Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-231174/3/WEI/Sic/Ba

Linz, 18.02.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des X X, geb. X, Staatsangehöriger von Gambia, X, X, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. X X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. Oktober 2010, Zl. S-37.362/10-2, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizei­gesetz zu Recht erkannt:

I.  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtenen Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt. 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG

zu II: § 66 Abs 1 VStG.

 


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 10. Oktober 2010 wurde der Berufungswerber (in der Folge: Bw) wie folgt für schuldig befunden:

 

"Wie von Beamten des SPK Linz am 29.06.2010 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 28.02.2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde "§ 120 Abs. 1 Z. 2 iVm § 31 Abs. 1 Z 2-4 u. 6 FPG" als verletzt und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung über den Bw gemäß § 120 Abs 1 FPG eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen.

 

1.2. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensablaufes und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen stand für die belangte Behörde fest, dass der Bw mangels österreichischer Staatsbürgerschaft ein Fremder iSd Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) sei und über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) verfüge. Weiters sei der Bw nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels und es komme ihm kein Aufenthaltsrecht nach den asylrechtlichen Bestimmungen zu. Da für ihn auch keine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ausgestellt worden sei, erfülle er keine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG. Er halte sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf.

Der zugestandene unrechtmäßige Aufenthalt sei unabhängig vom Vorliegen eines gültigen Reisedokuments zu sehen. Er hätte im Übrigen keine Gründe vorgebracht, die ihn gehindert hätten, bei der Vertretungsbehörde des Heimatlandes die Ausstellung eines Reisedokumentes zu beantragen.

Für die belangte Behörde stehe daher fest, dass sich der Bw tatsächlich unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufgehalten und somit gegen die angeführten Bestimmungen des FPG verstoßen habe, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen habe, bestehe ein hohes Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung (Hinweis auf Verwaltungsgerichtshof vom 19.02.1997, Zl. 96/21/0516).

In diesem Sinne sei bei der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen habe, berücksichtigt worden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien ebenfalls beachtet worden.

2. Gegen das Straferkenntnis, das dem Bw am 21. Oktober 2010 im Wege seines Rechtsvertreters zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende am 4. November 2010 und damit rechtzeitig zur Post gegebene und bei der belangten Behörde am 8. November 2010 eingelangte Berufung. Der Bw beantragt darin das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Begründend macht der Bw die Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie die inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend. Er habe nicht bestritten, sich ab der rechtskräftigen Entscheidung des Asylgerichtshofs unrechtmäßig in Österreich aufgehalten zu haben. Daran treffe ihn jedoch kein Verschulden, da er zwar ausreisewillig sei, aber sein Heimatland ihm keine Reisedokumente ausstelle. Die Behörde hätte unzureichend ermittelt, dass sich der Bw um deren Erlangung bemühe und warum keine Reisepapiere ausgestellt werden. Sowohl aus dem Asyl- als auch dem Fremdenakt würde sich ergeben, dass der Bw über keine Dokumente zur erfolgreichen Beantragung eines Reisepasses seines Heimatlandes verfügen. Trotz Bemühungen der Fremdenpolizeibehörde konnte auch kein Heimreisezertifikat erlangt werden. Entgegen den Beweisanträgen habe die Behörde den fremdenpolizeilichen Akt nicht eingesehen. Nur aufgrund dieser mangelhaften Ermittlungen und der Verletzung des Parteiengehörs sei das mangelnde Verschulden des Bw nicht festgestellt worden. Es würde einen Verstoß gegen Art 3 EMRK darstellen, wenn vom Bw verlangt würde, ohne dass er sich Reisedokumente verschaffen könnte, illegal in ein anderes Land auszureisen und sich strafbar zu machen. Insbesondere beruft er sich auf den Strafausschließungsgrund der Duldung gemäß § 46a Abs. 1 Z. 3 FPG, da aus von ihm nicht zu vertretenden tatsächlichen Gründen keine Abschiebung möglich sei.

3.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat den Verwaltungsstrafakt, Zl. S-37.362/10-2, samt Berufungsschrift - ohne vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 12. November 2010 zur Entscheidung vorgelegt.

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Berufung. Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Im Schreiben vom 8. Februar 2011 gab die fremdenpolizeiliche Behörde bekannt, dass seitens der Delegation des Heimatlandes des Bw bereits drei Termine zur Erlangung von Reispapieren storniert wurden, zuletzt am 24. Jänner 2011.

3.2. Aus der Aktenlage ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender wesentliche   S a c h v e r h a l t :

Der Bw, ein Staatsangehöriger von Gambia, reiste im Jahr 2005 nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag, der mit 27. Februar 2009 rechtskräftig abgewiesen wurde, wobei vom Asylgerichtshof auch die Ausweisung verfügt wurde (nicht wie im Straferkenntnis irrtümlich angegeben von der Bundespolizeidirektion Linz).

Das Stadtpolizeikommando Linz erstattete am 29. Juni 2010 Anzeige gegen den Bw, weil er sich seit der rechtskräftigen negativen Abweisung des Asylantrags rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte. Gegen den Bw wurde mit Bescheid vom 20. April 2009 wegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung ein Aufenthaltsverbot verhängt, welches mit Berufung vom 5. Juni 2009 bekämpft wurde.

Die Bundespolizeidirektion Linz forderte den Bw mit Schreiben vom 16. Septem­ber 2010 zur Rechtfertigung auf, wobei ihm vorgeworfen wurde, sich seit 28. Februar 2009 rechtswidrig im Bundesgebiet aufzuhalten. In seiner Stellungnahme vom 24. September 2010 rechtfertigte sich der Bw im Wesentlichen damit, dass ihn kein Verschulden treffe, da er unverschuldet keine Dokumente zur Ausreise erlangen könnte.

Daraufhin erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis, mit dem der Bw für schuldig befunden wurde, § 120 Abs 1 Z 2 FPG übertreten zu haben. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung.

Trotz mehrmaligem Ersuchen hat die Vertretungsbehörde des Bw für diesen kein Heimreisezertifikat ausgestellt.

Unstrittig verfügt der Bw über keinen Aufenthaltstitel für Österreich. Im bisherigen Verfahren ist die belangte Behörde den Angaben des Bw über seine Identität gefolgt  und davon ausgegangen, dass er ein Staatsangehöriger von Gambia ist. Zweifel an der Identität des Bw sind im Verfahren nicht aufgetaucht. Der Bw ist den Forderungen der belangten Behörde im Verfahren nachgekommen und hat somit unbestritten in jeder Phase umfassend mitgewirkt.

 

4. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 120 Abs 1 Z 2 FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 135/2009), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen

wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Nach § 31 Abs 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1.     wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2.     wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes  nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3.     wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind;

4.     solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5.     soweit sie nicht auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten oder nicht auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischen­staatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 48 Abs. 1) oder aufgrund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 67 ARHG eingereist sind;

6.     wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbe­schäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7.     soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

Nach § 120 Abs 5 FPG liegt eine Verwaltungsübertretung jedoch gemäß Abs 1 Z 2 nicht vor,

1.     wenn die Ausreise nur in ein Land möglich wäre, in das eine Abschiebung unzulässig (§ 50) ist;

2.    solange der Fremde geduldet ist (§ 46a),

3.     im Fall des Aufenthalts eines begünstigten Drittstaatsangehörigen ohne Visum oder

4.     solange dem Fremden die persönliche Freiheit entzogen ist.

Der Aufenthalt von Fremden ist gemäß § 46a FPG geduldet, solange deren Abschiebung gemäß

1.     §§ 50 und 51 FPG oder

2.     §§ 8 Abs. 3a und 09 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist oder

3.    aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich scheint,

es sei denn, dass nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerliche anerkennt.

4.2. Bis zur rechtskräftigen negativen Abweisung seines Asylantrags am 27. Februar 2009, war der Bw aufgrund des AsylG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Der Aufenthalt des Bw seit dem 28. Februar 2009 lässt sich jedoch auf keine Bestimmung des § 31 Abs 1 FPG stützen.

Dennoch kann dem Bw nicht der im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck kommende Vorwurf gemacht werden.

 

Wie dem Vorlageakt und dem ergänzenden Schreiben der belangten Behörde bzw. des Fremdenpolizeilichen Referats zu entnehmen ist, hat der Bw im Beurteilungszeitraum im fremdenpolizeilichen Verfahren umfassend mitgewirkt und ist allen behördlichen Ersuchen nachgekommen. Eine Ausreise bzw. allfällige Abschiebungsversuche in seinen Herkunftsstaat sind ausschließlich daran gescheitert, dass die Vertretungsbehörde des Bw für diesen kein Heimreisezertifikat ausgestellt hat und dafür erforderliche Termine bereits dreimal abgesagt hat. Da der Bw auch über kein Reisedokument verfügt, ist ihm eine Ausreise in einen Drittstaat weder möglich noch zumutbar.

 

Von der belangten Behörde wird nicht bestritten, dass die Abschiebung des Bw im Beurteilungszeitraum tatsächlich nicht möglich war, der Bw im Ermittlungsverfahren seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen ist und er somit die Gründe, die einer Abschiebung tatsächlich entgegen stehen, auch nicht zu vertreten hat.

 

Im Hinblick darauf ist im Beurteilungszeitraum davon auszugehen, dass der  Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet geduldet war.

 

Entgegen der ursprünglichen Ansicht der belangten Behörde liegt gemäß § 120 Abs 5 Z 2 FPG keine Verwaltungsübertretung vor.

4.3. Da die dem Bw zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet, war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungs­strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

5. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. W e i ß

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum