Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281298/7/Kl/Rd/Pe

Linz, 23.03.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die auf das Strafausmaß beschränkte Berufung des x, x Straße x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 18. Jänner 2011, Ge96-2554-2010, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitnehmer­Innenschutzgesetz zu Recht erkannt:

 

I.     Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen wie folgt herabgesetzt werden:

       Faktum 1: 600 Euro, EFS 30 Stunden

       Faktum 2: 700 Euro, EFS 42 Stunden

       Faktum 3: 500 Euro, EFS 24 Stunden

       Faktum 4: 600 Euro, EFS 30 Stunden

       Faktum 5: 600 Euro, EFS 30 Stunden

      

II.   Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf insgesamt 300 Euro, das sind 10 % der nunmehr verhängten Geldstrafen. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: §§ 64 Abs.1 und 65 VStG.

 


 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 18. Jänner 2011, Ge96-2554-2010, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von 700 Euro, EFS 36 Stunden (Faktum 1), 800 Euro, EFS 48 Stunden (Faktum 2), 600 Euro, EFS 30 Stunden (Faktum 3), 700 Euro, EFS 36 Stunden (Faktum 4) und 700 Euro, EFS 36 Stunden (Faktum 5), wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG und § 55 Abs.4 BauV (Faktum 1), § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG und § 21 Abs.1 AM-VO (Faktum 2), § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG und § 58 Abs.2a BauV (Faktum 3), § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG und § 58 Abs.3 BauV (Faktum 4), § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG und § 87 Abs.3 BauV (Faktum 5), verhängt, weil er als Inhaber der protokollierten Einzelunternehmung x mit Sitz in x, x Straße x und Inhaber von Gewerbeberechtigungen für "Dachdecker (§ 94 Z5 GewO 1994)", "Handels- und Handelsagentengewerbe gemäß § 124 Z10 GewO 1994" und "Spengler (§ 94 Z16 GewO 1994)", jeweils am Standort x, x Straße x, nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Vorschriften des ArbeitnehmerInnen­schutzgesetzes (ASchG) in Verbindung mit der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) und der Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) eingehalten werden.

 

Anlässlich einer Erhebung durch den Arbeitsinspektor DI x am 16.9.2010 auf der Baustelle x, x Straße x, wurde Folgendes festgestellt:

 

1)    Die Arbeitnehmer x und x wurden auf dem Arbeitsgerüst auf der angeführten Baustelle beschäftigt, obwohl das Gerüst nicht sicher, insbesondere zug- und druckfest verankert war, obwohl Standgerüste freistehend standsicher aufgestellt oder an dem einzurüstenden Objekt sicher, insbesondere zug- und druckfest verankert sein müssen. Der waagrechte und lotrechte Abstand der Verankerung ist nach den statischen Erfordernissen festzulegen, insbesondere ist bei Verkleidung der Gerüste durch Netze, Planen oder Schutzwände die erhöhte Beanspruchung durch Wind zu berücksichtigen. Die Verankerungen sind in der Nähe der Gerüstknotenpunkte anzubringen. Es dürfen nur der Bauart des Gerüstes und der Art des eingerüsteten Objekts entsprechende und ausreichend tragfähige Verankerungen verwendet werden.

2)    Der Arbeitnehmer x hat von der Schaufel des Teleskopstaplers Manitou aus gearbeitet und wurde anschließend auf die Gerüstlage in ca. 4m Höhe gehoben, obwohl keine gesicherten Einrichtungen zur Personenbeförderung vorhanden waren, obwohl für das Heben von ArbeitnehmerInnen nur dafür geeignete Arbeitsmittel benützt werden dürfen. Dazu gehören insbesondere Hubarbeitsbühnen, Mastkletter­bühnen, Fassadenbefahrgeräte, Hängebühnen, Hebeeinrichtungen von Bühnen und vergleichbare Arbeitsmittel. Auf Arbeitsmitteln, die zum Heben von Lasten bestimmt sind, dürfen ArbeitnehmerInnen nur befördert werden, wenn sie über gesicherte Einrichtungen zur Personenbeförderung verfügen, insbesondere Arbeitskörbe.

3)    Der Arbeitnehmer x wurde auf dem Arbeitsgerüst auf oa Baustelle beschäftigt, wobei die Gerüstlagen teilweise nur ca. 30 cm breit waren, obwohl Gerüstlagen mindestens 60 cm breit sein müssen. Jede Gerüstlage, einschließlich der Eckausbildung, muss über die volle Länge die festgelegte Breite aufweisen. In Bereichen, in denen dies aus technischen Gründen nicht möglich ist, können die Gerüstlagen auf bis zu 40 cm Breite verschmälert werden, ausgenommen bei Arbeiten gemäß § 63 Abs.6.

4)    Der Arbeitnehmer x wurde auf dem Arbeitsgerüst auf oa Baustelle in einer Höhe von ca. 4 m beschäftigt, obwohl sämtliche Wehren fehlten und somit Absturzgefahr nach § 7 BauV bestand, obwohl bei Absturzgefahr nach § 7 Abs.2 Z2 oder 4 die Gerüstlagen mit Wehren gemäß § 8 versehen sein müssen.

5)    Der Arbeitnehmer x wurde kurzzeitig als Einweiser auf dem über 20° geneigten Dach in einer Höhe von ca. 6 m sitzend beschäftigt, wobei keine geeigneten Schutzeinrichtungen vorhanden waren, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, wie insbesondere Dachfanggerüste (§ 88).

 

2. Dagegen wurde fristgerecht eine auf das Strafausmaß beschränkte Berufung eingebracht. Begründend wurde hiezu ausgeführt, dass grundsätzlich alle Punkte die, der Arbeitsinspektor x aufgenommen hat, richtig seien. Der Berufungswerber selbst sei 5 Minuten später auf der Baustelle gewesen und hätten sich er und seine Mitarbeiter sehr kooperativ verhalten und das Fehlverhalten abgestellt bzw die Gerüstung ergänzt. Der Berufungswerber vermeint, dass in mindestens 3 Punkten eine Verwarnung zur Nachrüstung ausreichend gewesen sei. Er führe in 4. Generation das Unternehmen und habe sich auch sein Sohn auf der Baustelle befunden. Das Unternehmen habe sich immer für die Region Vöcklabruck eingesetzt, zahle Steuern, bilde Lehrlinge aus und spiele Feuerwehr in jeder Art und Weise (Hagel, Schneedruck, Sturm) und könne es leider auch vorkommen, dass eine Baustelle nicht nach Gesetzestext ausgeführt worden sei. Es bestehe aber das Bemühen um ständige Verbesserung. Im Übrigen seien zwei Baustellenüberprüfungen immer einvernehmlich abgelaufen. Es werde daher ersucht, das Strafmaß wesentlich zu reduzieren, wenn nicht gar ganz auszusetzen. Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse wurde seitens des Berufungswerbers bekannt gegeben, dass er über ein Einkommen von 12 x 1.500 Euro verfüge und seine Gattin mit ähnlichem Gehalt bei ihm angestellt sei. Überdies sei er sorgepflichtig für vier Kinder im Alter von 3, 5, 16 und 19 Jahren. Wobei der Älteste bereits im Unternehmen beschäftigt ist.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Das Arbeits­inspektorat Vöcklabruck wurde mit Schreiben des Oö. Verwaltungssenates vom 9. Februar 2011 am Verfahren beteiligt und wurde in der Stellungnahme vom 17. Februar 2011 einer geringfügigen Strafminderung zugestimmt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung konnte gemäß § 51e Abs.3 Z2 VStG entfallen, da sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Da der Berufungswerber ausdrücklich um die Herabsetzung der verhängten Geldstrafen ersucht hat, ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und ist es dem Oö. Verwaltungssenat verwehrt, hierauf einzugehen.

 

5.2. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmun­gen zuwiderhandelt.

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungs­gründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Auch bei der Strafbemessung obliegt es der Behörde gemäß § 60 AVG iVm § 24 VStG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage, gelegen an der gesetzmäßigen Bemessung der Strafe, klar und übersichtlich zusammenzufassen.

 

5.3. Die Bestimmungen des ASchG bzw der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen haben den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, weil hiedurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen.

 

5.4. Von der belangten Behörde wurden im angefochtenen Straferkenntnis über den Berufungswerber Geldstrafen von 600 Euro (Faktum 3), 700 Euro (Fakten 1, 4 und 5) sowie 800 Euro (Faktum 2) bei einem Strafrahmen von 145 Euro bis 7.260 Euro verhängt. Strafmildernd wurde die verwaltungsstrafrechtliche Unbe­scholtenheit, straferschwerend kein Umstand gewertet. Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers ist die belangte Behörde, insbesondere hinsichtlich des monatlichen Nettoeinkommens, entgegen den Angaben des Berufungswerbers, von 2.000 Euro ausgegangen. Die Sorgepflicht für vier Kinder wurde berücksichtigt.

 

Der Berufungswerber legte einen Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008, der belegen sollte, dass die gegenüber der belangten Behörde getätigten Angaben richtig sind, dem Oö. Verwaltungssenat vor. Aus diesem Bescheid ist zu entnehmen, dass der Berufungswerber im Jahr 2008 über ein Einkommen von 21.070,32 Euro verfügt hat. Es war daher davon auszugehen, dass seine im Verfahren vor der belangten Behörde getätigten Angaben der Richtigkeit entsprechen und sohin, entgegen der Ansicht der belangten Behörde, von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.500 Euro auszugehen war. Dieser Betrag war nunmehr bei der Strafbemessung durch den Oö. Verwaltungssenat heranzuziehen. Angesichts dessen erscheint dem Oö. Verwaltungssenat eine angemessene Strafherabsetzung vertretbar und eignen sich die nunmehr verhängten Geld- und Freiheitsstrafen noch, den Berufungswerber künftighin von der Begehung von Delikten wie den gegenständlichen abzuhalten.

 

Einer weitergehenden Herabsetzung der verhängten Geldstrafen stand aber das erhebliche Gefährdungspotential der vom Berufungswerber gesetzten Übertre­tungen entgegen. Immerhin befanden sich zwei Arbeitnehmer auf dem ungenügend gesicherten Gerüst bzw auf dem Dach. Überdies wurde auch die Schaufel des Teleskopladers zur Personenbeförderung zweckfremd verwendet; dies alles bei einer Absturzhöhe von 4 m (Gerüst) bzw 6 m und einer Dachneigung von mehr als 20°. Dass der 19jährige Sohn des Berufungswerbers ebenfalls auf der Baustelle tätig war – damit wollte der Berufungswerber wohl seine besondere Vorsicht zum Ausdruck bringen -, entschuldigt nicht das gesetzwidrige Verhalten des Berufungswerbers.

 

Eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG kommt nicht in Betracht, da ein Überwiegen der Milderungsgründe nicht vorgelegen ist. Die Einsichtigkeit des Berufungswerbers allein stellt noch nicht ein erhebliches Überwiegen der Milderungsgründe dar.

 

Auch liegt kein geringfügiges Verschulden vor, zumal das Verhalten des Berufungswerbers nicht erheblich hinter dem in der Strafdrohung zum Ausdruck kommenden Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Daher kam auch eine Anwendung des § 21 Abs.1 VStG keinesfalls in Betracht.  

  

Die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen waren entsprechend herabzusetzen (§ 16 VStG).    

 

6. Weil die Berufung teilweise Erfolg hatte entfällt gemäß § 65 VStG die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

 

 

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