Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100702/12/Sch/Rd

Linz, 31.03.1993

VwSen - 100702/12/Sch/Rd Linz, am 31. März 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung des R S vom 7. Juli 1992 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 15. Juni 1992, St-3.379/91-L, zu Recht:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch hinsichtlich Faktum 2. wie folgt geändert und ergänzt wird: "... beim Fahrstreifenwechsel einen anderen Fahrzeuglenker gefährdet und behindert, da ein überholter Fahrzeuglenker sein Fahrzeug abbremsen und auf das Straßenbankett ablenken mußte." II. Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 600 S (20% der verhängten Geldstrafen) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu leisten.

Entscheidungsgründe:

Zu I.: 1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 15. Juni 1992, St-3.379/91-L, über Herrn R (richtig: R) S, R, L, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1.) § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 und 2.) § 11 Abs.1 StVO 1960 gemäß jeweils § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 Geldstrafen von 1.) 1.500 S und 2.) 1.500 S sowie Ersatzfreiheitsstrafen von 1.) 60 Stunden und 2.) 60 Stunden verhängt, weil er am 18. März 1991 um 7.10 Uhr in L, auf der F nächst der Kreuzung mit der M und dem Z als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen stadtauswärts fahrend mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern 1.) beim Überholen den entgegenkommenden Fahrzeuglenker zum Abbremsen und Ablenken genötigt und diesen hiebei gefährdet und behindert hat und 2.) beim Fahrstreifenwechsel andere Fahrzeuglenker gefährdet und behindert hat. Überdies wurde er zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 300 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis brachte der Berufungswerber rechtzeitig Berufung ein. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Mitglied zu entscheiden.

Am 13. Jänner 1993 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung abgeführt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat folgendes erwogen:

Zur Ergänzung des erstinstanzlichen Bescheidspruches hinsichtlich Faktum 2. ist auszuführen, daß diese deshalb erfolgte, da sich die Erstbehörde im wesentlichen auf die Wiedergabe des Gesetzestextes beschränkte, ohne den konkreten Tatvorwurf anzuführen. Hiezu ist die Berufungsbehörde außerhalb der Frist des § 31 Abs.1 VStG berechtigt, wenn einem Beschuldigten die Anzeige, in der die Tat hinsichtlich aller, der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente eindeutig umschrieben ist, zur Kenntnis gebracht wurde (VwGH verst. Senat 19.9.1984, Slg. 11525A). Dies trifft im konkreten Fall zu (siehe Niederschrift vom 13. Mai 1991).

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stützt die Abweisung der Berufung auf die glaubwürdige und schlüssige Aussage des Zeugen A S, der den Vorfall in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 13. Jänner 1993 widerspruchsfrei und in den entscheidenden Punkten genau darlegen konnte. Soweit die Wahrnehmungsmöglichkeiten für den Zeugen angezweifelt wurden, ist diese Frage durch das eindeutige Gutachten des technischen Amtssachverständigen in dem Sinne beantwortet, daß der Zeuge die wesentlichen Vorgänge aus seiner Position als nachfahrender Fahrzeuglenker wahrnehmen konnte.

Unter Anwendung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung, der es der Behörde gestattet, glaubwürdigen und schlüssigen Zeugenaussagen gegenüber der Verantwortung eines Berufungswerbers den Vorzug zu geben, hatte der unabhängige Verwaltungssenat von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Berufungswerber begann seinen Überholvorgang etwa am Beginn der im Sinne der Kilometrierung vor der Kreuzung F/Z/M angebrachten Sperrlinie. Zu diesem Zeitpunkt fuhren vor ihm zwei PKW, denen das Überholmanöver galt, und der Zeuge in seinem PKW hinter dem Fahrzeug des Berufungswerbers mit einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 50 km/h. Als der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug zirka auf gleicher Höhe mit dem ersten überholten Fahrzeug bzw. geringfügig weiter vorne war, erschien im Gegenverkehr ein PKW. Es konnte im Rahmen der Verhandlung geklärt werden, bei welcher Örtlichkeit sich das Fahrzeug des Berufungswerbers gerade befand, als der Gegenverkehr in Sicht kam. Nach den Angaben des Zeugen A S war dies im Kreuzungsbereich der obzitierten Straßen. Der Berufungswerber brach seinen Überholvorgang nicht ab, obwohl er den Gegenverkehr wahrgenommen haben mußte, sondern versuchte, was ihm letztlich auch gerade noch gelang, auch das vordere Fahrzeug zu überholen. In der Zwischenzeit hatte sich das entgegenkommende Fahrzeug bereits so weit angenähert, daß der Lenker zu einem Bremsund Ausweichmanöver genötigt war, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Gleichzeitig "zwängte" sich der Berufungswerber vor dem zweiten überholten Fahrzeug nach rechts auf den dortigen Fahrstreifen und nötigte hiedurch diesen Fahrzeuglenker zum Abbremsen und zum Ablenken des Fahrzeuges auf das Straßenbankett.

Dem Berufungswerber ist zwar in technischer Hinsicht zugutezuhalten, daß die Überholsichtweite zu Beginn seines Überholmanövers an und für sich ausgereicht hätte, im konkreten Falle ist diese Frage jedoch nicht entscheidend, da feststeht, daß der Gegenverkehr zum Abbremsen und Ablenken genötigt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem ähnlich gelagerten Fall folgendes ausgesprochen:

Der Inhalt der Bestimmung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 bezieht sich tatbestandsmäßig nicht auf eine am Ende eines Überholvorganges eintretende Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer - wenngleich dies die Folge eines unerlaubten Überholmanövers sein kann -, sondern auf ein dem überholenden Fahrzeuglenker erkennbares Gefährden oder Behindernkönnen bzw. einen Platzmangel. Der Lenker darf grundsätzlich nur dann überholen, wenn er in der Lage ist, die Überholstrecke zu überblicken und sich von der Möglichkeit eines gefahrlosen Überholens zu überzeugen, und hat den Versuch eines Überholmanövers abzubrechen und sich wieder hinter das vor ihm fahrende Fahrzeuge einzureihen, sobald er auf der Überholstrecke ein Hindernis oder sonst die Möglichkeit einer Gefährdung erkennt (VwGH 17.6.1981, 3097/80).

Als dem Berufungswerber die mögliche Gefährdung des Gegenverkehrs bewußt werden mußte, befand er sich etwa auf Höhe des ersten überholten Fahrzeuges bzw. geringfügig weiter vorne. In diesem Augenblick hätte dem Berufungswerber zu Bewußtsein kommen müssen, daß der Überholvorgang ohne Gefährdung des Gegenverkehrs nicht mehr weitergeführt werden konnte, insbesonders wenn man auf den Umstand Bedacht nimmt, daß die Straßenstrecke in Fahrtrichtung des Berufungswerbers eine leichte Steigung aufweist und das Beschleunigungsvermögen seines dieselbetriebenen Fahrzeuges bereits ausgeschöpft war. Die Reaktion des Berufungswerbers auf den Gegenverkehr hin hätte nicht eine Weiterführung des Überholmanövers und ein gefährlicher Abschluß desselben sein dürfen, sondern der Abbruch des Überholvorganges (vlg. auch VwGH 10.7.1981, 81/02/0017). Aufgrund des erhobenen Sachverhaltes ist die Berufungsbehörde davon ausgegangen, daß dem Berufungswerber der Abbruch des Überholvorganges zum Zeitpunkt des Ansichtigwerdens des Gegenverkehrs möglich war. Dies ergibt sich eindeutig daraus, daß der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug in diesem Augenblick noch nicht so weit vorne war, daß einem Weiterführen des Vorganges gegenüber dem Abbruch des Überholmanövers der Vorrang hätte gegeben werden müssen (vgl. VwGH 9.10.1985, 84/03/0106).

Nach dem vorliegenden Beweisergebnis muß die Behauptung des Berufungswerbers, der Gegenverkehr habe deshalb abgebremst, da ein Fahrzeuglenker aus der M in die F eingebogen sei und die Kausalität zwischen seinem Überholmanöver und dem Abbremsen des Gegenverkehrs nicht gegeben sei, als reine Schutzbehauptung abgetan werden.

Bezüglich der Übertretung gemäß § 11 Abs.1 StVO 1960 kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden, da diesbezüglich ebenfalls entsprechende Angaben des Zeugen vorliegen.

Zur Anwendung des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 im Hinblick auf die Annahme besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern ist folgendes zu bemerken:

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 9.7.1964, 76/63) ist besondere Rücksichtslosigkeit dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte gegenüber den anderen Straßenbenützern ein Verhalten an den Tag legt, in dem zu einem Tatbild der StVO 1960 ein besonderes Übermaß mangelnder Rücksichtnahme hinzutritt. Es bedarf der Anführung der konkreten, die besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begründenden Umstände im Spruch (VwGH 4.7.1989, 89/11/0070).

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses in Verbindung mit der von der Berufungsbehörde durchgeführten Ergänzung entspricht diesen Voraussetzungen sowohl in formaler als auch in materieller Hinsicht. Der Berufungswerber hat bei seinem Überholmanöver eine massive Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer dadurch in Kauf genommen, daß er den entgegenkommenden Fahrzeuglenker zum Abbremsen und Ablenken seines Fahrzeuges nötigte, was bei einer vom Berufungswerber selbst angegebenen Fahrgeschwindigkeit von mindestens 70 km/h eine besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Gegenverkehr darstellt. Dazu kommt noch, daß der Überholvorgang in einem Kreuzungsbereich stattgefunden hat, wo ebenfalls als bekannt vorausgesetzt werden kann, daß eine solche Örtlichkeit ein erhöhtes Unfallrisiko nach sich zieht.

Beim Wiedereinordnen nach dem Überholvorgang hat der Berufungswerber den Lenker des vorderen überholten Fahrzeuges zum Abbremsen und zum Ablenken auf das Straßenbankett genötigt, wobei ein solches Verhalten eine immense Unfallgefahr in sich birgt, da Lenk- und Bremsmanöver mit einem Fahrzeug, daß sich teilweise auf dem Straßenbankett befindet, für den Lenker eines solchen Fahrzeuges äußerst gefährlich sind.

Zur Strafzumessung ist zu bemerken, daß von der Erstbehörde auf die Bestimmungen des § 19 VStG Bedacht genommen worden ist. So wurden der Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden des Täters entsprechend gewürdigt. Es kann als bekannt vorausgesetzt werden, daß es durch Fahrmanöver, wie den dem Berufungswerber zur Last gelegten, immer wieder zu gravierenden Verkehrsunfällen kommt. Auch im konkreten Fall ist es offensichtlich lediglich dem Verhalten der beiden anderen Fahrzeuglenker zu verdanken, daß es zu keinem Verkehrsunfall kam.

Darüber hinaus ist festzuhalten, daß der Strafrahmen gemäß § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 von 500 S bis 30.000 S beträgt und die verhängten Geldstrafen daher als im untersten Bereich des Strafrahmens festgesetzt anzusehen sind. Milderungsgründe lagen nicht vor, als erschwerend waren mehrere, im Hinblick auf die nunmehrigen Taten als einschlägig anzusehende Übertretungen der StVO 1960 zu werten. Die von der Erstbehörde angenommenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden vom Berufungswerber nicht angezweifelt, sodaß sie auch der Berufungsentscheidung zugrundegelegt werden konnten. Zu II.: Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. S c h ö n

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 18.12.1998, Zl.: 93/02/0153

 

 

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