Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165518/5/Kei/Bb/Eg

Linz, 14.03.2011

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung der x, vertreten durch den gerichtlich bestellten Betreuer y, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt x, vom 2. November 2010, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 24. September 2010, GZ VerkR96-62827-2009-Hai, betreffend Zurückweisung des Einspruches als verspätet, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm

§§ 24, 51 Abs.1 und 51c Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1. Mit dem Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom
24. September 2010, GZ VerkR96-62827-2009-Hai, wurde der von Herrn y als gesetzlicher Vertreter von x (der Berufungswerberin) erhobene Einspruch vom 29. Jänner 2010 gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 19. November 2009, GZ VerkR96-62827-2009, als verspätet eingebracht zurückgewiesen.  Die gesetzliche Grundlage für diesen Zurückweisungsbescheid bildet die Bestimmung des § 49 - im besonderen Abs.1 und Abs.3 - VStG.

2. Gegen diesen – nachweislich zugestellten - Bescheid vom 24. September 2010 richtet sich die am 2. November 2010 durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter mittels Telefax bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck erhobene – jedoch unbegründete – Berufung, die mangels Zustelldatum auf dem aktenkundigen Zustellrückschein im Zweifel zum Vorteil der Berufungswerberin als fristgerecht erhoben gewertet wird.

 

Über Aufforderung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 7. Dezember 2010, GZ VwSen-165518/2/Kei/Ba, wurde seitens anwaltlich vertretenen Berufungswerberin mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2010 fristgerecht eine Berufungsbegründung nachgereicht, worin im Ergebnis im Wesentlichen Rechtswidrigkeit hinsichtlich der Zustellung der Strafverfügung behauptet und Rechtzeitigkeit des durch Dr. med. Michael Mohn erhobenen Einspruches geltend gemacht wird.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat den Verwaltungsstrafakt samt Berufungsschrift mit Vorlageschreiben vom 5. November 2010, GZ VerkR96-62827-2009-Hai, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (§ 51 Abs.1 VStG), wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, die Berufung und die Berufungsergänzung.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Zurückweisungsbescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

4.1.  Für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ergibt sich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt, der seiner Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck erließ gegen die Berufungswerberin, die – zumindest – zur angezeigten Tatzeit am 6. September 2009 um 20.50 Uhr Fahrzeughalterin des Pkw mit dem Kennzeichen x (D) war, die Strafverfügung vom 19. November 2009, GZ VerkR96-62827-2009, wegen des Verdachtes der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 52 lit.a Z10a  iVm § 99 Abs.2d StVO. Die Zustellung dieser - an die Berufungswerberin gerichteten - Strafverfügung erfolgte mittels internationalem Postrückschein mit dem Vermerk "Eigenhändig" und wurde am 12. Jänner 2010 an der Abgabestelle (Wohnadresse) der Berufungswerberin ausgehändigt, wobei die Unterschrift des Übernehmenden unleserlich und nicht mit Sicherheit feststellbar ist, wer das Dokument tatsächlich an der Abgabestelle übernommen hat.

 

Mit Schriftsatz vom 15. Jänner 2010, der Post am 27. Jänner 2010 zur Beförderung übergeben, erhob Herr y als gerichtlich bestellter Betreuer der Berufungswerberin bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck Einspruch gegen die genannte Strafverfügung.

 

Am 24. September 2010 erließ die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. September 2010, GZ VerkR96-62827-2009-Hai, mit welchem der erhobene Einspruch gegen die Strafverfügung als verspätet eingebracht zurückgewiesen wurde.

 

Auf den Verspätungsvorhalt des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 7. Dezember 2010, GZ VwSen-165518/2/Kei/Ba, und der gleichzeitigen Aufforderung, allfällige Zustellmängel bzw. eine Ortsabwesenheit durch entsprechende Nachweise glaubhaft zu machen, äußerte der bevollmächtigte Rechtsvertreter der Berufungswerberin im Schriftsatz vom 22. Dezember 2010 Mängel hinsichtlich der Zustellung der Strafverfügung.

 

Begründend wurde festgehalten, dass die Rechtsmittelfrist der Strafverfügung nicht in Gang gesetzt worden und von der Rechtzeitigkeit des durch y eingelegten Einspruches auszugehen sei, zumal der Strafbescheid nicht an den gerichtlich bestellten Betreuer der Berufungswerberin sondern an die Berufungswerberin selbst gerichtet gewesen sei. Dieses Vorbringen wurde durch die Vorlage eines Beschlusses des Amtgerichtes Frankfurt am Main, GZ 45 XVII, wonach Frau yy und Herr y (beide wohnhaft x) seit 26. August 2004 bis zumindest spätestens 26. Oktober 2016 auf Grund einer Krankheit bzw. Behinderung im Sinne von § 1896 Abs.1 Satz 1 BGB der Berufungswerberin als deren Betreuer bestellt wurden. Der Aufgabenkreis der Betreuer umfasst unter anderem die Vertretung in postalischen Angelegenheiten, gegenüber Behörden, Versicherungen, Schulen uvm.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat darüber in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 49 Abs.1 des österreichischen Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

 

Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird, dann ist gemäß § 49 Abs.2 VStG das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40.

 

Gemäß § 11 Abs.1 des in Österreich geltenden Zustellgesetzes (ZustG) sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

 

Gemäß Art. 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet.

 

Gemäß Art. 10 Abs.1 des genannten Vertrages werden Schriftstücke unter anderem in öffentlich-rechtlichen Verfahren von Verwaltungsbehörden, in österreichischen Verwaltungsstraf- und in deutschen Bußgeldverfahren, usw., unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden.

 

Soll durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, so übergibt die Behörde gemäß § 3 des deutschen Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) vom 12. August 2005, (dt) BGBl. I S. 2354, zuletzt geändert durch Art. 9a des Gesetzes vom 11. Dezember 2008, (dt) BGBl. I S. 2418, der Post den Zustellungsauftrag, das zuzustellende Dokument in einem verschlossenen Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkunde.

 

Gemäß § 6 Abs.1 VwZG ist bei Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen an ihre gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Gleiches gilt bei Personen, für die ein Betreuer bestellt ist, soweit der Aufgabenkreis des Betreuers reicht.

 

Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokumentes nicht nachweisen oder ist es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es gemäß § 8 VwZG als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist.

 

5.2. Vorweg ist festzustellen, dass die Abgabestelle der Berufungswerberin (x) in der Bundesrepublik Deutschland liegt, weshalb sich die Art der Zustellung damit ebenso wie die Wirkung der Zustellung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht nach den Bestimmungen des österreichischen Zustellgesetzes richtet, sondern es ist dies nach deutschem Recht zu beurteilen (vgl. VwGH 29. Jänner 2003, 2000/03/0320).

 

Gemäß dem Beschluss des Amtsgerichtes Frankfurt am Main vom 26. August 2004 wurden yy und Herr y (beide wie die Berufungswerberin wohnhaft x) als Betreuer der Berufungswerberin bestellt, wobei deren zu besorgender Aufgabenkreis insbesondere auch die Vertretung in postalischen Angelegenheiten sowie gegenüber Behörden umfasst.

 

Davon ausgehend konnte die – ausschließlich an die Berufungswerberin gerichtete - erstinstanzliche Strafverfügung vom 19. November 2009, GZ VerkR96-62827-2009, der Berufungswerberin persönlich - auf Grund der wirksamen Betreuerbestellung im Zustellzeitpunkt - nicht rechtswirksam zugestellt werden.

 

Es ist aber davon auszugehen, dass eine Heilung des Zustellmangels eingetreten ist. Da der gerichtlich bestellte Betreuer der Berufungswerberin Herr y gegen die Strafverfügung Einspruch erhoben hat, ist ableitbar, dass ihm der Strafbescheid letztlich doch zugekommen ist und er vom Inhalt des Schriftstückes tatsächlich Kenntnis erlangt hat. Er hat auch nie behauptet, dass er die Strafverfügung nicht tatsächlich erhalten hätte. Der genaue Zeitpunkt an dem er von der gegen die Berufungswerberin erlassenen Strafverfügung Kenntnis erlangt hat bzw. diese ihm tatsächlich zugekommen ist, ist jedoch nicht bekannt. Es kann zwar vermutet werden, dass das Schriftstück bereits anlässlich der Zustellung am 12. Jänner 2010 an der Abgabestelle von ihm übernommen wurde, allerdings finden sich hiefür wenig nachweisbare Anhaltspunkte, sodass im Zweifel davon auszugehen ist, dass ihm zumindest spätestens im Zeitpunkt der Einspruchserhebung, das war der 15. Jänner 2010, die Strafverfügung tatsächlich zugekommen ist und daher mit diesem Datum der Zustellmangel geheilt und die Zustellung wirksam geworden ist.  

 

Dies hat in rechtlicher Hinsicht zur Folge, dass von der Rechtzeitigkeit des sich sowohl gegen Schuld und Strafe gerichteten - durch Herrn y erhobenen - Einspruches vom 15. Jänner 2010, zur Post gegeben am 27. Jänner 2010, auszugehen ist, woraus resultiert, dass die Strafverfügung 19. November 2009, GZ VerkR96-62827-2009, außer Kraft getreten und gemäß § 49 Abs.2 VStG das ordentliche Verfahren einzuleiten ist.

 

Demzufolge war somit spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene Zurückweisungsbescheid aufzuheben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr.  Michael  K e i n b e r g e r

 

 

 

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