerseits und der objektive soziale Störwert der Tathand­lung im Vergleich zu sonstigen Tathandlungen gemäß § 142 StGB durchaus gering einzustufen seien, indizierten, dass er nach bereits verstrichenen 10 Mona­ten die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangt habe. Zum Beweis für die gün­s­ti­ge Zukunftsprognose werde die Einholung eines forensischen Gutachtens über sein Persönlichkeitsbild und die bisherigen Therapieerfolge (gerichtliche Weisung gemäß § 50 ff StGB) beantragt.

Er habe es aus eigenem Antrieb geschafft, eine Beschäftigung bei einem renommier­ten Unternehmen zu finden und verweise auf die beigelegte Bestäti­gung vom 12.10.2010 der X, X, die Therapiebestätigung X vom 13.10.2010. Bei einer längeren Entziehung würde der neuerliche Verlust seines für ihn so bedeutsamen Arbeits­platzes drohen, was in jeder Hinsicht kontraproduktiv sei. Der Zweck einer Strafe liege nicht nur im zu erzielenden resozialisierenden Effekt, wobei die erfolg­versprech­enden Weichenstellungen durch eine jedenfalls überlange Entziehungs­dauer bis Oktober 2011 zur Gänze ausgehöhlt würden. Es reiche hier nicht, dass die Begehung weiterer strafbarer Handlungen nicht ausgeschlossen werden könne, sondern müsse für die Verkehrunzuverlässigkeit die Annahme begründet sein, dass er sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde. Davon könne aber mit Sicherheit nicht ausgegangen werden, sondern sei seine Ver­kehrs­zuverlässigkeit nach den verstrichenen 10 Monaten wieder gegeben, jeden­falls aber mit der gesetzlichen Mindestentziehungsdauer, sodass die Herabsetzung der Entziehungsdauer beantragt wird, in eventu ihm während der Entzugsdauer die Fahrt zur Arbeitsstätte und zurück zu ermöglichen.

Mit Schreiben vom 4. November 2010 wurde zusätzlich die Stellungnahme des Bewährungshelfers X vorgelegt, wonach er Bw bei seinen Eltern in X wohne und die Kontaktpflicht mit ihm regelmäßig einhalte. Er mache eine Schweißerausbildung und sei mit September 2010 in die Stamm­belegschaft der X übernommen worden. Die ihm gerichtlich aufgetragene Therapie nehme er jeden Freitag in X in Anspruch. Er wirke bei Gesprächen sehr motiviert und sei auch fähig, sein massives Fehlverhalten, das ihm letztlich mehrere Monate Haft eingebracht habe, positiv zu verarbeiten. Der Bewährungshelfer bestätigt seinen Eindruck, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten handeln werde. Die ihm gebotene beruf­liche Chance wirke zusätzlich motivierend und stabilisierend und der Vertrauens­vorschuss und der Rückhalt seiner Familie stützend. Ein Arbeitsplatzverlust wäre eine außerordentliche Belastung für seine weitere positive Entwicklung.

Laut Stellungnahme seines Arbeitgebers ist der Bw seit 1. September 2010 im Unternehmen beschäftigt, jedoch müssten die Mitarbeiter wegen der anfallenden Montagearbeiten mittels Firmenauto einen Führerschein besitzen; Arbeitsbeginn sei täglich um 6.00 Uhr morgens. 

Laut X-Bestätigung nimmt der Bw die Therapietermine regelmäßig wahr.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der am 8.6.1990 geborene Bw mit Urteil des Landes­gerichtes Steyr vom 25.3.2010, 10 Hv15/10v, schuldig gesprochen wurde, ge­mein­sam mit S.P. am 24.1.2010 im bewussten und gewollten Zusammen­wirken als Beteiligter (§ 12 StGB)

I. mit Gewalt gegen eine Person sowie teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89) anderen Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegzunehmen bzw abzunötigen versucht zu haben, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1. in X dem M.Z. Gegenstände und Bargeld unbekannten Wertes, indem er die­­sen mit Gewalt aus seinem Fahrzeug herauszuzerren versuchte, um ihm so­dann geeignete Raubbeute abzunehmen, wobei er ihm mit der Faust ins Gesicht schlug und ihn mit einem Schal würgte, wobei die Tat aufgrund des Umstandes, dass M.Z. angegurtet war und mehrmals die Hupe seines Fahrzeuges betätigte, beim Versuch blieb;

2. in X dem G.G. Gegenstände und Bargeld unbekannten Wertes, indem er diesen mit Gewalt aus seinem Fahrzeug zerrte, um sich sodass geeignete Raubbeute anzueignen, wobei er ihm zahlreiche Faustschläge und Fußtritte gegen Kopf und Körper versetzte und dabei äußerte: "Wenn wir mit dir fertig sind, kannst du sowieso niemanden mehr anzeigen.", wobei die Tat aufgrund des Umstandes, dass sie versehentlich anstelle einer Tasche mit Bargeld eine Tasche mit den zu Anklagefakten II angeführten Gegenständen an sich brachten, beim Versuch blieb;

II. in X im Zuge der unter I.2. angeführten Tat

1. G.G. dadurch geschädigt zu haben, dass er fremde bewegliche Sachen in einem noch festzustellenden 3.000 Euro nicht übersteigenden Wert, nämlich eine Ledertasche mit diversen persönlichen Gegenständen, aus dessen Gewahrsam dauernd entzogen, ohne die Sachen sich oder einem Dritten anzueignen, indem sie diese an sich nahmen und in der folge in den X warfen,

2. ein unbares Zahlungsmittel, nämlich die Bankomatkarte des G.G., mit dem Vorsatz unterdrückt, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, indem er diese an sich nahm und in der Folge in den X warf,

3. Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den Führerschein, den Taxilenkerausweis sowie die E-Card des G.G., mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem er diese an sich nahm und in der Folge in den X warf.

Er hat dadurch zu I. die Verbrechen des versuchten Raubes nach den §§ 15 Abs.1, 142 Abs.1 StGB, zu II.1. das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs.1 StGB, zu II.2. das Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs.3 StGB und zu II.3. das Vergehen der Urkun­den­unterdrückung nach § 229 Abs.1 StGB begangen und wurde unter Anwen­dung der §§ 28, 36 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wovon 12 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, sodass der verbleibende Strafteil 6 Monate beträgt. Die Untersuchungshaft von 24.1.2010, 5.15 Uhr, bis 25.3.2010, 13.30 Uhr, wurde auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet und dem Bw und S.P. zur ungeteilten Hand eine Schadenersatzzahlung von 500 Euro an M.S. auferlegt. Dem Bw wurde die Weisung erteilt, sich eine Psychotherapie bei X zu unterziehen und den Beginn binnen einen Monat nach Enthaftung und die auf­rechte Therapie vierteljährlich unaufgefordert dem Gericht nachzuweisen, sowie sich beim AMS arbeitssuchend zu melden bzw einer versicherungs­pflichtigen Beschäftigung nachzugehen und dem Gericht hierüber unaufgefordert binnen einem Monat eine Bestätigung vorzulegen; Bewährungshilfe wurde ange­ordnet. Strafmildernd wurde berücksichtigt die Unbescholtenheit, der teilweise Versuch, das Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung, erschwerend waren die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art, Tatwie­der­holung und die Verletzung von zwei Raubopfern.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenk­berechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind.

Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. Gemäß § 7 Abs.3 Z10 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102 (erpresserische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat. Gemäß Abs.4 dieser Bestimmung sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei der Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuver­lässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen.

 

Die Begehung der im rechtskräftigen Urteil genannten Straftaten hat der Bw nicht bestritten, sodass hinsichtlich der Begehung einer Straftat gemäß §§ 15, 142 StGB vom Vorliegen einer bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs.1 Z10 FSG auszugehen war.

Das Verbrechen des Raubes ist zwar wegen der durch Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bewirkten Willensbeugung des Opfers verwerflich; im konkreten Fall darf aber nicht übersehen werden, dass der zum Tatzeitpunkt etwa 19,5 Jahre alte, aber nichtsdestotrotz als "Erwachsener" anzusehende Bw wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs.1 StGB schuldig erkannt wurde und bis dahin unbescholten war. Im Zusammenhang mit dem Wertungskriterium der Verwerflichkeit ist dem Bw vorzuhalten, dass er möglicherweise unter dem Einfluss von S.P. und Alkohol stand, was aber nicht zu beschönigen vermag, dass er aus eigenem Entschluss  den ihm völlig unbekannten und ahnungslosen M.Z. sofort mit der Faust ins Gesicht schlug und ihn mit einem Schal würgte, um schließlich zu versuchen, ihn aus seinem Taxi zu ziehen, was aber misslang, weil M.Z. angegurtet war und durch Betätigen der Hupe die Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Bw und S.P. rannten davon und beschlossen nach dem Misserfolg, es noch einmal zu versuchen. Das 2. Opfer nach der Tat um 1.45 Uhr des 24.1.2010 in X war wenig später der Taxilenker G.G., dessen Taxi sie telefonisch bestellt hatten und den sie beim Eintreffen am Parkplatz in X um etwa 3.40 Uhr überfielen. Der Bw schlug mehrmals auf G.G. ein und, nachdem sie ihn aus dem Taxi herausgezerrt hatten, traten beide mehrmals mit den Füßen gegen Körper und Kopf von G.G., der zu Fuß in Richtung der zu dieser Zeit von mehreren Fahrzeugen befahrenen Bundesstraße flüchten konnte, sodass schließlich der Bw und S.P. von ihm abließen. Sie nahmen eine Ledertasche mit persönlichen Gegenständen, Dokumenten und Bankomatkarte des G.G. mit und warfen diese dann frustriert, weil sie kein Bargeld erwischt hatten, in die X.   

Beide Raubopfer wurden verletzt; M.Z. erlitt einen Bluterguss, Würgemale im Genick und eine Schwellung an der Oberlippe, G.G. Schürfwunden., Blutergüsse und Schwellungen im Gesicht und an den Händen. Gewaltanwendung gegen eine Person, die in keiner Weise einen Anlass dazu geliefert hat, kann nicht mit "Überredung" durch andere erklärt werden, weil dazu ein aktives "Handgreif­lichwerden" Voraussetzung ist, zu dem man niemanden "überreden" kann, wenn er Gewalt ablehnt. Aus der Situation völlig unmotivierte Faustschläge ins Gesicht und Fußtritte gegen Kopf und Körper sind nicht geeignet, das Persönlichkeitsbild des Bw als harmlos darzustellen. Durch die zusätzliche Drohung "Wenn wir mit dir fertig sind, kannst du niemanden mehr anzeigen" ist nicht nur die Furcht des G.G., die diesem wohl längere Zeit Probleme bereiten wird, einwandfrei nachvoll­ziehbar, sondern manifestiert sich damit die in hohem Maß gegebene  Verwerf­lich­keit der Tat des Bw. Die übrigen Vergehen (dauernde Sachentziehung, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und Urkundenunterdrückung – die Bw hat die Ledertasche des GG mit persönlichen Gegenständen samt Führerschein, Taxilenkerausweis, Bankomatkarte und E-Card in die X geworfen) zeigen, dass er mit Frust offenbar nicht umgehen kann.

 

Zu seinem Verhalten in der nach der Tat verstrichenen Zeit ist zu sagen, dass der Bw nach der Tat vom 24.1.2010 bis 25.3.2010 (Verhandlung vor dem LG Steyr) in U-Haft und danach bis Mai 2010 in Haft war. Von der Tat bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am 18. Oktober 2010 sind bereits fast neun Monate vergangen. Zu betonen ist,  dass die Verkehrszuverlässigkeit jedenfalls nicht dadurch wiederer­langt werden kann, dass der Bw bei Gelegenheit Kraftfahrzeuge lenkt.

Unter dem Begriff Verkehrsunzuverlässigkeit ist vielmehr ein charakterlicher Mangel zu verstehen. Von Kraft­fahr­­zeuglenkern muss wegen der im Straßen­verkehr häufig auftreten­den Konfliktsituationen eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Geistes­­haltung erwartet werden. Unbeherrschte Aggressivität lässt befürchten, dass die betreff­ende Person entweder mit betont aggressiver Fahr­weise oder aggressivem Verhalten nach einem allfälligen Verkehrsunfall auf vermeintliches oder tatsächliches Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer reagiert. Daher kommt es bei Gewaltdelikten nicht darauf an, dass sie im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen begangen wurden. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Bw, wie auch vom Gericht erschwerend gewertet wurde, mehrere strafbare Handlungen in Tateinheit verwirklicht hat. Dabei stellt weder eine dauernde Sachentziehung gemäß § 135 StGB noch die Entfremdung unbarer Zahlungsmittel gemäß § 241e Abs.3 StGB oder eine Urkundenunterdrückung gemäß § 229 StGB für sich genommen eine bestimmte Tatsache dar, jedoch fließt das Zusammentreffen verschiedener der­­artiger Straftaten in die Wertung mit ein (vgl VwGH 26.2.2001, 2001/11/0379; 28.6.2001, 2001/11/0114; uva).

 

Der Bw hat die (bislang erste) bestimmte Tatsache am 24. Jänner 2010 verwirklicht, aber erst am 25. März 2010 erging das Urteil des Landes­gerichtes Steyr. Bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 Abs.4 FSG sind strafbare Handlungen, nicht aber die Verurteilung wegen dieser Straftaten, sodass es nicht darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt nach der Tat das Urteil erging oder dieses rechtskräftig wurde, sondern wann die als bestimmte Tatsache zu wertende Straftat begangen wurde. Mit dieser beginnt nämlich die Verkehrs­unzuverlässigkeit und ab dem Zeitpunkt ihrer Begehung ist deren Dauer im Sinne einer Prognose zu berechnen, ab wann die Behörde das Wieder­bestehen der Verkehrszuverlässigkeit beim Straftäter annimmt. Da der Bw die bestimmte Tatsache bereits am 24. Jänner 2010 verwirklicht hat, war bei Erlassung des angefochtenen Bescheides am 18. Oktober 2010 bereits von einer Dauer der Verkehrs­unzu­ver­lässigkeit von annähernd neun Monaten und laut Spruch noch weiteren 12 Monaten, dh bis 18. Oktober 2011 und somit von 21 Monaten auszugehen.

Der Bw wurde rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wovon 12 Monate bedingt nachgesehen wurden, dh er befindet sich jetzt in der Probezeit.

Nach der Judikatur des VwGH führt die bedingte Strafnachsicht zwar noch nicht zwingend dazu, dass der Betreffende bereits als verkehrszuverlässig anzusehen ist. Die bei der Beurteilung der Verkehrszu­verlässigkeit zu berücksichtigenden Gesichtspunkte decken sich nicht mit jenen zur Gänze, die für das Gericht bei der Entscheidung betreffend die bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB von Bedeutung sind, gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, dass nach dieser Gesetzesstelle die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen sind und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln könnte, die für die in § 7 Abs. 4 FSG genannten Wer­tungs­kriterien von Bedeutung sein können.  Das Strafgericht ist demnach davon ausgegangen, dass im Falle des Bw nach § 43 Abs. 1 StGB anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, wobei insbesondere die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad der Schuld, das Vorleben und das Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen waren (vgl VwGH 19.12.2007, 2007/11/0194).

 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um eine Administrativ­maßnahme zum Schutz der Öffentlichkeit vor verkehrsunzu­verlässigen Personen, nicht aber um eine Nebenstrafe mit dem Zweck, vom Besitzer der Lenk­berech­tigung begangene Straftaten zu sühnen oder durch die abschreckende Wirkung der Entziehungsmaßnahme der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (vgl VwGH 18.3.2003, 2002/11/0062).

Die beantragte Einholung eines forensischen Gutachtens über das Persönlich­keits­bild und die bisherigen Therapieerfolge des Bw erübrigt sich, weil es zur Beurteilung der mangelnden Verkehrszuverlässigkeit keines ärztlichen Gutach­tens bedarf (vgl VwGH 28.6.2001, 2001/11/0153).

 

Eine Entziehung der Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit ist nur dann rechtmäßig, wenn die Behörde auf Grund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides mit Recht annehmen durfte, es liege Verkehrsunzuverlässigkeit vor und es werde die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von drei Monaten eintreten. Zutreffend macht der Bw geltend, dass es für die Annahme der Verkehrsunzu­verlässigkeit nach § 7 Abs. 1 Z2 FSG nicht genügt, dass die Begehung weiterer strafbarer Handlungen bloß "nicht ausgeschlossen" werden kann. Vielmehr muss, worauf der VwGH zB schon im Erkenntnis vom 23.4.2002, 2002/11/0019, hingewiesen hat, die Annahme be­grün­det sein, dass der Betreff­ende sich weiterer "schwerer strafbarer Hand­lungen schuldig machen wird" (vgl E 17.6.2006, 2003/11/0281).

 

Auf Grund der oben dargelegten Erwägungen zu den Wertungskriterien der Verwerflichkeit und der Gefährlichkeit der Verhältnisse ist zwar die Auffassung der Erstinstanz, der Bw sei zur Zeit der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (und auch im Sinne des § 25 Abs. 3 erster Satz FSG für mindestens drei Monate) verkehrsunzuverlässig gewesen, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

 

Die der Festsetzung der Entziehungszeit zugrunde liegende Prognose, der Bw werde die Verkehrszuverlässigkeit frühestens nach 12 Monaten ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides wiedererlangen, erweist sich aber im Hinblick auf die aufgezeigten konkreten Umstände des Falles, insbesondere die berufliche Chance des Bw, seinen Arbeitsplatz zu behalten, und der auf Weisung des Gerichtes regelmäßig eingehaltenen Therapie samt Kontakt mit seinem Bewähr­ungs­helfer doch als überhöht.

 

Aus all diesen Überlegungen war die Entziehungsdauer im Sinne einer Prognose, wann der Bw seine Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen wird, deutlich herab­zusetzen, wobei allerdings eine Verkehrsunzuverlässigkeit ab der Tat für 12 Monate durchaus anzunehmen ist, sodass die Mindestentziehungsdauer von drei Monaten gerechtfertigt war.  

Das Lenkverbot und die Aberkennung des Rechts, von einem allenfalls vorhan­denen ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, gründet sich gemäß §§ 32 Abs.1, 24 Abs.1 und 30 Abs.1 FSG als einziges Kriterium auf die Verkehrs­unzuverlässigkeit und ist damit für den gleichen Zeitraum wie die Entziehungsdauer ebenfalls durch den Gesetzgeber zwingend vorgesehen.

Es war daher im Anfechtungsumfang spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 20,40 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 


Beschlagwortung:

ua. versuchter Raub, 19,5 Jahre, unbescholten, 18 Monate Freiheitsstrafe, davon 12 bedingt -> Bescheidzustellung fast 9 Monate nach der Tag, weitere 12 Monate FE nicht gerechtfertigt -> Herabsetzung auf 3 Monate = insgesamt 12 Monate ab Tat verkehrsunzuverlässig.

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum