Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-350090/13/Bm/Sta

Linz, 24.02.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwälte x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land  vom 14.6.2010, UR96-1261-2009/Bru/Pos, wegen Übertretung des Immissionsschutzgesetzes-Luft nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 12.10.20010 zu Recht erkannt:

 

I.             Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die verletzte Rechtsvorschrift zu lauten hat: "§ 30 Abs.1 Z4 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) BGBl. I Nr. 115/1997 idF BGBl. I Nr. 70/2007 iVm § 4 Abs.1 Z2 der Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der eine Geschwindigkeitsbegrenzung für eine Teilstrecke der A1 Westautobahn angeordnet wird, LGBl. Nr. 101/2008".

 

II.         Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten
I. Instanz einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Höhe
von 60 Euro, das sind
20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

Zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 14. Juni 2010, UR96-1261-2009, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 30 Abs.1 Z4 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) eine Verwaltungsstrafe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Stunden) verhängt.

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde :

"Sie haben als Lenker des angeführten Kraftfahrzeuges die gemäß § 14 der Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich im Sanierungsgebiet auf der A1 Westautobahn erlaubte festgelegte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 54 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

 

Tatort: Gemeinde St. Florian, Autobahn A 1 bei km 162.700 in Fahrtrichtung Wien

Tatzeit: 08.11.2009, 15:12 Uhr

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 30 Abs.1 Z4 Bundesgesetz zum Schutz vor Immissionen durch Luftschadstoffe, BGBl. I Nr.115/1997 idF BGBl. I Nr. 34/2006 (Immissionsschutzgesetz-Luft, IG-L) iVm § 4 Abs.1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der eine Geschwindigkeitsbegrenzung für eine Teilstrecke der A 1 Westautobahn angeordnet wird, LGBl. Nr. 101/2008.

 

Fahrzeug:

Kennzeichen x, PKW"

 

 

2. Dagegen hat der Bw durch seine Rechtsvertretung rechtzeitig Berufung eingebracht und begründend ausgeführt, auf der bei der belangten Behörde vorhandenen Videoaufzeichnung sei erkennbar, dass der Bw auf der Autobahn eine (jedenfalls nach Abzug der Messtoleranz) ordnungsgemäße Geschwindigkeit eingehalten habe. Bei einer aus der Videoaufzeichnung ersichtlichen Geschwindigkeit von 137 km/h nähere sich das Polizeifahrzeug von hinten auf der Überholspur und fahre selbiges bei genannter Geschwindigkeit – in StVO-widriger Weise – auf einen Abstand von rund einer Wagenlänge auf das Fahrzeug des Bw auf.

Der Bw als auch die mitfahrende Gattin haben sich durch das Verhalten der Polizeibeamten (welche für diese nicht als solche erkennbar gewesen seien) berechtigt beunruhigt/bedroht gefühlt und habe der Bw (nachdem er auch von seiner Gattin mehrfach auf das rücksichtslose Verhalten des vermeintlichen Rasers aufmerksam gemacht worden sei) beschleunigt, um Abstand zwischen sich und seinen Verfolgern zu bringen.

Der für den Bw nicht als Polizeifahrzeug erkenntliche Pkw habe das Fahrzeug des Bw jedoch in weiterer Folge wiederum auf die Mittelspur verfolgt und seien der Bw als auch dessen Gattin durch das für sie nicht nachvollziehbare Verhalten ihres Verfolgers noch mehr verunsichert worden.

Es habe aus der Sicht des Bw kein vernünftiger Grund bestanden, warum jemand zuerst auf der Überholspur bei einer Geschwindigkeit von 130 bis 140 km/h derart knapp auf sein Fahrzeug auffahre und in weiterer Folge den sodann auf der Mittelspur fahrenden Bw nicht überhole, sondern sich wiederum hinter diesem einreihe.

Da der Bw sein Fahrzeug lediglich deshalb beschleunigt habe, um eine für ihn und seine Gattin objektiv gegebene Gefahrenlage abzuwenden, sei dem Bw keine Verwaltungsübertretung vorzuwerfen.

Das Einschreiten der Beamten sei in einer Weise gestaltet worden, welches geradezu darauf ausgelegt gewesen sei, den Bw zu einer Verwaltungsübertretung zu veranlassen. Es liege somit eine "hoheitliche Provokation" vor und sei selbige jedenfalls bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Wie bereits oben ausgeführt, sei für den Bw als auch dessen Gattin eine objektive Bedrohungssituation durch das Verhalten der einschreitenden Beamten gegeben. Darüber hinaus habe der Bw zu keinem Zeitpunkt eine Geschwindigkeit von 145 km/h überschritten. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei gegenständlicher Videomessung um eine ungenaue bzw. mit einem nicht ordnungsgemäß funktionierenden/untauglichen Messgerät vorgenommene Messung gehandelt habe. Zu berücksichtigen sei weiters, dass gegenständliche Messung bei sehr hohen Geschwindigkeiten und unter jeweils ändernden Abstandsverhältnissen (infolge der oftmals raschen Annäherung des Polizeifahrzeuges an das des Bw) vorgenommen worden sei. Es könne daher nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit von einer Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit beim Bw ausgegangen werden.

Weiters sei gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung nicht ordnungsgemäß kundgemacht, da entsprechend § 14 IG-L zur Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung eine Verkehrsbeeinflussungsanlage zu verwenden sei, deren konkrete Gestaltung jedoch in keinster Weise determiniert sei. Entsprechend der ordnungsgemäßen Kundmachung betreffend sonstiger Geschwindigkeitsbeschränkungen müsse festgelegt sein, in welcher Höhe bzw. welchen Dimensionierungen die Geschwindigkeitsbeschränkungen kundgemacht werden müssen. Dies sei gegenständlich nicht der Fall und könne mangels vorhandener Vorschriften für die Kundmachung nicht von einer ordnungsgemäßen Kundmachung ausgegangen werden, weshalb schon aus diesem Grund dem Bw keine Verwaltungsübertretung anzulasten sei.

 

Zusammengefasst sei auszuführen, dass sowohl die glaubwürdigen Angaben des Bw als auch dessen Gattin belegen, dass sich der Bw durch das Verhalten der einschreitenden Beamten berechtigt bedroht gefühlt habe. Auch für einen Laien sei aus gegenständlicher Videoaufzeichnung ersichtlich, dass der Sicherheitsabstand durch die einschreitenden Beamten verletzt worden sei, wodurch insbesondere der Bw von einer gegebenen Gefahrenlage für sich als auch seine Gattin ausgegangen sei. Die Angaben der einschreitenden Beamten würden sich überdies widersprechen und seien nicht nachvollziehbar. Demnach gebe x an: "Es sei der Sicherheitsabstand keinesfalls unterschritten worden"; dem widerspreche sein Kollege BI X, wonach dieser schon zugestehe, dass zum Zwecke der Anhaltung der Sicherheitsabstand auch "kurzfristig" unterschritten worden wäre. Auf Grund des vorliegenden obrigkeitlichen Verhaltens sei eine Bestrafung des Bw ausgeschlossen bzw. absolut unverhältnismäßig, da hoheitliches Handeln nicht darauf basieren dürfe, unbescholtene Bürger zu ängstigen, um selbige dann noch zu bestrafen. Bei der Strafbemessung wäre darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Bw (sein ganze Leben) einen ordentlichen Lebenswandel geführt habe und auch als Betreiber eines Transportunternehmens zu keinem Zeitpunkt verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Der Bw ist darüber hinaus für seine Gattin und die gemeinsamen Kinder sorgepflichtig. Darüber hinaus wäre bei der als straferschwerend gewerteten gravierenden Geschwindigkeitsüberschreitung zu berücksichtigen, dass verhältnismäßig zu der üblicherweise auf Autobahnen gegenständlichen Bauart eine Geschwindigkeit von 130 km/h erlaubt sei und aus diesem Grund bezugnehmend auf die für gegenständliche Autobahn vorgesehene Bauartgeschwindigkeit lediglich eine Überschreitung von 24 km/h vorliege.

 

Der Bw beantragt zum Beweis seines Vorbringens seine Einvernahme, die Einvernahme seiner Gattin, die Vorführung der Videoaufzeichnung der Landesverkehrsabteilung Oö. über verfahrensgegenständliche Autofahrt, die Einvernahme der einschreitenden Beamten, die Beischaffung eines Mess-Eichprotokolls bzw. eines Berichtes über einen durchgeführten Messversuch gegenständlichen Messgerätes, die Beiziehung eines KFZ-Sachverständigen zur Bestimmung des von den einschreitenden Beamten eingehaltenen Sicherheitsabstandes.

 

Es wird beantragt, der Oö. Verwaltungssenat möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben und das Verfahren einstellen; in eventu die Strafhöhe herabsetzen.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde und in die vorgelegten Schriftsätze sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12.10.2010, an welcher der Bw und sein Rechtsvertreter teilgenommen haben. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Als Zeugen einvernommen wurden Frau x und die Meldungsleger x und x.

 

4.1. Vor Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde folgendes verkehrstechnisches Gutachten, welches dem Bw zur Kenntnis gebracht wurde, eingeholt:

 

"Unter Zugrundelegung der Polizeianzeige und des Polizeivideos, ist zu der gegenständlichen Nachfahrt mit einem Zivilstreifenwagen der Polizei aus technischer Sicht folgendes festzustellen .

 

Gutachten :

 

Der BW lenkte am 8.11.2009 unter anderem gegen 15.12 Uhr seinen PKW – Audi A6, auf der A1. Im Zuge dieser Nachfahrt mit einem Zivilstreifenwagen der Polizei, das mit dem Videoüberwachungssystem Pro Vida ausgestattet war, wurde die gegenständliche Nachfahrt aufgezeichnet.

Dabei wurde seitens der Polizei nach der Auswertung der Videoaufzeichnung festgestellt, dass der gegenständliche Audi mit einer  Geschwindigkeit von 163 Km/h unterwegs war.

Abzüglich der Eichtoleranz von 5 % ergab sich eine vorwerfbare Geschwindigkeit von abgerundet – 154 Km/h.

 

Das Polizeivideo wurde auf dem Auswertesystem Video-Mass, der Abt. Verkehr vom Amt der O. Ö Landesregierung ausgewertet.

Bei der Auswertung zeigte sich, das der Wegstreckenzähler ( im Videobild links oben ) von einer Einblendung des Videorecorders überblendet wird und daher nicht ablesbar ist.

Die Ablesung der Wegstrecke ist erforderlich um eine Auswertung streckenbezogen  durchzuführen zu können.

Im gegenständlichen Fall ist das auf Grund der Überblendung der Wegstreckenaufzeichnung nicht möglich.

 

Es wurde daher das Video in der Weise ausgewertet, dass versucht wurde einen Nachfahrabschnitt zu finden, in dem sicher gestellt werden konnte, dass  sich das Zivilstreifen -KFZ während der Nachfahrt nicht dem Audi näherte und dadurch den Tiefenabstand  verkürzt wurde.

Wenn während der Nachfahrt der Tiefenabstand zwischen zwei Fahrzeugen  nicht verkürzt wird, sondern der Abstand gleich bleibt oder sich vergrößert, so ist die Fahrgeschwindigkeit des Zivilstreifenwagens eine Geschwindigkeit, die der BW auf alle Fälle gefahren ist.

 

Im gegenständlichen Fall wurde in der Zeit  15:12 Uhr eine Bildfrequenz ( Frame End Nr..... 3420  bis ...3600 ) festgestellt, in der das Zivilstreifen –KFZ zwischen 168 – 169 Km/h gefahren ist und sich der Abstand zwischen den KFZ entweder vergrößert hat oder gleich blieb.

Auf Grund dieser Voraussetzung kann die Geschwindigkeit des Polizei-KFZ abzüglich der 5 % Eichtoleranz im Sinne des BW vorgehalten werden.

Abzüglich der Eichtoleranz ergibt sich dabei eine Fahrgeschwindigkeit von 159 Km/h.

Der vorgeworfene Wert der Polizei mit 154 Km/h wurde daher im Sinne des BW ermittelt. Es gibt in der Bildaufzeichnung Wegstrecken, in der der BW eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 154 km/h und von 159 km/h erreichte.

Die Durchschnittsgeschwindigkeit von 159 km/h  wurde 7,2 s auf einer Wegstrecke von ca. 319 m gefahren.

Die von der Polizei vorgehaltene  Wegstrecke  um 15.12 Uhr liegt in einem Bereich der auf Grund der Überblendung der Wegstreckenaufzeichnung nicht ausgewertet werden kann.

 

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, das es in der Zeit 15.12 Uhr ein Zeitintervall von 7,2 s gibt ( Wegstrecke ca. 319 m ) in der der BW zumindest eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 159 km/h gefahren ist. Dabei wurden alle Toleranzen im Sinne des BW berücksichtigt."

 

4.2. Dieses Gutachten wurde in der mündlichen Verhandlung erörtert und ergänzend vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen ausgeführt:

"Im Hinblick auf die gegenständliche Videoauswertung ist festzustellen, dass die Wegstrecke, die sich im Videobild links oben befindet, durch eine Überblendung des Videorecorders nicht ablesbar ist. Es steht daher im gegenständlichen Fall zur Auswertung nur die Eigengeschwindigkeit des Polizeifahrzeuges zur Verfügung. Auf Grund der nicht lesbaren Wegstreckenaufzeichnung wurde bei der Auswertung wie folgt vorgegangen: Es wurde in der Zeit 15.12 Uhr in dieser 12. Minute eine Sequenz herausgesucht, in dem die Fahrgeschwindigkeit des Polizeiautos ziemlich konstant ist. Es wurde zwischen der Frame End Nummer 3420 und der Frame Nr. 3600 eine Eigengeschwindigkeit des Zivilstreifenfahrzeuges von 168 bis 169 km/h festgestellt. In dieser Zeit von 7,2 Sekunden kann photogrammetrisch nachgewiesen werden, dass sich der Abstand zwischen Polizeifahrzeug und dem Fahrzeug des Berufungswerbers nicht verringert. Tendenziell ist eine leichte Vergrößerung des Tiefenabstandes festgestellt worden.

 

Da der Tiefenabstand sich zwischen den beiden Fahrzeugen nicht verringert hat und die Fahrgeschwindigkeit des Zivilstreifenautos in diesem Bereich zwischen 168 und 169 km/h betragen hat, wurden die 168 km/h als Fahrgeschwindigkeit des Berufungswerber zu Grunde gelegt. Diese 168 km/h sind um die eichtechnische Messtoleranz von 5 % zu reduzieren, sodass sich rechnerisch eine Geschwindigkeit von 159,6 abgerundet von 159 km/h ergibt.

 

Diese 159 km/h sind in einem Zeitfenster von 7,2 Sekunden 12 Minuten nach 15.00 Uhr nachzuweisen und das Fahrzeug hat in dieser Zeit eine Wegstrecke von rund 319 m zurückgelegt. Unter Zugrundelegung der Videoaufzeichnung ist festzuhalten, dass eine Kilometrierung nicht zuordenbar ist. Die Polizeivideos lassen es nicht zu, die Kilometrierung auf dem Video abzulesen.

Es bestehen mehrere Möglichkeiten zur Geschwindigkeitsmessung.

Es gibt zwei Auswertemöglichkeiten. Zum einen befindet sich am unteren Rand des Bildes eine Bildleiste mit einer Wegstrecken- und einer Zeitaufzeichnung. Wenn diese Leiste aktiviert wird, so wird über eine längere Nachfahrstrecke der Weg und die Zeit aufgezeichnet und daraus die Durchschnittsgeschwindigkeit auf dieser Wegstrecke ermittelt. Bei dieser Geschwindigkeit, die sich auf Grund der unteren Bildleiste ergibt, ist eine mögliche Verkürzung des Tiefenabstandes in Bezug auf das vorausfahrende Fahrzeug nicht berücksichtigt.

Es gibt eine zweite Möglichkeit über eine Wegstreckenaufzeichnung, die sich links oben unter dem Datumstempel befindet. Wenn man diese Wegstreckenaufzeichnung benützt, kann man die Veränderung des Tiefenabstandes genau berechnen und den daraus ergebenden Geschwindigkeitsunterschied genau bestimmen und daher im Sinne des Berufungswerbers, wenn notwendig, berücksichtigen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist, dass sich die untere Bildleiste für eine längere Nachfahrstrecke eignet, da, wenn man mit der unteren Bildleiste nur eine Wegstrecke von 30 m zu Grunde legt, der Einfluss einer Verringerung des Tiefenabstandes sehr stark schlagend wird, während wenn man mit der oberen Wegstreckenleiste den Unterschied in der Tiefenabstandsweite genau misst,  die Geschwindigkeitsdifferenz herausrechnen kann. Welche Vorgangsweise gewählt wird, ob mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit auf längere Wegstrecken gefahren wird oder ob über die obere Bildleiste gemessen wird oder ob beide Systeme aktiviert sind, das entscheidet die Polizei. Nachdem im gegenständlichen Video die untere Bildleiste ausgeschaltet ist, ist davon auszugehen, dass eine Auswertung der Nachfahrt unter Zuhilfenahme der oberen Wegstrecke, die unter dem Datumstempel sich befindet, geplant war. Im gegenständlichen Fall kann die Nachfahrstrecke oder die Länge der Nachfahrstrecke nicht ermittelt werden, da die untere Bildleiste nicht aktiviert war und die Wegstreckenmessung unterhalb des Datumstempels nicht ablesbar ist, da sie durch eine Einblendung vom Videorecorder überblendet wird. Da im gegenständlichen Fall der Wegstreckenzähler nicht ablesbar ist, konnte die Polizei bei der Auswertung des Videos auf die Wegstrecke nicht zurückgreifen, sondern nur auf die Eigengeschwindigkeit des Polizeifahrzeuges, die im Videobild rechts unten eingeblendet ist. Bei dieser Eigengeschwindigkeit ist zu berücksichtigen, dass die nur dann vorgeworfen werden kann, wenn sichergestellt wird, dass sich der Tiefenabstand zwischen dem Zivilstreifenauto und dem Fahrzeug des Berufungswerbers nicht verkürzt. Wenn sich der Tiefenabstand vergrößert und es wird die Eigengeschwindigkeit des Polizeifahrzeuges vorgehalten, so erfolgt dann die Geschwindigkeitseinstufung im Sinne des Berufungswerbers. Andernfalls wäre es nicht zulässig, da dann der Aufholweg zu einer Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit beim Berufungswerber führen muss.

 

Im Hinblick auf die Frage der Rechtsvertretung, dass sich, wenn man den Videofilm augenscheinlich betrachtet, in der angegebenen Frame-Zeit, zwischen Endnummer 3420 und 3600, eine kurze Geschwindigkeitsunterschreitung von 166 ergibt, die bei der Eigengeschwindigkeit dargestellt wird, ist festzustellen, dass diese Geschwindigkeit in einem Zeitrahmen von 0,04 oder 0,08 Sekunden auftritt. Da als Berechnungszeit 7,2 Sekunden zu Grunde gelegt werden und in diesen 7,2 Sekunden die Geschwindigkeit praktisch zwischen 168 und 169 konstant ist, bis auf die Ausreißer, die im 0,0 Sekundenbereich stattfinden, wurden die nicht berücksichtigt, da sie zur Ermittlung einer Durchschnittsgeschwindigkeit, wenn sie bei 7,2 Sekunden in einem Zeitfenster von 0,04 oder 0,08 Sekunden auftreten, rechnerisch keine Bedeutung haben und auch durch den Abzug der 5 % Eichtoleranz mehr als abgegolten sind.

Zur der Frage der Rechtsvertretung, ob eine technische Notwendigkeit besteht, eine längere Nachfahrstrecke zu dokumentieren:

Wenn der Wegstreckenmesser, der im Bild links oben im gegenständlichen Fall überblendet ist, funktioniert, so kann die Nachfahrstrecke sehr kurz sein, es genügt da schon eine Nachfahrstrecke aus technischer Sicht von 30 oder 40 m, da eben photogrammetrisch eine Veränderung des Tiefenabstandes berechnet werden kann und entsprechend berücksichtigt werden kann."

 

4.3. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

 

Der Bw fuhr mit dem auf die x zugelassenen Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen x am 8.11.2009 um 15:12 Uhr in der Gemeinde St. Florian auf der A1 Westautobahn bei Strkm 162.700 in Fahrtrichtung Wien mit einer gemessenen Geschwindigkeit von 163 km/h. Die dort durch Verkehrsbeeinflussungssystem ausgewiesene zulässige Höchstgeschwindigkeit hat für diesen Zeitpunkt 100 km/h betragen. Unter Berücksichtigung der in Betracht kommenden Messtoleranz hat der Bw die zulässige Höchstgeschwindigkeit somit um 54 km/h überschritten.

 

Dies ergibt sich aus dem Inhalt des erstinstanzlichen Aktes, insbesondere der Anzeige sowie der Aussagen der einvernommenen Polizeibeamten sowohl vor der Erstinstanz als auch in der mündlichen Berufungsverhandlung. Dieses Beweisergebnis wurde auch durch den beigezogenen verkehrstechnischen Amtssachverständigen bestätigt.

So wurde vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen im Gutachten zusammenfassend ausgeführt, dass der Bw nach der ihm vorliegenden Aufzeichnung des Videoüberwachungssystems Pro-Vida am 8.11.2008 um 15:12 Uhr zumindest eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 159 km/h gefahren hat, wobei alle Toleranzen im Sinne des Bw berücksichtigt wurden.

Von den Zeugen x und x wurde in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar die vorgenommene Auswertung des Videos dargelegt und ausführlich erklärt, wie die Geschwindigkeitsüberschreitung bei dem vorgeworfenen Straßenkilometer 162.700 ausgewertet bzw. errechnet wurde. Vom Zeugen x wurde glaubwürdig dargelegt, dass am Tatvideo, anhand dessen die Auswertung erfolgt, die Kilometeranzeigen sehr wohl noch ersichtlich waren und die Überblendung der Kilometerangaben auf dem Video erst bei der Überspielung auf die DVD erfolgt ist.

Bereits bei der zeugenschaftlichen Einvernahme in I. Instanz wurde von den Meldungslegern bestätigt, dass sie mit den Verwendungsvorschriften für das Gerät vertraut sind und auch die Eichvorschriften eingehalten wurden.

 

Aus den im erstinstanzlichen Akt vorhandenen Unterlagen, insbesondere dem Schaltplan der Verkehrsbeeinflussungsanlage, dem Eichschein, sowie den Aussagen der einvernommenen Meldungslegern und dem Gutachten des verkehrstechnischen Amssachverständigen ergibt sich, dass die Messung korrekt durchgeführt wurde und auch ein richtiges Ergebnis gebracht hat.

 

Zum Einwand des Bw, von den Polizeibeamten sei der notwendige Sicherheitsabstand nicht eingehalten worden, wurde in der mündlichen Verhandlung vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen ausgeführt, dass zum Zeitpunkt, als sich das Zivilstreifenfahrzeug augenscheinlich dem Bw genähert hat, der Abstand nach dem Video größenordnungsmäßig rund
1 Sekunde beträgt.

 

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 30 Abs.1 Z4 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) BGBL. I Nr. 115/1997, idF BGBl. I Nr. 70/2007 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, wer ua. einer gemäß § 14 erlassenen und entsprechend kundgemachten Anordnung gemäß § 10 zuwiderhandelt.

Mit Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, LGBl. Nr. 101/2008 wurde eine solche Anordnung (Geschwindigkeitsbeschränkung) erlassen. Die Kundmachung dieser Anordnung erfolgte durch entsprechende Vorschriftszeichen in Form der vorhandenen Verkehrsbeeinflussungsanlage.

 

5.2. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes ist unzweifelhaft davon auszugehen, dass der Bw den objektiven Tatbestand des bekämpften Bescheides verwirklicht hat.

 

5.2.1. Soweit der Bw einwendet, dass die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung nicht ordnungsgemäß kundgemacht gewesen sei, da gemäß § 14 IG-L zur Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung eine Verkehrsbeeinflussungsanlage zu verwenden sei, deren konkrete Gestaltung jedoch in keinster Weise determiniert sei, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:

 

Die Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung nach § 4 der Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, LGBl. Nr. 101/2008 erfolgte gemäß § 14 Abs.6c IG-L mit einem Verkehrsbeeinflussungssystem.

Der die Kundmachung einer Geschwindigkeitsbeschränkung mit einem Verkehrsbeeinflussungssystem betreffende  § 14 Abs.6c leg. cit. verweist wiederum auf § 44 Abs.1a StVO, der wie folgt lautet:

 

Werden Verkehrsverbote, Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrserleichterungen für den Fall zeitlich nicht vorherbestimmbarer Verkehrsbedingungen verordnet und erfolgt die Kundmachung dieser Verordnung im Rahmen eines Systems, das selbsttätig bei Eintritt und für die Dauer dieser Verkehrsbedingungen die entsprechenden Straßenverkehrszeichen anzeigt (Verkehrsbeeinflussungssystem), so kann der in Abs.1 genannte Aktenvermerk entfallen. In diesem Fall ist jedoch sicherzustellen, dass der Inhalt, der Zeitpunkt und die Dauer der Anzeige selbsttätig durch das System aufgezeichnet werden; diese Aufzeichnungen sind entweder in elektronisch lesbarer Form zu speichern oder in Form von Ausdrucken aufzubewahren.

 

Solche Aufzeichnungen liegen in Form eines Schaltplanes der Verkehrsbeeinflussungsanlage mit dem geforderten Inhalt natürlich auf.

 

Soweit der Bw vermeint, dass die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung deswegen nicht ordnungsgemäß kundgemacht sei, da die Gestaltung dieser Anlage nicht determiniert sei, so wird diesbezüglich auf § 48 StVO verwiesen, der die Gestaltung und Anbringung der Straßenverkehrszeichen, worunter auch die Verkehrsbeeinflussungsanlage fällt (siehe § 48 Abs.1a StVO), zum Inhalt hat.

 

5.3. Das IG-L sieht keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens vor, weshalb § 5 Abs.1 VStG zur Anwendung kommt. Gemäß § 5 Abs.1 leg. cit. genügt daher für die Strafbarkeit jedenfalls schon fahrlässiges Verhalten.

 

5.3.1. Der Bw bringt keine Umstände vor, die an einem schuldhaften Verhalten seinerseits Zweifel zulassen. Auf Grund des ordnungsgemäß kundgemachten Vorschriftszeichens musste ihm die konkrete Geschwindigkeitsbeschränkung durchaus bekannt sei und ist zumindest von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

Soweit der Bw einen Entlastungsnachweis darin sieht, dass er sich durch das Verhalten der Polizeibeamten, im Konkreten durch einen aus seiner Sicht bei der Nachfahrt zu gering gehaltenen Sicherheitsabstand, bedroht gefühlt habe, ist dem entgegenzuhalten, dass nach den Ausführungen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen größenordnungsmäßig im schlechtesten Fall von einem Abstand von 1 Sekunde auszugehen ist.

Zu einem solchen Sekundenabstand ist festzuhalten, dass bei entsprechender Aufmerksamkeit und einer Reaktionszeit von 0,8 Sekunden, die man üblicherweise zu Grunde legt, ein Auffahrunfall auch bei einer Notbremsung des Vordermannes verhindert werden kann.

Dieser aus Sicht des Bw zu gering gehaltene Sicherheitsabstand durch die Polizeibeamten stellt jedenfalls keinen Entschuldigungsgrund dar. Vielmehr lässt dieses Vorbringen Zweifel an der Verkehrszuverlässigkeit des Bw aufkommen, wenn er sich bei Sekundenabständen dieser Art, die im Autobahnbereich bei starkem Verkehrsaufkommen immer wieder auftreten, bereits bedroht fühlt und darauf mit einer beträchtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung reagiert.

Gemessen am Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen und gewissenhaften objektiven Verkehrsteilnehmers hätte der Bw vielmehr die gefahrene Geschwindigkeit auf das zulässige Höchstmaß reduzieren müssen.

 

Dessen ungeachtet wird auf das bereits von der Erstbehörde zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.11.1993, 93/03/0236, verwiesen, wonach das knappe Auffahren anderer Verkehrsteilnehmer die Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit nicht unzumutbar macht. Im Erkenntnis vom 29.9.1993, 93/03/0199, wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich festgehalten, dass der Grund, warum eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen wurde, nicht von Bedeutung ist. Auch der vom Bf ins Treffen geführte Grund, dass er "dieses knappe Nachfahren als äußerst unangenehme Belästigung, Nötigung und Beeinträchtigung seiner Freiheit" empfunden habe, reicht nicht hin, um beim Bf für die vorliegende Tat einen Schuldausschließungsgrund annehmen zu können,

 

Die Strafbarkeit des Bw ist daher gegeben.

 

6. Zur Strafhöhe ist festzustellen:

Die belangte Behörde hat die Strafbemessungsgründe nach § 19 Abs.1 und 2 VStG herangezogen. Straferschwerend wurde die gravierende Geschwindigkeitsüberschreitung gewertet, als strafmildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit im Verwaltungsbezirk angeführt. Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse ist die Erstbehörde von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.500 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgegangen.

 

Der Bw ist dieser Schätzung mit der Angabe entgegengetreten, dass er für seine Gattin und zwei Kinder sorgepflichtig sei.

Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates ist die verhängte Geldstrafe selbst bei Berücksichtigung der nunmehr vorgebrachten persönlichen Verhältnisse angesichts der gravierenden Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit durchaus tat- und schuldangemessen. Dabei handelt es sich zwar um keinen klassischen Straferschwerungsgrund im Sinne des Gesetzes, jedoch ist aufgrund der Regelung des § 19 Abs.1 VStG  als Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen heranzuziehen, deren Schutz die Strafdrohung dient. Dementsprechend ist auch die erhebliche Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit entsprechend zu werten. Im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen, der eine Höchststrafe von 2.180 Euro vorsieht, blieb die belangte Behörde bei der Festsetzung des Strafbetrages ohnehin im unteren Strafbereich und ist nach Meinung des Unabhängigen Verwaltungssenates eine Reduzierung des Strafbetrages auf Grund der nachgewiesenen erheblichen Überschreitung nicht angemessen. Aus diesen Gründen war daher die erstinstanzliche Strafe zu bestätigen; eine Anwendung des § 21 VStG scheidet aus, da die Tat nicht hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurückblieb.

 

Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

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