Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165757/2/Bi/Kr

Linz, 16.02.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau X, vertreten durch X, vom 8. Februar 2011 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 24. Jänner 2011, S-47208/10 VP, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das ange­fochtene Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 40 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Stunden herabgesetzt wird.  

 

II. Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich auf 4 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG

zu II.: §§ 65f VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 76 Abs.4 lit. iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 70 Euro (35 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 23. Oktober 2010, 15.50 Uhr, in Linz, Herrenstraße 23, von der Promenade kommend als Fußgänger die Fahrbahn betreten habe, ohne sich vorher über­zeugt zu haben, dass sie hierbei andere Straßenbenützer nicht gefährde.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 7 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäfts­ver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG). 

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe in der Begrün­dung des angefochtene Straferkenntnisses ausgeführt, sie nehme auf­grund der gleich­lautenden Schilderungen des Geschehensablaufs durch sie, den Unfall­beteiligten X (PK) und die Zeugin X (MK) von der Auf­nahme weiterer Beweismittel Abstand; aus der Sachverhaltsschilderung der Bw ergebe sich, dass sie vor dem Überqueren der Fahrbahn nicht auf einen allfälligen Fahrzeugverkehr geachtet habe. Sie habe aber schon im Einspruch gegen die Straf­verfügung vorgebracht dass sie sehr wohl vor dem Überqueren der Straße durch einen Blick nach rechts und links geprüft habe, ob sich ein Fahrzeug nähert. Der Zeuge PK habe bestätigt, dass sie Blickkontakt zu ihm aufgenommen habe, weshalb er auch angenommen habe, sie habe ihn registriert. Die Zeugin MK bestätige den Blick in die andere Richtung;  sie habe sich daher wohl überzeugt, aber der Zeuge PK sei zu schnell unterwegs gewesen, was die Zeugin MK auch bestätigt habe. Dieser habe zwar seine Geschwindigkeit mit 15 bis 18 km/h angegeben, aber schon ihre Verletzungen zeigten, dass er deutlich schneller gewesen sein musste, weshalb er auch nicht rechtzeitig wahr­genommen werden habe können. Wenn dieser nicht so schnell gewesen wäre, hätte er nämlich auch die Bw gesehen und sein Fahrrad recht­zeitig zum Stillstand gebracht oder er hätte ausweichen können. Dass sie ihn nicht gesehen habe, hänge nicht mit einem Verstoß ihrersseits gegen die StVO zusammen, sondern mit der überhöhten Geschwindigkeit des Zeugen und mit den zahlreichen Passanten auf der Straße. Der Unfall habe sich, in Fahrtrichtung des Zeugen PK gesehen, auf der linken Seite der Fahrbahn ereignet, wobei er nach eigenen Aussagen rechts an ihr vorbeifahren wollte. Damit habe er aber gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen, weil es, wenn er rechts gefahren wäre, gar nicht zur Kollision kommen hätte können. Das alles habe die Erstinstanz nicht gewürdigt. Sie habe sich vor dem Überqueren sehr wohl überzeugt und der Unfall sei durch eine Verwaltungsübertretung des Zeugen PK verursacht worden, der sich nicht an das Gebot des Fahrens auf Sicht gehalten und das Rechtsfahrgebot nicht eingehalten habe. Beantragt wird Verfahrenseinstellung.


 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass es am 23. Oktober 2010 gegen 15.50 Uhr in Linz, Herrenstraße auf Höhe des Hauses Nr.23 insofern zu einem Verkehrsunfall kam, als die Bw als Fußgängerin und der Zeuge PK als Radfahrer kollidierten, wobei die Bw Verletzungen, insbesondere Prellungen und Abschür­fungen im Gesicht mit Verlust eines Zahnes, erlitt.

Im Rahmen der Unfallaufnahme wurden am 24. Oktober 2010 PK als Beschul­digter und die Bw sowie die Zeugin MK etwa eine Stunde nach dem Unfall im AKH zeugenschaftlich einvernommen.

 

Der Zeuge PK gab an, er sei mit dem Fahrrad auf der Herrenstraße aus Richtung Spittelwiese in Richtung Rudigierstraße gefahren. Zwischen der Kreu­zung mit der Baumbachstraße und der Rudigierstraße sei ihm eine einzelne Person mitten auf der Straße entgegengekommen. Er habe daher die zunächst mit etwa 15 bis 18 km/h angegebene Fahrgeschwindigkeit etwas verringert und etwa 7 bis 8 m vor ihr geklingelt, um die Frau auf sich aufmerksam zu machen. Er habe den Eindruck gehabt, die Frau habe ihn angeschaut und registriert und daher habe er die Fahrt mit der verminderten Geschwindigkeit fortgesetzt, um an der rechten Seite der Frau vorbeizufahren. Auf gleicher Höhe habe die Frau plötzlich einen Schritt nach vorne gemacht und er habe sie vermutlich mit seiner linken Schulter gestreift, sodass sie zu Sturz gekommen sei. Durch die Kollision habe sie sich um 180 Grad gedreht und sei mit dem Kopf in Richtung Rudigierstraße auf dem Bauch zu liegen gekommen. Er selbst sei nach etwa 3 bis 4 m zum Stehen gekommen, sofort abgestiegen und zurückgekommen. Er fühle sich am Zustan­de­kommen des Unfalls nicht schuldig.

Die Zeugin MK gab an, sie seien zu viert auf der Herrenstraße vom Neuen Dom kommend stadteinwärts gegangen, sie sei rechts außen gegangen und links neben ihr die Bw. Auf Höhe des Hauses Nr.23 habe sie einen Radfahrer auf sie zukommen gesehen, der ihrer Ansicht nach sehr schnell unterwegs gewesen sei. Da sie aber ohnehin nach rechts hinübergehen wollten, habe sie einen Schritt nach rechts vorne gemacht. Der Radfahrer habe die Bw niederge­stoßen, die ihn ihrem Eindruck nach nicht gesehen habe, weil sie gerade zu ihrem Lebensge­fährten geblickt habe. Die Bw sei durch die Kollision entgegen ihre Gehrichtung gedreht worden und in der Mitte der Fahrbahn auf dem Gesicht zum Liegen gekommen. Der Radfahrer sei nach 2 bis 3 m gestanden und sei zurückge­kommen.

Die Bw gab an, sie sei mit ihrer Freundin, deren Mann und ihrem Lebensge­fährten auf der Herrenstraße vom Neuen Dom stadteinwärts gegangen. Sie habe die Fahrbahn nach rechts wechseln wollen und plötzlich auf der rechten Seite einen Schlag bekommen, wodurch sie zu Sturz gekommen sei. Sie habe gleich vermutet, dass es zu einer Kollision mit dem Radfahrer gekommen war, den sie kurz darauf an der Unfallstelle gesehen habe. Nähere Angaben zum Unfall könne sie nicht machen; den habe nur ihre Freundin gesehen. Sie habe Abschürfungen im Gesicht und Schmerzen auf der gesamten rechten Seite; sie habe einen Zahn verloren und die Brille sei gebrochen.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 76 Abs.4 lit.b StVO 1960 dürfen Fußgänger an Stellen, wo der Verkehr weder durch Arm- noch durch Lichtzeichen geregelt wird, wenn ein Schutzweg nicht vorhanden ist, erst dann auf die Fahrbahn treten, wenn sie sich verge­wissert haben, dass sie hiebei andere Straßenbenützer nicht gefährden.

 

Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Frage, wer letztendlich das Verschulden am Zustandekommen des in Rede stehenden Verkehrsunfalls trägt; diese Frage wird in einem Gerichtsverfahren zu klären sein. Gegenstand dieses Verwaltungs­straf­verfahrens ist vielmehr die Beurteilung des Verhaltens der Bw als Adressatin des Vorwurfs der Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 76 Abs.4b StVO 1960.

 

Grundsätzlich ist zu bemerken, dass die Herrenstraße im Bereich zwischen Spittel­wiese und Rudigierstraße keine Fußgängerzone und auch nicht als solche gekennzeichnet ist, auch wenn sie im Stadtzentrum liegt und von Urlaubern besuchte Sehenswürdig­keiten in ihrem Einzugsbereich liegen. Die Herrenstraße ist eine 30 km/h-Zone, dh der Zeuge PK fuhr dort erlaubterweise mit dem Fahrrad.

Die Bw, die Zeugin MK und die beiden Begleiter waren als Fußgänger auf der Fahrbahn der Herrenstraße unterwegs, wobei zwar die Absicht bestand, nach rechts in Richtung Landstraße zu wechseln, aber nach den Ausführungen sowohl der Bw als auch der Zeugen MK und PK war das nicht als zügiges Überqueren zu qualifizieren, sondern als Benutzung der Fahrbahn in Längsrichtung. Wäre der Zeuge PK als Lenker eines Pkw entgegengekommen, wäre allen klar gewesen, dass sie für den Weg stadteinwärts den aufgrund der dortigen Pflasterung als solchen erkennbaren Gehsteig zu benützen gehabt hätten, auch wenn dieser wegen der geringen Breite für ein Nebeneinandergehen zu Viert nicht geeignet ist. Ob noch andere Passanten mitten auf der Herrenstraße unterwegs waren, ist auch insofern irrelevant, als der Zeuge PK (nur) mit der Bw kollidiert ist, die offenbar gerade ins Gespräch vertieft war und nicht einmal den Unfallhergang schildern konnte, weil sie den Radfahrer überhaupt nicht gesehen hat. Anders kann wohl ihre Aussage, sie habe daraus, dass der Radfahrer nach ihrem Sturz zu ihr zurückgekehrt sei, geschlossen, dass dieser Unfall möglicherweise mit ihm zu tun gehabt habe. Schon daraus lässt sich ersehen, das die Bw auf ein Verkehrs­geschehen überhaupt nicht geachtet hat.

Damit hat sie aber zweifellos den ihr zur Last gelegten Tatbestand erfüllt – bei einem Verkehrsunfall mit Eigenverletzung greift § 99 Abs.6 lit.a StVO 1960 nicht – und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten, zumal ihr die Glaubhaft­machung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist. 

       

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 eine Geldstrafe bis 726 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zwei Wochen vorsieht.

Die Erstinstanz hat laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses – zutreffend – die Unbescholtenheit der Bw mildernd berücksichtigt und ihre finanziellen Verhältnisse – unwidersprochen – geschätzt.

Zusätzlich mildernd ist aber zweifellos die Verletzung der Bw zu berücksichtigen, sodass eine Herabsetzung der Strafe schon deshalb gerechtfertigt war.

Die nunmehr verhängte Strafe liegt unter Bedachtnahme auf § 19 VStG im unters­ten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, hält generalpräventiven Über­legungen stand und soll die Bw in Zukunft schon aus Eigenschutzüberlegungen zu mehr Vorsicht bewegen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

 

Fußgänger auf Fahrbahn – Kollision mit Radfahrer

 

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