Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231079/2/WEI/Ba

Linz, 31.01.2011

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X X, geb. X, X, X, vertreten durch X X Rechtsanwälte GmbH, X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Braunau am Inn vom 27. November 2009, Zl. Sich 96-3903-2008, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 82 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz - SPG (StF BGBl Nr. 566/1991 zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 133/2009) zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 27. November 2009 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (im Folgenden kurz Bw) wie folgt schuldig erkannt:

 

"Sie haben sich am 22.09.2008 um 13,55 Uhr während eines Telefongespräches mit der Polizeiinspektion X durch das unten beschriebene Verhalten trotz vorausgegangener Abmahnungen gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahr nahm, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert. Sie haben gegenüber BI X äußerst aggressiv reagiert, indem Sie meinten, dass der Zweitbeteiligte einen 'schönen Dachschaden' hätte, wenn er wegen dieser Kleinigkeit die Polizei einschalten würde. Zudem waren Sie nicht bereit, Ihre Daten und die des unfallbeteiligten KFZ bekannt zu geben. Trotz mehrmaliger Abmahnung verhielten Sie sich uneinsichtig und schrien weiter bzw. unterbrachen das Gespräch, indem sie auflegten."

 

Durch den so formulierten Tatvorwurf erachtete die belangte Behörde den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs 1 SPG als erfüllt und verhängte deswegen eine Geldstrafe in Höhe von 72 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 36 Stunden.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Händen seines früheren Rechtsvertreters am 23. Dezember 2009 zugestellt worden ist, richtet sich die am 5. Jänner 2010 rechtzeitig zur Post gegebene Berufung gleichen Datums, die am 8. Jänner 2010 bei der belangten Behörde einlangte. Die Berufung strebt in erster Linie die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens nach Aufnahme von angebotenen Beweisen, hilfsweise die Anwendung des § 21 VStG oder eine angemessene Herabsetzung der Geldstrafe an.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

2.1. Mit Anzeige (GENDIS-Anzeige) der Polizeiinspektion (PI) X vom 2. Oktober 2008, Zl. X (anzeigender Beamter: X X, Unterzeichner: X X), wurde der Bw wegen des Verdachts nach dem § 82 Abs 1 SPG wegen eines Verhaltens am 22. September 2008 um 13:55 Uhr wie folgt angezeigt:

 

"Tatbeschreibung:

Im Rahmen der Erhebungen zu einem VUSSch und Fahrerflucht wurde X X als Verdächtiger ausgeforscht und bei dem Telefongespräche verhielt sich X trotz mehrmaliger Abmahnung äußerst lautstark bzw. aggressiv gegenüber BI X X."

 

Dem vom Beamten BI X X verfassten Unfallprotokoll ("Verkehrsunfall") der PI X vom 30. September 2008, Zl. X, ist zum Sachverhalt die Niederschrift vom 20. September 2008 mit dem Anzeiger X X wegen eines Verkehrsunfalls mit Fahrerflucht angeschlossen. Der Aussage des Anzeigers ist zu entnehmen, dass ein entgegenkommender weißer Mercedes Kleinbus mit der Aufschrift "X" am 20. September 2008 um 11:20 Uhr seinen zum Stillstand gebrachten Mercedes, Kennzeichen X, gegen 11:10 Uhr auf der Römerstraße in X in einer scharfen Rechtskurve gestreift hätte. An seinem Fahrzeug wären Kratzer am linken Kotflügel und am linken Seitenschweller entstanden.

 

Im Bericht des BI X X vom 30. September 2008, Zl. X, zum angezeigten Verkehrsunfall mit Fahrerflucht heißt es:

 

"Sachverhaltsdarstellung:

 

Nach dem X X die Anzeige über den Verkehrsunfall mit Fahrerflucht auf der PI X erstattete, nahm BI X am 22.09.2008, um 13.54 Uhr mit der Fa. X tel. Kontakt auf. X X meinte anfangs ruhig und sachlich, dass er zum besagten Zeitpunkt (Unfallszeit) den Firmenbus in X lenkte. Als X um seine Daten und die des beteiligten KFZ befragt wurde, reagierte X äußerst aggressiv, indem er meinte, dass der Zweitbeteiligte einen 'schönen Dachschaden' hätte, wenn er wegen dieser Kleinigkeit die Polizei einschalten würde. X war nicht bereit im Zuge des Telefonats seine Daten und die des unfallbeteiligten KFZ bekannt zu geben. Ganz im Gegenteil: X war gegenüber BI X am Telefon fortwährend aggressiv und er verhielt sich trotz mehrmaliger Abmahnung uneinsichtig und schrie weiter bzw. unterbrach er das Gespräch, indem er auflegte.

 

Wegen Übertretungen gem. § 4 StVO und § 82 SPG wurde X X von der PI X unter GZ A1/18725/2008 (Fahrerflucht) und A1/18727/2008 (Aggressives Verhalten) bei der BH Braunau angezeigt.

 

X wurden die Daten des Zweitbeteiligten bekannt gegeben."

 

2.2. Mit Strafverfügung vom 4. November 2008 hat die belangte Behörde dem Bw die Tat wie im angefochtenen Straferkenntnis angelastet. Mit rechtsfreundlich vertretener Eingabe vom 10. November 2010 erhob der Bw Einspruch. In der Begründung wird behauptet, dass das Telefonat mit dem erhebenden Polizisten nicht am 22. September 2008, sondern eine Woche später stattgefunden habe. Den erhebenden Polizisten hätte es offenbar geärgert, dass der Bw seiner Aufforderung, eine Aussage zu machen, nicht nachgekommen ist. Alle Daten wären aber sehr wohl bekannt gegeben worden. Der Bw hätte den Polizisten nur darauf hingewiesen, dass seiner Meinung nach kein Unfall stattgefunden hätte und sich der Anzeiger irren müsste. Er hätte dem Polizisten auch den Halter bekannt gegeben und wegen der näheren Daten an die Geschäftsführerin der Halterin, Frau X X, verwiesen. Diese hätte kurze Zeit später den erhebenden Polizeibeamten auch angerufen, der aber mit ihr nicht hätte reden wollen.

 

Beim Telefonat wäre der Polizist sehr laut geworden und hätte den Bw angeschrien, er sollte endlich Aussagen zum Unfallgeschehen machen, was er aber abgelehnt hätte. Dadurch wäre der Beamte immer lauter und erregter geworden. An eine Abmahnung könnte er sich nicht erinnern. Er beantragte, das Tonbandprotokoll zum Anruf anzufordern und zu eruieren, ob X X kurz danach angerufen hatte. Bei Auswertung der Anrufe würde sich ergeben, dass bereits alle Fahrzeug- und Lenkerdaten bekannt waren.

 

2.3. Im Strafverfahren VerkR96-9744-2008 gegen den Bw wegen Übertretung des § 4 StVO vernahm die belangte Behörde am 2. Dezember 2008 die Zeugen X X und X X, Sohn des Bw. Sie nahm auch eine Niederschrift mit dem Bw als Beschuldigtem auf, der sich den Aussagen seines Sohnes anschloss. Da diesen Niederschriften im gegenständlichen Strafverfahren keine unmittelbare Beweisrelevanz zukommt, wird von einer Darstellung der Aussagen abgesehen.

 

Am 27. Jänner 2009 wurde BI X als Zeuge einvernommen. Er verwies auf seine Anzeige und legte eine Kopie des Auszugs aus dem Dienstbericht X/2008 vom 22. September 2008 sowie handschriftliche Aufzeichnungen vor. Inhaltlich ergibt sich keine wesentliche Neuerung. In der handschriftlichen Aufzeichnung des Zeugen (vgl Akt ONr. 61) ist das Datum 22.09.2008 und die Zeit mit 13:54 Uhr vermerkt. Folgende Angaben und Vermerke wurden noch festgehalten:

 

"HR. X von Fa. X, X, gab an, dass er zum Unfallszeitpunkt das KFZ lenkte und er bei dem Unfall keinen Schaden erlitt. Der andere Unfallsbeteiligte konnte außer einem Dachschaden nichts haben.

 

X X, X

C2/X

A1/X

FS-Anfrage durchführen"

 

Zum Ablauf des Telefongesprächs gab der Zeuge an, dass der Bw, nachdem er sich (zunächst) in angemessenem Ton als Lenker verantwortete, eine aggressive Gesprächsart an den Tag legte, bei der er sich durch den Zeugen nie hätte unterbrechen lassen. Er meinte, der Anzeiger müsste einen "schönen Dachschaden" haben, wenn er wegen einer solchen Kleinigkeit die Polizei einschaltete. Anschließend hätte der Bw fortlaufend ins Telefon geschrien, dass er nicht für alles verantwortlich gemacht werden könnte und nicht immer alles bezahlen würde. Mindestens zwei Mal hätte der Zeuge den Bw vergeblich ersucht, sein aggressives Verhalten einzustellen.

 

An ein anschließend stattgefundenes Telefonat mit Frau X konnte sich der Zeuge nicht mehr genau erinnern. Er hätte sie kurz aufgeklärt und ihr bekannt gegeben, dass die Daten des Bw aus den Polizeiregistern eingeholt werden würden.

 

2.4. In der dazu eingebrachten rechtsfreundlichen Stellungnahme vom 9. Februar 2009 wird auf das freundschaftliche Verhältnis des Anzeigers zum erhebenden Polizeibeamten hingewiesen. Dieser hätte nur die Angaben des Anzeigers geglaubt und den Bw vorverurteilt. Er hätte sich daher verständlicher Weise gegen die ungerechtfertigten Vorhaltungen in etwas lauterem Ton gewehrt. Es wäre aber kein aggressives Verhalten gewesen. Der Polizist hätte genau so laut geredet wie der Bw. Dessen Aussage sei wegen seines Naheverhältnisses zum Anzeiger zu relativieren. Da es auch kein Tonbandprotokoll gäbe, sei das Strafverfahren zumindest im Zweifel einzustellen.

 

Die belangte Behörde hat danach am 9. März 2009 den BI X X neuerlich als Zeugen vernommen. Richtig wäre, dass er den Anzeiger aus seiner Jugendzeit kenne. In den letzten 25 Jahren hätte er aber nichts mehr mit ihm zu tun gehabt. Die Anzeige hätte außerdem ein Kollege aufgenommen. Im Übrigen blieb der Zeuge bei seiner bisherigen Aussage und betonte, dass die Telefonverbindung einwandfrei gewesen wäre.

 

In der weiteren Stellungnahme des Bw vom 25. März 2009 wird abermals auf Indizien hingewiesen, die ein Naheverhältnis des Zeugen zum Anzeiger belegen sollen. Dann wird kritisch angemerkt, dass ein Zeuge nicht über Wertungen, sondern nur über Tatsachen aussagen soll.

 

Die Frage wird aufgeworfen, was unter "aggressivem Verhalten" bei eine Telefonat zu verstehen sei. Man könne am Telefon zwar laut und auch beleidigend sein. Wie man sich aber aggressiv verhalten könne, sei nicht geklärt worden. Auch die Abmahnung sei unklar geblieben. Schließlich habe der Bw die Amtshandlung nicht behindert, weil er ihm die Halterin bekannt gegeben hätte. Die Amtshandlung hätte nur darin bestehen können, den Halter und Lenker des Fahrzeuges auszuforschen. Der Polizist habe nichts anders dargelegt, sondern zugegeben nachher mit der Geschäftsführerin der Halterin telefoniert zu haben. Er hätte daher genau Bescheid gewusst.

 

Nach Meinung des Bw sei von ihm beim Telefonat verlangt worden, etwas zuzugeben, was er nicht getan hatte. Er könne als Beschuldigter von der Polizei nicht gezwungen werden, ihn selbst belastende Aussagen über einen Vorfall abzugeben. Durch die Verweigerung von Aussagen zum impliziten Vorwurf der Fahrerflucht könne er keine Amtshandlung behindert haben. Wenn ein Polizist verlangt, etwas zuzugeben, was nicht war, dann hätte er seine gesetzlichen Aufgaben nicht wahrgenommen, sondern sei darüber hinausgegangen.

 

Abschließend schildert der Bw noch einen Vorfall betreffend eine Verfolgung und Verkehrskontrolle durch den seiner Meinung nach nicht unvoreingenommenen Zeugen.

 

2.5. Die belangte Behörde erließ in der Folge das angefochtene Straferkenntnis vom 27. November 2009. Begründend ging sie von aggressiver Gesprächsart und uneinsichtigem Verhalten des Bw aus, weshalb der Polizeibeamte die gewünschte Information nicht einholen hätte können und den Kontakt mit der Geschäftsführerin X X der X GmbH hergestellt hätte. In der Stellungnahme vom 25. März 2009 würde der Bw das aggressive Verhalten nicht mehr in Abrede stellen, sondern mit Definierungen versuchen, es zu relativieren. Möglicherweise hätte der Bw die Abmahnungen des Polizeibeamten nicht zur Kenntnis genommen, weil er den erhebenden Beamten nicht zu Wort kommen bzw ausreden hätte lassen. Darin sah die belangte Behörde die Behinderung der Amtshandlung.

 

2.5. Die Berufung bekämpft das Straferkenntnis primär aus den Gründen der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung und mangelhaften Beweiswürdigung. Das Beweismaterial liefere keine ausreichende Grundlage für den Schuldvorwurf. Der Zeuge BI X habe am 27. Jänner 2009 angegeben, dass der Bw erst nachdem er sich in angemessenem Ton als Lenker verantwortete, eine aggressive Gesprächsart an den Tag legte. Daraus sei ersichtlich, dass der Bw die geforderten Angaben in angemessenem Ton bekannt gab. Dies werde auch durch die weitere Aussage des Zeugen betreffend das im Anschluss stattgefundene Gespräch mit Frau X gestützt, wonach er diese lediglich aufklärte, dass die Daten von X X aus den Registern der Polizei eingeholt werden würden. Der Zeugenaussage sei nicht zu entnehmen, dass eine Kontaktaufnahme noch notwendig gewesen wäre, um fehlende Daten zu erheben. Vielmehr habe lediglich der Zeuge noch eine Auskunft erteilt. Damit sei offensichtlich, dass der Zeuge bei der Ausführung seiner Amtshandlung nicht behindert wurde. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften sieht die Berufung darin, dass dem Beweisantrag auf Einholung eines Tonbandprotokolls nicht nachgekommen worden sei. Als inhaltliche Rechtswidrigkeit wird die Nichtanwendung des § 21 VStG gerügt.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt und dabei festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 82 Abs 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und kann mit Geldstrafe bis 218 Euro, bei Vorliegen erschwerender Umstände mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche und im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen bestraft werden,

 

wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

 

Diese Verwaltungsübertretung trat an die Stelle des in Art IX Abs 1 Z 2 EGVG aF (Beseitigung mit Wirkung vom 1.05.1993 durch EGVG-Novelle BGBl Nr. 143/1992) geregelten Verwaltungsstraftatbestandes des ungestümen Benehmens.

 

In der Regierungsvorlage 1991 zum Sicherheitspolizeigesetz (vgl RV SPG 148 BlgNR, 18. GP, 52) wird dazu ausgeführt:

 

"Der Tatbestand des Art. IX Abs. 1 Z 2 ist ebenfalls einer Einschränkung unterworfen worden. Zunächst wurden – ohne inhaltliche Änderung – die Worte 'ungestüm benimmt' durch die Worte 'aggressiv verhält' ersetzt, und dann wurde als zusätzliches Tatbestandsmerkmal, das kumulativ vorliegen muß, die Behinderung der Amtshandlung eingefügt. Damit ergibt sich, daß ein strafbares Verhalten nur dann vorliegt, wenn zum aggressiven Verhalten die Behinderung der Amtshandlung hinzutritt."

 

In der Rechtsprechung der Gerichtshofe öffentlichen Rechts (vgl die Rechtsprechungsübersicht bei Hauer/Keplinger, Kommentar zum SPG3 [2005], 821 ff, insb C.1. und C.2.) wird unter einem ungestümen Benehmen ein nach Art und Anlass mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten verstanden, das zufolge des Tonfalls und der zur Schau gestellten Bewegung oder Gestikulation als aggressives Verhalten gedeutet werden muss.

 

Unmutsäußerungen und die Kundgabe seelischer Erregung, ja selbst abfällige ungehörige und/oder beleidigende Äußerungen, anmaßendes und überhebliches Verhalten oder ein Vergreifen in Ton und Ausdruck erfüllen noch nicht das Tatbild des § 82 Abs 1 SPG (Rechtsprechungsnachweise bei Hauer/Keplinger, Kommentar zum SPG3 816, A.5.1.3.). Auch die bloße Verweigerung einer Aussage kann nicht als ungestümes oder aggressives Benehmen angesehen werden (vgl VfGH bei Hauer/Keplinger, Kommentar zum SPG3, 822, C.4.).

 

4.2. Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats kann weder der Anzeige des Meldungslegers, noch dem Tatvorwurf im angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde ein Sachverhalt entnommen werden, der das Tatbild des § 82 Abs 1 SPG erfüllt. Ein aggressives Verhalten des Bw wird zwar mehrfach behauptet, aber nicht in rechtlich schlüssiger Weise umschrieben. Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Straferkenntnis mit den oben dargestellten begrifflichen Voraussetzungen des Tatbestands auch nicht auseinandergesetzt.

 

Die Wertung der Bw hätte "äußerst aggressiv" reagiert, indem er dem Zweitbeteiligten (Anzeiger einer Fahrerflucht) einen "schönen Dachschaden" nachsagte, wenn er wegen dieser Kleinigkeit die Polizei einschalten würde, ist schlechthin unzutreffend. Es kann darin zwar eine überhebliche und beleidigende, aber noch keine aggressive Äußerung gesehen werden. Auch eine allenfalls fehlende Bereitschaft, Daten des beteiligten Kraftfahrzeugs bekannt zu geben, mag ungehörig und im Grunde der Mitwirkungspflichten nach § 4 StVO rechtswidrig sein. Ein aggressives Verhalten ist darin ebenfalls nicht zu erblicken. Ebenso wenig fällt bloße Uneinsichtigkeit oder die unhöfliche Unterbrechung des Telefongesprächs mit einem Polizeibeamten darunter.

 

Die belangte Behörde verkennt offenbar, dass der Bw nicht gezwungen werden konnte, mit dem Meldungsleger zu telefonieren. Selbst bei einer förmlichen Vernehmung kann der Beschuldigte gemäß § 33 Abs 2 VStG nicht zur Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen gezwungen werden. Das Recht des Beschuldigten zu schweigen und sich nicht selbst belasten zu müssen, wird auch aus Art 6 Abs 1 EMRK abgeleitet und steht damit sogar im Verfassungsrang (vgl näher dazu Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008], 367 f). Auch wenn sich der Bw nach dem angezeigten Verkehrsunfall mit Fahrerflucht nicht kooperativ verhalten haben sollte, konnte das zwar in einem Strafverfahren wegen Übertretung des § 4 StVO gegen ihn sprechen, das Tatbild des § 82 Abs 1 SPG erfüllte er deswegen aber nicht. Die Verweigerung der Aussage kann in einem Rechtsstaat nicht als ungestümes oder aggressives Verhalten gewertet werden.

 

Auch wenn der mit dem Vorwurf der Fahrerflucht konfrontierte Bw nach Darstellung des Zeugen BI X beim Telefonat fortlaufend geschrien haben sollte, dass er nicht immer für alles verantwortlich gemacht werden könne und nicht immer alles bezahlen würde, kann diese entschiedene Kundgabe seelischer Erregung allenfalls als ein Vergreifen im Tonfall, nicht aber als aggressives Verhalten von außergewöhnlicher Heftigkeit gesehen werden. Denn dieses der Abwehr vermeintlichen Unrechts dienende Verhalten des Bw ist mit dem entschiedenen Vertreten eines Rechtsstandpunktes vergleichbar und kann daher noch als unter den gegebenen Umständen angemessene Reaktion betrachtet werden (vgl VfGH-Judikatur bei Hauer/Keplinger, Kommentar zum SPG3, 821, C.3.). In der angelasteten Spruchfassung der belangten Behörde ist allerdings dieser Vorwurf des Zeugen ohnehin nicht berücksichtigt worden.

 

Die in den rechtsfreundlich vertretenen Stellungnahmen aufgeworfene Frage, ob ein aggressives Verhalten iSd § 82 Abs 1 SPG überhaupt per Telefon und damit ohne körperliche Nähe und Gestikulation möglich ist, muss nicht abschließend beantwortet werden. Es mögen durchaus krasse Fälle verbaler Entgleisungen denkbar sein, die nur mehr als Aggression gedeutet werden können. Der von der belangten Behörde angelastete Tatvorwurf ist nach seinem konkreten Inhalt jedenfalls nicht ausreichend, um ein ungewöhnlich heftiges und damit eindeutig unverhältnismäßiges Verhalten des Bw beschreiben zu können.

 

4.3. Auch das weitere gesetzliche Erfordernis der Behinderung der Amtshandlung durch den Bw wird von der belangten Behörde nur pauschal behauptet, aber nicht plausibel gemacht. Die Amtshandlung bestand offenkundig darin, telefonisch eine Unfallerhebung nach einer Anzeige wegen Fahrerflucht durchzuführen und Lenker und Halter des angeblich beteiligten Fahrzeuges zu ermitteln und zu befragen. Die dazu im Straferkenntnis aufgestellte Behauptung, der Zeuge BI X hätte den telefonischen Kontakt zur Frau des Bw hergestellt, um gewünschte Informationen einzuholen, die der Bw nicht gegeben hätte, ist sogar aktenwidrig. Ein solcher Sachverhalt ist weder der Anzeige oder dem Unfallbericht vom 30. September 2008, noch der Aussage des Zeugen BI X zu entnehmen. Die Berufung zitiert in diesem Zusammenhang Passagen aus der Zeugenaussage, die diese strafbehördliche Feststellung widerlegen.

Der Zeuge führte zunächst aus (vgl Niederschrift vom 27.01.2009), dass der Bw, erst nachdem er sich in angemessenem Ton als Lenker verantwortet hatte, eine aggressive Gesprächsart an den Tag legte, bei der er sich nicht unterbrechen ließ. Zum Telefonat mit Frau X heißt es dann noch:

 

"An das im Anschluss stattgefundene Telefonat mit Fr. X kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Aber meines Erachtens erkundigte sich Fr. X, worum es bei diesem Anruf ging. Ich klärte sie kurz auf und gab bekannt, dass die Daten von X X aus den Registern der Polizei eingeholt werden würden, zumal er bereits öfters eingetragen war. ..."

 

Wie die Berufung zutreffend ausführt, kann dieser Aussage des Zeugen BI X X nicht entnommen werden, dass eine Kontaktaufnahme mit Frau X notwendig gewesen wäre, um noch fehlende Daten zu erheben. Vielmehr scheint der Zeuge Frau X eine Auskunft erteilt zu haben. Die Amtshandlung war daher für den Zeugen wahrscheinlich bereits abgeschlossen.

 

Wenn sich der Bw nach der – im gegenständlich Verfahren nicht zu überprüfenden - Darstellung des Meldungslegers bei der Amtshandlung unkooperativ zeigte, hat er möglicher Weise an der (nachträglichen) Feststellung des Sachverhalts iSd § 4 Abs 1 lit c) StVO nicht ordnungsgemäß mitgewirkt, die telefonische Amtshandlung selbst deswegen aber noch nicht behindert. Denn durch die Nichtbeantwortung von Fragen oder durch eine förmliche Aussageverweigerung kann die Amtshandlung nicht behindert werden. Vielmehr sind solche Umstände vom Meldungsleger festzuhalten und der zuständigen Behörde zu berichten.

 

5. Im Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis aus den dargelegten rechtlichen Gründen aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung gemäß § 82 Abs 1 SPG einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

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