Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590273/2/BP/Ga

Linz, 01.02.2011

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                      4A13, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der X, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Gmunden vom 4. Jänner 2011, GZ.: SanRL01-15-2010, mit dem der Berufungswerberin Pflege-(Sonder-) Gebühren in Höhe von 150,36 Euro zur Zahlung nach dem Oö. Krankenanstaltengesetz, zu Recht erkannt:

 

 

 

         Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid   wird ersatzlos aufgehoben.

 

 

 

Rechtsgrundlage:

zu  I.: § 66 Abs. 4 AVG 1991 in der Fassung BGBl. I. Nr. 5/2008 iVm. § 56 Abs. 8 Oö. Krankenanstaltengesetz 1997, LGBl. Nr. 132/1997 idgF. LGBl. Nr. 60/2010.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Gmunden vom 4. Jänner 2011, GZ.: SanRL01-15-2010, wurde ein Einspruch der Berufungswerberin (in der Folge: Bw) vom 9. November 2010 gegen eine ihr – mit Schreiben vom
5. November 2010 vom a. ö. Krankenhaus Gmunden – zugestellte Rechnung vom 28. Oktober 2010 (Rechnung- Nr.: X) für den stationären Aufenthalt ihres Vaters X vom 22. Juli bis 4. August 2010, über 150,36 Euro Pflege-(Sonder-) Gebühren, als unbegründet abgewiesen und die Bw verpflichtet, nach Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides den oa. Betrag an das allgem. öffentl. Krankenhaus zu entrichten, wobei nach Ablauf von 6 Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides zusätzlich Verzugszinsen in der Höhe von 8,5 % verrechnet würden.

 

Als Rechtsgrundlagen werden §§ 55 und 56 Oö. Krankenanstaltengesetz 1997, LGBl. Nr. 132/1997 (in der Folge: Oö. KAG) iVm. § 143 ABGB, JGS. Nr. 970/1846 genannt.

 

Begründend führt die belangte Behörde ua. aus, dass der Vater der Bw am
30. August 2010 verstorben sei. Weiters gehe aus dem Akt hervor, dass wegen Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens der Gebührenrückstand vom Patienten nicht hereingebracht werden könne, weshalb die Bw als Tochter um Bezahlung ersucht worden sei. Die Bw habe in ihrem Einspruch vorgebracht, dass sie das Erbe ihres Vaters nicht angetreten habe.

 

Nach Anführung der relevanten Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde aus, im vorliegenden Fall die Bestimmungen des § 55 Abs. 2 Oö. KAG sowie
§ 143 ABGB anzuwenden gewesen seien. Der gesetzlich normierte Unterhaltsanspruch bedürfe – entgegen der von der Bw vertretenen Rechtsansicht – keines konstitutiven "Entstehungsaktes". Der Rechtsträger der öffentlichen Krankenanstalt könne sich insbesondere aufgrund der Bestimmung des § 55 Abs. 2 Oö. KAG auf diesen Unterhaltsanspruch berufen. Dass die Bw das Erbe nach ihrem Vater nicht angetreten habe, sei ohne Belang, da § 55 Abs. 2 Oö. KAG eben einen eigenen Ersatzanspruch normiert. Als Erbin wäre die Bw hingegen schon nach § 55 Abs. 1 Oö. KAG als Rechtsnachfolgerin zum Ersatz verpflichtet gewesen.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Bw durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Berufung mit Schriftsatz vom 20. Jänner 2011.

 

Darin wird der in Rede stehende Bescheid vollinhaltlich angefochten und vorgebracht, dass die belangte Behörde ohne weitere Ermittlungen davon ausgegangen sei, dass die Bw gemäß § 143 gegenüber ihrem verstorbenen Vater unterhaltspflichtig gewesen sei. Da die Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber ihren Eltern gemäß § 143 ABGB an mehrere Voraussetzungen geknüpft sei, welche im Übrigen im ggst. Fall nicht vorlägen, sei der angefochtene Bescheid schon deswegen mit einem Verfahrensmangel behaftet.

 

Gemäß § 143 ABGB schulde ein Kind seinen Eltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht im Stande ist, sich selbst zu erhalten. Der Vater der Bw sei zu Lebzeiten Pensionist mit einer regelmäßigen und ausreichenden Pension gewesen. Aufgrund seiner Einkommenssituation sei jedenfalls davon auszugehen, dass er ohne Weiteres im Stande gewesen sei, sich selbst zu erhalten, weswegen es schon an dieser primären Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch gegenüber seiner Tochter mangle.

 

Selbst, wenn man von der Ansicht der belangten Behörde ausginge, dass es zu einer Unterhaltspflicht der Kinder keines konstitutiven Entstehungsaktes bedürfe, müsse doch für den fraglichen Zeitraum eine Unterhaltsverpflichtung bestanden haben, wobei im vorliegenden Fall die Voraussetzungen hierfür nicht bestanden hätten. Im Übrigen habe die Bw im Verlassenschaftsverfahren nach ihrem verstorbenen Vater die Erbschaft nicht angetreten, sodass sie aus diesem Grund für Verbindlichkeiten ihres verstorbenen Vaters bzw. des Nachlasses nicht haften könne.

 

Abschließend werden die Berufungsanträge gestellt:

Der Berufung möge Folge gegeben werden und

-                    der in Rede stehende Bescheid der belangten Behörde möge aufgehoben werden;

-                    der in Rede stehende Bescheid der der belangten Behörde möge aufgehoben und das Verfahren zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen werden.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 24. Jänner 2011 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat.

 

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Da sich bereits daraus der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei und unwidersprochen ergibt, im Verfahren lediglich Rechtsfragen zu klären waren, konnte im Übrigen gemäß § 67d AVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, zumal auch kein diesbezüglicher Parteienantrag vorliegt.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem aus den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses ersichtlichen entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist im vorliegenden Fall zur Entscheidung durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied berufen (vgl. § 67a Abs. 1 AVG).

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 56 Abs. 8 Oö. Krankenanstaltengesetz 1997 – Oö. KAG, LGBl. Nr. 132/1997 idgF. LGBl. Nr. 60/2010 kann gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde gemäß Abs. 7. leg. cit. Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden.

 

Daraus folgt zunächst, dass der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung über das fristgerecht eingebrachte Rechtsmittel im vorliegenden Fall berufen ist.

 

3.2. Gemäß § 55 Abs. 1 Oö. KAG ist zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt angelaufenen Pflege-(Sonder-) Gebühren in erster Linie der Patient selbst verpflichtet, sofern nicht eine andere physische oder juristische Person aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen, sonstiger gesetzlicher Vorschriften oder vertraglich ganz oder teilweise dazu verpflichtet ist oder dafür Ersatz zu leisten hat.

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind, sofern die Pflege-(sonder-) Gebühren nicht beim Patienten selbst oder bei den sonstigen in Abs. 1 genannten Personen hereingebracht werden können, zum Ersatz die für ihn unterhaltspflichtigen Personen heranzuziehen. § 47 Abs. 3 Z. 1 und 2 des Oö. Sozialhilfegesetzes 1998 gilt sinngemäß.  

 

Gemäß § 47 Abs. 3 Oö. Sozialhilfegesetz dürfen zum Ersatz nicht herangezogen werden

1. Großeltern und Enkel des Hilfeempfängers

2. Minderjährige für soziale Hilfe, die ihren Eltern (einem Elternteil) geleistet wurde.

 

3.3.1. Im vorliegenden Fall stellt sich nun die Frage, ob die Bw als Tochter ihres verstorbenen Vaters, der gemäß § 55 Abs. 1 Oö. KAG primär zur Zahlung verpflichtet gewesen wäre, nun subsidiär als Unterhaltspflichtige den Kostenersatz zu leisten hat. Das Oö. KAG enthält selbst keine Definition der unterhaltspflichtigen Person, weshalb im Sinne einer Begriffsauslegung auf die Bestimmung des § 143 ABGB wohl zurecht als Interpretationshilfe zurückgegriffen werden kann.

 

3.3.2. Gemäß § 143 Abs. 1 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches – ABGB, JGS Nr. 946/1811, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 403/1977, schuldet das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht im Stande ist, sich selbst zu erhalten und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.

 

§ 143 Abs. 1 ABGB erfährt durch die Bestimmung des § 55 Abs. 2 OÖ. KAG iVm. § 47 Abs. 3 Z. 1 und 2 Oö. Sozialhilfegesetz eine Einschränkung hinsichtlich Enkelkinder und Minderjährige, die hier jedoch nicht von Relevanz ist.

 

3.3.3. Die Unterhaltspflicht von Kindern ihren Eltern gegenüber ist gemäß § 143 Abs. 1 ABGB an drei Voraussetzungen gebunden:

1. Die Lebensverhältnisse des Kindes müssen in Betracht gezogen werden;

2. Der Unterhaltsberechtigte darf nicht im Stande sein, sich selbst zu erhalten;

3. Der Unterhaltsberechtigte darf seine Unterhaltspflicht gegen das Kind nicht gröblich vernachlässigt haben.

 

Dem Berufungsvorbringen ist nun zu folgen, dass diese Voraussetzungen von der belangten Behörde nicht entsprechend geprüft wurden. Abgesehen von den Voraussetzungen nach 1. und 3. ist hier näher die Bedingung der Unfähigkeit des Unterhaltsberechtigten, sich selbst zu erhalten, zu erörtern. Darüber hinaus ist maßgeblich, welcher Zeitpunkt für diese Erörterung herangezogen wird.

 

3.3.4. Gemäß § 56 Abs. 1 Oö. KAG sind die Pflege-(Sonder-) Gebühren mit dem Entlassungstag oder nach Bedarf mit dem letzten Tag des Monats abzurechnen und soweit sie nicht im Vorhinein entrichtet worden sind, ohne Verzug mittels Pflege-(Sonder-) Gebührenrechnung zur Zahlung vorzuschreiben. Die Pflege-(Sonder-) Gebühren sind mit dem Tag der Vorschreibung fällig.

 

Aus dieser Bestimmung ließe sich schließen, dass erst im Zeitpunkt der Fälligkeit der Pflege-(Sonder-) Gebühren das Bestehen einer allfälligen Unterhaltspflicht zu überprüfen ist, da die Zahlungspflicht des Patienten in diesem Zeitpunkt entsteht. Andererseits könnte argumentiert werden, dass die Zahlungspflicht grundsätzlich schon mit Inanspruchnahme der Leistung wirksam wird, weshalb zum Zeitpunkt des Abschlusses der Leistung eine allfällige Unterhaltspflicht zu überprüfen wäre.

 

3.3.5. Im vorliegenden Fall ändert die Klärung dieser Frage nichts am Ergebnis. Setzt man den relevanten Zeitpunkt mit dem Datum des Fällig-Werdens der Zahlung an, zu dem der Vater der Bw jedoch nicht mehr am Leben war, so wäre schon nach logisch-grammatikalischer Interpretation des § 143 ABGB von keiner Unterhaltspflicht mehr auszugehen, da der Unterhaltsberechtigte ja bereits verstorben ist.

 

Würde man den relevanten Zeitpunkt mit der Beendigung des stationären Aufenthalts ansetzen, so ist im Verfahren unwidersprochen geblieben, dass der Vater der Bw über eine Pension verfügte, was nicht den Schluss zulässt, dass er nicht im Stande war, sich selbst zu erhalten. Ein verfahrensgegenständlicher Anspruch bestünde diesbezüglich allenfalls gegenüber dem Rechtsnachfolger nicht aber gegenüber der – sich der Erbschaft entschlagenden – Tochter.

 

3.3.6. Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass die Bw nicht als unterhaltspflichtig zu qualifizieren ist.

 

3.4. Es war daher der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Hinweis:

Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro (Eingabegebühren) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

VwSen-590273/2/BP/Ga vom 1. Februar 2011

Erkenntnis

 

Oö. KAG §§ 55, 56

ABGB § 143

 

Gemäß § 56 Abs 1 Oö KAG sind die Pflege-(Sonder-)Gebühren mit dem Entlassungstag oder nach Bedarf mit dem letzten Tag des Monats abzurechnen und soweit sie nicht im Vorhinein entrichtet worden sind, ohne Verzug mittels Pflege-(Sonder-)Gebührenrechnung zur Zahlung vorzuschreiben. Die Pflege-(Sonder-)Gebühren sind mit dem Tag der Vorschreibung fällig. Daraus ließe sich schließen, dass erst im Zeitpunkt der Fälligkeit der Pflege-(Sonder-)Gebühren das Bestehen einer allfälligen Unterhaltspflicht zu überprüfen ist, weil die Zahlungspflicht des Patienten in diesem Zeitpunkt entsteht. Andererseits könnte argumentiert werden, dass die Zahlungspflicht grundsätzlich schon mit Inanspruchnahme der Leistung wirksam wird, weshalb zum Zeitpunkt des Abschlusses der Leistung eine allfällige Unterhaltspflicht zu überprüfen wäre.

 

Im vorliegenden Fall ändert die Klärung dieser Frage nichts am Ergebnis. Setzt man den relevanten Zeitpunkt mit dem Datum des Fällig-Werdens der Zahlung an, zu dem der Vater der Bw jedoch nicht mehr am Leben war, so wäre schon nach logisch-grammatikalischer Interpretation des § 143 ABGB von keiner Unterhaltspflicht mehr auszugehen, zumal der Unterhaltsberechtigte ja bereits verstorben ist.

 

Würde man den relevanten Zeitpunkt mit der Beendigung des stationären Aufenthalts ansetzen, so ist im Verfahren unwidersprochen geblieben, dass der Vater der Bw über eine Pension verfügte, was nicht den Schluss zulässt, dass er nicht im Stande war, sich selbst zu erhalten. Ein verfahrensgegenständlicher Anspruch bestünde diesbezüglich allenfalls gegenüber dem Rechtsnachfolger nicht aber gegenüber der – sich der Erbschaft entschlagenden – Tochter.

 

 

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