Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231093/4/BMa/Mu/Th

Linz, 14.03.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des X, geb. X, türkischer Staatsangehöriger, X, X, vertreten durch Mag. Dr. X, Rechtsanwalt in X, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 5. März 2010, S-21.301/09-2, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.               Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.           Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2009 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z 2, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 135/2009 – VStG

Zu II.:  §§ 65 und 66 Abs.1 VStG


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde der Berufungsweber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Wie vom Fremdenpolizeilichen Referat der BPD Linz am 04.05.2009 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 29.03.2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt und Sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 120 Abs. 1 Z. 2 FPG iVm § 31 Abs. 1 Z. 2-4 u. 6 FPG

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe in Euro          falls diese uneinbringlich ist,      Gemäß §

                                      Ersatzfreiheitsstrafe von

€ 80,--                           48 Stunden                               120 Abs. 1 FPG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

8,-- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 € angerechnet);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

88,-- Euro."

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass die dem Bw angelastete Tat durch die eigene dienstliche Wahrnehmung eines Beamten des fremdenpolizeilichen Referates der BPD Linz sowie auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen sei. Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und der relevanten Rechtsgrundlagen wird im Wesentlichen weiters vorgebracht, dass sich nach den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, die geeignet gewesen wären, den Aufenthalt des Bw in Österreich als legal anzusehen.

 

Mildernd wurde bei der Strafbemessung die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit berücksichtigt. Der Strafbemessung wurde zugrunde gelegt, dass der Bw kein relevantes Vermögen besitze und weder Sorgenpflichten habe noch Einkommen beziehe.

 

1.3. Gegen dieses seinem Rechtsvertreter am 11. März 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 15. März 2010 – und damit rechtzeitig – per E-Mail eingebrachte Berufung vom selben Tag.

 

Darin stellt der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter zunächst den Antrag auf Aufhebung des gegenständlichen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu auf Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde bzw. in eventu auf Erteilung einer Ermahnung bzw. Herabsetzung der Strafe.

 

Weiters wird ausgeführt, dass er seit 13. Oktober 2003 im Bundesgebiet aufhältig sei und sein Asylverfahren bereits mit der Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 25. März 2009, Zl. E6 243.874-0/2008-13E, rechtskräftig negativ abgeschlossen sei. In der Folge habe die Bundespolizeidirektion Linz einen Ausweisungsbescheid erlassen. Dagegen habe er Berufung erhoben, über die aber noch nicht entschieden worden sei. Am 20. April 2009 habe er beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz einen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung gestellt. Das diesbezügliche Verfahren sei jedoch noch nicht abgeschlossen. Das Einschreiten einer Verwaltungsstrafbehörde sei nicht gerechtfertigt. Zudem werde dadurch sein Verfahren zur Erlangung einer humanitären Niederlassungsbewilligung präjudiziert, da er mit einem Eintrag in seiner Strafregisterauskunft konfrontiert werde und somit durch solche Vorstrafeneinträge die Erlangung einer humanitären Niederlassungsbewilligung unmöglich werde. Die Vorgehensweise der belangten Behörde sei willkürlich und er werde dadurch in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt. Die Geldstrafe sowie die Ersatzfreiheitsstrafe sei sowohl dem Grunde, als auch der Höhe nach, unrechtmäßig.

 

2.1. Mit Schreiben vom 25. März 2010 hat die belangte Behörde den Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt.

 

2.2. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu S-21.301/09-2 und den fremdenpolizeilichen Akt zu Zl. 1-1063318/FRB/10. Da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs.3 VStG von einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Folgender rechtlich relevante Sachverhalt wird festgestellt:

 

Der Bw ist türkischer Staatsangehörige und am 13. Oktober 2010 illegal nach Österreich eingereist. Am selben Tag hat er einen Asylantrag gestellt. Das diesbezügliche Verfahren wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 25. März 2009, Zl. E16 243.874-0/2008-13E, am 28. März 2009 rechtskräftig negativ abgeschlossen.

Am 20. April 2009 hat der Bw einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 44 Abs.4 NAG beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz gestellt.

Schließlich wurde mit Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 4. Mai 2009 gegen den Bw die Ausweisung erlassen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Sicherheitsdirektors der Sicherheitsdirektion Oberösterreich  vom 27. Mai 2010, Zl. E1/7777/2009, Folge gegeben, der angefochtene Ausweisungsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bundespolizeidirektion Linz zurückverwiesen.

Mit Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 15. September 2010, Zl. 1063318/FRB, wurde schließlich neuerlich gegen den Bw eine Ausweisung erlassen. Dagegen wurde wiederum rechtzeitig Berufung erhoben.

 

3.2. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.2.1. Gemäß § 120 Abs.1 Z2 FPG, in der zur Tatzeit geltenden Fassung, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer als Fremder

1. nicht rechtmäßig in das  Bundesgebiet einreist oder

2. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Nach § 31 Abs.1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1.   wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2.   wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3.   wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehe;

4.   solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5.   soweit sie nicht auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten oder nicht auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 48 Abs. 1) oder aufgrund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 67 ARHG eingereist sind;

6.   wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs.5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs.3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7.   soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

3.2.2. Im vorliegenden Fall ist (wie im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen) – auch vom Bw – völlig unbestritten, dass er keinen der  Tatbestände des § 31 Abs.1 FPG erfüllt, und dass somit der objektive Tatbestand des unrechtmäßigen Aufenthalts grundsätzlich gegeben ist.

 

Die Einwendung, eine Bestrafung sei nicht zulässig, da dem Bw – wegen seines am 20. April 2009 gemäß § 44 Abs.4 NAG gestellten Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aufgrund erfolgter Integration – die Tat subjektiv nicht vorwerfbar sei, bedarf allerdings einer näheren Erörterung.

 

Gemäß § 44 Abs.4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009 kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs.1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ erteilt werden,

1.                wenn der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2.                mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

 

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs.2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs.1 Z 18) erbracht werden. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 11 Abs.2 Z 1 und 5 einschließlich fremdenpolizeilicher Maßnahmen hat die Behörde unverzüglich eine begründete Stellungnahme der der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordneten Sicherheitsdirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß § 74 und § 73 AVG gehemmt. Ein einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag (Folgeantrag) ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

 

Nach Abs.5 begründen Anträge gemäß Abs.4 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Behörde über einen solchen Antrag hat die zuständige Fremdenpolizeibehörde jedoch mit der Durchführung der eine Ausweisung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1.                ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung erst nach einer Antragstellung gemäß Abs.4 eingeleitet wurde und

2.                die Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ gemäß Abs.4 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des Abs.4 Z 1 und 2 jedenfalls vorzuliegen haben.

 

Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen der Z 2 hat die zuständige Fremdenpolizeibehörde vor Durchführung der Abschiebung eine begründete Stellungnahme der Behörde einzuholen. Verfahren gemäß Abs.4 gelten als eingestellt, wenn der Fremde das Bundesgebiet verlassen hat.

 

Gemäß § 11 Abs.1 dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot gemäß §§ 60 oder 62 FPG besteht;

2. gegen ihn ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWR-Staates besteht;

3. gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs.1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs.1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten sichtvermerksfreien oder sichtvermerkspflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs.6 vorliegt oder

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

 

3.2.3. Das Asylverfahren des Bw wurde mit Bescheid des Asylgerichtshofes am 28. März 2009, Zl. E16 243.874-0/2008-13E, rechtskräftig negativ abgeschlossen. Am 20. April 2009 hat der Bw einen auf § 44 Abs.4 NAG gestützten Antrag beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz gestellt. Über den Antrag wurde bis dato nicht abgesprochen. Aus dem Sachverhalt ergeben sich keine Hinweise darauf, dass eine Antragstellung von Seiten des Bw von vornherein unzulässig oder unbegründet gewesen wäre.  

 

Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs.1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

Der Bw bringt diesbezüglich insbesondere die Stellung eines Antrags gemäß § 44 Abs.4 NAG (wie oben dargestellt) auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung – beschränkt" vor.

 

Im Beschluss vom 14. September 2009, Zl. AW 2009/21/0149-5, hat der VwGH dargelegt, dass eine Abschiebung während eines anhängigen Verfahrens nach § 44 Abs.4 NAG nicht in Betracht kommt. Dabei führte der Verwaltungs­gerichtshof begründend aus:

 

"§ 44 Abs.4 NAG sieht die quotenfreie Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung – beschränkt' unter den in dieser Bestimmung genannten weiteren Bedingungen nur für solche Drittstaatsangehörige vor, die sich im Bundesgebiet aufhalten. Daraus ist zwingend abzuleiten, dass ihnen einerseits die Befugnis zur Inlandsantragstellung zukommt und dass sie andererseits – wenn ihr Antrag nicht zurückzuweisen ist – aber auch die Entscheidung über ihren Antrag im Inland abwarten dürfen, würde doch ein Verlassen  des Bundesgebietes, sei es auch in Befolgung einer Rechtspflicht, als Konsequenz stets die Abweisung eines Antrags nach § 44 Abs.4 NAG zur Folge haben. Damit wäre indes die durch die genannte Bestimmung bezweckte Regelung für 'Altfälle' – auch wenn gemäß den Kriterien des § 11 Abs.3 NAG ein Aufenthaltstitel nicht zu erteilen wäre (siehe dazu ErläutRV 88 BlgNR 24. GP 11) – völlig 'ausgehebelt', was dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann."

 

In der Folge hat der VwGH im Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, 2009/21/0293, explizit ausgeführt, dass Anträge nach den §§ 43 Abs.2, 44 Abs.3 und 4 NAG den Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzen und daraus zwingend das Recht abzuleiten ist, die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abwarten zu dürfen (vgl. auch Erkenntnis vom 25. Februar 2010, 2009/21/2009).

 

Mit der Novelle des NAG durch BGBl. I Nr. 122/2009 hat der Gesetzgeber in § 44 Abs.5 NAG jedoch ausdrücklich festgestellt, dass Anträge gemäß § 44 Abs.4 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen. Bei Vorliegen der dargelegten Voraussetzungen hat die zuständige Fremdenpolizeibehörde jedoch mit der Durchführung der eine Ausweisung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten. Verfahren gemäß § 44 Abs.4 gelten als eingestellt, wenn der Fremde das Bundesgebiet verlassen hat.

 

3.2.4. Daraus folgt im Ergebnis, dass dem Bw ab Antragsstellung am 20. April 2009 ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgeworfen werden kann:

 

Für den Bw liegt gemäß der zitierten Judikatur eine entschuldigende Notstandssituation iSd § 6 VStG mit einem unauflöslichen Interessenkonflikt vor, wenn er einerseits zur Ausreise verpflichtet ist, eine fremdenpolizeiliche Maßnahme im Sinn des § 44 Abs. 5 NAG (noch) nicht durchgeführt wurde und andererseits aber im Inland bleiben muss, damit sein Antrag auf Verleihung eines humanitären Aufenthaltsrechtes überhaupt eine positive Erledigungschance hat (vgl. VwSen-231150/BP/Ga vom 11. Oktober 2010).

 

Da der Bw im vorliegenden Fall zumindest ab dem 20. April 2009 berechtigt war, die Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung im Inland abzuwarten, kann ihm ab dem Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr der im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck kommende Vorwurf der Schuld gemacht werden.

 

Vom Bw kann nicht verlangt werden, dass er am Tag nach der Zustellung der Entscheidung des Asylgerichtshofes sofort die Ausreise vornimmt. Da er nicht einmal vier Wochen nach der Zustellung der Entscheidung des Asylgerichtshofes den Antrag gemäß § 44 Abs.4 NAG eingebracht hat, trifft ihn für den gesamten ihm vorgeworfenen Tatzeitraum kein Verschulden. Aus diesem Grund war der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z 2 VStG einzustellen.

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 

 

 

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