Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231223/3/BP/Ga

Linz, 31.01.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X,  vertreten durch X, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Wels  vom 30. Dezember 2010, GZ.: 2-S-8.765/10, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

I.  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des  Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

Zu II.: § 65f. VStG

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Polizeidirektors von Wels vom
28. Dezember 2010, GZ.: 2-S-8.765/10, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 1.000,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Tage) verhängt, weil er als Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – sich zwischen 26. Februar 2009 und 28. April 2010 in Österreich aufgehalten habe, obwohl er weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei, er nicht im Besitz eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels gewesen sei, ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zugekommen sei und er nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gewesen sei.

 

Als verletzte Rechtsgrundlagen werden § 120 Abs. 1 Z. 2 iVm § 31 Abs. 1 FPG genannt.

 

Nach Schilderung des bisherigen Verfahrensganges sowie nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen sieht die belangte Behörde sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als gegeben an.

 

Insbesondere weist sie darauf hin, dass dem Bw mit Ladungsbescheid vom
27. Mai 2010 die Tat vorgeworfen und diesbezüglich das Parteiengehör gewahrt worden sei. In diesem Schreiben lautete der Tatvorwurf: "Sie halten sich, wie laut Anzeige des Fremdenpolizeilichen Referates der Bundespolizeidirektion Wels vom 28. April 2010 festgestellt wurde, seit 26. Februar 2009 nicht rechtmäßig in Österreich auf, weil Ihr Antrag auf Gewährung von Asyl am 26. Februar 2009 rechtskräftig abgewiesen wurde und Sie nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sind."

 

Mangels des Vorliegens von Erschwerungsgründen sei die gesetzliche Mindeststrafe zu verhängen gewesen.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seine rechtsfreundliche Vertreterin eine rechtzeitige Berufung mit Schriftsatz vom 17. Jänner 2011.

 

Darin wird zunächst der Antrag auf Aufhebung des in Rede stehenden Straferkenntnisses und Einstellung des diesbezüglichen Verwaltungsstrafverfahrens gestellt.

 

Begründend wird im Wesentlichen angeführt, dass der im Jahr 2002 nach Österreich eingereiste Bw nach rechtskräftig negativem Asylbescheid (26. Februar 2009) am 29. April 2009 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs. 4 NAG beim Magistrat der Stadt Wels gestellt habe, weshalb hinsichtlich der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung das Verschulden zu verneinen sei.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 21. Jänner 2011 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

Zusätzlich teilte die belangte Behörde auf Anfrage des Oö. Verwaltungssenates im E-Mail vom 27. Jänner 2011 u.a. mit, dass laut Mitteilung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. April 2010 fremdenpolizeiliche Maßnahmen gegen den Bw zulässig gewesen seien, weshalb von der belangten Behörde gegen den Bw am 28. Mai 2010 eine Ausweisungsentscheidung erlassen worden sei. Dagegen habe der Bw Berufung erhoben, die bis dato noch anhängig sei. Die aufschiebende Wirkung einer Berufung sei von der belangten Behörde nicht aberkannt worden, weshalb die Ausweisung nicht rechtskräftig und auch nicht durchsetzbar sei. Laut Auskunft des Fremdenpolizeilichen Referates sei der Bw im Besitz eines vietnamesischen Reisepasses, ausgestellt vom vietnamesischen Konsulat in Wien.

 

Da im Verfahren bereits aufgrund der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Verwaltungsakt aufzuheben ist, entfiel gemäß § 51e Abs. 2 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – im Wesentlichen unwidersprochen gebliebenen -  unter dem Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungs­relevanten Sachverhalt aus.

 

2.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes, bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im   Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die     durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung          bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur          Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für       Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten     Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet   keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehe;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen         zukommt;

5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine      Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung       gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten,     innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

3.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass sich der vorgeworfene Tatzeitraum laut Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses von 26. Februar 2009 bis 28. April 2010 erstreckt. Die Bescheiderlassung erfolgte mit 30. Dezember 2010 bzw. 3. Jänner 2011.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung
(§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist.

 

Die Verjährungsfrist beträgt gemäß Abs. 2 leg. cit. 6 Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

 

3.3. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das Ende des strafbaren Verhaltens mit 28. April 2010 terminisiert.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss eine Verfolgungshandlung unter den Gesichtspunkten des § 44a VStG entsprechend konkretisiert sein.

 

Als erste Verfolgungshandlung ist fraglos der Ladungsbescheid vom 27. Mai 2010 zu werten. Darin lautete der Tatvorwurf: "Sie halten sich, wie laut Anzeige des Fremdenpolizeilichen Referates der Bundespolizeidirektion Wels vom 28. April 2010 festgestellt wurde, seit 26. Februar 2009 nicht rechtmäßig in Österreich auf, weil Ihr Antrag auf Gewährung von Asyl am 26. Februar 2009 rechtskräftig abgewiesen wurde und Sie nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sind."

 

3.4. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z. 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Beschuldigten angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985, jeweils verstärkter Senat). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis ist daher nicht nur von Delikt zu Delikt (vgl. z.B. VwGH vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0013), sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist im Fall einer Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes – wie im vorliegenden Fall – die als erwiesen angenommene Tat durch Verneinung aller in § 31 Abs. 1 FrG bzw. FPG genannten Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes zu umschreiben (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, 2007/21/03/03). Ein Spruch eines Straferkenntnisses, der diesen Anforderungen nicht genügt, entspricht nach diesem Erkenntnis nicht dem Maßstab des § 44a VStG.

 

3.5. Im Sinne der oa. Judikatur wird deutlich, dass die im Ladungsbescheid vorgeworfene Tat nicht den Erfordernissen einer ausreichenden Konkretisierung entsprechen. Bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides erfolgte diese Konkretisierung nicht. Von einer dem Konkretisierungsmaßstab genügenden Tatumschreibung ist also erst mit 30. Dezember 2010 auszugehen.

 

Dieser Zeitpunkt wiederum liegt aber außerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist, die sich lediglich bis Ablauf des 28. Oktober 2010 erstreckte.

 

3.6. Es war daher der Berufung stattzugeben, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß den §§ 64 ff. VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde, noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Bernhard Pree

 

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